von Cute_Lily
Sie griff nach seinem Ellbogen und hielt ihn fest, sodass er nicht wieder davonlaufen konnte.
âHarry, Liebe bedeutet nicht, dass du immer stark sein musst. Liebe ist, deine Ăngste zu offenbaren und sich ihnen gemeinsam zu stellen.â
Er wirbelte zu ihr herum und funkelte sie zornig an. Was hatte Ginny nur getan, dass ihn so in Rage versetzte?
âAch, und das weiĂt du so genau, weil du bisher so erfolgreiche Beziehungen gehabt hast, nicht wahr!?â
Seine Worte waren wie ein Nackenschlag. Sie musste naiv sein, zu glauben, sie könne ihn aus seinem GefĂŒhlsdisaster befreien.
TrÀnen brannten in ihren Augen, doch sie sah ihn weiter an. Er hatte Recht. Bisher hatten ihre Beziehungen nie lange genug gehalten. Ob es an ihr oder an den MÀnnern lag, wusste sie nicht zu sagen.
Hatte sie immer denselben Fehler begangen? Hatte sich zurĂŒckgezogen, als ihre Beziehung ernster zu werden schien?
Ja, ja, so musste es gewesen sein. Das wusste sie.
Aber dass sie sich emotional nicht band, nicht binden konnte, berief sich immer nur auf der Tatsache, dass sie Angst davor hatte, verletzt zu werden. Und dass sie nur einem Menschen jemals völlig vertrauen konnte.
Ihm.
Wenn sie in seinen immergrĂŒnen Augen so etwas wie Bedauern las, verflog dieser Ausdruck im Nu wieder.
âJa, das ist es, nicht wahr!? Nur, weil ich nicht fĂ€hig bin, mich zu binden, weiĂ ich nicht, was Liebe ĂŒberhaupt ist! Oh, du hast ja so Recht, Harry! Danke, dass du mich daran erinnert hast!â
Sie lieĂ seinen Ellbogen los und wandte sich von ihm ab. Ihn so zu sehen, ertrug sie nicht. So unberechenbar. Und Verletzend.
âWenn du nur eine Sekunde dein Köpfchen einschalten wĂŒrdest, wĂŒsstest du haargenau, dass ich bisher immer verstanden habe, wie du dich fĂŒhlst! Aber du liegst natĂŒrlich völlig richtig: Menschen wie ich, die sich nicht binden können, haben absolut keine Ahnung davon, was Liebe ist!â
Ihr war so heià vor Wut, dass sie sich mit der flachen Hand Luft zu fÀchern musste.
âBleib gefĂ€lligst hierâ, knurrte er, seine Stimme glich einem zerreiĂenden Stahlseil.
âWer bist du, dass du mir etwas befehlen kannst!?â, schleuderte sie ihm in derselben Tonlage entgegen.
Noch immer stand sie mit dem RĂŒcken zu ihm, was ihn nur noch mehr verĂ€rgerte.
âHermine!â
âWas willst du eigentlich von mir, Potter? Wenn ich dir meine Hilfe anbiete, blockst du ab und reagierst stinksauer wegen einer Sache, an der ich keine Schuld trage. Und jetzt, wo ich mit dir fertig bin, hast du den riesigen Drang, mit mir zu diskutieren? Gehtâs noch!?â
Blitzschnell stand sie nur Millimeter vor ihm und bohrte ihm ihren Zeigefinger in die Brust. Ihre Nasen berĂŒhrten sich und von ihrem Gesicht ging furchteinflöĂende Hitze aus.
Harry klappte der Mund auf bei solch einer liebreizenden Zornesröte. Noch nie hatte er sie so erlebt. Sie war wie ausgewechselt. Nicht einfĂŒhlsam und groĂherzig. Nein, sie war kaltschnĂ€uzig und gleichgĂŒltig.
Die unzĂ€hligen GesprĂ€che im Gemeinschaftsraum waren verstummt. Alles lauschte gebannt, sensationslĂŒstern. Denn eine schreiende Hermine sah man schlieĂlich nicht alle Tage. Gut, bei Ron vielleicht schon aber nicht so bei Harry.
Nicht die beiden, die wie Pech und Schwefel, ein Herz und eine Seele waren.
Harry und Hermine. Hermine und Harry. Das klang schon schön.
Jeder wusste es. Jeder sah, dass die beiden mehr verband als Freundschaft. Mehr als sie sich eingestehen wollten. Doch das Schicksal hatte andere PlÀne mit ihnen. Nicht Harry war es, der Hermine in schlaflosen NÀchten hielt oder sie in eine Besenkammer zog, um mit ihr zu knutschen.
Nein, er war der Harry, fĂŒr den sie alles opferte, dem sie alles preis gab, was sie bewegte.
Und er war der Harry, der genau das wusste. Der wusste, was er fĂŒr sie war und der ebenso wusste, dass sie dasselbe fĂŒr ihn war.
Alles. Absolut unwiderruflich und vollkommen alles.
Sie stĂŒrmte an ihm vorbei und wollte den Gemeinschaftsraum verlassen.
âManchmal bist du mir echt suspekt, Harryâ, sprach sie wieder ruhiger, âEs gibt Momente, da erkenne ich dich nicht. Da frage ich mich, wo der alte Harry ist. Wo bist du, he!?â
Ihre linke Hand lag an der kalten Backsteinmauer. Die helle Haut wollte nicht so recht zur grauen Mauer passen und doch wirkte es so graziös, so zart und edel, dass er sie unter dem schwachen Widerschein des Kaminfeuers besonders hĂŒbsch fand.
âDer alte Harry ist nicht mehrâ, flĂŒsterte er leise, doch die Stille im Raum war so ĂŒbermĂ€chtig, dass seine Worte dreifach verstĂ€rkt von den WĂ€nden zurĂŒckgeworfen worden.
