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Fanfiction

Momentaufnahmen - Der größte Fehler seines Lebens

von ChrissiTine

Der größte Fehler seines Lebens


Juni 2011



"Ihr könnt euch das gar nicht vorstellen", erzählte George Weasley mit leuchtenden Augen und zeigte seinen Nichten Molly und Lucy ein paar Fotos von der Ladeneröffnung seines Scherzartikelladens in der Winkelgasse. "Euer Onkel Fred und ich haben nicht damit gerechnet, dass so viele Leute kommen. Es war so wahnsinnig voll, dass man gar nicht wirklich zu den Regalen kommen konnte."

Molly lächelte ihn höflich an, während Lucy die Fotos mit leuchtenden Augen anstarrte.

"Du hast da ja noch beide Ohren, Onkel George", rief sie und deutete auf eine Person auf dem Bild.

George beugte sich vor und betrachtete das Foto mit einem traurigen Lächeln. Er schüttelte den Kopf. "Das bin ich nicht, Süße, das war dein Onkel Fred."

Lucy schaute auf das Foto, dann zu ihrem Onkel und dann wieder auf das Bild. "Er sieht genauso aus wie du. Nur dass er beide Ohren hat."

Percy lachte und ließ sich neben Molly auf das Sofa im Fuchsbau sinken. "Das liegt daran, dass Onkel George und Onkel Fred Zwillinge waren."

Lucy schaute ihren Vater verwirrt an. "Aber Dominique und Louis sind auch Zwillinge und die sehen sich gar nicht ähnlich."

George lachte. "Dominique und Louis sind ja auch ein Junge und ein Mädchen. Das ist ganz unterschiedlich bei Zwillingen."

Lucy runzelte die Stirn. Sie verstand nicht. Percy schüttelte den Kopf. "Deine Mutter wird dir das erklären." Lucy gab sich damit zufrieden und Percy atmete erleichtert durch. Bis jetzt funktionierte es sehr gut, die Kinder auf später zu vertrösten und es Audrey zu überlassen, schwer verständliche Sachen zu erklären. Vor allem, weil Audrey das gerne übernahm, wenn es um Dinge ging, die sie auch erklären konnte. Wenn es um Magie und Zauberei ging, dann hatte sie als Muggel keine Ahnung und musste alles ihm überlassen. Deshalb brauchte er nicht mal ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn er diese Sachen seiner Frau überließ. Es war so praktisch, mit einem Muggel verheiratet zu sein. Auch wenn Percy Audrey deshalb natürlich nicht geheiratet hatte. Er liebte sie.

"Da ist ja auch Onkel Bill. Und Grandpa!", sagte Molly begeistert und hielt zwei Fotos in die Luft, auf denen die beiden zu sehen waren. Percy nickte und starrte wehmütig auf die jüngere Ausgabe seines großen Bruders, als dieser seine Haare noch so viel länger trug als jetzt und er noch keine einzige Narbe gehabt hatte. Auch der Giftzahnohrring war noch an seinem Platz.

Molly schaute sich die anderen Fotos an, aber je mehr sie sich anschaute, desto unglücklicher wirkte sie. "Wo bist du, Dad? Und wo sind Onkel Harry, Tante Ginny, Onkel Ron und Tante Hermine? Und wo ist Grandma?"

George lachte. Ihm schien nicht aufzufallen, wie Percy erstarrt war. "Deine Großmutter war damals nicht gerade erfreut über unseren Karrierewunsch und hat so versucht, den Laden zu sabotieren. Erfolglos." Er grinste. "Deine Onkeln und Tanten waren noch in der Schule, deshalb konnten sie leider nicht zur Eröffnung kommen."

"Und Dad?", bohrte Molly nach. "Er ist doch älter als du. Er war doch schon viel früher fertig. Wo ist er? Hatte er keine Zeit?"

George schaute zu Percy, der hilflos mit den Schultern zuckte. Er wusste, dass seine Töchter eines Tages davon erfahren mussten, aber er hatte trotzdem gehofft, dass dieser Tag nie kommen würde.

