von Entchen19
5.) Ein neuer Zauberstab
Sie wurden unterbrochen, als es an der TĂĽr klopfte und der Kellner sich erkundigte, ob sie etwas zu essen wĂĽnschten.
Herrje, es war schon fĂĽnf Stunden her, seit sie gekommen waren und inzwischen war es acht Uhr abends.
Sie bestellten beide etwas und während des Essens wandten sie sich leichteren Themen zu.
Beth erzählte von ihren Fortschritten beim Wolfsbanntrank.
„Wenn die heutige Versuchsreihe so klappt, wie ich das errechnet habe, dann können wir tatsächlich beginnen, den Feldtest zu planen“, sagte sie erfreut.
„Oh Beth, wenn das klappen würde, das wäre wunderbar. Stell dir vor, Remus würde sich nicht mehr verwandeln und es bestünde keine Gefahr, dass er den Trank vergessen würde. Hatte ich dir von unserem dritten Jahr in Hogwarts erzählt, als Remus sich plötzlich vor unseren Augen verwandelt hatte?“
Beth sagte kichernd: „Ja, hast du.“
„Ich fand es gar nicht witzig, wir schwebten in Lebensgefahr“, entrüstete sich Hermione.
„Ja“, erwiderte Beth lachend, „aber du hast Snapes Gesicht immer so herrlich beschrieben, dass mir das prägend in Erinnerung geblieben ist.“
Auch Hermione musste bei der Erinnerung grinsen.
„Ach“, sagte Beth, „das habe ich dir ja noch gar nicht erzählt. Ich habe einen neuen Zauberstab!“
Stolz zog sie ihren neuen Stab hervor.
„Ist er von Ollivander?“, fragte Hermione begeistert.
„Ja“, antwortete Beth und damit war ein neues Thema gefunden.
„Ich war gestern zufällig bei ihm.“
Nachdem Beth gestern aus der Apotheke gekommen war, stand sie plötzlich vor Ollivanders Laden. Seit sie in London war, kribbelte es sie in den Fingern einmal hereinzugehen. Aber bisher hatte sie sich beherrscht. Sie hatte ja einen Zauberstab, auch wenn er seit einem kleinen Unfall vor ein paar Monaten nicht mehr ganz akkurat mitspielte. Er hatte einen winzigen Riss bekommen.
Nun, da sie vor Ollivander stand, ging sie kurz entschlossen hinein.
Der Laden war ähnlich wie die Apotheke, altes Holz und Regale säumten die Wände und Beth fühlte sich sofort wohl.
Als sie eingetreten war, kam ein alter Mann aus dem Hinterzimmer und beäugte sie neugierig.
„Was kann ich für Sie tun Miss?“, fragte Mr. Ollivander.
„Ich habe soviel von Ihrem Geschäft und Ihren Zauberstäben gehört, Mr. Ollivander, dass ich der Versuchung nicht widerstehen konnte, einen Blick in Ihren Laden zu werfen“, gestand Beth mit einem Lächeln.
„Sie sind jederzeit willkommen sich umzusehen. Woher haben Sie denn Ihren Zauberstab? Ich kann mich nicht erinnern, Sie schon einmal gesehen zu haben.“
„Ich komme aus Deutschland und habe meinen Stab als Schülerin von Mr. Wendel erhalten“, antwortete sie.
„Oh, dürfte ich diesen vielleicht einmal sehen?“, fragte er interessiert.
Beth reichte ihm ihren Stab.
Mr. Ollivander nahm ihn genau unter die Lupe. „Sehr schön verarbeitet, Eiche mit einer Greifenfeder, ein sehr guter Zauberstab zur Verteidigung. Aber ich sehe, er ist defekt.“
Beth lächelte beschämt und sagte: “Vor einigen Monaten habe ich im Wald nicht richtig aufgepasst und wurde von einem Wolpertinger überrascht. Dabei bin ich gestürzt und auf dem Stab gelandet. Er hat dadurch einen Riss bekommen.“
„Hmm…. Warum suchen Sie sich keinen neuen Stab aus?“, fragte Mr. Ollivander.
