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Fanfiction

Nebel über Nurmengard - Eine verhängnisvolle Vorahnung

von halbblutprinzessin137

Eine verhängnisvolle Vorahnung


Lange lauschte der Gefangene diesen tröstenden, doch zugleich beängstigenden Worten nach - auch dann noch, als die Erinnerung an jenes beinahe vergessene Versprechen schon wieder verblasst war.

„Falls es doch so sein sollte und wir irgendwann alle gehen müssen, dann möchte ich dir etwas versprechen, Gellert: Sollte ich diese Reise irgendwann in ferner Zukunft vor dir antreten müssen, so werde ich auf dich warten und dir die Hand reichen, wenn es auch für dich so weit ist - damit du nicht alleine bist, damit wir diesen allerletzten Weg gemeinsam beschreiten können. Versprochen.“

Tröstende Worte, zeugten sie doch von dem Versprechen, füreinander da zu sein und einander die Hand zu reichen, selbst über dieses Leben hinaus. Beängstigende Worte, waren sie doch durch Gedanken an den Tod aus dem Meer der Vergessenheit heraus wieder an die Oberfläche gespült worden. Gedanken an den Tod - Warum um alles in der Welt hatte Albus so intensiv über den Feind, den sie einst hatten gemeinsam bezwingen wollen, nachgesonnen, dass jenes alte Versprechen sich in seinen Brief geschlichen hatte? Warum?

Kalte Schauer liefen Gellert Grindelwalds gebeugten Rücken hinab.

Beängstigend ... Genauso beängstigend wie die Schrift, die das Pergament bedeckte. Fahrig ... Zittrig ... Kraftlos.

Gellert biss sich auf die Unterlippe, ohne es zu merken.

Warum nur hatte Albus' Hand so stark gezittert, dass es ihm kaum mehr gelungen war, die Feder zu führen? Warum nur erweckte das ungewohnt fahrige Schriftbild den Eindruck von schlimmen Schmerzen, die durch die schreibende Hand gezuckt waren?

Gellert Grindelwald schluckte hart.

Gewiss, er erinnerte sich noch an das schreckliche Bild, welches sich ihm bei den letzten beiden Besuchen Albus Dumbledores dargeboten hatte. Er erinnerte sich noch an die offenbar abgestorbene, geschwärzte Hand, die aussah, als wäre sie gänzlich verdorrt und das Fleisch weg gebrannt worden. Gewiss, er wusste, dass solche Narben nur ein ungeheuer machtvoller Fluch schlagen und hinterlassen konnte.

Machtvoll und mit dem Ziel gewirkt, zu töten.

Töten ... töten ... töten ...

Dieses Wort schien hundertfach in seinem Kopf widerzuhallen und jedes Mal verspürte er einen schmerzhaften Stich irgendwo in der Herzgegend.

Und doch ... Albus Dumbledore war schließlich ein mächtiger Zauberer, wahrscheinlich der mächtigste überhaupt. Wenn es irgendjemandem gelingen konnte, einen solch machtvollen, kaltblütig gewirkten, mörderischen Fluch zu brechen, dann ihm, dem einzigen Ebenbürtigen, den Gellert Grindelwald jemals gekannt hatte und jemals kennen würde. Albus ließ sich doch nicht so einfach umbringen!

Mit diesen und ähnlichen Gedanken suchte der Gefangene sich zu beruhigen und die bedrückende Ahnung, die ihm fast die Luft zum Atmen nahm und die doch nicht wahr sein konnte, nicht wahr sein durfte, auszulöschen und zu verscheuchen aus seinen Gefühlen.

Ganz gelang es ihm jedoch nicht. Frei atmen konnte er nicht. Die verhängnisvolle Vorahnung ließ ihn nicht los. Beherrschte für den Rest des Abends seine aufgepeitschten Gedanken und Gefühle. Sandte Schauer um Schauer durch seinen Körper. Einer eisiger als der andere.

Die untergehende Sonne sandte mit letzter Kraft ihre sterbenden, blutroten Strahlen in die karge Zelle im höchsten Turm von Nurmengard, als der Gefangene endlich in einen unruhigen Dämmerschlaf verfiel. Und nun beherrschte jene verhängnisvolle Vorahnung seine Träume.

Und es waren beängstigende Träume, welche Gellert Grindelwald heimsuchten und plagten. Doch ausnahmsweise hatten sie nicht das Geringste mit seiner Schuld, seinen Verbrechen, seinen Opfern, dem Blut, das schon so lange an seinen Händen klebte, zu tun. Nein, mit nichts von all dem. Und das war wohl das Beängstigendste.

