von Nitsrek
Hermine lag auf ihrem Bett und starrte den Baldachin an. Es war bereits dunkel und völlig still. Helligkeit ließ ihre Augen schmerzen, doch sie nichts dagegen tun. Ihre Augen schwirrten zu der schwebenden Lichtkugel, die er ihr gegeben hatte.
Es bedeutet nichts. Meine Eltern sind reich und ich weiß sehr gut, wie verwöhnt ich bin. Ich habe viele Dinge, die ich nicht brauche.
Ja, fein, ihr hatte es schon etwas bedeutet. Es bedeutete, dass er ihr zugehört und versucht hatte, einen ihrer Wünsche zu erfüllen. Er hätte es nicht tun müssen; sie hatte es ganz sicher nicht von ihm erwartet, aber dennoch hatte er es getan. Trotz der peinlichen Art und Weise, auf die er es getan hatte, war es wirklich süß. Zumindest hatte sie das zu jenem Moment gedacht.
Sie hatte keine Tränen mehr und Taubheit hatte ihren Körper und ihren Verstand übernommen. Ginny hatte Recht. Es hatte lange gedauert, bis Hermine endlich zu diesem Schluss gekommen war, doch Ginny hatte tatsächlich Recht. Nach allem, was er ihr heute gesagt hatte, gab es keinen Zweifel mehr.
„Er will dich nicht. Er hat keine Gefühle für dich. Er benutzt dich nur! Ich kann nicht einfach nur rumstehen und zusehen, wie du wegen Jemandem wie ihm jeden hintergehst und verletzt! Entweder du ziehst einen Schlussstrich oder du erzählst auch Harry und Ron davon. Du bist doch angeblich ihre Freundin! Wenn du es nicht tust, muss ich es tun!“
Es war vorbei. Eine weitere Träne, von der sie gedacht hätte, es gäbe sie nicht, rollte ihre Wange hinunter.
Sie sollte einfach darüber hinwegkommen. Sie sollte es abstreifen und wieder keine Gefühle für ihn haben. Das war sehr viel leichter gesagt als getan. Es half gewiss nicht, sich immer wieder an die Momente zu erinnern, als er den Eindruck erweckt hatte, dass er Gefühle für sie hegte, als würde er sich zumindest ein bisschen in sie verlieben.
Was glaubst du, was das hier ist? Eine epische Liebesgeschichte? Wir haben gefickt, wurden erwischt und jetzt ist es vorbei! Das wahre Leben hat uns eingeholt, Prinzessin.
Sie hatte nie erwartet, dass er zustimmen würde, mit ihr in aller Öffentlichkeit eine Beziehung zu führen – so dumm war sie auch nicht – aber wenigstens etwas mehr hatte sie sich erhofft. Ein bisschen Widerwillen oder Bedauern von seiner Seite wären nett gewesen. Aber nein, er hatte sie einfach rücksichtslos entsorgt und stattdessen mit Shaw geschlafen.
Sie hatte eine bildliche Vorstellung davon, wie er mit Shaw ebenso viel Lust verspürte wie scheinbar immer mit ihr und der Schmerz drohte, sie zu zerbrechen, ihr den Atem zu nehmen. Sie versuchte wieder, ihn zu verdrängen.
Natürlich hatte er jedes Recht, zu schlafen, mit wem er wollte, aber… Warum konnte er nicht sie wollen? Es machte ihr nichts aus, Ginny und ihre Freunde anzulügen, so lange sie mit ihm zusammen sein konnte! Das sollte sie schockieren, tat es aber nicht. Sie wusste schon seit geraumer Zeit, dass ihre Prioritäten sich merklich verschoben hatten. Es ging sie sowieso verdammt nochmal nichts an; es war ja nicht so, als würde sie jetzt auf Voldemorts Seite stehen.
Okay, vielleicht hatte die Zeit, die sie mit ihm verbrachte, sie etwas geändert; sie gewissen Dingen gegenüber offener werden lassen, doch ihre Ansichten und ihre Treue war noch die gleiche. Das würde sie für niemanden ändern; nicht einmal, wenn sie kein Schlammblut, wie er sie so freundlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit genannt hatte, gewesen wäre.
Wieso war sie plötzlich nicht mehr gut genug in seinen Augen? Machte es tatsächlich so viel aus, dass Ginny es nun wusste? Sie hatte ihm noch nicht einmal von Ginnys Drohung erzählt. Lag es daran, dass sie nicht so hübsch war wie Shaw? Vielleicht, wenn sie ihre Haare glätten und sich schminken würde… Nein, so hübsch würde sie nie sein, aber vielleicht wäre sie trotzdem ansprechend, wenn sie sich ein wenig ins Zeug legen würde.
Oder hatte sie ihn in Wirklichkeit im Bett nicht so befriedigt, wie sie immer vermutet hatte? Nach seiner Nacht mit Shaw schien er sehr viel erschöpfter als jemals bei ihr… Er hätte ihr doch sagen können, was sie hätte tun müssen, damit er vollends befriedigt wäre. Es machte ihr nichts aus, ein wenig versaut zu sein. Es machte ihr auch nichts aus, nicht wieder ‚Liebe zu machen’. Sie würde alles tun.
Sie wusste, wie erbärmlich sie war. Es sah ihr überhaupt nicht ähnlich. Sie war sich dennoch der Wahrheit, die hinter diesen Gedanken steckte, bewusst. Es sollte sie entsetzen. Tat es aber nicht.