"Euer Dad ... wir hatten damals einen kleinen Streit und er hat eine Weile nicht mit uns geredet." Lucy gab sich damit zufrieden, aber Molly schien zu spüren, dass noch mehr dahinter steckte. Sie schaute Percy durchdringend an und dieser seufzte. Er konnte seiner Kleinen nichts abschlagen und er wusste, dass die Wahrheit heraus musste. Sie mussten erfahren, was für ein Idiot ihr Vater gewesen war.

"Es war nicht nur ein kleines Streit", sagte er seufzend. George schaute ihn an, als ob er verrückt geworden wäre, aber er zuckte nur mit den Schultern. "Es war ein sehr großer Streit. Ein so großer Streit, dass ich fast drei Jahre nicht mit meiner Familie gesprochen habe."

Molly und Lucy rissen die Augen auf und schauten ihn entsetzt an. Percy schluckte und wandte den Blick ab. Er konnte sie nicht anschauen und diese Enttäuschung in ihren Gesichtern sehen.

"Euer Dad war jung. Er hat einen Fehler gemacht. Aber er hat ihn auch eingesehen und sich dafür entschuldigt.", erklärte George, als ihm klar wurde, dass Percy nicht weitersprechen würde. Er wartete darauf, dass sein Bruder etwas dazu sagte, die ganze Sache erklärte, aber Percy konnte nicht. Er konnte seinen Kindern nicht erklären, wie schrecklich dumm er gewesen war, wie ignorant und starrsinnig, als er das Ministerium über seine Familie gestellt hatte. Mit Schrecken erinnerte er sich daran, wie sehr er davon überzeugt gewesen war, Recht zu haben, wie stolz er darauf gewesen war, so schnell im Ministerium voranzukommen, schon nach einem Jahr eine so viel höhere Position zu erhalten wie sein Vater, der seit Jahren auf der Stelle trat und so gar keinen Ehrgeiz hatte. Er hatte nicht sehen wollen, was direkt unter seiner Nase passierte, hatte nicht wahrhaben wollen, dass wirklich so schreckliche Dinge passiert waren, wie Harry gesagt hatte, weil er einfach nicht dazu bereit war, das Ende der friedlichen Welt zu akzeptieren.

Und so hatte er Jahre ohne seine Familie verbracht, selbst nachdem er sich nicht mal mehr selbst belügen konnte und einsehen musste, dass er Unrecht hatte. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken, dass sein Vater hätte sterben können an dem Schlangenbiss, Ron und Ginny in der Nacht, als sie ins Ministerium geflogen waren, Ron sogar noch einmal, als er vergiftet worden war und Bill, als er von Greyback angefallen worden war. Ihm wurde schlecht, als er daran dachte, dass sie alle hätten sterben können, ohne dass er sich mit ihnen vertragen hatte, in dem Glauben, dass sie ihm nichts mehr bedeuteten, dass die Familie ihm nichts mehr wert und seine Karriere so viel wichtiger war.

Und er war unendlich dankbar dafür, dass er sich mit Fred vor seinem Tod vertragen hatte, dass sie sich die Hand geschüttelt hatten, dass er gestorben war, nachdem er über einen seiner Witze gelacht hatte. Dass er so gegangen war, wie er es sich gewünscht hätte, voller Fröhlichkeit und mit einem lachenden Herzen. Er hätte seinen Tod nicht überwinden können, wenn es anders gewesen wäre.

Aber er brachte es nicht fertig, das alles seinen Kindern zu sagen. Stattdessen hörte er schweigend zu, wie sein Bruder, der ihn damals mit Püree beworfen hatte, der ihm einen Heuler ins Ministerium geschickt hatte, versuchte, ihnen die Geschichte zu erzählen, die Percy bis an sein Lebensende bereuen würde.

George beschönigte alles, ließ es als viel harmloser erscheinen als es jemals war und Percy war ihm unendlich dankbar dafür.

Als sie später Zuhause aus dem Kamin stiegen, warf Lucy ihm einen wütenden und Molly einen enttäuschten Blick zu. Und dann taten die beiden etwas, was sie noch nie getan hatten: Sie gingen ohne Essen ins Bett.

Seine Frau verstand natürlich sofort, dass etwas nicht stimmte und als Percy ihr erzählte, was im Fuchsbau vorgefallen war, wusste sie auch, warum.