Denn jene abgehackten Traumfetzen hatten mit nichts zu tun, was Gellert Grindelwald jemals erlebt hatte. Schlaglichtartige Momentaufnahmen von ihm völlig unbekannten Ereignissen, welche einzuordnen er nicht im Stande war. Unbekannt und unvertraut, kurz und knapp, abgehackt und in atemloser Geschwindigkeit an seinem Geist vorbeiziehend - und doch so eindringlich, aufpeitschend, aufwühlend, verstörend, dass sie ihn bis ins Mark trafen.

Ein reißender Strudel aus Gerüchen, Geräuschen, Geschmäckern und Gefühlen, welche ihm allesamt fremd waren. Bilder, welche er nie gesehen, Orte, welche er nie besucht, Geschehnisse, welche er nie erlebt, und Gefühle, welche er nie empfunden hatte. Ein schwindelerregender Wirbel aus Farben und Formen, aus scheinbar zusammenhangslosen Impressionen und Eindrücken, verbunden einzig durch den bitter brennenden, beängstigend bedrohlichen Beigeschmack der Gefahr, welcher ihnen allen anhaftete.

Der Geruch von Salz und Algen und Seetang in der unwirtlich kalten Luft ... reißendes Wasser und gewaltige Wellen, die gegen einen großen Felsbrocken mitten in diesem tosenden Meer schlagen, an seinem Fuße krachend und klatschend übereinander zusammenbrechen und sich erneut erheben ... zwei Gestalten, unendlich klein und verloren inmitten dieses tosenden, rauschenden Wassers ...

Das scharfe, metallene Aufblitzen von Silber ... spritzendes blutiges Rot ... Blut an den rauen Felswänden ...

Und wieder Wasser ... dröhnende Stille ... drückende Finsternis ... unheilvolles Dahingleiten über schweigendes schwarzes Wasser des Todes ...

Plötzlich - ein Licht ... jedoch unheilvoller und kälter als die Dunkelheit ... grell und leuchtend ... flackerndes grünes Gift auf dem schwarzen Wasser ...

... das Ziel und doch der Untergang ...

Und dann ... schrecklich vertraute und doch schrecklich entstellte Augen ... entstellt von schier unmenschlichen Qualen ... von nie gekannter Panik ... von unfassbarem Grauen ...

Verzweiflung ... schlimmer als jemals zuvor ...

Unzusammenhängende Worte ... eine schrecklich vertraute und doch schrecklich entstellte Stimme ... kaum mehr als ein Wimmern ... ein Schluchzen ...

„Ich will nicht ... zwing mich nicht ... möchte nicht ... will aufhören ... Nein ... Ich will nicht ... ich will nicht ... lass mich los ... Lass es aufhören, lass es aufhören ...“

Das Schluchzen wird zu einem heiseren, verzweifelten Schrei ... durch die undurchdringliche Finsternis hallend ... durch die riesige Höhle ... hinweg über das tote schwarze Wasser ...

„Nein, nein, nein ... nein ... ich kann nicht ... ich kann nicht, zwing mich nicht, ich will nicht ...“

Und wieder todbringende Kraftlosigkeit ... lähmender Schmerz ... der Schrei erstirbt ... die zitternde Stimme formt sich zu einem neuerlichen Schluchzen ... Schluchzen und Stöhnen einer vertrauten und doch völlig fremden Stimme ...

„Es ist alles meine Schuld, alles meine Schuld ... bitte lass es aufhören ... ich weiß, dass ich Falsches getan habe ... oh, bitte lass es aufhören und ich werde nie, nie mehr ...“

Eine weiß auflodernde Flamme ... von innen heraus verbrennen vor lauter Schmerz ... unvorstellbarer Schmerz ... umzingelt von unsichtbaren Folterern ...

„Tu ihnen nicht weh ... tu ihnen nicht weh, bitte, bitte ... es ist meine Schuld ... tu doch mir weh ... Bitte, bitte, bitte, nein ... nicht das, nicht das, ich tu alles ...“

Und dann plötzlich ein einziger, nicht enden wollender Schrei ... qualvoller denn je ... fast unmenschlich verzerrt vor Leid und Schmerz und Verzweiflung ...

„Ich will sterben! Ich will sterben! Lass es aufhören, lass es aufhören, ich will sterben ... TÖTE MICH!“

Erschöpfung ... ein rasselnder, keuchender Atem ... und der Schmerz und die Verzweiflung wollen nicht weichen ... mal schwächer, mal stärker ... Ebbe und Flut ... Wellen des Schmerzes und der Schmach und der Reue ... und diese Kraftlosigkeit ... schrecklich ... wie Sterben ... nur langsamer ... qualvoller ... von innen heraus ...

