Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ãœber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

Im Schatten eines großen Namen - Gwens Fehler

von Gwendolyn D.

März 1980

Als Gwendolyn am nächsten Morgen erwachte, waren ihre Gedanken sofort wieder dort, wo sie gestern Abend stehen geblieben waren. Als sie auf die kleine Uhr auf dem Nachttisch sah, zeigte diese vierzehn Uhr zwölf an. Gwendolyn stöhnte und strich sich beim Aufstehen die Haare aus dem Gesicht.
Sie hatte viel zu wenig geschlafen. Ihr war schwindelig und übel; noch vor wenigen Stunden war sie bei Severus gewesen und gemeinsam hatten sie über die Bedeutung der Wortfetzten sinniert, die Sev erlauscht hatte. In einem waren sie sich einig: sie hatten keinerlei Ahnung, welche Macht man haben musste, um Voldemort zu besiegen.
Er war wahrlich ein Meister seines Faches, der sich Wissen erarbeitete hatte, von dem Gwendolyn nur träumte, doch er war ein Mensch wie Sev und sie, den Gesetzen der Natur unterworfen.
Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie das Fenster öffnete und die Läden aufklappte. Die Art und Weise, wie der Dunkle Lord plante, schien manchmal tatsächlich so, als hätte er selbst vergessen, dass seine Zeit auf dieser Erde ebenso begrenzt war, wie die aller Menschen. Ob Muggel oder Magier - welche Ironie.
Sie schlüpfte in den ultramarineblauen Morgenmantel und in die passenden Pantoffel und ging routinemäßig in die Küche, um den Kessel aufzusetzen.
Sie war schon einmal Zeuge gewesen, wie sich Voldemort mit ihrem Vater duelliert hatte. Damals hatte er für sie keinen unbesiegbaren Eindruck gemacht, ganz im Gegenteil, sie waren geflohen. Vielleicht nicht, weil er keinen Ausweg mehr sah, doch sie waren geflohen.
Sie erinnerte sich an die Vision, die sie bei dem Experiment erzwungen hatten. Das Duell Dumbledore gegen Grindelwald, ein Duell, das in die Geschichte einging und das eigentlich gar keins gewesen war. Auch darüber hatte sie lange nachgedacht.
Es war ein seltsames Gefühl gewesen. Sie hatte sich unbesiegbar gefühlt, nein, sie hatte gewusst, dass sie unbesiegbar war. Dennoch hatte sie es nicht geschafft aktiv zu werden. Einen Moment versuchte Gwendolyn sich an das Gefühlschaos zu erinnern, das damals von ihr Besitz ergriffen hatte, doch es war nach der Vision so schnell verschwunden, dass sie sich im Nachhinein nicht mehr sicher war, was sie gefühlt hatte.
Doch an den schweren Zauberstabarm erinnerte sie sich. Er war so schwer gewesen und die dicke Luft hatte sie kaum atmen lassen. Es war ein bestialischer Schmerz gewesen, als Dumbledore ihr gegenübertrat. Ein so schrecklicher Schmerz, dass die einzige Möglichkeit, die sie gesehen hatte darin bestand, den Zauberstab fallen zu lassen, aufzugeben, mit der Hoffnung auf Erlösung.
Gwendolyn atmete tief ein. Es waren nicht mehr als Erinnerungen eines Fremden, doch sie waren erdrückend. Zu gern hätte mit ihrem Vater darüber gesprochen. Sich seine Version des legendären Duells erzählen lassen, weil sie darüber nie geredet hatten. Überhaupt hatten sie selten miteinander gesprochen, denn meistens war er viel zu beschäftigt gewesen. Unweigerlich spürte Gwendolyn den alten Groll in sich aufkochen und schalt sich für ihre Gefühle.
Sie ging mit ihrer Tasse Kaffee hinüber ins Wohnzimmer, in dem sich auch Sirius aufhielt. Er saß tief vornübergebeugt über den Propheten und sah ziemlich miesepetrig drein.
„Guten Morgen“, begrüßte Gwendolyn ihn zaghaft, doch er antwortete nicht.
Gwen konnte ihm seine schlechte Laune nicht einmal übel nehmen. Seit Monaten war er schon auf diese paar Quadratmeter eingesperrt, die ihre Wohnung hatte. Diese Enge erdrückte ihn, machte ihn teilweise unausstehlich, doch Gwendolyn ahnte, wie unerträglich diese Situation für ihn sein musste. Sie selbst hoffte, dass sie nie in eine solche Lage kommen würde.