Percy hatte ihr kurz nach ihrem Kennenlernen von diesem schrecklichen Streit erzählt und nur Audrey wusste wirklich, wie sehr ihn diese Zeit immer noch belastete. Seine Familie hatte ihm vor Jahren verziehen. Manchmal kamen sie noch darauf zu sprechen, aber nur nebenbei und nie waren sie verbittert deswegen oder machten ihm einen Vorwurf. Sie hatten keine Ahnung, wie schwer er es sich selbst jedoch machte. Sie mochten ihm verziehen haben, aber er hatte es nicht.

Und obwohl seine Töchter ihn nicht darauf ansprachen, wusste er, wie sehr das Gehörte sie beschäftigte. Er wünschte, dass er wüsste, wie er damit umgehen sollte, was er ihnen sagen konnte, damit sie wussten, wie sehr er bereute, was er damals getan hatte und wie sehr er es immer bereuen würde.

Audrey versuchte, ihn zu beruhigen und ihm zu sagen, dass alles in Ordnung war und Molly und Lucy nur etwas Zeit brauchen würden, um damit fertig zu werden, dass ihr Vater nicht perfekt war und auch Fehler machte.

Und bei Lucy schien es auch zu funktionieren. Nach ein paar Tagen hörte sie auf, ihm wütende Blicke zuzuwerfen und war wieder seine fröhliche wilde Lucy, die nicht aufpasste, wenn sie im Garten spielte und die zehn Minuten mit ihm diskutierte, wenn es etwas zu essen gab, was sie nicht mochte.

Aber Molly kam nicht so gut damit klar wie Lucy. Sie sprach kaum ein Wort mit Percy, aber immer, wenn er Zuhause war, war sie in seiner Nähe. Wenn er ein Zimmer verließ, dann folgte sie ihm und wenn er aus dem Haus ging um zu arbeiten, dann stand sie am Fuß der Treppe und beobachtete ängstlich, wie er vor der Haustür disapparierte. Wenn er nach Hause kam, dann atmete sie immer erleichtert auf, obwohl sie nicht zu ihm rannte wie sonst, um ihn zu umarmen.

Und er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Was er sagen konnte, wie er ihr helfen konnte.

Eines Abends kam ihm dann der Zufall zu Hilfe. Er hatte bis spät in die Nacht an einem Bericht in seinem kleinen Büro gearbeitet, das er sich zu Hause eingerichtet hatte, und schlich die Treppe hinauf, um niemanden zu wecken. Wie üblich, wenn er spät schlafen ging, öffnete er die Türen zu den Zimmern seiner Töchter einen Spalt, um hineinzulinsen und sich zu überzeugen, dass alles in Ordnung war und dass keine von ihnen heimlich unter der Bettdecke noch las, so wie er es als kleiner Junge getan hatte.

Lucys Zimmer war wie üblich ein Saustall. Kleidung, Bücher und irgendwelche Zeitschriften waren über den ganzen Fußboden verteilt und Lucy schlief zusammengerollt wie eine Katze auf ihrem Bett und atmete ruhig. Ihre dunkelbraunen Haare waren über ihr Kopfkissen verteilt und ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie irgendetwas vor sich hinmurmelte.

Percy lächelte. Jetzt sah sie wie ein kleiner Engel aus anstatt der Teufel, für den sie sich gerne hielt, wenn sie gegen seine Regeln verstieß.

Mollys Zimmer war tadellos aufgeräumt. Aber sie schlief nicht so friedlich wie ihre kleine Schwester. Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere und ihre Stirn war schweißnass.

"Nein ... bitte nicht ... geh nicht ... Bleib bei uns ... Verlass mich nicht, Daddy! Bitte verlass mich nicht! ... Ich hab dich lieb ... Du kannst doch nicht einfach gehen!"

Percy war mit drei großen Schritten an ihrem Bett und ließ sich auf der Bettkante nieder. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und begann sanft, sie zu schütteln, damit sie aufwachte. Sie setzte sich ruckartig auf und schaute ihn mit großen Augen schwer atmend an. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sein Herz brach.

