von BlackWidow
Wie versprochen, habe ich Euch diesmal nicht so lange warten lassen. Viel Spaß mit dem neuen Kapitel
wünscht Euch
BlackWidow
90
Pressefreiheit
1. August 1999
Vor ein paar Tagen stand dieser schreckliche Artikel im Tagespropheten:
Zaubereiminister versagt - Rücktritt gefordert
Dementoren außer Rand und Band
Kingsley Shacklebolt, der sich vor über einem Jahr in einer Nacht- und Nebelaktion zum Zaubereiminister ernennen ließ, wird bald nichts mehr zu lachen haben. Der selbstherrliche ehemalige Leiter der Aurorenzentrale, der sogar Zauberer ohne Hogwartsabschluss dort aufgenommen hat, hat nämlich ein Problem. In einer übereilten Aktion hatte Shacklebolt kurz nach seiner Ernennung zum Minister die Dementoren von ihrem Posten in Askaban abgezogen, ohne sich über die Folgen klar zu sein. Ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit als Wächter des Zauberergefängnisses Askaban beraubt, rotteten sich diese Wesen zusammen und sannen auf Rache. Es ist keine Frage, dass sich nun unkontrollierbarer Terror über das ganze Land ziehen wird. Shacklebolt war nicht bereit zu einem Exklusivinterview, da er „im Augenblick Wichtigeres zu tun“ habe. Ich frage mich, was es denn für einen Minister Wichtigeres zu tun gibt, als die gesamte magische Bevölkerung über den Stand der Dinge aufzuklären? Plant er womöglich, die Dementoren auf seine Seite zu ziehen, um noch mehr Macht zu bekommen? Alle Zeichen sprechen dafür, dass noch dunklere Zeiten auf uns zukommen als vor zwei Jahren, als Du-weißt-schon-wer an der Macht war.
Natürlich war wieder diese schreckliche Rita Skeeter Urheberin dieser Hetzschrift. Ich frage mich, ob man dieser Frau, die es liebt, Lügen zu verbreiten, nicht ein für alle Mal das Handwerk legen könnte. Von John habe ich eine Eule bekommen, in der er mir versicherte, dass alle verfügbaren Zauberer in kürzester Zeit die Dementoren besiegt haben.
3. August 1999
John hatte wirklich nicht übertrieben mit seiner Behauptung. Gestern gab es ein Treffen aller Beteiligten und ihrer Familienangehörigen in den Drei Besen in Hogsmeade. Es war der erste größere Einsatz der frisch gebackenen Aurorenschüler Harry und Ron, und Kingsleys Schilderung zufolge haben sich die beiden jungen Männer tapfer geschlagen. Nun ja, dass Harry ein Meister des Patronuszaubers ist, davon konnte ich mich ja damals in Little Whinging schon überzeugen. John schilderte mir alle Details des gemeinsamen Kampfes, der in einem großartigen Sieg geendet hat. Wenn man einmal davon absieht, dass die Begegnung mit Hunderten von Dementoren kein Spaß ist, muss es trotzdem ein unglaublich berührender Anblick gewesen sein, als Hunderte von Patroni durch die Lüfte schwebten, flogen, schwammen oder galoppierten.
„Wie sieht eigentlich dein Patronus aus, John?“ wollte ich von ihm wissen, als wir kurz vor der Tür frische Luft schnappten. Er beschwor sofort einen herauf, und was ich zu sehen bekam, nahm mir fast den Atem, so überrascht und gleichzeitig bestürzt war ich: es war ein Bär! „Arabella, ist alles in Ordnung mit dir?“ fragte mich John voller Sorge. „Du bist ganz blass geworden.“ Ich musste mich erst einmal sammeln, ehe ich ihm antworten konnte: „Du bist nicht der erste Mann in meinem Leben, der einen Bärenpatronus hat. Urs, der Mann, mit dem ich viele Jahre zusammen gewesen bin, war ein Bär als Animagus und auch sein Patronus war ein Bär.“ „Das ist etwas sehr Seltenes, dass jemand als Animagus und als Patronus dasselbe Tier hat. Dein Urs muss ein besonders selbstbewusster Mann gewesen sein,“ stellte John fest, doch ich konnte einen Hauch von Bitterkeit in seiner Stimme ausmachen. Nun war ich doch neugierig, was hinter diesem Stimmungswandel stecken konnte und auf meine vorsichtige Nachfrage vertraute John mir an: „Ich dachte einmal, dass auch ich zum Bärenanimagus bestimmt wäre, doch mein Versuch einer Verwandlung ging gründlich daneben. Hätte der Medizinmann Deiner Freundin Luise mich nicht geheilt, ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre.“ Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen und mir kam wieder in den Sinn, was Pomona einmal erzählt hatte: „Er hatte einen magischen Unfall.“ Nun hielt ich es für angebracht, nicht weiter in ihn zu dringen, denn es war ihm anzusehen, wie sehr ihn diese Erinnerung immer noch schmerzte.
Es war auch nicht der richtige Zeitpunkt, um über solch intime Dinge zu sprechen, denn wir wollten wieder in den Gastraum zurückgehen, um in der fröhlichen Runde weiter den Sieg über die Dementoren zu feiern. Ich konnte allerdings nicht umhin, Kingsley meinen Unmut über Rita Skeeters schrecklichen Artikel mitzuteilen. „Kann man dieser fürchterlichen Frau nicht ein Schreibverbot erteilen?“ fragte ich in die Runde. „Arabella, deine Solidarität berührt mich zwar sehr,“ meinte Kingsley. „Aber das käme einem Angriff auf die Pressefreiheit gleich, und das wäre ein Angriff auf die Demokratie, die wir doch gerade unter so vielen Mühen wiederherzustellen versuchen.“ Ich dachte mir im Stillen, wie sehr doch die Wiederherstellung des Friedens Kingsley am Herzen liegen muss, wenn er sogar in Kauf nimmt, dass jemand so dreiste Lügen über ihn verbreitet.
Ich habe mir fest vorgenommen, einen Leserbrief zu schreiben, weil es nicht sein kann, dass der fähigste Minister, den die magische Gesellschaft in diesem Jahrhundert hatte, von einer einzigen Wichtigtuerin derart schlechtgemacht wird. John war ganz meiner Meinung und so haben wir abgemacht, dass jeder für sich einen Leserbrief an den Tagespropheten schreibt, damit dem Entsetzen über diese Art der Berichterstattung Raum gegeben wird. Nun brüte ich über diesen Zeilen. Ich, die ich von Kindesbeinen an gewohnt bin, alles schriftlich festzuhalten, was mir durch den Kopf geht und mein Herz berührt. Und nun bin ich sprachlos, fehlen mir die Worte, um eine Journalistin, die nur auf reißerische Berichterstattung aus ist, in ihre Schranken zu weisen.
9. August 1999
Ich habe schließlich doch noch einen Leserbrief hinbekommen, der eine deutliche Sprache spricht. Nur ist er bisher noch nicht erschienen. Johns Brief ist vorgestern schon Wort für Wort abgedruckt worden, und er war wirklich sehr beeindruckend. Nun habe ich an die Redaktion geschrieben, um nachzufragen, ob mein Leserbrief wohl erst in den nächsten Tagen an der Reihe ist.
10. August 1999
Diese Eule kam heute von der Redaktion des Tagespropheten:
Sehr geehrte Mrs. Figg,
da in einer magischen Tageszeitung wie dem Tagespropheten sich verständlicherweise nur Zauberer und Hexen zu Wort melden können, mussten wir Ihren Brief bedauerlicherweise ablehnen, da Sie nicht als Mitglied der magischen Gemeinschaft bekannt sind.
Mit freundlichen Grüßen
Eugenia Tumb
Redaktionsleiterin
Ich war so ungehalten über diese Frechheit, dass ich damit auf dem schnellsten Weg zu Minerva ins Büro gerannt bin. Ich brauchte einfach einen Menschen, dem ich mich anvertrauen konnte, hatte aber nicht gedacht, dass meine Beschwerde solche Kreise ziehen würde. Minerva schrieb ihrerseits einen bitterbösen Brief an diese Redaktionsleiterin und setzte ebenso Kingsley Shacklebolt darüber in Kenntnis. Das war mir nun überhaupt nicht recht, weil ich mir denke, dass ein Minister ganz andere Sorgen hat, als sich um die ungerechte Behandlung einer Squib zu kümmern.
11. August 1999
Oh, wie peinlich mir das ist, nun derart im Mittelpunkt zu stehen. Meine Freunde haben meinen abgelehnten Leserbrief tatsächlich zur Chefsache gemacht und so war heute auf der Titelseite folgender Artikel zu lesen:
Hogwarts-Lehrerin von Redakteurin diskriminiert
Sofortige Absetzung der Redakteurin gefordert
Die mit viel Mühe wiederhergestellte Demokratie ist in Gefahr. Und das liegt nicht etwa - wie eine gewisse Journalistin ihren Lesern weismachen will - am Versagen des Zaubereiministers. Nein, von ganz anderer Seite her droht diese Gefahr. Von einer Seite, die mit zu den Grundsäulen der Demokratie gehört: der Pressefreiheit!
Alles begann mit einem reißerischen Artikel der allseits bekannten Bestsellerautorin Rita Skeeter über die verlorene Kontrolle über die Dementoren und das angebliche Versagen des Zaubereiministers Kingsley Shacklebolt. Da die Dementoren von einem Team von geschulten Fachkräften sehr schnell wieder unter Kontrolle gebracht werden konnten, entbehrte dieser Artikel nahezu jeglicher Grundlage. Miss Skeeter hat lediglich die Fakten aufgebauscht und „aus einem Flubberwurm einen Drachen gemacht“, wie es sprichwörtlich so schön heißt. Alles, was sich unser Minister, der (O-Ton Skeeter) „sogar Zauberer ohne Hogwartsabschluss dort aufgenommen hat“ (in der Aurorenzentrale, Anm. der Verfasser), zu Schulden hat kommen lassen, war die Tatsache, dass er keinen Geringeren als Harry Potter, den Bezwinger von Du-weißt-schon-wem, dem Helden des 2. Mai und Retter der magischen Welt eine Ausbildungsstelle in der Aurorenzentrale angeboten hat. Und nun fragen wir Sie, liebe Leser:
Braucht der Retter der gesamten magischen Welt einen Schulabschluss, um Auror werden zu können?
Miss Skeeter scheint dieser Meinung zu sein und vermutet, dass Vetternwirtschaft hinter dieser Ausbildungsplatzvergabe steckt. Tatsache ist, dass Harry Potter und seine Freunde im Kampf gegen Du-weißt-schon-wen große Tapferkeit bewiesen haben und Zauber anwenden mussten, die weit über das Schulabschlussniveau hinausgehen. Weitere Tatsache ist, dass nach dem Sieg über Du-weißt-schon-wen dringend neue Auroren gebraucht wurden. Doch das alles scheint Miss Skeeter zu ignorieren, um einen möglichst reißerischen Artikel schreiben zu können. Die Pressefreiheit ist eine Grundsäule der Demokratie. Aber darf sie so weit gehen, Lügen zu verbreiten, einen Helden zu verunglimpfen und die erfolgreiche Arbeit des Ministers in Frage zu stellen? Unserer Meinung nach stellt dieser Artikel eine grobe Verletzung der Pressefreiheit dar, weil Lügen verbreitet wurden und die Bevölkerung verunsichert wurde.
Nun kommt die nächste Verletzung der Pressefreiheit: der Leserbrief einer geachteten Lehrerin von Hogwarts zu besagtem Artikel wurde abgelehnt! Angeblich wäre Mrs. Arabella Figg kein Mitglied der magischen Gemeinschaft. Dies entspricht in keiner Weise der Realität, denn Mrs. Figg war lange Jahre Mitglied im Orden des Phönix, der dem Widerstand gegen Du-weißt-schon-wen zu einem entscheidenden Erfolg verholfen hat. Zudem war sie aktiv am Wiederaufbau von Hogwarts beteiligt und unterrichtet dort seitdem sehr erfolgreich das Fach Muggelkunde. Sie finden den abgelehnten Leserbrief ungekürzt auf Seite 7.
Hestia hat zusammen mit Dädalus und John diesen Artikel verfasst und sie hatten sogar ein Foto von mir abgedruckt. Irgendwie finde ich es sehr berührend, was sie über mich geschrieben haben, aber andererseits ist es mir nicht recht, gleich auf der ersten Seite zu erscheinen. Nun kann ich es nachvollziehen, was Harry so oft mitgemacht hat, als er so sehr im Mittelpunkt stand. Andererseits war ich froh, dass mein Leserbrief wirklich in voller Länge abgedruckt worden war:
Wie weit darf die Pressefreiheit gehen?
Leserbrief zum Artikel „Zaubereiminister versagt - Rücktritt gefordert“
von Professor Arabella Figg
Beim Lesen dieses Presseartikels von Rita Skeeter sind mir die Haare zu Berge gestanden, so viele Unwahrheiten und Übertreibungen auf einmal waren in dieser Geschichte zu lesen.
Lüge Nr. 1: Kingsley Shacklebolt wurde laut Rita Skeeter „ in einer Nacht- und Nebelaktion“ zum Minister ernannt. Die Journalistin verdreht Fakten, von denen sie keine Ahnung hat. Wo war Miss Skeeter, als Harry Potter und der Orden des Phönix über Voldemort siegten? Was weiß sie denn über Kingsley Shacklebolts Ernennung zum Minister? Hat sie überhaupt die geringste Ahnung, was es heißt, die magische Gemeinschaft, die bis 2. Mai 1998 in einer Diktatur lebte, zurück zur Demokratie und zur gewohnten Ordnung zu führen? Hat sie je gründlich recherchiert über die Taten der bisherigen Zaubereiminister? Nein, denn wenn sie einigermaßen klar denken könnte, müsste ihr aufgefallen sein, dass Kingsley Shacklebolt der erste Minister dieses Jahrhunderts ist, dessen sich die magische Gemeinschaft nicht zu schämen braucht!
Lüge Nr. 2: Die Dementoren sollen laut Skeeter „außer Rand und Band“ gewesen sein. Sachliche Darstellung war noch nie Skeeters Stärke, und so hat sie sich einen Spaß daraus gemacht, Fakten zu verdrehen, die Gefahr zu übertreiben und somit Angst in der magischen Gemeinschaft zu schüren. Dass genau dieses Schüren der Angst es ist, womit Diktatoren sich ihr Volk gefügig machen, weiß jeder, der bereit ist, aus der Geschichte der gesamten Menschheit zu lernen. Mit der Angst der Menschen lässt sich nicht nur viel Geld verdienen sondern auch die persönliche Freiheit jedes einzelnen einschränken. Hätte Miss Skeeter die Fähigkeit, sachlich zu berichten, dann wäre die magische Gemeinschaft darüber informiert worden, dass sich zwar tatsächlich Dementoren zusammengerottet hatten, diese aber gleichzeitig mit Erscheinen des Zeitungsartikels besiegt worden waren. Übrigens unter anderem auch von jenen Zauberern, die Skeeter als noch nicht für den Aurorenberuf geeignet hält: Harry Potter und Ronald Weasley.
Lüge Nr. 3: Laut Skeeter war der Minister nicht bereit für ein Interview, was in ihren Augen ein Kapitalverbrechen zu sein scheint. O-Ton Skeeter: „Ich frage mich, was es denn für einen Minister wichtigeres zu tun gibt, als die gesamte magische Bevölkerung über den Stand der Dinge aufzuklären?“ Mal überlegen, was es für einen Minister wichtigeres zu tun gibt, als sich mit einer Person zu unterhalten, die sich selber Erfolgsjournalistin nennt, in Wirklichkeit aber nur eine Faktenverdreherin ist. Kingsley Shacklebolt hat es ganz einfach für seine wichtigste Aufgabe gehalten, den Kampf gegen die Dementoren zügig zu organisieren und anzuführen, und ihm haben wir es zu verdanken, dass von diesen Wesen, die alles Glück der Menschen zu vernichten imstande wären, keinerlei Gefahr mehr ausgeht. Sie wurden innerhalb kürzester Zeit besiegt, weil Kingsley Shacklebolt so schnell reagiert hat, statt sich mit einem Interview aufzuhalten. (Warum kommt mir nur gerade einer seiner Amtsvorgänger in den Sinn, der keine Gelegenheit ungenutzt ließ, sein Konterfei in der Presse ablichten zu lassen? War es nicht derselbe, der die Gefahr, die von Voldemort und den Todessern ausging, ignoriert hat?)
Lüge Nr. 4: „Plant er womöglich, die Dementoren auf seine Seite zu ziehen, um noch mehr Macht zu bekommen?“ Zu dieser Aussage Skeeters möchte ich nur sagen, dass das Streben nach Macht niemals Shacklebolts Ziel war. Er wurde lediglich nach dem Sieg über Voldemort als der fähigste Mann angesehen, der die magische Gemeinschaft wieder zurück zur früheren Ordnung führen kann. Da er bewiesen hat, dass er dazu wie kein anderer fähig ist, wurde er nach einigen Monaten der kommissarischen Führung zum offiziellen Minister ernannt.
Lüge Nr. 5: „Alle Zeichen sprechen dafür, dass noch dunklere Zeiten auf uns zukommen als vor zwei Jahren, als Du-weißt-schon-wer an der Macht war.“ Vielleicht ist dies auch gar keine Lüge, denn eines ist sicher: Wenn mehr Journalisten solche Berichte verbreiten, die jeglicher Grundlage entbehren, dann könnte die Demokratie tatsächlich in Gefahr geraten.
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