Immerhin wäre es dumm von ihr, nicht bemerkt zu haben, dass sie sich unabänderlich in ihn verliebt hatte, trotz seiner wirklich zahlreichen Macken.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu Ginny, die sie anschrie.
„WAS bringt dich nur dazu? Liebst du ihn? Komm zu dir, Hermine, das ist keine Liebe. Wenn du Liebe willst, schau dir meinen Bruder an. Er sehnt sich seit Jahren nach dir, versucht, deine Aufmerksamkeit zu erregen und geht mit dieser dummen Schlampe aus. Aber der ist nicht gut genug für dich, was? Oh nein, es muss jemand sein der gemein und hasserfüllt und beleidigend ist… Wage es nicht, zu behaupten, dass Malfoy nicht so ist!“
In letzter Zeit, wenn er verletzende Dinge zu ihr sagte, glaubte sie, kurz Schmerz in seinen Augen aufflackern zu sehen, doch er war jedes Mal verschwunden, bevor sie sich sicher sein konnte. Wahrscheinlich war es nur Wunschdenken. Sie sollte mit diesem Wunschdenken und Schmachten aufhören und anfangen, sich der Realität zu stellen.
Tatsache: Er hatte sie abserviert.
Tatsache: Er war jetzt immer gemein und verächtlich ihr gegenüber, teilweise sogar gewaltsam.
Tatsache: Er schlief mit Shaw.
Tatsache: Er hatte nicht einmal im Ansatz Gefühle für sie und machte sich offen über ihre lustig.
Was hat Liebe mit ficken zu tun? Ich hoffe, du kennst dich genug aus, um das nicht durcheinander zu bringen. Ich würde es hassen, wenn ein Schlammblut zärtliche Gefühle für mich hegen würde.
Schmerz durchbohrte sie und ihre trockenen Augen brannten.
Wusste er, dass sie sich in ihn verliebt hatte? Lachte er mit seinen Freunden im Gemeinschaftsraum darüber? War es nur ein kranker Scherz gewesen, um zu sehen, wie lang er es durchziehen konnte? Erzählte er jedem, was für eine leichtgläubige Idiotin sie doch war?
Sie konnte es nicht glauben, und sie würde es auch nicht glauben!
Es ist nicht meine Schuld, dass du so verdammt naiv bist, mit jedem ins Bett zu springen, der dir schöne Augen macht.
Nicht mit jedem, nur mit ihm. Es hatte nie jemand anderen gegeben. Das wusste er auch. Er wusste, dass sie eine Jungfrau gewesen war und dass er allein ihr wunder Punkt war. Das musste er einfach wissen. Aber es war ihm egal, oder nicht? Sie war nicht die Einzige für ihn gewesen und er fügte sie nur noch seiner Liste hinzu, berührte andere Mädchen, war mit ihnen intim…
Und trotzdem konnte sie ihn nicht hassen. Sie wollte nichts mehr, als dass er sagte, es täte ihm leid und sie dann küsste – und sie wusste, dass sie ihm sofort vergeben würde.
Sie hätte nie gedacht, dass sie so schwach und rückgratlos sein könnte oder dass sie sich mit weniger als einer richtigen Beziehung zufrieden geben würde.
Sie nahm an, dass der Grund war, dass es niemals eine richtige Beziehung gegeben hatte. Sie hatte sich von Anfang an ‚zufrieden geben’ müssen. Trotzdem hatte ihr das mehr Vergnügen bereitet als eine echte Beziehung mit allen anderen, die ihr einfielen, es hätte tun können.
Er war nicht so schlecht wie alle, einschließlich er, scheinbar dachten. Er hatte sie nie wirklich schlecht behandelt. Er sagte manchmal Dinge, ohne nachzudenken, ja, aber bisher konnte sie immer an seinem Blick oder seiner Berührung erkennen, dass er sie nicht so meinte. Er hatte sich oft entschuldigt, seine Worte zurückgenommen und sogar versucht, ihretwegen zu anderen netter zu sein, obwohl er es nicht musste. Seine Liebkosungen waren immer zärtlich gewesen, außer, wenn sie es anders wollte, und er hatte sie nie unbefriedigt gelassen. Er hatte sich wirklich geändert, wenn auch nur zeitweise.
Es war alles so unbeständig.
Was sollte sie glauben? Seine grausamen Worte und Taten oder seinen Blick, nachdem sie Liebe gemacht hatten?
Sie nahm an, dass es keine Rolle spielte; er war ihrer müde geworden und weitergezogen.
Sie drehte sich um und vergrub schluchzend ihren Kopf in ihrem Kissen. Es waren also doch noch Tränen übrig.
*****
Hermine wusste, dass sie am darauf folgenden Tag scheußlich aussah, doch es war ihr egal. Ihre Augen waren geschwollen und rot umrandet, ihre Nase ebenso. Ihre Haut hatte einen Graustich und selbst ihr Haar wirkte noch stumpfer als sonst.
Wen wollte sie überhaupt beeindrucken? Sie überlegte, dass es nur eine andere Art und Weise wäre, damit umzugehen: Wundervoll aussehen und vielleicht sogar ein wenig flirten, aber das funktionierte nur, wenn der Junge sich auch dafür interessierte. Ihr Junge hatte kein Interesse.
Sie ging gehorsam zum Frühstück, wo sie einfach nur da saß und ihren Toast anstarrte. Manchmal piekste sie ihn auch.
Es überraschte sie nicht, dass getratscht wurde; immerhin hatte ihr Zusammenbruch ziemlich öffentlich stattgefunden. Und wenn das nicht gereicht hatte, hatte es wohl geholfen, dass Harry und Draco sich geprügelt hatten. Beide hatten dafür wochenlanges Nachsitzen bekommen und keiner hatte von Madam Pomfrey mehr als eine oberflächlich Untersuchung bekommen, weswegen beide blaue Augen und aufgeplatzte Lippen aufwiesen. Gerüchten zufolge hatte Draco sogar eine angebrochene Rippe, doch es war unmöglich, festzustellen, ob er nicht einfach nur übertrieb. Immerhin wusste er, wie das ging.
Eigentlich sollte es für die beiden nur eine Lektion sein, sich nicht zu raufen, doch für Hermine machte es alles nur noch schlimmer, da viel spekuliert wurde und sie mittendrin stand. Weder Draco noch Harry hatten sich zu der Sache geäußert, was alles nur noch schlimmer machte. Harry war sich natürlich – Gott sei Dank – nicht völlig sicher, was Draco angestellt hatte, nur, dass er sie zum Weinen gebracht hatte. Draco andererseits konnte sich schnell eine Lüge einfallen lassen. Sie nahm an, dass es nur eine weitere Möglichkeit war, sie zu quälen.
„Hermine?“, sagte Ron und berührte ihren Arm.
Sie hob ihren Blick und sah ihn an.
„Hast du nicht zugehört?“, fragte er.
Sie schüttelte langsam ihren Kopf.
Er zog eine Grimasse. „Ich weiß nicht, was Malfoy gestern zu dir gesagt hat, aber ich verstehe nicht, warum es dich bedrückt. Du weißt doch genau, dass man nicht auf ihn hören sollte. Er war schon immer ein fieser Mistkerl; das liegt in seinen Genen.“
Sie sah ihn einfach nur ein paar Minuten an, oder besser gesagt durch ihn durch und seufzte dann. „Nein, ich glaube, du würdest das nicht verstehen.“
„Dann erklär’s mir“, sagte er.
Hermine schüttelte wieder den Kopf.
„Schau, ich weiß, dass du dachtest, dass er unter deinem Einfluss total nett geworden ist, aber so ist es einfach nicht. Das zeigt nur, dass nicht jeder Mensch geändert werden kann, oder? Manche Leute lassen sich einfach nicht ändern. Sie sind so geboren – es liegt ihnen im Blut!“
Hermine spürte, wie ihre Teilnahmslosigkeit abflaute und durch Wut ersetzt wurde. „Halt deine dummen Klappe“, knurrte sie und erntete einen geschockten Blick von Ron.
„Hermine, es gibt keinen Grund -“
„Inwiefern ist das, was du gerade gesagt hast, auch nur im Geringsten besser als dieser Unsinn, den ein Reinblut-Fanatiker von sich geben könnte?“, unterbrach sie ihn mit lauter Stimme und erntete noch ein paar mehr überraschte Blicke. „Die Welt wäre ein sehr viel angenehmerer Ort und es gäbe keinen ‚Dunklen Lord’, wenn dämliche Zauberer wie du endlich kapieren würden, dass das einzige, was bei Blut irgendeiner Erwähnung bedürfte, die Werte sind!“ Sie stand auf und neigte ihren Oberkörper nach vorne, um einen sehr bleichen Ron anzuschreien. „Jeder kann verdammt noch einmal sein, was er will. Manche Menschen wollen nun mal gerne Trottel sein. Lass das Blut zur Hölle nochmal da raus!“
Sie wandte sich zum Gehen und bemerkte, dass sie inzwischen eine ziemliche Menge an Zuschauern hatte. Kalte graue Augen in einem blassen, ramponierten Gesicht beobachteten sie vom Slytherin-Tisch mit scheinbar wenig Interesse und Shaw sah sie wissend und mitleidig an.
Sie wusste Bescheid? Ausgerechnet ihr hatte er davon erzählt?
Ihr Herz drohte durch ihre Brust zu schlagen und sie fühlte sich, als würde ihr schlecht werden. Das konnte nicht sein! Shaw konnte nicht wissen, dass sie und Draco etwas miteinander hatten. Jetzt war ihre Demütigung vollkommen.
Sie eilte aus dem Saal.
*****
Hermine konnte nicht schlafen. Immer, wenn sie es versuchte, immer, wenn sie ihre Augen schloss, hatte sie nur eine Sache in ihrem Kopf. Es fraß sie auf. Sie schwor vor sich selbst, dass sie nie wieder jemandem erlauben würde, so einen Einfluss auf sie zu haben, da es einfach Folter war. Sie ignorierte absichtlich die Tatsache, dass sie nichts ändern würde, selbst wenn sie die Möglichkeit dazu hätte.
Seufzend kletterte sie aus ihrem Bett und zog ihren Umhang an. Lavender schnarchte und regte sie damit glücklicherweise so auf, dass sie abgelenkt war, also ging sie hinunter in den Gemeinschaftsraum.
Als sie ihn betrat, fand sie ein Fünftklässler-Pärchen vor, dass sich heftig küsste. Hermines erster Gedanke war, die Vertrauensschülerin raushängen zu lassen und dieses Verhalten zu untersagen, doch sie erkannte, dass es heuchlerisch von ihr wäre. Abgesehen davon war sie eher eifersüchtig als aufgebracht.
Sie berührte ihren Kopf mit ihrem Zauberstab und machte sich unsichtbar, schlich an dem Liebespaar vorbei (das sie wahrscheinlich nicht einmal bemerkt hätte, wenn sie lautstark die Schulhymne gesungen und über sie drüber getrampelt wäre). Das Gemälde schloss sich hinter ihr und sie lief einfach weiter.
Wie oft hatte sie sich schon hinaus geschlichen? Wie oft hatte sie vorgegeben, ins Bett zu gehen, nur um dann acht Stockwerke tiefer zu schleichen und ihre verbotene Frucht zu verzehren? Sie fragte sich kurz, ob sie sich überhaupt anziehend gefunden hätten, wenn es nicht falsch und aufregend gewesen wäre.
Obwohl sie annahm, dass der Sex dadurch manchmal erst den richtigen Kick bekam, war sie doch überzeugt, dass sie sich trotz allem auch so zu ihm hingezogen gefühlt hätte. Bei Gott, in den seltenen Momenten, wenn er sie aufrichtig angelächelt hatte, wäre sie mit durch die Hölle und zurück gegangen. Wenn man sich vorstellte, dass er ein netter, normaler Mensch wäre, hätten sie vielleicht wirklich zusammen sein können…
Zu ihrem großen Schock war sie in den Verliesen angekommen und war schon ziemlich weit vorgedrungen. Gewohnheit. Sie wollte umkehren, erstarrte jedoch, als sie eine Stimme hörte. Seine Stimme. Nein, das konnte nicht sein. Sie pirschte sich näher an das Klassenzimmer, aus dem die Stimme drang, heran, unfähig, die leise Antwort eines Mädchens zu verstehen. Schließlich erreichte sie die Tür, spitzte hinein und erkannte Draco und Shaw, die scheinbar eine hitzige Diskussion führten. Ehekrach?
Wie schade, dachte sie freudig.
„Verdammt noch, Marilyn!“, brachte er hervor. „Ich habe dir gesagt, du sollst dich raushalten, es geht dich einfach nichts an!“
„Du hast dafür gesorgt, dass es mich etwas angeht, als du mich mit hinein gezogen hast!“, schoss sie zurück. „Was soll ich ihr denn bitte sagen, wenn sie mich darauf anspricht?“
Wenn wer sie darauf ansprach? Was ging hier vor?
„Das wird sie nicht! Und wenn, dann sag ihr doch einfach die Wahrheit!“
„Die Wahrheit, Draco?“, fragte Shaw mit heiserer Stimme. „Du meinst, dass du betrunken warst und gar nicht wolltest und dich am nächsten Tag so schlecht gefühlt hast, dass du fast gewei-“
„Wage es nicht, diesen Satz zu beenden!“, schrie er und hob seine Hand, als ob er sie gleich schlagen würde.
Hermine keuchte.
Sein Kopf schoss zur Seite und er starrte gebannt auf die Stelle, an der Hermine stand.
Oh, Mist.
Hermine wusste, dass er sie sehen würde, wenn sie sich bewegte, andererseits würde er sie wohl auch ausmachen, wenn sie blieb, wo sie war. Dankbar für die Dunkelheit der Verliese glitt sie langsam zur Seite, auf den Gang hinaus und ein paar Schritte weiter.
Er trat in den Türrahmen, genau dorthin, wo sie vor ein paar Sekunden noch gestanden hatte und sie erstarrte auf der Stelle. Er hielt inne, und lauschte angestrengt.
„Du bist paranoid, Draco“, sagte Shaw, die ihm gefolgt war. „Hier ist niemand.“
„Vielleicht“, sagte er nicht sehr überzeugt und untersuchte den Gang. Er stand ihr zu nah. Hermine war sich sicher, dass er ihre Atmung hörte oder ihre Körperwärme spürte. „Aber diese Unterhaltung ist vorüber“, fuhr er fort. „Sprich es nie wieder an. Wenn irgendwer davon erfährt, war alles umsonst!“ Er stürmte davon und Shaw folgte ihm lautlos.
Hermine hatte ein paar Minuten lang Angst, sich zu bewegen, doch dann floh sie aus den Verliesen. Welches Geheimnis wollte Draco so unbedingt verbergen?
*****
Hermine war zu klug, um sich Draco in den Wochen, nachdem er ihr ins Gesicht geschrien hatte, dass er mit Shaw schlief, zu nähern. Er hatte deutlich gesagt, was er wollte und auch wenn sie sich wünschte, dass es anders wäre, hatte sie zu viel Selbstachtung, um sich Jemandem aufzudrängen, der sich für eine andere entschieden hatte.
Sie ignorierte die Stimme, die ihr sagte, dass er die meiste Zeit ihrer Affäre mit Pansy Parkinson zusammen gewesen war. Immerhin war er nicht wirklich mit ihr zusammen gewesen; nur zum Schein… oder?
Es gab keinen Sinn, darüber nachzudenken. Keinen Sinn, gedanklich bei nutzlosen Dingen zu verweilen.
Harrys blaue Flecken und Schrammen verblassten und verschwanden, ebenso wie Dracos. Draco bewegte sich noch lange Zeit sehr vorsichtig und jammerte selbst dann, wenn scheinbar niemand in der Nähe war, was vermuten ließ, dass er wahrscheinlich doch die Rippe gebrochen hatte. Gut! Sollte er auch einmal Schmerz fühlen! Komischerweise zog er diesmal keine Show damit ab, aber andererseits – sein Papi war in Azkaban, wo er hingehörte und konnte ihm kaum zur Hilfe kommen.
Das Wetter wurde sonniger, während der Frühling weiter ins Land ging. April kam und ging schnell, und schon war es Mai. Wäre das Schuljahr wirklich schon so bald vorbei? Der Gedanke machte Hermine glücklich und sie fühlte sich erleichtert, aber auch unruhig und traurig. Sie hatte nur noch ein Jahr auf Hogwarts; bald würde sie in die wirkliche Welt hinaus müssen und das war ein beängstigender Gedanke.
Fast acht Monate waren seit ihrem ersten Treffen mit Draco vergangen. Wo war die Zeit nur hin? Und warum achtete sie überhaupt darauf? Es gab keinen Sinn, die Zeit würde nicht stehen bleiben und eines Morgens würde sie aufwachen und all das wäre entfernte Vergangenheit. Der Gedanke deprimierte sie.
„ER HAT IHN GETÖTET!“, schrie Myrte Hermine an. „DEIN POTTER IST EIN MÖRDER!“
Hermine hatte beinahe einen Herzinfarkt bevor sie begriff, dass es nur wieder einer von Myrtes Anfällen war. Dann wurde sie wütend.
Sie befand sich in einer Mädchentoilette im fünften Stock, wo sie sich fürs Abendessen hatte frisch machen wollen, als plötzlich das kreischende Gespenst aus einem Waschbecken aufgetaucht war und ihre verrückten Anschuldigungen hinaus posaunt hatte.
„Wen soll Harry bitte getötet haben?“, fragte sie verärgert.
„Draco Malfoy!“, sagte Myrte und fing an, zu schluchzen. „Er hat überhaupt nichts getan, er hat nur geredet – er ist wirklich ein netter und sensibler Junge – und dann ist Potter herein geplatzt und hat ihn getötet! So!“ Sie vollführte eine wilde Hiebbewegung.
Hermines Herz blieb stehen und ihre Augen traten hervor. „M-Malfoy ist tot?“, flüsterte sie.
Myrte nickte dramatisch und Hermines Welt begann, sich zu drehen.
Er konnte nicht tot sein. Warum sollte Harry ihn töten? Er kann nicht tot sein. Ich liebe ihn. Er kann zu mir so gemein sein, wie er will, solange er nicht tot ist!
Tränen drohten, zu strömen, doch sie brauchte mehr Informationen.
„W-warum hat Harry das getan? Bist du sicher, dass Dra – ich meine Malfoy – tot ist?“
„Harry Potter ist ein furchtbarer Junge! Es interessiert ihn nicht, was andere fühlen. Ich wette, er hat es einfach aus Langeweile getan! Und Malfoy war komplett aufgeschlitzt, überall war Blut, als Professor Snape kam, seine Wunden schloss und ihn in den Krankenflügel brachte!“ Der Geist fing wieder an, zu jaulen.
Etwas in Hermine rastete ein. „Er wurde geheilt und in den Krankenflügel gebracht?“, fragte sie. „Also ist er nicht tot?“
„Naja“, sagte Myrte schniefend und sah nachdenklich drein. „Ich nehme an, es gibt eine Chance, dass er es nicht ist… noch nicht…“
„Du dämliche Entschuldigung für einen Geist!“, fauchte Hermine, erleichtert und stocksauer zugleich. „Sei froh, dass du schon tot bist, sonst würde ich dich umbringen!“
Myrte kreischte vor Empörung und verschwand mit einem Plopp in dem Waschbecken, aus dem sie gekommen war.
Hermine versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Draco war nicht tot. Diese einfach Tatsache löste in ihr beinahe Euphorie aus, aber Harry hatte ihr einiges zu erklären.
*****
Hermine saß im Gemeinschaftsraum und spielte mit ihrem Licht. Es schwebte immer an der Stelle, wo man es hintat und es war irgendwie unterhaltsam, es immer wieder anzustubsen. Nicht, dass sie sich gerade besonders amüsierte. Sie nahm an, dass Harry seine Gründe hatte, den unbekannten Fluch auf Draco anzuwenden, aber das war einfach keine Entschuldigung. Ginny war natürlich ein Miststück und verteidigte ihren Freund. Es half wahrscheinlich nicht, dass sie immer noch geschockt darüber war, dass sie Hermine erwischt hatte, wie sie Draco küsste. Hermine fand, dass es von beiden unfair war, Draco so zu verteufeln, aber sie konnte schlecht etwas sagen ohne zu riskieren, dass Ginny Harry alles erzählte.
Nicht, weil sie nicht wollte, dass sie es nicht wussten; manchmal glaubte sie, es wäre leichter, wenn sie Bescheid wüssten, sondern weil Draco sie angefleht hatte, nie Jemandem von ihnen zu erzählen.
Meine Familie steht sehr schlecht da vor dem Dunklen Lord. Ich könnte uns alle damit umbringen, dass ich dich will und dennoch will ich dich und du nennst es eine Last? Es ist eine wirkliche Bedrohung, Hermine. Ich kann sie nicht einfach ignorieren. Sie wird sich nicht in Luft auflösen. Aber niemand darf davon wissen, Hermine. Niemand.
Niemand würde es erfahren, nicht von ihr. Das konnte sie für ihn tun.
„Hey“, sagte Ron, der sich ihr vorsichtig näherte. Seit ihrem Ausbruch lief er wie auf Eierschalen um sie herum, obwohl es schon Wochen her war. Sie trug es ihm nicht nach, nicht wirklich. Er hatte mit seiner unglücklichen Wortwahl keine Anspielung machen wollen.
„Hey“, sagte sie, piekste das Licht wieder und fragte sich kurz, ob es eines Tages einfach ausgehen würde, da man es nicht ausschalten konnte.
