von BlackWidow
Hallo Ihr Lieben!
Herzlichen Dank für all die lieben Kommentare - sind im Laufe der Zeit schon im Thread re-kommentiert worden. Begebt Euch nun auf neue Abenteuer mit Arabella.
Zuerst eine Runde Butterbier aufs neue Jahr!
Liebe Grüße
Eure BlackWidow
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Die Vergangenheit holt mich ein
1. Mai 1988
Heute ist es auf den Tag genau zehn Jahre her, dass Urs auf so entwürdigende Weise ums Leben gekommen ist. Ich wollte an diesem Tag einfach nicht allein sein und habe deshalb Hestia um einen Besuch gebeten. Da sie mir ansah, dass es mir nicht besonders gut ging, fragte sie natürlich auch nach dem Grund. Und so kamen wir endlich dazu, uns über solche ernsthaften Dinge zu unterhalten. Ich erzählte wohl stundenlang meine Geschichte mit Urs, ohne irgendein Detail auszulassen, und ich merkte erst jetzt wie wichtig das war, endlich einmal wieder darüber zu reden. Und endlich - nach so langen Jahren - konnte ich meinen Tränen freien Lauf lassen, die ich so oft zurückgehalten hatte. Hestia zeigte genau die Mischung aus Interesse und Zurückhaltung, die ich in dieser Situation gebraucht habe, und so ist es mir wieder einmal bewusst worden, dass das Leben es gut mit mir meint, indem es mir immer die Freunde schickt, die mir gerade guttun.
Da ich nun endlich meiner Freundin mein Herz ausgeschüttet habe, wollte auch sie ihre Geschichte nicht mehr vor mir verheimlichen. Sie erzählte: „Fabian und ich waren verlobt und hatten unsere Hochzeit schon geplant. Da gab es einen Todesserüberfall auf eine Muggelfamilie und er und sein Bruder Gideon wollten eingreifen, um das Schlimmste zu verhindern. Doch für die Muggel kam jede Hilfe zu spät, und Fabian und Gideon waren Dolohow und den vier anderen Todessern unterlegen und wurden ermordet. Für mich ist damals eine Welt zusammengebrochen, wie du dir aus deiner eigenen Erfahrung sicher denken kannst. Ich hatte keinen Menschen, bei dem ich mich hätte ausweinen können. Molly, die mir eine liebevolle Schwägerin geworden wäre, war damals schwanger und hatte selbst genug darunter zu leiden, dass sie zwei Brüder auf einmal verloren hat. Sie versuchte, das Ganze zu verdrängen und wollte nicht darüber reden, was ich wegen ihres Zustandes auch irgendwie verstehen konnte. Da kam Dädalus, der es meisterhaft verstand, mich mit seinen Späßen wieder zum Lachen zu bringen. Und er kann ein wirklich guter Zuhörer sein und Trost spenden, was man ihm nie zutrauen würde, wenn man ihn nur oberflächlich kennt.“
Ich konnte nicht umhin, Hestia zu fragen: „Könntest du dir nicht vorstellen, die Freundschaft zu Dädalus etwas intensiver zu pflegen? Wer weiß, vielleicht kann aus Freundschaft eines Tages doch noch Liebe entstehen? Jedenfalls steht fest, dass dieser Mann dir guttut, und das ist doch schon einmal eine ganz wichtige Voraussetzung.“ Hestia schwieg lange; ich nehme an, sie musste wohl nachdenken. Dann sagte sie nur kurz: „Vielleicht hast du recht. Ich sollte wohl wirklich darüber nachdenken.“
Dieses Gespräch hat uns beiden sehr gutgetan, und ich weiß nun, dass ich in Hestia eine Freundin habe, mit der man nicht nur Spaß haben, sondern sich auch Dinge anvertrauen kann, die einem am Herzen liegen. Es gibt nur noch eine einzige Sache, die ich ihr nicht anvertrauen möchte - aus Angst, ihr Vertrauen zu verlieren. Sirius` vermeintliche Schuld und meine Überzeugung, dass er unschuldig ist, wird wohl immer zwischen mir und allen meinen Freunden stehen.
23. Juli 1988
Dursleys haben diesmal über Dudleys Geburtstag eine zweitägige Fahrt ans Meer unternommen, zu der auch einige seiner Schulfreunde eingeladen wurden. Dass Harry nicht mit von der Partie sein durfte, war leider mal wieder selbstverständlich. Einerseits bedauerte ich es sehr, dass er schon wieder so übergangen wurde, aber andererseits war ich froh, ihn zwei ganze Tage für mich zu haben und ihm so eventuelle Übergriffe von Dudley und seinen Freunden ersparen zu können. Da das Wetter diesmal sehr schön war, unternahmen wir eine kleine Wanderung. Wir gingen zum Stadtrand, wo ein verwunschenes Wäldchen liegt, in dem wir nach Herzenslust Pilze suchen und Blaubeeren pflücken konnten. Ich glaube, dass Harry doch ein paar schöne Erlebnisse hatte, ohne dass ich Angst haben muss, dass er zu begeistert darüber berichten wird. Wir hatten einen Picknickkorb dabei und so konnten wir den ganzen Tag draußen verbringen. Abends war der Junge dann rechtschaffen müde und ich konnte ihm gerade noch ein Bett im Gästezimmer herrichten, als ihm auch schon die Augen zufielen. Dabei hätte ich ihm doch noch so gerne vorgelesen. Ich habe mir aus der Bücherei extra „Anne of Green Gables“ geholt, weil ich dachte, dass ihn die Geschichte eines Waisenkindes, das zu guter Letzt doch noch sein Glück macht, ansprechen und Mut machen könnte.
Am nächsten Tag ging ich mit ihm ins Freibad, wo ich erstaunt feststellen konnte, dass er wohl ein Naturtalent im Schwimmen sein muss. Zumindest habe ich noch nie etwas mitbekommen, dass Petunia ihn in einen Schwimmkurs geschickt hat. Dudley hat dafür schon mehrere besucht - mit mäßigem Erfolg. Nun gut, Fett schwimmt ja automatisch, also braucht sie sich trotzdem keine Sorgen zu machen, dass ihr Sprössling mal ertrinken könnte. Harry konnte sich ohne Vorübung gleich über Wasser halten, wenn er dabei auch wie ein Hund zappelte. Da ich selber keine besonders sichere Schwimmerin bin, fühlte ich mich nicht geradezu prädestiniert für die Aufgabe. Aber ich fand eine nette Schülerin, die sich gegen ein kleines Taschengeld gerne Harrys annahm und ihm ein paar grundlegende Techniken vermittelte. Eine Badehose liehen wir übrigens an der Schwimmbadkasse aus, denn Harry bekommt bei seinen Verwandten ja nur abgetragene Kleidung von Dudley. Und da dieser kaum eine Badehose so schnell abnützt, kann das noch einige Zeit dauern, ehe Harry seine eigene besitzen wird. Ach, wie gerne würde ich dem Jungen mal etwas Ordentliches zum Anziehen kaufen, damit er nicht herumlaufen muss wie Aschenputtel. Aber das wäre eindeutig zu viel des Guten und Dursleys könnten Lunte riechen. Wie schade, dass die beiden Tage viel zu schnell vorbei waren und ich vielleicht wieder ein ganzes Jahr darauf warten muss, Harry bei mir zu haben.
2. August 1988
Da hatte ich meine Vergangenheit so lange totgeschwiegen, und nun holt sie mich mit aller Macht wieder ein. Florence hat mir folgenden Zeitungsausschnitt geschickt:
Das Erbe des Urs B.
Über zehn Jahre ist es nun schon her, dass ein kreativer und engagierter Mitarbeiter des Zaubereiministeriums der Schweiz auf tragische Weise ums Leben gekommen ist. Seine ganze Energie steckte er in das von ihm initiierte Werwolfhilfsprogramm, und in Ausübung seiner Pflicht kam er leider auch ums Leben. In seiner Animagusgestalt als Bär begleitete er die Hilfsbedürftigen in den Vollmondnächten und konnte ihnen diese erheblich erleichtern. Viele von uns erinnern sich noch an den schlimmen Vorfall, als ein Muggel auf ihn schoss, weil er einen Bären jagen wollte.
Nach seinem Tod fiel Urs B.s Haus zunächst dem Zaubereiministerium zu, doch vor einigen Monaten entschloss sich die Aurorengruppe um Vitus D., dieses schöne, an der Aare gelegene Gebäude einem wohltätigen Zweck zuzuführen. In Eigeninitiative und mit viel Liebe wurde das Haus zu einem Lykanthtropiezentrum ausgebaut, das demnächst seiner Bestimmung übergeben werden soll.
Natürlich musste mit Skepsis von Seiten der Bevölkerung gerechnet werden. Doch Vitus D., der inzwischen die Nachfolge von Urs B. als Werwolfbeauftragter angetreten hat, versicherte uns, dass das Haus in den Vollmondnächten mit den bestmöglichen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet sei. „Wir Schweizer Zauberer sollten unseren ganzen Ehrgeiz daran setzen, um eine Vorreiterrolle zu übernehmen, wenn es darum geht, sozial Benachteiligten zu helfen. Um Frieden zwischen den Menschen zu schaffen, reicht es nicht, keine Kriege zu führen. Nein, wir müssen auch zeigen, dass soziale Probleme nur dann beseitigt werden können, wenn alle ihren Teil dazu beitragen. Erst wenn es keine Ungerechtigkeit mehr gibt, kann es auch keine Kriege und Verbrechen mehr geben.“
Ich war zunächst einmal völlig sprachlos über diesen Artikel. Dann begann ich zu weinen - doch es waren Freudentränen, die ich da in Strömen vergoss. Nun hat das Haus, von dem ich mich damals so schweren Herzens trennen musste, eine ganz wunderbare Bestimmung gefunden, die Urs mit Sicherheit sehr, sehr glücklich gemacht hätte. Und noch etwas hätte ihn gefreut: Vitus, der Junge, der damals von seinem Vater auf so grausame Weise in Lebensgefahr gebracht wurde, hat sich „unserer Sache“, wie ich sie nach all den Jahren immer noch nenne, mit Leib und Seele verschrieben und hat es sich wohl zur Aufgabe gemacht, Urs` Lebenswerk zu vollenden. Auch die Ausdrucksweise in diesem Zeitungsartikel hat mich glücklich gemacht: Werwölfe werden nicht als „blutrünstige Bestien“ bezeichnet, sondern allenfalls als „Hilfsbedürftige“. Nun ist dieser Ausdruck zwar auch nicht gerade das, was ich als „gleichberechtigt“ ansehe, aber ich denke, es ist schon ein großer Fortschritt, von „böse“ auf „krank“ eingestuft zu werden.
5. August 1988
Ich habe Mr. Tibbles gleich zu Hestia geschickt, denn diese Nachricht musste ich ihr einfach mitteilen. Und sie konnte sich mit mir so richtig freuen, weil sie ja nun über die ganze Geschichte Bescheid wusste. Etwas anderes kam uns gleichzeitig in den Sinn: War es eine Art von Magie, die ich dadurch losgetreten habe, weil ich endlich über meine Vergangenheit geredet habe? Habe ich vielleicht erst durch mein Erzählen Urs wieder in mein derzeitiges Leben geholt und bin deshalb darüber informiert worden, was aus seinem Erbe geworden ist? Gibt es wohl doch eine Magie, die - ganz ohne Zauberstab - von Muggeln und Squibs genauso wie von Zauberern genutzt werden kann?
Meine wunderbare Freundin Hestia erwies sich gleich als großartiges Organisationstalent, indem sie meine Reise nach Bern plante. „Dädalus hat sich bereit erklärt, mit Hilfe von Vielsafttrank deine Rolle hier zu übernehmen. Und ich werde mit Dir nach Bern apparieren; das ist einfacher, als erst einen Portschlüssel zu beantragen.“ Das ist genau die Freundin, die ich brauche. Sie gleicht meine Schwächen aus und übernimmt genau diese Dinge, die mir ein Gräuel sind. Ich hätte vermutlich eine schlaflose Nacht lang überlegt, ob ich überhaupt zur Eröffnung hinfahren soll, dann hätte ich mir noch über den Reiseweg den Kopf zerbrochen, und zum Schluss hätte ich es wohl doch vorgezogen, daheim zu bleiben, weil ich hier schließlich eine Aufgabe zu erledigen habe. Ach, wie gut, dass das Schicksal uns immer gerade die Menschen zur Seite stellt, die uns guttun.
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