von BlackWidow
Hallo, meine lieben Leserinnen und Leser!
Ich wünsche Euch allen ein glückliches, gesundes, erfolgreiches und kreatives Jahr 2014.
Und hier endlich wieder ein neues Kapitel:
93
Erbarmen mit den Slytherins
10. Februar 2000
Das Thema des Unterrichts wird von den meisten Schülern gut aufgenommen, wenn es auch immer wieder kleinere oder - wie leider heute - größere Zwischenfälle gibt. Sehr angenehm überrascht hat mich die Erzählung von Adrienne Mulciber, einer Slytherin-Schülerin aus der fünften Klasse. Sie ist ein ziemlich verschüchtertes Mädchen, was man aber nur allzu gut nachvollziehen kann, wenn man ihre Familiengeschichte kennt. Ihr Vater und ihr Großvater waren beide berüchtigte Todesser. Ihre Mutter konnte sich und das Mädchen gerade noch sicher ins Ausland bringen, als Voldemorts Macht auf dem Höhepunkt war und sie vor der Wahl standen, entweder die grausamen Taten der Todesser zu akzeptieren oder zu sterben. Adrienne hat eine wahre Odyssee hinter sich, als ihre Mutter mit ihr durch halb Europa geflohen ist, immer in der Angst, von Ehemann oder Schwiegervater verfolgt und gefunden zu werden.
Ich fand es bewundernswert, dass das Mädchen sich überhaupt getraut hat, vor der ganzen Klasse zu sprechen. Dies ging natürlich nicht ohne Stammeln, aber sie konnte ihre Nervosität doch so weit unter Kontrolle halten, dass man ihren Ausführungen gut folgen konnte. Im Wissen um ihre dramatische Familiengeschichte fand ich es mehr als verwunderlich, dass sie eine lustige Begebenheit erzählte, die Stoff zu lebhafter Diskussion bot. Ich will diese Geschichte deshalb festhalten:
„Ich möchte euch ein Erlebnis erzählen, ohne vorher zu verraten, ob sich dies bei Zauberern oder bei Muggeln zugetragen hat. Ihr sollt dann selber einschätzen, für welche Personengruppe diese Geschichte typisch ist.
Ich war beim Friseur und musste etwas warten, bis eine Kundin mit langen lila Locken fertig war und der Stuhl für mich frei wurde. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, lauschte ich, was die Gelockte erzählte, und was ich hörte, ließ mich schmunzeln. Sie wies nämlich ihre Friseurin an, ihr ja die Locken nur um wenige Millimeter zu kürzen. ?Wissen Sie, durch die Spitzen meiner Locken nehme ich Kontakt zu den Feen auf, und wenn Sie zu viel wegschneiden, kann ich nicht mehr mit ihnen kommunizieren!` Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass die Friseurin die Augen verdrehte und auch ich hatte Mühe, mir ein Lachen zu verkneifen. Und nun ratet bitte, ob sich diese Geschichte in der Zaubererwelt oder in der Muggelwelt zugetragen hat.“
Was dann geschah, hätte ich weder vorbereiten noch planen können. Die Schüler redeten durcheinander und ich musste erst einmal für Ordnung sorgen, damit einer nach dem anderen seine Gedanken mitteilen konnte. Ein Großteil der Schüler brachte Bemerkungen wie „Hört sich ganz nach Professor Trelawney an!“ Die meisten Schüler waren davon überzeugt, dass es sich um eine besonders seltsame Hexe handelte, doch Adrienne beteuerte, dass sich diese Begebenheit in einer Muggelgegend zugetragen hatte. Nicht alle glaubten ihr das. Von manchen Slytherin-Kollegen wurde sie angefeindet, warum sie es überhaupt nötig hatte, zu einem Muggelfriseur zu gehen. Doch Adrienne hatte es sich wohl vorgenommen, im Notfall ihre ganze Geschichte zu erzählen, auch wenn es ihr persönliche Nachteile bringen würde. Und so wurde sie immer mutiger und erzählte: „Wie die meisten von euch wissen, waren meine Mutter und ich auf der Flucht vor den Todessern.“ „Wieso musste eine reinblütige Hexe vor den Todessern fliehen, das ist doch Unsinn!“ schrie ein Mitschüler laut vor. „Nur weil ich zufällig aus einer reinblütigen Familie stamme, muss ich die Taten der Todesser und des Dunklen Lords noch lange nicht gutheißen!“ konterte Adrienne sofort.
Daraufhin wurde sie ausgerechnet von Richie Coote, einem Gryffindor-Schüler, angefeindet: „Wieso nennst du Du-weißt-schon-wen dann ?Dunkler Lord`? So nannten ihn doch nur die Todesser. Also bist du wohl auch eine von denen!“ Das war der Auslöser für einen riesigen Tumult in meinem Klassenzimmer, dem ich allein niemals Herr geworden wäre. Zum Glück kam mir der Fast Kopflose Nick gerade rechtzeitig zu Hilfe, indem er lautlos ins Zimmer und mitten durch die Schüler schwebte, sodass eiskalte Schauer über deren Rücken liefen. Das ließ sie für kurze Zeit verstummen und gab mir die Möglichkeit, wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Nick brachte sich dann in die nachfolgende Diskussion mit ein, wofür ich ihm unendlich dankbar war. (Manchmal glaube ich, er hat ein Auge auf mich und kommt mir zu Hilfe, wenn ich ohne Magie nicht weiterkomme. Zumindest seit ich Hauslehrerin von Gryffindor bin, hegt er eine große Sympathie für mich.) Mit Nicks Unterstützung konnte ich die Schüler dann doch davon überzeugen, dass die Wortwahl allein noch lange keinen Todesser macht. Adrienne wird es wohl von frühester Kindheit an eingetrichtert bekommen haben, Voldemort so zu benennen. Am meisten schockierte mich allerdings diese offene Anfeindung seitens eines Gryffindor-Schülers. Leider war die Stunde bald zu Ende, sodass ich die Thematik nicht mehr vertiefen konnte. Aber ich wollte die Klasse nicht entlassen, ohne vorher eine Hausaufgabe zu geben: „Schreiben Sie einen Aufsatz mit dem Thema Gut und Böse - Woran erkennt man es und wo sind die Grenzen?“ Ich weiß, dass es das Fach Muggelkunde weit überschreitet, aber ich halte es trotzdem für unabdingbar, dass die Schüler sich darüber Gedanken machen.
11.Februar 2000
Seit ich Hauslehrerin bin, habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, jeden Abend im Gryffindor-Gemeinschaftsraum vorbeizuschauen. Da die Schüler ihre Eltern so selten sehen, kann ich mir denken, dass manchmal das Bedürfnis vorhanden ist, mit einer erwachsenen Person über Probleme zu reden, und mein Angebot wird auch immer wieder angenommen. Heute Abend war es aber vor allem mein eigenes Bedürfnis, mit den Schülern zu reden, das mich veranlasste, fast den ganzen Abend im Gemeinschaftsraum zu verbringen. Ich sah einige Fünftklässler über meinem Aufsatz schwitzen, hörte auch so manches Schimpfen über die Tatsache, dass dieses Thema nichts mit Muggelkunde zu tun hätte. Richie Coote schaute immer wieder verstohlen zu mir her, so fasste ich mir ein Herz und setzte mich an den Tisch, an dem er gerade seine Hausaufgaben machte. Es schien ihm sichtlich unangenehm, mit mir sprechen zu müssen. Jedoch zeigte er sich bald einsichtig und gestand Adrienne zu, dass sie zwar das Vokabular ihrer Familie, jedoch nicht deren Ansichten übernommen hat. Er versprach mir, sich am nächsten Morgen bei dem Mädchen zu entschuldigen.
13. Februar 2000
Ich muss gestehen, dass ich meine Abneigung gegen Slytherins dringend überdenken muss. Nicht nur Adrienne ist es, die mich zu diesen Gedanken bewogen hat. Nein, es geht mir um all die Kinder von reinblütigen Zauberern oder auch Todessern, die von den Eltern gehirngewaschen wurden und nun durch deren Gefängnisaufenthalt oder Tod völlig orientierungslos sind. Wer als Kind mehr als zehn Jahre lang eine bestimmte Ideologie als gut und richtig eingetrichtert bekommen hat, ist völlig überfordert damit, nun plötzlich eine andere als die gute zu akzeptieren. Ich frage mich, ob das größere Verbrechen der Todesser vielleicht gar nicht das sinnlose Abschlachten von Andersartigen und Andersdenkenden war, sondern die Tatsache, dass sie dieses Gedankengut ihren Kindern eingebläut haben! Leider ist der Slytherin-Hauslehrer nicht gerade eine Ansprechperson für Schüler, die derart traumatisiert sind. Slughorn hat sich immer nur für Schüler interessiert, die in irgendeiner Weise berühmt sind oder berühmte Verwandte haben. Ich muss dringend mit Minerva sprechen, ob man nicht mehr für das Seelenheil dieser Kinder und Jugendlichen tun könnte.
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