„Wow!“, sagte Ron, als er ihr Spielzeug bemerkte. „Wo hast du das denn her?“
Hermine sah ihn überrascht an. „Sind die nicht sehr gebräuchlich?“
„Naja, schon“, antwortete Ron. „Wenn man sich eins leisten kann. Wenn du Glück hast, bekommst du schon eins für 100 Galleonen. Wir haben keins. Mum sagt, dass das Zauberstablicht ausreicht. Also, wo hast du es her?“
Hermine starrte ihn eine Sekunde an. „Äh, meine Eltern haben es geschickt“, murmelte sie. Das passte. Das verzogene, kleine, reiche Gör hatte einfach mal so ein 100-Galleonen-Licht herumliegen.
Und er hatte ihr nicht einmal den Wert verraten, um toll vor ihr dazustehen.
*****
Hermine krallte die Schriftrollen an ihre Brust und atmete tief ein. Was Friedensangebote betraf, war es zwar ziemlich lahm, aber das war alles, was ihr einfiel. Sie war die letzten beiden Nächte wach geblieben, hatte Aufsätze durchforstet und Notizen für ihn abgeschrieben. Es war nicht wirklich schwer, herauszufinden, wie weit Draco hinter dem Lernstoff war. Eigentlich schien es, als ob er sehr wenig getan hatte, seitdem sie ihm nicht mehr half. Wie typisch für ihn. Merkte er denn nicht, dass er es später einmal gebrauchen konnte?
Dennoch würde sie ihn herausboxen, weil einer ihrer besten Freunde ihn aus purer Dummheit wortwörtlich fast umgebracht hätte.
Sie zögerte vor dem Raum, von dem sie wusste, dass er sich darin befand. Allen Anzeichen nach würde er nur gemein zu ihr sein und ihre Arbeit vielleicht sogar ablehnen. Sie wusste nicht, wie sie damit umgehen würde.
Du bist eine Gryffindor; nimm deinen dämlichen Mut zusammen!
Sie atmete noch einmal tief durch, öffnete die Tür und wünschte sich sofort, sie hätte es nicht getan.
Im Raum war ein – selbst für seine Verhältnisse – sehr blasser, aber nicht toter Draco in seinem Bett. Auf seiner Wange war eine rote, verblassende Schramme und ein ähnliches Mal verschwand unter seinem Kragen. Die Tatsache, dass die Wunden immer noch sichtbar waren, zeigte ihre Schwere.
Aber das war nicht das, was in ihr Bedauern auslöste.
Neben ihm saß Shaw auf einem Stuhl. Sie wirkten, als wären sie bei einer wichtigen Unterhaltung unterbrochen worden, ihr Stuhl war zurückgeschoben und sie lehnte sich über ihn. Draco hatte seinen Kopf gedreht, sah Hermine deutlich überrascht an und Shaw warf ihr einen missbilligenden Blick zu.
Hermine hatte wirklich nicht auf eine weitere Möglichkeit gehofft, Draco mit seiner neuen Freundin zu sehen.
Sie lief zu ihm und ließ die Rollen auf sein Bett fallen.
„E-er wollte das nicht tun“, murmelte sie und sah ihn nicht an. „Es war ein Unfall. Er wusste nicht, was der Fluch macht.“ Sie drehte sich um und eilte davon, sich kaum bewusst, dass sie kein Wort gesagt hatten.
*****
Glücklicherweise würde Draco scheinbar keine dauerhaften Verletzungen davontragen, und nach ein paar Tagen war er wieder auf den Beinen. Er erwähnte Hermines Geste nicht im Geringsten und sie wusste nicht, was sie deshalb fühlte. Letztendlich entschied sie sich für Erleichterung, da er sie wenigstens nicht dafür verspottete, dass sie Harrys Fehler korrigieren wollte. Für jeden anderen hätte sie das Gleiche getan.
Klar, du hättest ganz sicher Crabbe’s Hausaufgaben erledigt.
Okay, vielleicht nicht für jeden anderen, aber für die meisten. Zumindest für die meisten Draco Malfoys.
Sie war nun offiziell ein Dummkopf.
Der Unterricht war am schlimmsten. Sie konnte nicht immer vermeiden, ihn anzusehen. Zaubertränke war besonders grausam. Hermine tat ihr Bestes, um sich auf ihren Kessel zu konzentrieren, aber da es praktischer Unterricht war, war es schwieriger, nicht ab und zu auf- und herumzuschauen. Wenigstens in Arithmantik konnte sie sich auf ihre Bücher und Notizen, Professor Vector und die Tafel konzentrieren.
„Also, Klasse“, sagte Professor Slughorn einmal während diesem fürchterlichen Zaubertränke-Unterricht, nicht lange nach dem Vorfall. „Für den Rest des Jahres werdet ihr in Paaren an einem Projekt zusammenarbeiten.“
Super, ich werde mit Ernie Macmillan arbeiten müssen.
Tatsächlich schienen Harry und Ron näher zusammen zu rücken. Hermine hob Ernie gegenüber eine Augenbraue und er nickte. Nun, immerhin nahm er seine Arbeit ernst.
„Ihr Partner darf nicht aus Ihrem Haus sein“, fuhr Slughorn fort.
Hermine grinste, als Panik sich auf den Gesichtern ihrer Freunde ausbreitete.
Der war gut, Slughorn, dachte sie zustimmend. Nicht immer so engstirnig denken.
Sie sah sich um. Draco hatte die Aufmerksamkeit einer Ravenclaw-Schülerin erregt, die widerwillig nickte. Zabini lächelte Slughorn nur höhnisch an und Nott wirkte einfach nur perplex. Schließlich schien jeder einen Partner gefunden zu haben – außer Ron und Harry.