Dann - doch - ein letztes Aufbäumen ... ein winziger Funke in dieser blendenden Finsternis ... und plötzlich - Feuer in der kalten Dunkelheit ... karminrot und golden ... ein Ring aus Feuer ... ein tobender Feuersturm auf dem eisigen klammen schwarzen Wasser des Todes ... tobend und reißend und wirbelnd, doch mit der Absicht, zu schützen, nicht zu zerstören ... schützen ... unbedingt ... um jeden Preis ... mit allerletzter Kraft ...

Dann ... nur noch ein verschwommener Wirbel aus Farben und Silhouetten ... schattenhafte Umrisse eines mächtigen Gebäudes ... dunkel ... alles dunkel ... und doch ... die düsteren Wolkenberge verändern sich ... eine hässliche Fratze ... ein Totenschädel ... grell aus den Wolken hervortretend ... höhnisch und bedrohlich und grell ... in der Farbe, die für Zauberer gleichbedeutend ist mit dem Tod ... Tod ... ein greller grüner Lichtblitz ... ein schwarzer vom Blitz getroffener Turm ... und eine Gestalt, die fällt ... fällt ...

... gebrochen ... für immer ... fort -

Erschüttert und verstört schreckte der Gefangene aus dem schrecklichen, beängstigenden Traum auf. Zitternd krallten sich seine knochigen Hände in den kalten leblosen Stein, ein verzweifeltes Flehen um Halt, um Sicherheit. Vergeblich. Endlose Minuten verstrichen und doch wollten die verhängnisvollen, entsetzlichen Eindrücke des Traums ihn partout nicht loslassen. Noch immer zitterte er am ganzen Leib und keuchte, als wäre er soeben eine furchtbar weite Strecke gelaufen. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn und sein Antlitz war aschfahl.

Noch immer leuchteten die schrecklichen Bilder vor seinem geistigen Auge, wollten partout nicht verblassen. Eine Gewissheit drängte sich dem Gefangenen schier auf: Dies war kein normaler Traum gewesen. Dies war die Wahrheit. Dies war eine schmerzliche, doch wahre Vorahnung. Irgendwo war geschehen oder würde geschehen, was er so bruchstückhaft miterlebt hatte.

Aber - warum? Warum hatte er diese Dinge gesehen? Dinge, die irgendwo irgendjemandem passieren würden oder passierten ... irgendjemandem ... irgendjemandem, den er nicht kannte ... irgendjemandem ... gegen jeden anderen Gedanken wehrte er sich verbissen ... das konnte nicht sein ... das durfte nicht sein ...

Aber warum hatte er es dann gesehen? Warum?

Und plötzlich schienen Worte, die vor gar nicht allzu langer Zeit gesprochen worden waren, in der kargen Zelle widerzuhallen und sie mit einer traurigen Gewissheit zu füllen.

„Woher ich wusste, dass es einem alten Freund äußerst schlecht geht und er dringend Hilfe braucht? Glaube mir, das spürt man.“

... Dass es einem alten Freund äußerst schlecht geht ... Das spürt man ...

War es das? Hatte er all das wirklich deshalb geträumt, weil es Albus war, der -

Nein! Nein!

Gellert Grindelwald wehrte sich verzweifelt dagegen, diesen schrecklichen Gedanken zu Ende zu denken. Doch die verhängnisvolle Vorahnung ließ ihn nicht los. Zu vieles deutete darauf hin. Zu vieles ...

Noch nie war es dem Gefangenen so schwer ums Herz gewesen.

Und die verhängnisvollen Ereignisse der Nacht waren noch nicht vorbei.




*Uff* Ich muss zugeben, es gibt kein Kapitel, das ich öfter überarbeitet habe (die Rohfassung ist immerhin bereits nach dem Kinobesuch vom „Halbblutprinzen“ entstanden), weil ich wollte, dass es so intensiv wie möglich ist, und gleichzeitig auch kein Kapitel, das mir einen schlimmeren Stich ins Herz versetzt … Ich hoffe einfach, dass ihr es als dieses traurigen Ereignisses würdig und angemessen empfandet und es euch annähernd so sehr beim Lesen berührt hat wie mich beim Schreiben.

Wie der letzte Satz schon andeutete, geht es im nächsten Kapitel traurig weiter; ich hoffe, ihr haltet noch ein wenig durch und kommt trotzdem wieder mit.

Bis dahin liebe Grüße,
eure halbblutprinzessin137

P.S.: Und dann noch ein wenig Werbung in eigener Sache: Vor kurzem habe ich einen weiteren Oneshot hochgeladen, der thematisch auch schön zu NüN passt und den ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte ;)

Ihr findet ihn hier:


Memories

Natürlich würde ich mich auch hier sehr über eure Gedanken & Meinungen freuen! :)


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

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