„Es wäre mir eine Ehre, wenn Sie Ihren alten Stab durch einen von meinen ersetzen würden.“
Beth sagte strahlend: „Oh wirklich!“
Mr. Ollivander lachte. „Nur zu, ich verkaufe Zauberstäbe und ehrlich gesagt bin ich gespannt, welcher Zauberstab Sie wählen wird und inwieweit er sich von Ihrem Alten unterscheiden wird. Ich habe die Theorie, dass sich die Magie jedes Zauberers mit dem Alter verändert. Daher müssten jetzt eigentlich andere Stäbe auf Ihre Magie ansprechen, als das früher der Fall gewesen wäre.“
Beth schaute sich interessiert im Verkaufsraum um.
„Und wie funktioniert das?“
„Wir können einige Zauberstäbe versuchen, von denen ich glaube, dass sie geeignet wären. Oder Sie gehen durch den Laden und stöbern etwas und sagen mir, wenn Sie etwas gefunden haben.“
„Oh, dann möchte ich bitte suchen“, rief Beth, begeistert von dem alten Laden, den ganzen Schachteln mit Zauberstäben und der Aussicht, hier umherschauen zu dürfen.
„Nur zu“, sagte Mr. Ollivander und breitete einladend die Arme aus.
Beth ging langsam durch den Raum, sah sich um, berührte einige Regale und fühlte das alte Holz unter ihren Fingern. Einmal machte sie eine Runde durch den Laden, spürte die Schwingungen des Raumes und die Magie, die die Zauberstäbe durchdrang.
Danach stellte sie sich in die Mitte des Raumes, schloss die Augen und horchte in sich hinein.
Langsam ging sie erneut durch den Verkaufsraum, nur um dann durch die HintertĂĽr in den Raum hinter dem Laden abzuschwenken. Mr. Ollivander folgte ihr interessiert.
Beth stand vor einem hohen Regal und wartete auf ihn.
„Da oben, da spüre ich etwas“, sagte sie unsicher.
Mr. Ollivander stieg auf einen Hocker, holte einige Schachteln herunter und breitete sie auf einem Tisch aus.
„Woher genau?“, fragte er gespannt.
Beth horchte wieder in sich hinein und griff dann zu einer Schachtel, die links auf dem Tisch lag.
„Ah“, sagte Mr. Ollivander mit großen Augen.
„Sehr interessant.“
Beth schaute ihn fragend an. Die Kästchen sahen doch alle gleich aus?
Mr. Ollivander öffnete die, von Beth ausgewählte, und reichte ihr einen dunkelbraunen Stab.
„13 Zoll, Walnussholz, Einhornschweif, ein sehr ausgeglichener Stab für Verteidigungszauber, Zauberkunst und Verwandlung. Nehmen Sie ihn einmal in die Hand und schwenken Sie ihn.“
Beth griff ehrfĂĽrchtig nach dem Stab. Sobald sie ihn in der Hand hatte, glitt ein Zittern hindurch und sie fĂĽhlte, wie ihre Magie durch den Stab und wieder zurĂĽckfloss.
„Oh“, sagte sie erstaunt und dann lächelte sie Mr. Ollivander an.
„Es scheint, der Zauberstab hat gewählt“, sagte er lächelnd.
„Versuchen Sie es einmal.“
Beth vollzog in kurzer Reihenfolge ein paar Verwandlungen und Lichtzauber. Es war, als mĂĽsste sie nur den Zauberspruch denken und der Stab wĂĽrde es vollziehen.
Beth strahlte Mr. Ollivander an und sagte: „Er ist perfekt“.
„Das ist ein sehr interessanter Stab“, erzählte er langsam, „er hat eine faszinierende Geschichte.“
Beth schaute ihn gespannt an, während er auf den Stuhl neben dem Tisch wies und sich selbst setzte.
