von Mona-Lisa
An jenem Tag als ich dich tot vor mir liegen sah, auf dem Boden der großen Halle,
da färbte sich meine Welt grau.
Der Schmetterling der auf meiner Hand saß, verlor seine
schimmernde Farbe und flog eilig davon.
Um mich herum war es still.
Als wäre ich in einer Isolation gefangen.
Alles wurde nichtig und verfiel in eine Starre.
Zu deiner Beerdigung kam ich nicht, Bruderherz.
Ich habe es nicht über mich gebracht.
Ich weis, du warst enttäuscht, aber ich konnte einfach nicht.
Zu stark war der Schmerz über deinen Verlust.
Du warst nicht mehr.
Mit der Zeit ließ er nach, aber ich wusste, er würde nie verschwinden.
Trotzdem wollte ich dich besuchen. Irgendwann.
Eine Weile mit dir reden. Das wollte ich wirklich.
Ich wollte dem rauschen des Windes in den Bäumen lauschen und darin ganz leise
deine Stimme vernehmen.
Im Frühling, wenn der Kirschbaum bei deinem Grab Blüten trägt.
Wenn das Gras wieder so wunderbar grün leuchtet und die Vögel singen.
Dann wollte ich dich besuchen.
Es war wie ein stummes Versprechen
Und es wäre purer Hohn, es nicht zu erfüllen.
Und doch ich hab es bis zum heutigen Tag nicht getan.
Vielleicht war es die Angst vor der Stille,
die Furcht dem Tod so entgültig ins Angesicht sehen zu müssen.
Wenn ich dich besuchen würde,
deinen Namen auf dem Grabstein sehen würde,
dann wäre es entgültig. Wahr.
Es war wie das Wort, das erst dann galt, wenn es ausgesprochen war.
Zumindest hatte es sich so angefühlt.
So bleibt mir bloß der Glauben daran,
dass ich dich einer anderen Welt,
in dieser anderen Welt wiedersehen werde.
Vielleicht in vielen, vielen Jahren
Bis dahin, heißt es Leben.
Ich weis nicht, wie ich darüber hinweg kommen soll,
aber eins weis ich.
Irgendwann wird auch meine Welt wieder bunt werden.
Genau so, wie es deine immer war.
Ich werde wieder lachen, so wie du es immer getan hast.
Ich werde wieder in den Spiegel sehen können und mich sehn, anstatt dich.
Ich werde wieder meine, unsere Stimme ertragen können.
Irgendwann.
Und wenn es soweit ist,
dann sammeln sich all meine Tränen
die ich über dich vergossen habe zu einem stummen,
dankbaren Lächeln.
Einem Lächeln das sagen wird:
Danke für die Zeit, die uns vergönnt war.
Vielleicht werde ich dann die Kraft haben, dich endlich zu besuchen.
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