von BlackWidow
Hallo, meine Lieben!
Hier das neue Kapitel, ich hoffe, es gefällt Euch wenigstens annähernd so gut, wie ich Spaß beim Schreiben hatte.
Danke für alle, die so fleißig Kommentare hinterlassen haben. Re-Kommis, wie immer, in meinem Thread.
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Die Toten gehen nie wirklich von uns
19. August 1988
O, wie gut war es, doch endlich wieder einmal in der Stadt meiner großen Liebe gewesen zu sein. Und ich bin keineswegs als Fremde dort gewesen. Florence und Philippe haben Vitus über meinen derzeitigen Wohnort in Kenntnis gesetzt, und ich bekam eine offizielle Einladung zur Eröffnungsfeier des Lykanthropiezentrums. In dem Briefumschlag lag auch ein persönliches Schreiben von Vitus, der sich noch sehr gut an mich und die Tatsache, dass ich ihn damals mit Urs zusammen gepflegt hatte, erinnern konnte. Und ich dachte immer, ich hätte nach all den Jahren keine Freunde mehr in Bern.
Die Eröffnung war ein sehr feierlicher Akt, dem die Zaubereiministerin persönlich beiwohnte. Sie hielt eine beeindruckende Rede, in der sie hauptsächlich über die Dringlichkeit der Beseitigung von sozialen Missständen sprach. „Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es auch Werwölfe gibt, die sich als Feinde der Menschen erwiesen haben. Aber wir müssen uns überlegen, wer sie denn dazu gemacht hat. Warum wollen sie die Menschen verletzen und nichts mit unserer Gesellschaft zu tun haben? Nur wenn wir ihnen die Hand reichen, ihnen Hilfe zukommen lassen, werden wir ihr Vertrauen gewinnen und für ein friedliches Miteinander sorgen. Der Großteil der Werwölfe möchte 27 Tage im Monat ein ganz normales Menschenleben führen, und wir sollten Sorge dafür tragen, dass sie die eine Nacht, in der sie leiden müssen, in Würde und in Sicherheit verbringen können, damit sie weder für sich selbst, noch für andere eine Gefahr sind.“
Auch Philippe hielt eine Rede, in der er über seine Freundschaft mit Urs sprach und darüber, wie Urs die Idee seines Werwolfhilfsprogramms allmählich entwickelte. Ich fand es so mutig von ihm, öffentlich über seine eigenen Erfahrungen als Betroffener zu sprechen; und ich sah es Florence an, dass sie in diesem Augenblick unheimlich stolz auf ihren Mann war. Vitus als Initiator dieses Hauses hielt natürlich ebenfalls eine Ansprache. Doch im Laufe der Rede war es plötzlich mit meiner Aufmerksamkeit vorbei. Irgendwie spürte ich, dass Urs hier die ganze Zeit zugegen war. Die Toten, die wir liebten, gehen niemals wirklich von uns, das wurde mir noch einmal ganz deutlich bewusst. Mir war, als würde er direkt hinter mir stehen und mir ins Ohr flüstern: „Arabella, ich bin immer bei dir.“ Obwohl ich einerseits fast Gefahr lief, gleich in Tränen der Rührung auszubrechen, saß mir trotzdem der Schalk im Nacken und ich flüsterte genau in dem Tonfall, den ich im scherzhaften Gespräch mit Urs so oft angenommen hatte: „Lenk mich nicht ab, ich muss diese Rede hören!“ Und ich hörte deutlich in mein Ohr flüstern: „Lobeshymnen! Brauchen wir die denn? Die Hauptsache ist, dass meine Idee weiterlebt und es den Werwölfen eines Tages so gut geht wie uns anderen.“ Hestia und Florence, die neben mir saßen, schienen mich wohl schon seit einiger Zeit zu beobachten, denn ich erntete fragende Blicke, die ich aber nur mit einem schelmischen Lächeln beantwortete. Ich war mir ja selber nicht sicher, ob Urs hier wirklich zugegen war, oder ob ich mir das Ganze nur eingebildet hatte. Doch auch in der Nacht hörte ich seine Stimme noch einmal deutlich neben mir. Er flüsterte mir so wunderschöne Liebeserklärungen ins Ohr, dass mir ganz heiß wurde. Konnte das Alles nur auf Einbildung beruhen? Oder gab es doch auch für Tote, die nicht als Geister weiterexistieren, manchmal die Möglichkeit, mit ihren Lieben Kontakt aufzunehmen? Bevor Urs ganz verschwand, sagte er noch: „Ich mache mir Sorgen um Gritli.“
Als ich am nächsten Morgen erwachte, war das Erlebte noch so deutlich vor mir, dass ich mir sicher war, es könne kein Traum gewesen sein. Ich muss wohl eine ganze Weile vor mich hingelächelt haben, denn Hestia, Florence und Philippe schauten mich beim Frühstück in unserer Pension recht neugierig an. Florence fragte dann frei heraus: „Arabella, irgendwas stimmt doch nicht mit dir; heraus mit der Sprache.“ Zuerst genierte ich mich, eine solche Geschichte zu erzählen, die doch für Außenstehende ziemlich unglaubwürdig klingen musste, doch dann wollte ich meine Freunde doch gerne daran teilhaben lassen. Und siehe da, niemand lachte mich aus. Im Gegenteil, alle zeigten großes Interesse und fragten immer weiter nach Einzelheiten wie dem Klang seiner Stimme oder dem genauen Inhalt des Gesprochenen. Ich kann mir nicht helfen, ich fühlte mich einfach wie frisch verliebt, so intensiv habe ich die Anwesenheit von Urs gespürt.
Gemeinsam rätselten wir noch über Urs` letzten Satz nach, aber niemand konnte sich wirklich einen Reim darauf machen. Philippe wusste: „Gritli und Urs hatten jahrelang keinen Kontakt mehr gehabt, und ich habe mich immer darüber gewundert, wie sehr sich doch Geschwister entfremden können. Sie ist mit ihrem Mann vor Jahrzehnten schon weit weg ins Ausland gegangen, weil er im magischen diplomatischen Dienst tätig war. Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wo sich das Ehepaar jetzt befindet.“ Auch ich stand vor einem Rätsel, denn obwohl Gritli diejenige war, die mich Urs damals vorgestellt hatte und ich meine große Liebe praktisch in erster Linie ihrer Gastfreundschaft zu verdanken hatte, war sie zwischen Urs und mir nie mehr ein Thema gewesen. Sollte es ihr jetzt schlecht gehen, so würde ich mich selbstverständlich um sie kümmern.
3. September 1988
Es ist schwer, nach diesen Erlebnissen wieder in meinen recht grauen Alltag hier zurückzufinden. Immerhin hat Philippe mir versprochen, sich nach Gritlis Verbleib zu erkundigen und mir dann Bescheid zu geben, falls sie wirklich hilfsbedürftig sein sollte. In der ganzen Aufregung, in die mich das überwältigende Erscheinen Urs` versetzt hat, konnte ich die Eröffnungsfeier gar nicht so würdigen, wie sie es verdient hätte. Wir wurden nach all den Reden durch das Haus geführt und Vitus erklärte, was hier alles geboten sein wird. Das Haus wurde magisch erweitert und bietet nun vorübergehende Übernachtungsmöglichkeiten für Werwölfe, die sich keine Wohnung leisten können. Ebenso ist ein Berufseingliederungsprogramm vorgesehen, und man überlegt, ob man nicht eingesessenen Betrieben einen Bonus bezahlen sollte, wenn sie bereit sind, einen Werwolf einzustellen. Des Weiteren gibt es einen Sicherheitstrakt, falls es ein Werwolf aus irgendeinem Grund in der Vollmondnacht nicht schafft, in die Berge zu den Bären zu apparieren. Zudem wurde noch eine Küche eingerichtet, in der mittellose Werwölfe eine kostenlose Mahlzeit zu sich nehmen können.
5. September 1988
Ich hätte Dädalus bitten sollen, genau Buch zu führen über seine Aktivitäten, die er in meinem Körper unternommen hat. Jedenfalls wäre mir dadurch heute diese peinliche Begegnung mit Petunia Dursley erspart geblieben. Ich kam gerade vom Einkaufen zurück, da das Katzenfutter fast aufgebraucht war. Da passte sie mich an der Einfahrt zu ihrem Grundstück ab: „Geht es Ihnen wieder besser, Mrs. Figg?“ Ich war überhaupt nicht auf so eine Frage gefasst, deshalb stotterte ich etwas herum: „Wie…äh… besser?“ „Nun ja, dieses Zucken, das Sie letzte Woche in ihrem Armen und Beinen hatten, war doch etwas beunruhigend, finden Sie nicht?“ „Ach, das? Das ist schon wieder vorbei, keine Sorge, Mrs. Dursley.“ So schnell ich konnte, verschwand ich nach Hause, hörte aber im Weggehen noch, wie Petunia zu ihrem Mann, der gerade von der Arbeit heimgekommen war, sagte: „Ich glaube, die alte Mrs. Figg wird schön langsam dement.“ „Na wunderbar, dann brauche ich mir ja keine Sorgen mehr um meinen Ruf zu machen!“ dachte ich mir. Ich setzte mich daheim sofort hin und schrieb einen Brief an Dädalus, den ich meinem treuen Mr. Tibbles anvertraute. Und noch am selben Abend kam er mit der Antwort zurück:
„Liebe Arabella,
ich hatte ganz vergessen, zu erwähnen, dass ich einmal einen Anfall vortäuschen musste, weil mich Harry Potters Verwandte so lange in ein Gespräch verwickelte, dass ich befürchten musste, die Wirkung des Vielsafttrankes ließe bald nach. Sonst gab es keine besonderen Vorkommnisse, die erwähnenswert wären. Ich hatte große Freude daran, Dich vertreten zu dürfen und würde das jederzeit wieder tun, wenn Du das möchtest.
Mit herzlichem Gruß
Dädalus“
Seine Briefe sind leider nicht einmal halb so wortreich, als man das vom persönlichen Gespräch gewöhnt ist. Daher muss ich in nächster Zeit wohl für so ziemlich Alles gewappnet sein. Wer weiß, mit welchen Nachbarn er noch ins Gespräch gekommen ist und was er alles gesprochen hat? Ich denke, ich werde mich nur mehr in Notfällen durch ihn vertreten lassen.
16. Dezember 1988
Zur Zeit geht hier im Ort eine schlimme Grippe um und fast alle Nachbarn hat es erwischt. Hestia, die nicht nur eine wunderbare Freundin, sondern auch eine sehr gute Apothekerin ist, hat mir vorsorglich einen Heiltrank geschickt, damit ich mich nicht von so einer Muggelkrankheit anstecken lassen muss. Das liebe ich an den magischen Heilern, dass sie solche banalen Krankheiten in kürzester Zeit in den Griff bekommen, ohne irgendwelche Medikamente einsetzten zu müssen, deren Nebenwirkungen Schlimmeres anrichten als die Heilwirkung Gutes. Seit meinem denkwürdigen Aufenthalt in diesem Muggelkrankenhaus hat mich kein Muggelarzt mehr gesehen, und ich hoffe, das lässt sich auch in Zukunft vermeiden. So habe ich beim ersten Unwohlsein ein paar Tropfen dieses Trankes eingenommen und bin seitdem verschont.
22. Dezember 1988
Kann es für ein krankes Kind etwas Schlimmeres geben, als nicht ordentlich gepflegt zu werden? Seit ich heute ganz unauffällig am Ligusterweg 4 vorbeigegangen bin, weiß ich, dass das möglich ist. Ich hörte Vernon Dursleys Stimme laut und deutlich donnern: „Hör endlich mit dieser verdammten Husterei auf, Junge!“ Ich bin so wütend geworden, dass ich am liebsten an der Tür geklingelt und Dursley eine saftige Ohrfeige verpasst hätte. Zum Glück war Mr. Tibbles bei mir, und er warf mir einen Blick zu, der sagte: „Du musst jetzt vernünftig handeln und daher deine Wut zügeln.“ Und ich eilte sofort heim und schrieb einen Brief an Hestia mit der Bitte, mir ein Hustenmittel für Harry zu schicken. Und mein wunderbarer Bote auf vier Pfoten brachte Geschwünschtes innerhalb kürzester Zeit. Ich nahm mich mächtig zusammen, als ich bei Dursleys klingelte und versuchte, genau deren Ton zu treffen: „Diese ewig hustenden Kinder können ganz schön an den Nerven zerren, nicht wahr, Mrs. Dursley? Ich hätte da ein ganz besonders wirksames Hustenmittel. Schmeckt zwar scheußlich, aber es hilft.“ Petunia schaute mich überglücklich an und jammerte mir gleich die Ohren voll, wie sehr Harry mit seinem Gehuste ihnen allen schon auf die Nerven geht. Bevor sie die Haustür zumachte, konnte ich sehr deutlich unterdrücktes Husten aus dem Schrank unter der Treppe hören. Der arme Harry wird also wirklich weggesperrt, wenn sie seiner überdrüssig sind!
Weihnachten 1988
Auch wenn wir unsere Karriere als Carol Singers aus bekannten Gründen an den Nagel hängen mussten, haben Dädalus, Hestia und ich das Fest zusammen gefeiert. Es scheint wohl doch ein friedliches Weihnachtsfest geworden zu sein - auch im Ligusterweg. Zumindest hörten wir weder Vernon brüllen noch Harry husten. „Danke, Hestia, dein Hustentrank war vermutlich das beste Weihnachtsgeschenk, das der arme Harry je bekommen hat!“ „Gern geschehen, meine liebe Arabella!“ antwortete die Angesprochene. „Das ist das Mindeste, was wir für Harry tun können. Ich muss zugeben, dass ich auch ein kleines bisschen stolz auf meine neue Erfindung bin: Der Trank schmeckt für Erwachsene grauenhaft, doch sobald ein Kind ihn nimmt, schmeckt er nach Schokolade. Ich habe den Schokoladengeschmack hinzugefügt, damit der eklige Purpurschneckengeschmack überdeckt wird.“ So ist Harry also doch noch zu seiner Weihnachtsschokolade gekommen.
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