„Ich wollte heute Nachmittag zu Sev. Soll ich dir irgendetwas mitbringen?“
„Ich brauche nichts!“, brummte Sirius missgelaunt.
„Sicher?“, hakte Gwen nach. „Auch kein Eis oder-“
„NEIN VERDAMMT!“ Er war wütend aufgesprungen und um den kleinen Couchtisch herum gegangen. „Es geht mir prächtig hier!“
Gwendolyn sah ihn nicht an. Sie hatte missbilligend die Lippen gespitzt und starrte schuldbewusst ihn ihre Kaffeetasse. Immerhin hatte sie einen großen Teil dazu beigetragen, dass sie sich nun in dieser Misslage befanden, mit der Sirius kaum zurecht kam.
Er raufte sich das Haar und atmete tief durch, als ihm bewusst wurde, wie laut er geschrieen hatte.
„Es tut mir Leid“, sagte er schließlich.
„Schon in Ordnung“, antwortet Gwen knapp.
Einige Sekunden noch stand Sirius unschlüssig neben ihr. Dann war er auch bereits in eines der anderen Zimmer verschwunden. Das laute Knallen einer der Türen ließ Gwendolyn aufatmen.
Wie lange konnte das so nur weitergehen?

„Was hat er gesagt?“ Gwendolyn zog sich einen Stuhl herbei, um neben Severus Arbeitstisch platz zu nehmen.
„Nichts“, antwortete der Tränkemeister und ließ die geschnippelten Fliegenpilze in den Kessel fallen.
„Nichts? Er kann doch nicht nichts gesagt haben!“, protestierte Gwen und sah Severus zu, wie er einen Aufguss nachschüttete.
„Doch. Ihm war absolut nichts anzusehen. Er hat keine Vermutung geäußert - keinen Kommentar.“
„Verflucht!“, schimpfte Gwendolyn und schlug mit der Hand auf den Tisch.
Severus warf ihr einen bösen Blick zu, als einige seiner Zutaten vom Tisch rollten.
„Ich komm' einfach nicht drauf“, sagte Gwendolyn, zog einen zerknitterten Fetzen Pergament aus der Tasche uns las vor: „Der Eine mit der Macht, den Dunklen Lord zu besiegen, naht heran … jenen geboren, die ihm drei Mal die Stirn geboten haben, geboren, wenn der siebte Monat stirbt …“
Sie hatte sich diese Worte aufgeschrieben, damit sie den genauen Wortlaut nicht vergaß.
„Die ihm drei Mal die Stirn geboten haben, geboren, wenn der siebte Monat stirbt“, wiederholte Gwendolyn. „Ende Juli.“
Sie sah auf und beobachtete Severus nachdenklich bei ihrer Arbeit, ohne den Zettel mit der Notiz wegzustecken.
„Hat er irgendetwas gesagt, wie er jetzt vorgehen will? Nimmt er diese Prophezeiung eigentlich ernst?“
„GWENDOLYN!?!“ Severus war mit seinen Nerven fast am Ende. „Ich wiederhole es noch einmal für dich: er hat rein gar nichts gesagt! Ich hab' ihm berichtet, was ich gehört habe, und danach hat er mich wieder fortgeschickt!“
Diese Antwort schien seine Freundin nicht zufrieden zu stellen, doch immerhin steckte sie ihren Zettel wieder in die Umhangstasche.
„Nicht dass er uns in ein paar Monaten auf die Jagd nach einem Säugling schickt“, sagte sie schließlich und schauderte.
Zuzutrauen war Voldemort dies. Ihm wäre auch ein Massaker auf der Entbindungsstation im St. Mungos zuzutrauen gewesen. Gwendolyn verzog angewidert das Gesicht.
„Was kann ein kleines Kind ihm schon anhaben?“, spottete Severus und begann den Inhalt des Kessels umzurühren.
„Aus Kindern werden Leute!“, lachte Gwendolyn und schubste Sev schalkhaft an. „Aber vielleicht erfahren wir heute Abend genaueres. Vielleicht lässt auch der nächste Auftrag ein wenig Interpretationsfreiheit.“
„Meinst du, er lässt dich dieses Mal wieder mitgehen?“
Gwendolyns Gesichtsausdruck verfinsterte sich und Severus war dies nicht entgangen. Er rührte den Kessel noch einmal in die entgegengesetzte Richtung und legte dann den Rührlöffel beiseite, um seine gesamte Aufmerksamkeit seiner Freundin zu widmen, die wütend mit den Zähnen knirschte.
„Ich denke, Gwen, es wäre besser, wenn du nicht mit zu der Versammlung kommst.“
„Das kommt gar nicht in Frage!“ Gwendolyn hatte sich wütend erhoben. „Er kann mich nicht länger auf dieses verdammte, Abstellgleis stellen, Sev! Ich war höher in seiner Gunst als jeder andere, verfluchte Todesser!“, fauchte sie aufgebracht.
Ihren Freund ließ das Theater allerdings kalt.
„Ja, dass hast du schon richtig erkannt Gwen, du warst und ich weiß ja nicht, was bei Merlins Unterhose, du getrieben hast, dass du so plötzlich und radikal in Ungnade gefallen bist, aber du solltest die Sache vielleicht ein bisschen langsamer angehen!“
„Wie langsam denn noch? Das ist jetzt schon ewig her!“, fluchte sie.
„Was ist ewig her?“
Schweigen.
Gwendolyn stand mit verschränkten Armen vor dem Athanor, ohne mit dem Gedanken zu spielen, Severus davon zu erzählen. Sie wusste genau, warum Voldemort sie am ausgestreckten Arm verhungern ließ. Es war die Strafe für ihren Ungehorsam, die Strafe für ihr Fehlverhalten und nicht zu Letzt für die Respektlosigkeit, die Gwendolyn sich geleistet hatte. Es war verglichen mit dem, was anderenTodesser widerfahren hatten, eine milde Strafe, doch für Gwendolyn war diese Ignoranz weit aus schlimmer als körperlicher Schmerz. Es machte sie verrückt, nicht an dem alltäglichen Geschehen teilzuhaben. Es machte sie wütend, dass er ihr jedweden Auftrag verwehrte.
Er wusste genau von dieser Schwäche. Voldemort wusste genau, dass es für Gwendolyn die höchste Strafe war, wenn er ihr Wissen verweigerte, wenn er ihr das Studium verweigerte.
Sie fluchte leise vor sich hin.
„Vielleicht hast du recht, Sev“, sagte Gwendolyn geschlagen. „Vielleicht sollte ich mich noch ein wenig gedulden. Ein bisschen noch, hm?“
Severus atmete erleichtert aus. Bei allem, was Gwendolyn hätte sagen können, bei diesem Worten fiel ihm wirklich ein Stein vom Herzen. Er wusste nicht, wie seine Freundin es geschafft hatte, den Dunklen Lord dermaßen zu verärgern, doch er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie schlecht er auf sie zu sprechen war. Bellatrix Lestrange hatte keine Gelegenheit ausgelassen, dies zu betonen.
Es war besser für Gwendolyn, dass sie sich noch ein wenig geduldete. Zumindest so lange, bis sie die Chance erhalten würde, ihre Schuld zu begleichen.


Die Wochen vergingen und endlich kam der Frühling zurück. Alle hatten diesen frühen und langen Winter satt. Alle waren froh über die warmen Sonnenstrahlen, die das Leben neu erweckten. Alle - bis auf einen.
Sirius Black saß alleine in der Küche ihrer gemeinsamen Wohnung und starrte aus dem Fenster.
Von hier aus hatte er eine fabelhafte Aussicht auf den Park. Von hier sah er die Muggelkinder Fußball spielen, sah Herr- und Frauchen mit ihren Lieblingen Gassi gingen und unzählige turtelnde Pärchen, deren Frühlingsgefühle gerade wieder erwachten. Sie alle hatten Spaß. Sie alle konnten gehen, wohin sie wollten. Nur ihm selbst war dies verwehrt.
Seine Miene verfinsterte sich und er strich sich gedankenverloren durch den Dreitagebart.
Er beneidete diese Muggel so sehr. Sie wussten gar nicht, wie wertvoll die Freiheit war. Für sie war es selbstverständlich, dass sie gehen konnten, wohin sie wollten. So selbstverständlich, wie es für Sirius vor wenigen Monaten auch noch gewesen war. Doch nun hatte er diese Selbstverständlichkeit verloren und erst jetzt, so schien es, wurde ihm bewusst, wie wertvoll sie gewesen war.
Er seufzte leise. Es war eine Qual. Jeder neue Tag in dieser Enge war qualvoll. Schien ihn mit jeder Stunde ein kleines bisschen mehr an den Rand des Wahnsinns zu rücken. Er wusste einfach nichts mit sich anzufangen. Wusste nicht, wie er die elenden, nicht enden wollenden Tage hinter sich bringen sollte, wenn er alleine war.
Gwendolyn war nicht oft zu Hause. Am Anfang noch, doch in den letzten Wochen gingen sie sich aus dem Weg und er konnte es ihr nicht einmal verübeln. Er musste unausstehlich sein. Zumindest fühlte er sich so. Er war fast so launisch, wie sie es in den letzten Tagen gewesen war.
Ein Hund kläffte draußen. Es musste genau unterhalb ihres Küchenfensters gewesen sein und dieser Klang ließ erneut die Sehnsucht in Sirius wachsen. Die Sehnsucht nach frischer Luft, nach Sonne und Bewegung. Seine Muskeln fühlten sich hart und träge an und die angestaute Kraft in ihm war fast unerträglich.
Einen kurzen Moment war er in der Versuchung die Wohnung zu verlassen. Den Vorteil zu nutzen, dass er ein unregistrierter Animagus war. Ein Mensch im Hundepelz.
Niemand wusste von diesem Geheimnis. Niemand außer seinen Rumtreiberfreunden natürlich. Er, James und Peter hatten sich diese Fähigkeit während ihrer Hogwartszeit angeeignet, um dem letzten in diesem Quartett seelischen Beistand leisten zu können.
Sirius grinste grimmig. Die Erinnerung an seine Freunde spendete ihm ein wenig Trost.
Je enger die Freundschaft zwischen den vier gewachsen war, desto schwieriger war es Remus gefallen, sein ,haariges Problem' vor seinen Freunden zu verbergen. Irgendwann hatten er und James herausgefunden, dass Remus von einem Werwolf gebissen worden war und dass dieser seit dem unter der monatlichen Zwangsverwandlung litt.
Heute, fast zehn Jahre später, wusste keiner von den Vieren mehr, wer auf die haarsträubende Idee gekommen war Animagi zu werden. Es war eine irre Idee gewesen. Eine von den unzähligen, die die vier Jungs zu ihren Schulzeiten gehabt hatten, und die meisten ihrer verrückten Einfälle hatten sie umgesetzt.
Selbst diesen. Es war eines von den vielen Geheimnissen, die sie aneinander geschweißt hatte. All die Vollmondnächte, die Sirius, James und Peter in Tiergestalten bei ihrem kranken Freund verweilten, um ihn ein wenig von der Last seines Schicksals zu nehmen, waren Abenteuer gewesen. Und Abenteuer manifestierten die Freundschaft zwischen ihnen.
Nie würde ihre Freundschaft zerbrechen. Nichts gab es auf der Welt, dass wichtiger für die vier war, als diese. So dachten sie als Schüler und nun - nun waren sie erwachsen.
Sein Magen krampfte sich zusammen.
Es war nicht mehr wie früher. Ob es daran lag, dass sie sich nicht mehr täglich sahen, oder weil sie nun andere Dinge als Flausen und Streiche im Sinn hatten, wusste er nicht. War es der dunkle Schatten Voldemorts, der auf England lastete wie der Schatten eines Raubvogels oder hatten sie sich einfach auseinander gelebt?
Sirius seufzte betroffen.
James Potter war unverändert sein bester Freund geblieben. Zwischen ihnen hatte sich selbst in den Jahren nach Hogwarts nichts verändert, doch die anderen Beiden schienen sich von ihm zu entfernen. Er wusste nicht einmal, wann er das letzte Mal etwas von Peter Pettigrew gesehen oder gar gehört hatte, doch es musste schon einige Monate her gewesen sein. Und Remus? Remus Lupin war anders. Er war misstrauisch geworden. Etwas stimmte nicht mit ihm, aber Sirius konnte einfach nicht bestimmen, was es war. Er war schon immer ein sehr verschlossener Mensch gewesen und doch, als Kinder hatten sie einander immer alles erzählt. Nun war es anders.
Mit der Zeit wurde alles anders.
Wehmütig dachte er an Gwendolyn.
Was würde er dafür geben, die Zeit zurückdrehen zu können. Noch einmal mit ihr am Schwarzen See liegen zu können, um einfach alles noch einmal von vorne beginnen zu lassen. Um es besser zu machen und um ihnen beiden ein bisschen von dem Schmerz und dem Leid, dass sie einander zugefügt hatten, zu ersparen.
Es hatte ihrer beiden Seelen Narben zugefügt. Sie waren bittere Mahnmale, es war schwer sie zu vergessen, doch es war noch viel schwieriger sie zu verzeihen.
Sirius sprang plötzlich von seinem Stuhl auf, als er sich seiner wirren Gedanken bewusst geworden war. Er schloss die Augen und atmete einige Male tief ein und aus.
Diese Enge hier drin machte ihn verrückt, er musste hier raus. Er sah unsicher auf die Uhr. Es war früher Nachmittag. Gwendolyn kam üblicherweise nicht vor Anbruch der Nacht.
Sirius verließ die Wohnung über die Haustür und eilte das Treppenhaus hinab. Es war ihm egal, wenn sein bester Freund ihn wieder einmal tadeln würde, wenn er vor seiner Tür stand. Doch diese erdrückende Einsamkeit konnte er nicht weiter ertragen, konnte seine eigenen haarsträubendenden Gedanken nicht ertragen.
Es würde schon gut gehen. Es war bisher immer gutgegangen.
Die warmen Sonnenstrahlen auf seinem Pelz waren so wohltuend, dass er einige Sekunden dastand und sie genoss, bevor er sich vergewisserte, dass niemand da war, der ihn sehen würde. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, sein Motorrad aus der Garage zu nehmen, doch er besann sich rechtzeitig.
James würde ohnehin schon wütend sein, er wollte es nicht auf die Spitze treiben.
Der große, schwarze Rüde sprang die Straße hinauf, ohne die Lebensfreude verbergen zu können, die trotz allem noch in ihm steckte, und schon bald hatte er das triste Mehrfamilienhaus in der Muggelgegend hinter sich gelassen.

Als Gwendolyn die hohe Eingangshalle der Lestrange Residenz passierte, hatte sie die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Die weichen, absatzlosen Lederschuhe, die sie trug, gaben keinen Laut von sich. Nur das Rascheln ihrer Robe war zu hören, doch selbst dass schien die junge Frau heute zu reizen.
Sie ging die schmale, gewendelten Stufen hinab zum Laboratorium und umklammerte dabei das hölzerne Geländer, als fürchte sie zu stürzen.
Als sie vor der Tür des Labors angekommen war, hielt sie kurz inne und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, als hoffte sie, das Schwindelgefühl damit abstreifen zu können. Doch es blieb.
Sie trat ein und begrüßte Severus mit ein paar kargen Worten, bevor sie ihren Reiseumhang ablegte.
„Hast du noch was von dem Nausio?“, fragte sie schließlich.
„Wie bitte?“ Severus sah verdutzt von seinem Buch auf. „Du hast fast den ganzen Vorrat aufgebraucht? Ist dir schon wieder Übel?“
„Als wäre es ein Problem für dich, den Trank nachzubrauen“, giftete Gwen.
Ihr Freund sah pikiert drein und widmete sich anschließend wieder demonstrativ seinem Buch.
„Wenn noch davon da ist - du weißt ja, wo er steht.“
Ein wenig schuldbewusst ging Gwendolyn mit unsicheren Schritten zu dem Schrank hinüber, ohne die beschrifteten Schilder zu beachten, zog eine der meterlangen Schubladen heraus und griff nach einem kleinen Fläschchen.
Sie hielt die Flasche in das Licht, um zu sehen, wie viel noch darin war, zuckte mit den Schultern, entkorkte sie und trank den Rest des Inhalts in einem Zug. Sie verzog angewidert das Gesicht - der Trank war bitter, doch er half augenblicklich.
Erleichtert lehnte sie sich an den zimmerhohen Schrank und atmete tief durch. Ihr Blick fiel auf Severus, der einen ziemlich beleidigten Eindruck machte.
„Tut mir leid Sev.“
„Schon gut“, sagte er und winkte mit der Hand ab.
Gwendolyn ging hinüber und stellte das leere Fläschchen auf den Schreibtisch.
„Jetzt ist der Vorrat leer“, sagte sie schuldbewusst.
„Ich kümmer’ mich drum“, antwortete der Tränkemeister ohne aufzusehen.
„Was machen wir heute?“
Seit Gwendolyn bei dem Dunklen Lord in Ungnade gefallen war und keine Aufträge mehr von ihm erhielt, war sie Severus zur Hand gegangen. Oder besser gesagt, Severus hatte sie eingebunden, damit sie nicht auf dumme Gedanken kam, sondern etwas tun konnte, bei dem sie lernte.
„Vielsafttrank“, sagte Severus. „Aber zuerst will ich diesen Artikel noch durchgehen. Gib mir noch eine Viertelstunde.“
Gwendolyn nickte gehorsam und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Er blieb an der Tür hängen, die zu der laboreigenen Bibliothek gehörte.
Sie brauchte nicht lange zu überlegen. Mit wenigen Schritten hatte sie den Raum durchquert und die kalte Messingklinke heruntergedrückt.
Der Raum erhellte sich von selbst. Strahlte einen sanften Schein auf all die vielen Bücher, von denen sich die meisten um Zaubertränke drehten. Ohne zu wissen, was sie eigentlich suchte, ging Gwendolyn durch die Reihen und las die Titel auf den Buchrücken, in der Hoffnung auf etwas Interessantes zu stoßen.
Sie war schon fast am Ende des Raumes angekommen, als sie es sah. Gwendolyn erstarrte, ihr Herz machte einen Hüpfer. Direkt vor ihr war es. Das Buch, dass sie so lange gesucht hatte und das nie in diese Bibliothek zurückgekehrt war. Vor ihr stand, in seinen alten, abgewetzten Einband gekleidet, das Astrum.
Gwendolyn zog es, ohne zu überlegen, aus dem Regal. Sie schlug die letzte Seite auf und blätterte nach vorne, doch etwas war anders. Sie stieß auf die Überschrift: Geister ohne Geist. Gwendolyn runzelte die Stirn und blätterte wieder auf die letzte Seite.
Dort auf Seite tausendsechshundertzweiundzwanzig stand die Ãœberschrift auf dem unteren Drittel der Seite: Der Horkrux, und darunter die Definition, nach der Gwendolyn so lange gesucht hatte.
Die kleinen Runen waren schwer zu entziffern, die Schrift war teilweise verblasst, doch davon ließ Gwendolyn sich nicht abhalten. Horkrux ist die Bezeichnung eines Gefäßes, an das ein Teil einer Seele gebunden wurde und den Magus unsterblich macht. Er macht den Körper nicht unverwundbar, sondern bindet die Seele des Magus solange an das Diesseits, wie das Objekt, auf das die Seele übertragen wurde, intakt ist.
Die Abspaltung ist ein hoch komplexer und gefährlicher Vorgang, der auf keinen Fall wiederholt werden sollte. Es empfiehlt sich...
Und da war die Seite zu Ende. Ungläubig sah Gwendolyn auf das Buch. In ihrem Magen kribbelte es vor Aufregung, doch das war nicht alles. In dem Buch fehlte das Wesentliche. Die letzten Seiten waren verschwunden, anscheinend herausgetrennt.
Die Hexe zog ihren Zauberstab aus der Innentasche ihrer Robe, tippte das Buch an und versuchte einige Zauber, um die verloren gegangenen Seiten wiederherzustellen, vergeblich.
Erst nachdem auch der letzte Zauber, den sie probierte, wirkungslos war, verstand sie. Der Inhalt der folgenden Seite war vernichtet worden. Offensichtlich hatte Voldemort diese Seiten entfernt, bevor er das Buch zurück in die Bibliothek gebracht hatte.
Gwendolyn schauderte. Noch einmal las sie sich die Definition durch. ...und den Magus unsterblich macht..., aber das war schier unmöglich. Sie las die wenigen Sätze wieder und wieder durch, doch der Zusammenhang fehlte ihr. Gwendolyn konnte einfach nicht glauben, dass das alles war. Dieser kleine Absatz war nur der Anfang eines riesigen Kapitels, von dem sie nicht wusste, was es behandelte. Gab es Horkruxe wirklich? Wie wurde die Seele in diesem Buch definiert und vor allem: konnte es wirklich einen Zauber geben, der unsterblich machte?
Gwendolyn wusste von dem Stein der Weisen und sie kannte ebenso das Prinzip des Phönixes, da ihr Vater seid je her im Besitz eines solchen Exemplars war, doch beides hatte nichts mit Unsterblichkeit zu tun. Das Elixier des Lebens, das mit Hilfe des Steins hergestellt werden konnte, verzögerte den Alterungsprozess zwar so gravierend, dass ein Mensch locker mehrere Jahrhundertealt werden konnte, doch er war dadurch nicht unsterblich. Er war, wie der Phönix auch, nicht gegen körperlichen Schaden immun. Er konnte verbluten, ersticken und anderen Verletzungen unterliegen, aber er war nicht unsterblich. Unsterblichkeit war ein Märchen, eine Legende, man konnte an sie glauben oder auch nicht. Sowie bei der Existenz der Seele. Es gab keine Dementi, aber es gab ebenso wenig Beweise dafür.
War das schwere, alte Buch in ihren Händen, ein Geheimnisträger eines unglaublichen Zaubers, oder war das alles einfach nur pure Theorie?
„Gwendolyn?“
Sie zögerte, als Severus nach ihr rief, schloss für Sekunden die Augen, um sich das zu verinnerlichen, was sie gerade gelesen hatte und stopfte das Astrum zurück in seine Lücke.
„Gwen?“ Nun klang Severus Stimme besorgt und als Gwendolyn aus der Bibliothek trat, war er schon halb auf dem Weg zu ihr.
Ihr war noch immer ein wenig mulmig, doch das Gefühl nahm sie kaum mehr wahr.
„Ich hab hier was für-“
„Sev, glaubst du es gibt einen Zauber, der unsterblich macht?“, unterbrach Gwendolyn ihn.
Er hatte ein Becherglas von dem Arbeitstisch genommen, das bis zu einem Drittel mit einer transparenten Flüssigkeit gefüllt war und reichte es Gwen stirnrunzelnd.
„Ein Zauber, der unsterblich macht?“
„Was soll ich damit?“, fragte Gwendolyn irritiert und starrte auf das Glasgefäß.
„Gurgeln, falls dir noch immer schwindelig ist!“
Sie ergriff gehorsam das Glas und tat, was Severus ihr geraten hatte, während dieser nachdachte. Nach einigen Sekunden, in denen er Gwen beobachtet hatte, sagte er:
„Nein. Ich denke Unsterblichkeit ist ein Mythos. Wenn es das wirklich geben sollte, dann würde es mit Sicherheit Hinweise in der Geschichte geben und mir kommt da spontan nichts in den Sinn. Wie kommst du darauf?“
Gwendolyn spuckte, die Flüssigkeit zurück in den Becher und stellte diesen auf der Ablage neben den Ausguss ab, ohne ihn weiter zu beachten.
„Ich hab davon gelesen“, sagte sie wahrheitsgetreu und lehnte sich gegen die Ablage, „und wenn es einen solchen Zauber wirklich geben sollte, dann wäre er doch bestimmt schon lange entdeckt worden. Den Stein der Weisen gibt es bereits seit hunderten von Jahren.“
„Der Stein der Weisen macht aber nicht unsterblich!“, korrigierte Severus.
„Ich weiß! Was ich damit sagen wollte, ist: dass sich Hexen und Zauberer schon seit bestimmt Jahrtausenden mit diesem Thema auseinander gesetzt haben. Es gibt unzählige Theorien und Praktiken, aber keine hat jemals zu dem geführt, was ursprünglich ihr Streben war.“
„Ja,das denke ich auch“, sagte Severus. „Es gibt keine Unsterblichkeit. Man kann den Tod nicht austricksen. Du kennst doch die Geschichte der Drei Brüder!“
„Das ist ein Märchen“, lachte Gwendolyn. „Meine Frage war wirklich ernst gemeint, Sev!“
„Und das war eine ernste Antwort. Was hat dich auf die Idee gebracht, dass es anders sein könnte?“
„Weil“, sie stockte, denn auf Severus Gesicht bildete sich ein herzliches Lächeln, sein Blick ging an ihr vorbei auf die Ablage.
„Herzlichen Glückwunsch!“, sagte er. „Es wird ein Mädchen.“


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
DVD: Game of Thrones - 3. Staffel
[DVD] [Blu-ray]
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Das, was Harry so liebenswert macht, sind, glaube ich, seine charakterlichen Stärken, die wir selbst gerne hätten, und es sind auch seine Schwächen, die wir nur allzu gut verstehen.
Rufus Beck