Ebenso ihre Antwort.
âWirklich? Das ist schade, denn dem alten Harry konnte ich in die Augen sehen und ihn liebenâŠ, als den, der er war.â
Sie schluckte schwerer als jemals vorher.
Etwas auszusprechen, das sie vor drei Sekunden erst erkannt hatte, tat wahnsinnig weh. Deshalb hielten ihre Beziehungen nie lange. Sie alle mussten sich mit ihm messen und keiner war je in der Lage gewesen, auch nur ansatzweise mitzuhalten.
Keiner.
Sie fĂŒhlte ihren Puls am Hals, wusste, dass er sehen musste, wie ihr Blut pulsierte, dass sie nicht log. Doch er reagierte nicht. Nichts. Nicht einmal ein Augenbrauenzucken.
Sie nickte verstehend, drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort.
Als sie nach Mitternacht das Schloss betrat, war alles still und dunkel.
Eine Runde um den See hatte ihr gut getan, um wieder auf Normaltemperatur zu kommen. Sie hatte lange nachgedacht. Wie es dazu gekommen war, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Wann es begonnen und warum sie es all die Zeit nicht bemerkt hatte.
Die GĂ€nge waren wie ausgestorben. Nur vereinzelt leuchteten noch Fackeln und warfen ihr gespenstisches Licht auf ihre Haut. So schnell sie ihre FĂŒĂe trugen, lief sie zurĂŒck zum Gemeinschaftsraum, den sie leer vermutete.
Doch sie sollte sich irren.
NatĂŒrlich.
âDu hast lange gebrauchtâ, flĂŒsterte er vom offenen Fenster her, als sie das Portrait hinter sich schloss. Sein Haar war noch zerstrubbelter als sonst und nun, da sie wusste, was sie fĂŒhlte, wĂŒnschte sie sich nichts mehr, als mit ihren Fingerspitzen durch sie hindurch zu streichen, den Wind zu spĂŒren und seinen Geruch einzuatmen. In sich aufzunehmen.
Einen Geruch, den sie schon immer gemocht hatte.
âJa, das habe ich wohlâ, antwortete sie kĂŒhl, obwohl sie im Inneren brodelte.
âIch habâ auf dich gewartet.â
Sie zog misstrauisch eine Augenbraue hoch. War das sein Ernst?
Sie glaubte ihm nicht, klang ihr bitterböser Streit noch immer in ihren Ohren nach.
âWas willst du?â, schleuderte sie ihm entgegen, als er sich von der Fensterbank abstieĂ und zu ihr kam.
Er durfte nicht zu ihr kommen. Nein, denn dann bestand die Gefahr, dass sie die Kontrolle verlor. Und das wollte sie nicht. Durfte sie nicht.
âMich entschuldigen fĂŒr das, was ich zu dir sagte. Es war nicht fair.â
Sie verschrĂ€nkte die Arme vor der Brust. Ein bisschen beleidigende Gestik und ein paar bissige Worte sollten genĂŒgen, um ihn zum RĂŒckzug zu zwingen.
âSieh malâ, sagte er, âes tut mir wirklich Leid. Ich hatte nicht das Recht dazu, es zu sagen.â
Sie schnaubte.
âWenn nicht mal du, als mein bester Freund, mir die Wahrheit sagen kannst, wer dann?â
Er setzte an, etwas zu erwidern, doch sie legte ihm einen Finger auf die Lippen.
âHarry, ich leugne meine Worte nicht. Ich will einfach nur, dass du erkennst, wie sehr du dich verĂ€ndert hast. Ich erkenne dich nicht mehr.â
âAberâŠâ
âSchht, bitte, Harry.â Sie holte einmal tief Luft. Es war an der Zeit, es auszusprechen, egal, was es mit ihrer Freundschaft machen wĂŒrde. Sie musste ihm sagen, was sie fĂŒhlte.
âIch liebe dichâ, sprach sie mit fester, warmer Stimme, die keine Zweifel zulieĂ, âund da ich weiĂ, dass du dich zusammen mit Ginny verĂ€nderst, dulde ich es aber ich will, dass dir bewusst wird, dass es ein âwirâ wie frĂŒher nicht mehr geben wird.â
Wieder wollte er aufbegehren, doch sie stoppte ihn, indem sie ihm einen sĂŒĂen Kuss stahl. Es war nur eine leichte BerĂŒhrung, doch es löste die wunderbarsten Empfindungen in ihr aus. GefĂŒhle, die sie bei keinem anderen jemals erlebt hatte.
All diese Dinge in seiner Gegenwart zu spĂŒren, lieĂ sie traurig werden.
In ihren Augenwinkeln glitzerten die TrÀnen.
âIch wollte schon immer wissen, wie sich das anfĂŒhltâ, hauchte sie und er hörte die Liebe aus jeder Silbe.
Stille trÀnkte den Raum, wÀhrend sie sich ansahen.
So viele Gedanken rasten durch ihren Kopf. Doch keinen konnte sie richtig fassen.
Nur den Einen: Sie liebte Harry.
âDankeâ, formten ihre Lippen, sie kehrte um und verschwand im Aufgang zu den MĂ€dchenschlafsĂ€len.
Das Harry ihr nachsah, mit einem verÀnderten, ja, neuen, ungewohnten Ausdruck, bemerkte sie nicht.
***
Klein aber fein. Ich weiĂ, ich lasse die beiden Bluten aber das muss auch mal sein.
Lob, Kritik, Anmerkungen, WĂŒnsche, ihr wisst, wie das geht.
Ran an die Federn und schreibt mir.
eure Lily
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.