„Diesen besonderen Zauberstab hat mein Urgroßvater angefertigt. Wissen Sie, viele Menschen glauben, man erstellt einen und jeder kann diesen benutzen. Bis zu einem gewissen Umfang stimmt dies auch. Aber jeder Stab hat etwas an sich, dass ihn für einen Zauberer oder eine Hexe besonders effektiv macht. Es sind die magischen Schwingungen, die die Magie des Trägers und der Zauberstab gemeinsam haben. Und in jeden fließt auch immer etwas des Erbauers mit ein“, fing Mr. Ollivander an zu erzählen.
Beth hörte ihm gebannt zu.
„Mein Urgroßvater erschuf vor 300 Jahren zwei Zauberstäbe parallel. Beide hatten Haare desselben Einhorns in sich. Sie müssen wissen, Einhornhaare als Kern sind immer schwierig, denn das Einhorn beeinflusst unbewusst den Zauberstab mit der Intention, die es bei der freiwilligen Gabe der Haare hatte.
Zu dem Zeitpunkt, als mein Urgroßvater die Haare von einem Einhorn erbeten hatte, war er in tiefer Trauer. Sein zweiter Sohn, den er so sehr geliebt hatte, war bei einem Unfall tödlich verunglückt und er kam zu spät, um ihm noch zu helfen. Als er kurz danach in einem Wald stand, einfach um seine Trauer zu verarbeiten, kam ein Einhorn auf ihn zu, um ihn zu trösten. Dieses begriff seine Stimmung, tröstete ihn und schenkte ihm, bevor es ging, zwei seiner Schweifhaare. Nur zwei.
Und mein UrgroĂźvater begriff, was das Einhorn wollte.
Es sollten zwei Zauberstäbe gefertigt werden, die einander ergänzen würden. Sollte jemals der Träger des einen Stabes in tödlicher Gefahr sein, so würde der Träger des anderen dies wissen. Und sofern die beiden echte Zuneigung verbinden würde, würde er in der Lage sein, dem Träger in Gefahr zu Hilfe zu eilen.“
Mr. Ollivander beendete seine Geschichte und sah Beth durchdringend an.
„Natürlich ist dies nur eine Geschichte, aber wer weiß. Es ist bemerkenswert, dass dieser Stab jetzt Sie gewählt hat, wo sein Zwilling ebenfalls erst vor 25 Jahren seinen Träger gefunden hat.“
Beth sah Mr. Ollivander mit großen Augen an. „Also besitzen beide Zauberstäbe zur gleichen Zeit einen Träger.“
Mr. Ollivander nickte ernst.
Dann stand er plötzlich auf, lächelte Beth an und sagte: „Also, möchten Sie den Zauberstab haben Miss?“
Beth lachte. Was fĂĽr eine Frage.
„Wunderbar“, sagte Mr. Ollivander und grinste sie verschmitzt an. „Dann können wir jetzt ja um den Preis feilschen.“
Auch Beths Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
„Und?“, fragte Hermione gespannt, „wieviel hast du bezahlt?“.
Beth sah sie an und wirkte etwas verwundert, als sie sagte: „Es waren nur 70 Galleonen. Ich hätte gedacht, es wäre mehr. Aber Mr. Ollivander hat gar nicht so richtig ernsthaft verhandelt … Das war schon seltsam.“
Auch Hermione war erstaunt darĂĽber.
Dann fragte sie: „Weißt du, wer den anderen Stab hat?“
Beth schüttelte bedauernd den Kopf. „Mr. Ollivander wollte es nicht verraten. Er meinte, ich würde es selbst herausfinden.“
Im Inneren dachte Beth, dass es eh keine Rolle spielen würde. Sie würde es nicht zulassen, dass sie jemanden noch einmal so ins Herz schloss, wie es für den Zauber nötig war. Und sie würde nicht zulassen, dass jemand seine Zuneigung an sie verschwendete. An jemanden, der zu keiner Liebe mehr fähig war.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel
