von ChrissiTine
Nachspiel
Erschöpft, aber unendlich glücklich schlug James die Augen auf. Er warf verschlafen einen Blick auf Julias Reisewecker. Vier Uhr. Das kam ihm merkwürdig vor, denn er war überzeugt davon, erst um sechs Uhr morgens ins Bett gegangen zu sein und dass er zweiundzwanzig Stunden durchgeschlafen hatte ... Aber dann fiel ihm auf, dass die Sonne völlig anders stand als in der Früh und ihm kam der Gedanke, dass es vielleicht vier Uhr abends war. Das war auch sehr viel logischer.
Er drehte den Kopf auf die andere Seite und sah Julias blonde Locken, die auf dem Kissen neben ihm lagen und ihr Gesicht verdecken. Er konnte sehen, wie sich ihre nackte Brust hob und senkte und musste lächeln. Er hätte nie gedacht, dass es ihm so gefallen könnte, neben einer Frau aufzuwachen. Normalerweise war er froh, wenn er sie so schnell wie möglich aus seinem Bett bekam, um peinliche am-Morgen-danach-Gespräche zu vermeiden, aber bei Julia konnte er gar nicht genug davon bekommen. Diese Momente waren fast so toll wie die kurz vor dem Einschlafen.
Er richtete sich auf und strich ihr ein paar Strähnen aus der Stirn, damit er ihr Gesicht sehen konnte. Sie hatte die Augen geschlossen und reagierte nicht. Er lächelte noch breiter, beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn.
Sie begann sich zu rühren und nach ein paar Sekunden schlug sie die Augen auf.
"Hey", murmelte sie benommen und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
"Hi", flüsterte er zurück. "Gut geschlafen?"
Sie nickte kaum merklich und stöhnte auf. "Ja. Aber mein Kopf platzt gleich." Sie kniff die Augen zusammen. "Ich wusste, dass ich nicht so viel hätte trinken sollen. Ich weiß gar nicht, wie du mich überhupt soweit gekriegt hast."
"Das hast du ganz allein geschafft.", lachte er und strich ihr zärtlich über die Wange. "Und ich hab dir den Ernüchterungstrank angeboten, den Ted mir geschenkt hat. Dann hättest du jetzt keine Probleme."
"Machst du Witze? So wie das Zeug gestunken hat, hätte ich sofort gekotzt.", widersprach sie. "Aber du hast doch bestimmt auch irgendeinen Trank gegen Kopfschmerzen, oder?", fragte sie hoffnungsvoll und öffnete vorsichtig ein Auge. James wusste, wie sehr Tageslicht störte, wenn man starke Kopfschmerzen hatte.
"Du hast Glück", erwiderte er, schlug die Decke zurück und schwang seine Beine über die Bettkante. Vorsichtig befühlte er seine Schulter. Die Medimagier hatten ganze Arbeit geleistet. Er spürte schon gar nicht mehr, dass sie von einem Klatscher so stark getroffen worden war, dass so ziemlich jeder Knochen darin gebrochen gewesen war. Er ging zur Minibar, in der er mehrere Tränke gegen Kopfschmerzen aufbewahrte und holte einen heraus. Er kam wieder zurück zum Bett und drückte Julia, die sich mittlerweile stöhnend aufgesetzt hatte, die kleine Flasche in die Hand.
"Danke", sagte sie, schraubte die Flasche auf und rümpfte die Nase. "Urgh! Der stinkt ja fast so sehr wie dieser Ernüchterungstrank.", bemerkte sie. James nickte. Das war das Blöde an diesen Tränken. Sie halfen zwar fast sofort, rochen und schmeckten aber schrecklich.
"Ich weiß. Aber da musst du wohl durch, wenn du deine Kopfschmerzen loswerden willst."
Sie verdrehte die Augen. "Du könntest ruhig aufhören, so blöd zu grinsen.", sagte sie, kniff sich mit einer Hand die Nase zu und trank die Flasche in einem Zug leer. Sie erschauderte.
"Wieso sollte ich?", erwiderte er zufrieden. "Es kommt nicht oft vor, dass ich sagen kann, 'ich hab's dir ja gesagt'. Das muss ich genießen."
Sie schaute verwirrt. "Das hast du doch noch gar nicht gesagt. Oder hab ich das vielleicht schon wieder vergessen ..." Sie runzelte die Stirn.
Er lachte. "Keine Sorge, hast du nicht. Das kommt noch. Ich möchte den richtigen Moment abpassen."
Sie verdrehte erneut die Augen. "Ich würde ja jetzt sagen, dass du unglaublich kindisch bist, aber weil du gestern Abend Quidditchweltmeister geworden bist, werde ich es mir mal verkneifen."