„Nein, das wird nicht funktionieren“, seufzte Slughorn, als er bemerkte, dass es nicht geklappt hatte. „Robert und Ernie zusammen, Harry und … mit wem lassen wir dich denn arbeiten?“ Er suchte die Schüler ab.
Die Klasse kicherte, als Slughorn wieder einmal Rons Namen falsch nannte. Hermine rollte mit den Augen. Wirklich, manchmal konnten die Leute echt kindisch sein.
Sie hob ihre Hand. „Sir? Sir, Ernie und ich hatten bereits ein häuser-übergreifendes Team“, erklärte sie. Sie fand die Idee inzwischen, wo sie nicht mehr wusste, mit wem sie arbeiten würde, weitaus weniger gut.
„Ah, ja, aber Rudolpho brauchte jemanden, der ihn auch einmal an die Regeln erinnert, nicht wahr?“
Das tröstete sie etwas und ließ den Slytherin-Tisch in Gelächter ausbrechen. Ron sah nicht allzu begeistert aus, aber was hatte er denn erwartet? Slughorn hatte ihn gestern dabei erwischt, wie er mit irgendeinem Spielzeug von Weasley’s Zauberhafte Zauberscherze spielte, dass er von einem anderen Schüler konfisziert hatte. Hermine stimmte voll und ganz mit Slughorn darin überein, dass er sich auch an die Vorschriften halten musste.
„Ahh, wie wäre es mit unserer bezaubernden Lisa? Ja, sie war dieses Jahr sehr gut und kann dir vielleicht dabei helfen, dein Talent wieder zu finden“, sagte Slughorn und zwinkerte Harry zu, dessen ‚Talent’ tief vergraben im Raum der Wünsche versteckt war.
Hermine blinzelte. Lisa? War das nicht… Sie drehte sich um und musste Malfoy, der erbleichte, nur ansehen, um zu wissen, dass sie Recht hatte. Lisa Turpin war das Mädchen, mit dem er ein Team gebildet hatte. Natürlich hatte er sich jemanden gesucht, der die ganze Arbeit für ihn machen würde. Im Moment funkelte er das arme Mädchen an, als ob sie absichtlich zu Harry gewechselt hätte.
„Dann sind Sie übrig, Hermine und... Ah…“, Slughorns Gesichtszüge entgleisten etwas. „Draco.“
„Nein“, rief Draco. „Ich will nicht mit dieser… mit ihr zusammenarbeiten! Teilen Sie jemand anderen – irgendwen – mit mir ein.“
Zabini räusperte sich, als ob er etwas in den falschen Hals bekommen hätte, und Slughorn runzelte die Stirn. „Was ist das für eine Art, darauf zu reagieren, mit einem überaus vernünftigen und intelligenten Mädchen, das Ihnen sogar Nachhilfe gegeben hat, zusammen zu arbeiten? Sie können noch viel von ihr lernen, junger Mann! Haben Sie das denn noch nicht?“
Draco sah ihn verzweifelt an. „Aber ich hasse sie!“
Zabini kicherte nun offen und hatte einen Mordsspaß, während Hermine sich versteift hatte, ihr Gesicht gerötet, und ihre Augen glasig. Sie fühlte sich von diesem Austausch verletzt und gedemütigt. Sie wollte auch nicht mit Malfoy arbeiten; in diesem Moment wollte sie ihn nie wieder zu Gesicht kriegen. Dass so über sie gesprochen wurde, war einfach zu viel. Sie wünschte, Slughorn würde sie nicht zwingen, mit ihm zu arbeiten.
Harry neigte sich zu ihr und flüsterte, „Mach dir keine Sorgen, Hermine. Du weißt, wie er ist.“ Als sie nicht reagierte, fügte er hinzu, „Soll ich ihn wieder verprügeln?“ Sie lächelte leicht, überlegte aber immer noch, ob sie nicht einfach Zaubertränke fallen lassen sollte.
Der Professor sah nun wirklich wütend aus, sein Gesicht rot, fast lila. Zum ersten Mal sahen die Schüler ihn in diesem Zustand. „20 Punkte Abzug für Slytherin!“, brüllte er. „Sie werden mit Hermine Granger ein Team bilden. Sie werden mitarbeiten. Und Sie werden Ihre Sache gut machen oder – so wahr mir Gott helfe – ich werde sicherstellen, dass Sie unter keinen Umständen ihren UTZ in diesem Fach ablegen! Habe ich mich klar ausgedrückt?“
Stille breitete sich in dem Raum aus, bevor Draco leise sagte, „Ja, Sir.“
„Gut“, sagte Slughorn, der plötzlich wieder strahle und ihnen ihre Aufgaben gab. „Jede Aufgabe ist einzigartig. Sie werden alles selbst machen, den Anweisungen folgen und in einem Monat sollten Sie Ihre Ergebnisse zeigen können. Viel Vergnügen!“
Wohl kaum.
Harry ging zu Turpins Tisch und Ron neigte sich mit Ernie über ihre Aufgabe und las. Hermine starrte auf das Pergamentstück mit ihren Anweisungen. Ihren Anweisungen. Zum Glück musste man bei den meisten Rezepten viel Abwarten und in dieser Zeit würden sie nicht zusammen sein müssen.
Sie fing an, zu lesen. Es war scheinbar nicht sehr kompliziert, meistens ging es um das richtige Timing. Ein paar Minuten später kam Draco rüber und lehnte sich an den Tisch. Er sah weder sie noch die Anleitung an. Sie ignorierte ihn und las zu Ende.