"Oh Molly", murmelte Percy. Er hasste sich für diesen Fehler, den er vor Jahren begangen hatte, als er jung und dumm war und keine Ahnung davon hatte, wie sehr seine Kinder einmal darunter leiden würden. Wie sehr er einmal darunter leiden würde. Als er sich um die Gefühle von niemandem geschert hatte.

Er streckte die Hand aus und wischte ihr die Tränen weg. Sie biss sich auf die Lippe, um nicht laut zu schluchzen. Seine kleine Molly. Immer wollte sie stark sein.

"Es tut mir so Leid", flüsterte er. "Es tut mir so unendlich Leid, mein Schatz. Du hast keine Ahnung, wie Leid mir tut, was ich damals getan habe. Wenn ich einen Zeitumkehrer hätte, dann würde ich zurück gehen und mich daran hindern, aus dieser verdammten Tür zu gehen und meine Familie im Stich zu lassen." Sie schluckte und er strich ihr über ihre verschwitzen Haare. "Aber ich hab daraus gelernt. Ich würde das nie wieder tun. Hörst du? Nie wieder. Du und deine Schwester und deine Mutter seid das wichtigste in meinem Leben. Ich würde euch für kein Geld der Welt wieder hergeben und es würde mich umbringen, wenn ich euch verlassen müsste."

Weitere Tränen liefen Molly über die Wangen. "Wirklich?"

Er nickte. "Wirklich. Ich liebe dich und ich werde dich nie verlassen. Ich werde immer dein Dad sein und dich immer lieb haben und das wird sich nie ändern. Nie." Er würde nie wieder einem Menschen diesen Schmerz zufügen. Am allerwenigsten seinen Töchtern. Sie waren alles für ihn. Alles.

"Wirklich?" Mollys Unterlippe zitterte und sie konnte die Schluchzer nicht mehr zurückhalten.

"Wirklich."

Sie beugte sich vor und schlang ihre dünnen Arme um ihn und Percy drückte sich so fest an sich wie er nur konnte. "Ich hab dich lieb, Dad."

Percy seufzte erleichtert. Es tat so unglaublich gut, das zu hören. Er hatte sie so vermisst. Und er hatte solche Angst gehabt, diese Worte nie wieder aus ihrem Mund zu hören. "Ich hab dich auch lieb, mein Schatz."

Seine Familie hatte ihm verziehen. Audrey hatte ihm verziehen. Lucy hatte ihm verziehen. Molly hatte ihm verziehen. Und vielleicht würde er es schaffen, sich selbst irgendwann zu verzeihen.


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A/N: Diese Momentaufnahme widme ich Sternengreifer, die/der mich in einem Review auf die Idee zu dieser Momentaufnahme gebracht hat.

Es tut mir Leid, dass ich nicht aus der Sicht von einem der Mädchen geschrieben habe, aber es hat für mich nur mit Percy wirklich funktioniert. Ich finde seine Sicht interessanter und einen Einblick in das Gefühlsleben von Molly und Lucy habt ihr ja schon in den 10 kleinen Dingen bekommen.

Des weiteren lohnt es sich momentan, auf meinem Livejournal vorbei zu schauen, wo ich das erste Kapitel meiner Hugo/Clara-FF gepostet habe. (Ich suche immer noch nach einem Titel, also falls euch was einfällt, nehme ich Vorschläge dankbar entgegen). Ich weiß allerdings noch nicht, wann ich die FF posten werde.

Vielen Dank für alle Reviews, ich hab mich über jedes einzelne gefreut.

@Leni-04: Ich hab keine Ahnung, wie lange die Momentaufnahmen noch laufen werden, es kommt darauf an, ob ich noch Ideen dafür hab. (Wobei ja die Ideen, die ich noch habe, zum Teil so weit expandiert haben, dass ich eigenständige FFs aus ihnen gemacht habe bzw machen werde, siehe James und Julia oder Hugo und Clara.) Falls du irgendeinen Wunsch haben solltest, basierend auf den 10 kleinen Dingen, dann kannst du ihn mir ruhig schreiben, vielleicht kann ich ihn ja umsetzen (was ich allerdings nicht garantieren kann, manchmal funktioniert es einfach nicht).


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