"Wie überaus großzügig von dir!", grinste er, beugte sich vor und küsste sie lange. "Ich bin wirklich Weltmeister geworden, oder? Ich hab das nicht nur geträumt?"
Sie lächelte, hob die Hand und fuhr ihm durch seine zerzausten schwarzen Haare. "Du bist wirklich Weltmeister geworden. Und das völlig zurecht, wenn auch nur ganz knapp." Es war wirklich das spannendste Spiel der ganzen Weltmeisterschaft gewesen. Lange Zeit war Australien in Führung gewesen, die Jäger eine Einheit und, was noch wichtiger war, die Treiber präziser als alle anderen, mit denen England es jemals zu tun bekommen hatte. Sie waren absolut zurecht im Finale. Aber auch England war verdient im Finale und nach einem gut platzierten Klatscher auf den australischen Hüter gelangen ihnen eine Reihe von Toren und als James sich von seinem Besen hängen ließ, um einem Klatscher auszuweichen, der einen unvorbereiteten Jäger der Gegenmannschaft ins Gesicht traf, konnten sie sogar eine solide Führung herausarbeiten. Die englischen Treiber legten eine neuen Entschlossenheit an den Tag und kurz darauf lag England siebzig Punkte in Führung.
Doch der anvisierte Sieg geriet gehörig ins Wanken, als ihr Sucher zwar den Schnatz entdeckt hatte, aber der Klatscher direkt in seine Flugbahn katapultiert wurde und den Sucher, der die Augen nur auf dem Schnatz hatte, auf jeden Fall vom Besen gefegt hätte. James war kurz entschlossen auf den Sucher zugeflogen und hatte es zugelassen, dass der Klatscher ihn mitten in die Schulter traf, mit so einer Wucht, dass er vom Besen gefegt wurde. Aber die Schutzzauberer standen bereit und so wurde er mit einem vielfachen Wingarium Leviosa sanft auf die Erde gebracht, wo sich Medimagier sofort um ihn kümmerten. In der Zwischenzeit hatte der Sucher den Schnatz fangen können, das Spiel war beendet und England Weltmeister geworden.
Die nächsten Minuten waren die schönsten in James' Leben, als ihm als Kapitän der Pokal überreicht wurde und sie eine Ehrenrunde durch das Stadium flogen, sich seine Familie in seine Arme warf und Julia ihn mit Tränen in den Augen überschwänglich küsste. Seine jahrelange Arbeit hatte sich gelohnt, er war am Ziel seiner Träume und es war fantastisch. Er hatte sich nie besser gefühlt und er hatte bis zum Morgengrauen gefeiert, mit seinem Team, seinen Freunden, seiner Familie und Julia. Ganz besonders Julia.
"Aber das war ein schrecklich gewagtes Manöver von dir am Ende", murmelte sie und ihr Lächeln verschwand. Ein trauriger Ausdruck trat in ihre Augen.
"Es war ein kalkuliertes Risiko", widersprach James, der sie wieder lächeln sehen wollte. Er hasste es, wenn sie traurig war. "Ich wusste, dass die Schutzzauberer bereit stehen und sofort reagieren würden. Mir wäre nichts passiert, selbst wenn mich der Klatscher unglücklich am Kopf getroffen und bewusstlos gemacht hätte."
"Es sah schrecklich aus, wie du da gefallen bist. Es ging alles so schnell und wenn die Schutzzauberer nicht rechtzeitig reagiert hätten, dann ... dann ..." Ihre Stimme brach ab und eine Träne lief ihr über die Wange.
James musste ebenfalls schlucken. Er hätte nie geglaubt, dass sie das als so schlimm erlebt hatte. Er hatte damit gerechnet, vom Besen gefegt und verletzt zu werden, aber das war es ihm allemal wert gewesen, um zu gewinnen. Er wusste, dass die Zauberer um ihn herum sofort reagieren würden und das Risiko verschwindend gering war, dass ihm mehr als ein paar Minuten irgendetwas fehlen würde. Aber er wusste, dass Zusehen oft viel schlimmer war, als es selbst zu erleben.
Er wischte ihr mit seinem Daumen sanft die Tränen weg, die aus ihren Augen quollen. "Nicht weinen", flüsterte er. Er konnte nicht damit umgehen, wenn Frauen weinten. Er wusste nie, was er machen sollte und war immer unendlich dankbar dafür gewesen, dass Lily nicht nah am Wasser gebaut war und ihn lieber verprügelte, als ihm die Ohren vollzuheulen. "Bitte nicht. Julia, es ist mir doch nichts passiert, mir geht es wunderbar."
"Aber allein der Gedanke ...", beharrte sie. Sie schloss die Augen und noch immer flossen Tränen über ihre Wangen. James seufzte, beugte sich vor und küsste sie. Er konnte die salzige Flüssigkeit auf ihren Lippen schmecken, aber es störte ihn nicht. Das war die einzige Art, auf die er sie ablenken konnte, auf die er ihr zeigen konnte, dass es ihm gut ging, ohne dass noch mehr Tränen fließen mussten. Er zog sie an sich und sie schlang die Arme um seinen Nacken.
"Es geht mir gut", flüsterte er ihr eindringlich zwischen zwei Küssen zu. "Es geht mir gut."
/-/
"Also, was machen wir morgen?", wollte er etwas später wissen, während er Julia durch die Haare strich. Sie lag mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf seiner nackten Brust. "Machen wir noch irgendwo Sightseeing?"
In den letzten Wochen hatte sie ihm viel von Amerika gezeigt, berühmte Städte wie New York City, Washington und San Francisco, aber auch ihre alte Schule und Plätze, die sie als Kind geliebt hatte, als ihre Familie noch eine Familie war.
"Willst du?", fragte sie und schloss die Augen. "Wenn du noch irgendwas sehen willst, dann sag's, ich hab meine Liste so ziemlich abgearbeitet.", sagte sie.
Er zuckte mit den Schultern. "Ich bin auch zufrieden, wenn wir hier im Bett bleiben.", gab er grinsend zu und schnappte einen Moment später nach Luft, weil sie ihn in die Rippen geboxt hatte - und das nicht grade sanft. "Was? Es gibt schlechtere Möglichkeiten, die Zeit totzuschlagen."
Sie kuschelte sich noch mehr an ihn. "Die Zeit vergeht sowieso schon viel zu schnell", murmelte sie.
James seufzte. "Wem sagst du das." Morgen Abend um neun Uhr ging sein Portschlüssel zurück nach England. Als er vor zwei Monaten in Amerika angekommen war und sich vorgestellt hatte, die WM zu gewinnen, da hatte er gedacht, dass er gar nicht schnell genug wieder nach Hause kommen könnte. Sie würden im Quidditchstadion in der Nähe von London ankommen und so ziemlich jeder Quidditchfan würde dort auf sie warten und sie bejubeln und es würde ein Wahnsinnsgefühl sein ... Aber Julia würde hier sein, in Amerika, und er würde sie wahrscheinlich nie wieder sehen.
Er schluckte. Er hatte überlegt, ob er den Rat seiner Geschwister annehmen sollte. Es stimmte ja, er mochte sie mehr als jede andere Frau, mit der er je etwas gehabt hatte und zum ersten Mal konnte er sich so etwas wie eine Zukunft mit ihr vorstellen, aber es würde eine Fernbeziehung sein und er war sich sicher, dass er das vermasseln würde. Außerdem hatte er keine Ahnung, ob Julia das überhaupt wollte. Sie hatte ihm ziemlich entschieden versichert, dass sie keine Fernbeziehung haben wollte, dass sie mit sechs Wochen absolut zufrieden war und dass sie überhaupt nichts erwartete.
Er hatte nicht den Mut, etwas zu sagen, nur um zu hören, dass sie nicht wollte, dass sich ihre Beziehung fortsetzte. Er wollte nicht so verletzt werden.
Er küsste sie auf die Stirn. "Aber ich hab es ernst gemeint. Wir können die ganze Zeit im Bett bleiben, ich muss nichts mehr vom Land sehen. Du hast mir mehr als genug gezeigt." Jede Minute mit ihr war kostbar und er wollte keine verschwenden.
Sie seufzte. "Es klingt zwar verlockend, aber ... es ist dein letzter Tag. Es gibt doch bestimmt noch irgendetwas, das du noch nicht gesehen hast, aber sehen willst.", beharrte sie und richtete sich auf. James machte ein protestierendes Geräusch. Er wollte nicht, dass sie aus seinen Armen verschwand.
"Ich hab dir doch schon gesagt, ich will nichts mehr sehen.", sagte er und richtete sich ebenfalls auf.
Sie hatte mittlerweile die Decke zurück geschlagen und sich auf ihre Knie gesetzt. "Dann brauchst du mich ja nicht mehr", murmelte sie.
Er starrte sie verständnislos an. "Was?"
"Ich war dein Stadtführer, wenn du nichts mehr sehen willst, dann brauchst du mich nicht mehr." Er war so überrascht, dass er überhaupt nicht reagieren konnte. "Und wir hatten in den letzten Tagen so viel Sex, dass ich eine Pause brauche." Sie strich sich ein paar Haare aus dem Gesicht. "Dann kann ich gehen."
"Nein!", rief James entsetzt. Sie hatten noch einen Tag, sie konnte noch nicht gehen. Und sie wollte doch auch gar nicht gehen! Oder?
Sie atmete tief durch und stand auf. Sie sah sich im Zimmer um, begann, ihre Sachen aufzusammeln und sich anzuziehen. James beobachtete sie wie in Trance.
"Was machst du denn da?", fragte er immer noch völlig überrascht. "Komm wieder ins Bett!"
Sie verschloss ihren BH und zog sich ihre Bluse an. "James ... willst du irgendwann wieder kommen? Hierher?", fragte sie völlig unerwartet.
"Ich ... was?", er beobachtete, wie sie in ihre Jeans schlüpfte und versuchte zu begreifen, was hier vor sich ging. "Ich ... ich hab nicht darüber nachgedacht." Er fuhr sich nervös durch die Haare. "Ich weiß nicht."
"Du weißt nicht?", fragte sie und ihre Stimme brach. "Du hast nie darüber nachgedacht, ob du nicht noch mal nach Amerika kommen willst?" Sie zog ein Haargummi aus ihrer Hosentasche und band sich ihre Haare zurück. "Überhaupt nicht?" Tränen glitzerten in ihren Augen und er hatte keine Ahnung, warum.
"Ich ... nein", er schluckte. Was wollte sie von ihm? "Ich meine ... es ist schön hier und alles ... vielleicht schon, warum nicht ..."
Sie nickte, ergriff ihren Zauberstab, der auf dem Tisch lag und mit einem Schwenk hatte sie ihre High Heels an den Füßen. Nach einem weiteren Schwenk waren die wenigen Sachen, die sie in seinem Hotelzimmer hatte - Zahnbürste, Reisewecker, Bürste, frische Unterwäsche, ein Buch - in ihre Umhängetasche geflogen, die auf einem Stuhl lag. Sie seufzte.
"Hör zu, James, es war eine schöne Zeit mit dir. Viel schöner, als ich erwartet hatte. Ich hab die Momente mit dir sehr genossen und ich werde mich immer an diese sechs Wochen erinnern, aber ... ich glaube nicht, dass ich diesen letzten Tag noch mit dir aushalten kann, immer im Hinterkopf, dass der Moment, in dem du gehen musst, immer näher rückt ... ich geh lieber jetzt schon, schnell, bevor ich noch lange darüber nachdenken kann ..."
"Aber ... aber wir haben doch noch einen Tag ... ich will nicht, dass du schon gehst ... ich ..." Er hatte gedacht, dass er noch Zeit hatte, sich auf diesen Moment vorzubereiten, er hatte nicht damit gerechnet, so davon überrollt zu werden, so völlig unfähig zu sein, irgendetwas dagegen zu tun ...
Sie hatte ihre Umhängetasche verschlossen und sie über ihre Schulter gestreift. Sie kam zum Bett, beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. "Mach's gut, James.", flüsterte sie mit belegter Stimme. "Ich hab mich wirklich sehr gefreut, dich kennen zu lernen, ich hab mich sehr gefreut, dass du mir die Chance gegeben hast, dich kennen zu lernen, sodass ich jetzt weiß, wer du bist ... Unter anderen Umständen hätte es vielleicht besser laufen können zwischen uns ... wir hätten mehr sein können ... aber so ist das Leben." Sie fuhr ihm durch seine Haare. "Alles Gute, James."
Sie wischte sich unwirsch über ihre Augen, richtete sich wieder auf und ging mit schnellen Schritten zur Tür. Sie drehte sich noch einmal um, lächelte ihn gezwungen an und öffnete dann die Tür.
James begriff erst langsam, was hier alles vor sich ging, aber als er endlich soweit war, vom Bett aufzustehen und "Julia, warte!" zu rufen, war die Tür schon ins Schloss gefallen und die erste Frau, die er vielleicht hätte lieben können, war aus seinem Leben verschwunden.
TBC...
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A/N: Danke an alle, die einen Kommentar hinterlassen haben und alle anderen, die diese FF lesen und sie auch aboniert haben.
@Silverlung: Danke zuerst für den Hinweis, mir ist gar nicht aufgefallen, dass mein Postfach voll ist. Das mit der E-Mail-Adresse kann ich völlig verstehen, die geb ich auch ungern raus (ich hab für solche Fälle eine zweite E-Mail-Adresse, wo man meinen Namen nicht erkennen kann).
Was den Stammbaum angeht, so eine Art Plan gibt es auch auf meinem Livejournal:
1. James, Albus und Lily
2. Rose, Hugo und Scorpius
3. Victoire, Dominique, Louis und Teddy
4. Fred und Roxanne
5. Molly und Lucy
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