„Also, was muss ich tun?“, fragte er und sah immer noch weg.
Bei Merlin, schmollte er etwa? Was für ein Idiot.
„Hol deinen Mantel“, sagte sie. „Wir gehen raus.“ Sie war froh, dass sie ihre Pause bei dem schönen Wetter außen verbracht hatte und deshalb ihre Jacke bei sich trug.
„Warum?“, fragte er.
„Das würdest du wissen, wenn du dir die Mühe gemacht hättest, die Aufgabe zu lesen“, stieß sie hervor und lief davon, ohne sich darum zu kümmern, ob er nachkam.
Er holte sie ein paar Minuten später ein und knöpfte seinen Mantel zu.
„Weißt du“, sagte er, „du musst nicht so ein Miststück sein.“
Hermine biss ihre Zähne schmerzhaft zusammen, um sich von einer Antwort abzuhalten.
„Also, wohin gehen wir?“
„In die Gärten“, zwang sie hervor. „Die Zutaten müssen frisch sein, also schneiden wir sie selbst.“
Er runzelte die Stirn. „Sollte das nicht eher in Kräuterkunde gemacht werden?“ Er wusste genau, dass keiner von beiden dieses Jahr Kräuterkunde belegt hatte.
„Nun, komisch, aber Kräuterkunde und Zaubertränke hängen anscheinend zusammen.“
„Immer noch ein Miststück“, sagte er.
Hermine hatte ihre Hände nun zu Fäusten geballt, ihre Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen.
Ignorier ihn einfach. Er will dich nur provozieren.
Professor Sprout erwartete sie bereits und nach kurzer Einweisung ließ sie sie zurück, wobei sie ihnen vorgab, nicht mehr als nötig zu nehmen oder auf die Zweige zu steigen. Hermine fing an, zu arbeiten, doch Draco stand nur mit angewidertem Gesichtsausdruck herum.
„Weißt du“, sagte sie und wischte über ihre Augenbraue, wissend, dass sie davon Flecken haben würde, „Du wärst schneller fertig, wenn du wirklich helfen würdest.“
Er drapierte seinen Umhang vorsichtig so, dass kein Dreck darauf kommen würde und lief dorthin, wo sie stand.
„Haben wir keine anderen Leute für sowas? Zum Beispiel diesen wirklich dämlichen Longbottom…“
Hermine richtete sich auf. „Du hast bemerkt, dass Neville sich mit Pflanzen auskennt?“
Draco runzelte die Stirn. „Nein… Aber siehst du!“
Hermine machte einen verächtlichen Laut und warf ihm die Handschuhe zu. Es kümmerte sie nicht, dass sie dabei Dreck auf seinem Umhang verteilte. „Du holst die Teufelsschlinge!“
Er erblasste. „Wir brauchen einen Teil der Teufelsschlinge?“
„Und dann Alraunen.“
„Das soll wohl ein Witz sein!“
Hermine dachte einen Moment nach und seufzte dann. Nein, sie brauchten wirklich keine der beiden anstrengenden und tödlichen Pflanzen. Es wäre jedoch sehr lustig gewesen, ihm beim Kämpfen zuzusehen. „Richtig. Aber wir brauchen Eisenhut.“
Er schenkte ihr einen wirklich finsteren Blick, bevor er gehorchte. Hermine konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Traurigerweise ging er jedoch vorsichtig genug mit der giftigen Pflanze um, um nicht zu sterben oder in den Krankenflügel zu müssen… Mal wieder.
Schließlich hatten sie, was sie brauchten und machten sich auf den Rückweg.
„Wieso ist niemand sonst hier?“, fragte Draco. „Wir können unmöglich das einzige von sechs Paaren sein, das frische Pflanzen benötigt.“
„Wahrscheinlich reichen bei ihnen getrocknete oder konservierte Zutaten aus“, sagte Hermine und zuckte mit den Schultern.
„Und wir nicht?“
Weil ich das gesagt habe und du nicht einmal die verdammten Anweisungen lesen konntest?
„Wir haben zuerst das hier gebraucht. Wir müssen uns beeilen, wenn wir heute noch alles klein hacken wollen.“
Er antwortete nicht, lief jedoch ein wenig schneller. Scheinbar konnte er sie nicht schnell genug loswerden. Gut, sah sie auch so. Trotzdem mussten sie noch einiges klären.
„Wir müssen einen Plan aufstellen“, sagte sie. Er antwortete nicht. „Das Wichtigste ist der Vollmond. Wenn ich mich richtig erinnere, ist er am Zweiundzwanzigsten. Das ist diesen Donnerstag, also wirst du mich hier um Mitternacht treffen müssen.“
Er blieb wie angewurzelt stehen. „Was?“
„Ich habe gesagt -“
„Ich habe dich verstanden“, unterbrach er barsch. „Was zur Hölle hast du vor?“
„Hausaufgaben“, stieß sie hervor. „Und rate mal: Du wirst mich vorher noch mindestens einmal treffen müssen, um alles richtig vorzubereiten.“
Er funkelte sie an, als ob sie sich alles nur ausdenken würde, um mit ihm allein zu sein und Hermine riss der Geduldsfaden. Sie riss die Anleitung aus ihrer Tasche, und stieß sie ihm so heftig entgegen, dass er einen Schritt zurück stolperte.
„LIES DIE VERDAMMTE AUFGABENSTELLUNG!!!“, schrie sie, bevor sie davon stürmte.
+++++
Hier nun Kapitel 13. Es wird ernst...
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel