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Fanfiction

Momentaufnahmen - Lieblingsbruder

von ChrissiTine

Lieblingsbruder


Juli 2012



Die vierjährige Lily Luna Potter saß im Garten auf einer Decke und ging einer sehr wichtigen Aufgabe nach: Sie bürstete ihrer Lieblingspuppe Evelyn ihre langen braunen Haare. Sie machte das schon seit einer Viertelstunde, weil sie fasziniert davon war, wie die Sonne das Haar der Puppe zum Glänzen brachte. Neben sich auf der Decke hatte sie eine ganze Reihe von Kleidchen hingelegt. Sie hatte sich noch nicht entschieden, welches Evelyn tragen sollte.

Das schöne Grüne aus Wolle, das ihre Großmutter gestrickt hatte? Oder das schicke Hellblaue, mit dem sie so vornehm aussah und das ein Geburtstagsgeschenk von Tante Fleur gewesen war? Oder doch das hübsche Gelbe, das Lily von ihrem Taschengeld selbst gekauft hatte?

Lily schaute die Kleider angestrengt an und versuchte sich für eines zu entscheiden.

Plötzlich flog etwas an ihr vorbei. Lily schrie erschrocken auf und ließ Evelyn fallen. Sie schaute auf das Ding, das an ihr vorbeigeflogen war und stellte fest, dass es ein Quaffel war. Nicht der Quaffel aus Schaumgummi, mit dem ihre Brüder gespielt hatten, seit sie denken konnte, sondern der echte Quaffel, den Onkel Charlie ihnen bei seinem letzten Besuch mitgebracht hatte. Der Quaffel, den ihre Mummy weggesperrt hatte, weil sie gesagt hatte, dass es zu gefährlich wäre, mit ihm zu spielen.

Und jetzt lag der Quaffel neben Lily. Sie hob ihn auf und sah sich um. Ihre Mummy war nirgendwo zu sehen. Vielleicht hatte sie den Quaffel geputzt und er war aus dem Fenster gefallen.

Lily stand auf, um ihn ins Haus zu bringen. Der Quaffel war immerhin von Onkel Charlie und durfte nicht kaputt gehen. Kurz bevor sie die Terrasse erreicht hatte, liefen ihr James und Al entgegen. Sie bemerkten den Quaffel, den Lily in der Hand hielt und atmeten erleichtert aus.

"Merlin sei Dank, Lily hat ihn gefunden!", rief James glücklich.

Al schaute ihn stirnrunzelnd an. "Ich hab dir doch gesagt, das geht nicht gut! Mum hat uns verboten, damit zu spielen!" Er verschränkte die Arme vor der Brust und warf James einen bösen Blick zu.

"Aber der Quaffel gehört Mum nicht! Onkel Charlie hat ihn uns geschenkt, damit wir damit spielen können. Mum hat ihn uns einfach weggenommen!", widersprach James energisch.

"Aber er hätte auf die Straße fliegen können! Und Dad hat uns doch gesagt, dass die Muggel nichts sehen sollen, was magisch ist.", erwiderte Al.

James schüttelte den Kopf. "Du bist ein Idiot, Al! Der Quaffel ist doch gar nicht magisch. Der fliegt ja nicht mal von alleine", erklärte er augenverdrehend.

Al war zwar wütend, weil sein Bruder ihn einen Idioten genannt hatte, aber diese Argumente überzeugten ihn.

Lily schaute ihre Brüder mit großen Augen an. "Ihr habt den Quaffel geklaut? Mummy hat uns verboten, damit zu spielen!", rief sie entsetzt und starrte auf den roten Ball in ihren Händen. Sie würden solchen Ärger bekommen! Ihre Mummy hatte ihnen extra gesagt, dass sie erst damit spielen durften, wenn sie es erlaubte, und das hatte sie nicht getan. Sie würde ihnen bestimmt den Nachtisch verbieten. Und sie würden ihr am Abend keine Geschichte vorlesen. Lilys Herz klopfte schnell. Würden sie sie überhaupt zudecken heute Abend? Und nachsehen, ob unter ihrem Bett Monster versteckt waren? Lily konnte nicht einschlafen, wenn ihre Mummy oder ihr Daddy nicht vorher unter dem Bett nachgeschaut hatten und sie sicher war, dass niemand da war.

"Lily, gib ihn uns einfach wieder. Mum wird uns schon nicht erwischen.", sagte James überzeugt und streckte seine Hände aus.

Lily umklammerte den Ball fest. "Ihr müsst ihn wieder zurück bringen", sagte sie panisch und schaute zum Haus. Ihre Mummy beobachtete sie doch nicht, oder? Sie wollte keinen Ärger kriegen. Mummy hatte vorhin Schokoladenkuchen gebacken und Lily durfte sogar die Schüssel auslecken. Sie hatte sich schon so auf diesen Nachtisch gefreut.

James verdrehte die Augen. "Ich hab zehn Minuten nach dem blöden Kleiderschrankschlüssel gesucht, damit ich den Quaffel rausholen kann. Ich bring ihn doch nicht gleich wieder zurück. Außerdem gehört er uns und nicht Mum!" Er sah Lily auffordernd an und wollte ihr den Quaffel wegnehmen, aber Lily drückte ihn an sich und rannte schnell ein paar Schritte von James weg. Hilfesuchend schaute sie zu Al, der hin- und hergerissen zwischen seinem großen Bruder und seiner kleinen Schwester war. Sie hatten beide Recht. Aber was sollten sie tun?

"Mummy wird es merken, wenn er weg ist. Sie wird es merken und dann kriegen wir alle Ärger!", widersprach sie. "Al, bitte, bring ihn zurück. Ich will keinen Ärger." Tränen traten ihr in die Augen, als sie an die Schokoladentorte und die Monster und die Gute-Nacht-Geschichte dachte.

Al ging zu Lily und streckte zögernd die Hände aus. Er wollte von seinem Bruder nicht für einen Feigling gehalten werden, aber er wollte auch keinen Ärger kriegen. Lily gab ihm den Quaffel und Al schaute unentschlossen zu seinem Bruder. Der starrte ihn drohend an.

"Wehe, du bringst den Quaffel zurück! Wir haben noch gar nicht richtig damit gespielt."

Lilys Unterlippe begann zu zittern und sie versuchte mit aller Kraft, die Tränen zurück zu halten. James war so ein Idiot! So ein blöder Idiot! Und Al war auch ein Idiot, weil er auf James hörte!

Al sah vom Haus zu James und ging schließlich zu seinem Bruder. Lily schaute beide wütend an und wollte gerade zu ihrer Puppe zurückgehen und Evelyn alles über ihre blöden großen Brüder erzählen, als sie ihre Mummy rufen hörte.

"Lily? Albus? James?"

James und Albus sahen sich entsetzt an und Lily lief eine Träne über die Wange. Das hatten sie nun davon! Jetzt würden sie alle keinen Nachtisch kriegen. Nur wegen dem blöden Quaffel.

James hatte den Quaffel hinter seinem Rücken verschwinden lassen und schaute Lily bittend an. "Lily, geh zu Mum und frag sie, was sie will. Lenk sie ab. Ich bring den Quaffel zurück."

Lily hätte am liebsten nein gesagt. James hatte vorhin nicht auf sie hören wollen. Und auf Mummy hatte er auch nicht gehört. Er hatte es verdient, keinen Nachtisch zu bekommen! Aber sie wollte nicht auch noch bestraft werden, also lief sie schnell zum Haus. Sie wischte sich die Träne ab, damit ihre Mummy sie nicht sah und ging durch die Küchentür ins Haus.

Ihre Mummy stand am Herd. Sie hatte sich ihre blaue Schürze umgebunden und rührte in einem großen Topf. Auf der Arbeitsfläche stand der große Schokoladenkuchen, den Lily sehnsüchtig beäugte.

"Lily, kannst du deine Brüder holen und den Tisch decken?", fragte ihre Mummy sie ohne aufzusehen. "Das Essen ist gleich fertig und euer Vater kommt gleich nach Hause." Lily nickte und winkte ihre Brüder zu sich heran, die neben der Tür gestanden und gelauscht hatten. Lily ging zum Geschirrschrank und nahm unter lautem Scheppern die Teller heraus, damit James und Al unbemerkt an ihrer Mutter vorbeischleichen konnten, und trug sie zu dem großen Tisch im Esszimmer. Als sie gerade das Besteck verteilte, tauchten die Jungen wieder in der Küche auf und James hielt seine Daumen hoch. Lily atmete erleichtert durch. Also doch Torte und eine Geschichte heute Abend.

Al holte die Tassen aus dem Schrank und verteilte sie auf dem Tisch. James ging zu Lily und umarmte sie. "Danke, Lils", flüsterte er ihr zu. "Mum wird gar nicht merken, dass er weg war." Er strubelte ihr durch die Haare. Lily schrie auf und schubste seine Hände weg. Ihre Haare gingen ihr über alles.

James beugte sich herunter und drückte seiner kleinen Schwester einen Kuss auf die Wange. "Danke, vielen Dank. Du bist meine allerliebste Lieblingsschwester."

"Du hast ja auch nur eine", murmelte Lily augenverdrehend. Sie war trotzdem noch wütend auf James, ganz egal, wie lieb er auf einmal war.

"Auch wenn ich zehn hätte, wärst du trotzdem meine Lieblingsschwester", erwiderte er großspurig und drückte sie an sich. Lily befreite sich wieder. "Ach komm, Lils, jetzt stell dich nicht so an. Ich weiß doch, dass ich dein Lieblingsbruder bin."

"Hey!", rief Al beleidigt. "Wenn hier jemand Lilys Lieblingsbruder ist, dann bin ich das!"

James schnaubte. "Ich bitte dich! Ich bin doch viel cooler als du, Al."

"Das ist gar nicht wahr!", widersprach Al und schubste James aufgebracht. James konnte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und schubste Al nun seinerseits. Der fiel gegen den Tisch und hätte beinahe einen Teller heruntergeworfen.

"James! Albus! Was macht ihr schon wieder für einen Unsinn?", fragte Lilys Mummy, die einen großen Topf vor sich herschweben und auf dem Tisch landen ließ.

James und Al setzten sofort ihre unschuldigsten Gesichtsausdrücke auf. "Gar nichts, Mum", sagten sie im Chor.

Lilys Mummy verdrehte die Augen und bat die Jungen, die restlichen Töpfe und Pfannen zu bringen. Während sie damit beschäftigt waren, kam Lilys Daddy nach Hause. Sofort klammerte sie sich an ihn, glücklich, dass er wieder da war. Seit sie wusste, dass ihr Daddy böse Zauberer jagte, wenn er arbeiten ging, hatte sie immer Angst, dass ihm etwas passierte. Da war es dann auch völlig egal, dass Onkel Ron das gleiche machte und ihm half und dass ihre Mummy ihr immer wieder versicherte, dass ihr Daddy ganz genau wusste, was er da tat und dass er das alles schon im Schlaf konnte. Sie liebte ihren Daddy und wollte nicht, dass ihm etwas passierte.

Aber dieses Mal war alles gut gegangen und er hatte sehr gute Laune beim Abendessen. Er erzählte ihnen sogar, dass ihn heute eine alte Dame gerufen hatte, die geglaubt hatte, die Katze, die sich auf ihrem Dachboden herumgetrieben hatte, wäre ein Einbrecher gewesen, der sie umbringen wollte.

Sie waren gerade dabei, den fantastischen Schokoladenkuchen zu essen, als Al sich zu Wort meldete. "Mum, wer ist eigentlich den Lieblingsbruder?", wollte er wissen.

Lilys Daddy legte grinsend seine Gabel weg und schaute Lilys Mummy interessiert an. Auch James sah sie fragend an und Lily wünschte sich, dass sie das Thema einfach sein lassen würden. Sie wollte sich nicht zwischen James und Al entscheiden müssen. Sie hatte beide gleich lieb.

Lilys Mummy kaute lange auf einem Stück Kuchen herum und hatte die Stirn in Falten gelegt, bevor sie antwortete. "Das ist eine ziemlich schwere Frage, Al. Ich hab natürlich alle meine Brüder sehr lieb. Als ich ein kleines Mädchen war, fand ich Onkel Bill ganz toll." Sie lächelte. "Das tue ich immer noch. Und Onkel Fred und Onkel George auch. Mit Onkel Ron habe ich natürlich immer gespielt. Wir haben fast unsere gesamte Zeit zusammen verbracht." Sie seufzte. "Das ist wirklich eine sehr schwere Frage, Albus. Ich weiß es nicht, tut mir Leid. Jeder Onkel von euch ist etwas ganz besonderes. Ich kann mich nicht entscheiden." Sie zuckte mit den Schultern.

Lily atmete erleichtert auf. Ihre Mummy konnte sich auch nicht entscheiden. Und für die war es noch viel schlimmer, die hatte sechs Brüder, nicht nur zwei.

"Aber warum willst du das wissen?", fragte sie Albus dann interessiert.

James grinste. "Al will nicht einsehen, dass Lily mich lieber hat."

Al schüttelte heftig den Kopf. "Das stimmt nicht! Lily, sag ihm, dass das nicht stimmt!" Er schaute Lily auffordernd an. Sie zuckte zusammen und schaute zu ihrer Mummy. Sie wollte sich nicht entscheiden. Sie konnte sich nicht entscheiden. Warum sollte sie auch?

"Jungs, lasst eure kleine Schwester in Ruhe!", sagte ihr Daddy streng und lächelte Lily zu. "Ihr habt doch gerade erst von eurer Mutter gehört, dass sie sich nicht entscheiden kann. Zwingt Lily nicht dazu, es zu tun."

"Ja, Dad", murmelten beide.

Lily hoffte, dass sie jetzt Ruhe haben würde. Aber sie hatte sich getäuscht. Beim Zähneputzen fingen sie wieder damit an. Und am nächsten Morgen beim Frühstück auch. Sie kamen sogar in ihr Zimmer, während sie in ihrem Malbuch einen Hippogreif anmalte, um sie zu fragen.

Damit sie endlich damit aufhörten, hatte Lily ernsthaft versucht, sich für einen von ihnen zu entscheiden.

James war der große, coole Bruder, dem kein Spaß zu gefährlich erschien und dem immer etwas lustiges einfiel, wenn es langweilig wurde. Er konnte sie zum Lachen bringen und neben Onkel George kannte er die besten Witze.

Al war nicht so laut und wild wie James, aber er passte immer auf sie auf. Manchmal suchte er unter ihrem Bett nach Monstern, wenn sie in der Nacht ein komisches Geräusch gehört hatte und ihren Daddy nicht wecken wollte. Er tröstete sie immer, wenn sie traurig war und er hatte ihr einmal seinen letzten Schokofrosch geschenkt, weil sie so traurig darüber gewesen war, dass sie schon alle aufgegessen hatte.

Sie hatte sie beide lieb und sie konnte sich einfach nicht entscheiden.

"Das ist gar nicht schlimm, Lily-Flower", tröstete Lilys Mummy sie einen Nachmittag, als sie zusammen ein Bild von Grandma Molly malten. "Man muss sich nicht entscheiden. Es gibt Tage, da hast du den einen lieber als den anderen. Das ist ganz normal. Aber sie sind beide deine Brüder und es wäre schlimm, wenn du sie nicht beide lieb hättest."

Lily nickte unglücklich. Sie fand es ja gar nicht schlimm, dass sie sich nicht entscheiden konnte. Aber James und Al hörten einfach nicht auf, sie zu fragen! Sie konnte machen, was sie wollte, sie konnte sein, wo sie wollte und die beiden fingen trotzdem davon an. Das war einfach nicht fair!

Und als James beim Zähneputzen am Abend wieder davon anfing, reichte es Lily entgültig. Sie warf ihre Zahnbürste in ihr Waschbecken und funkelte ihre Brüder wütend an.

"Hört endlich auf damit! Ich mag keinen von euch lieber als den anderen!", rief sie und Tränen stiegen ihr in die Augen. Wann würden sie endlich damit aufhören? Sie mussten doch wissen, dass Lily sich nicht entscheiden konnte.

"Aber du musst doch einen von uns lieber -", fing James an.

Lily schüttelte den Kopf und schniefte laut. "Nein! Wisst ihr was? Ihr seid beide doof! Ich hab keinen von euch lieber, ich hasse euch beide! Ihr seid solche Idioten!" Sie stürmte aus dem Bad und knallte die Tür hinter sich zu. Unwirsch wischte sie sich die Tränen ab.

Das hatten sie jetzt davon!


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A/N: Diese Momentaufnahme ist an den 5. Punkt von Roses 10 kleinen Dingen angelehnt. Ich hoffe, euch hat der kleine Ausflug in die Kindheit der Potter-Kinder gefallen und ich würde mich über ein Review freuen.

Außerdem möchte ich alle, die daran interessiert sind, es aber noch nicht mitgekriegt haben, auf meine neue FF über Scorpius und Rose hinweisen mit dem Titel All I Need. Hier geht es darum, wie Rose und Scorpius mit der ungeplanten Schwangerschaft fertig werden (also die Vorgeschichte von Der größte Schock seines Lebens, Momentaufnahme Nummer 9).

@Leni-04: Ich weiß, was du meinst, ich war im 5. Buch auch kein sonderlich großer Fan von Percy. Aber ich glaube wirklich, dass er sein Verhalten später bitter bereut und sich nie wirklich verziehen hat. Und es war ja auch besonders grausam von JKR, Fred vor Percys Augen sterben zu lassen, so kurz, nachdem sie sich wieder vertragen haben. Danke für deinen Kommentar.


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