von Cute_Lily
Die Tage wurden immer lĂ€nger. Die NĂ€chte noch kĂŒrzer.
Seit sie Voldemort in der finalen Schlacht vor drei Monaten geschlagen hatten, war wieder Ruhe in Hogwartsâ Mauern eingekehrt.
Routine griff um sich und zog SchĂŒler und Lehrer in den alten Trott. Denselben, unbeschwerten Trott, den es vor den Angriffen der Todesser gegeben hatte.
Harry lehnte sich in seinem Stuhl zurĂŒck. Das aufgeschlagene Zaubertrankbuch war von unzĂ€hlig vielen Pergamenten verdeckt. Neben ihm lag ein anderer WĂ€lzer der Bibliothek. Auch dieses Buch las er, auf Hermines Rat hin.
Die Utzâe standen kurz bevor und allmĂ€hlich gerieten die SiebtklĂ€ssler in eine besonders schlimme Art von Angst: Panik. Torschlusspanik. Und Lethargie.
Er seufzte und legte seine Feder auf dem Tisch ab. Die Tinte tropfte von der Spitze, doch es war ihm egal.
Links von ihm schlief Hermine. Den Kopf auf den Armen abgestĂŒtzt. Ihr Haar fiel ihr vornĂŒber, sodass es ihr Gesicht verdeckte. Nur der gleichmĂ€Ăig ruhige Atem verriet, dass sie ĂŒberhaupt noch lebte.
Harry warf ihr einen besorgten Blick zu. Von allen hatte sie es am Ă€rgsten getroffen. SchlieĂlich belegte sie drei FĂ€cher mehr als er und Ron. Es bedeutete nicht nur weniger Freizeit sondern kostete auch mehr Nerven.
Immerzu war sie angespannt. Abgehetzt. MĂŒde. Gereizt.
Er spĂŒrte, wie es langsam aber sicher zu viel wurde. Dass sie ĂŒberhaupt noch durchhielt, ĂŒberraschte ihn maĂgeblich.
ZÀrtlich strich er ihr ein paar StrÀhnen hinters Ohr. Seine Fingerspitzen streiften dabei ihre weiche Haut.
Sie sah unschuldig aus, wenn sie schlief und am liebsten hÀtte er sie schlafen lassen, doch seine innere Uhr sagte ihm, dass es bereits lange nach Mitternacht sein musste.
Ron hatte sich vor Ewigkeiten verabschiedet, um sich ein paar genĂŒgsame Stunden mit Luna zu gönnen. Bei dem Berg an Hausaufgaben wĂŒrde er es morgen bereuen!
Vorsichtig beugte er sich vor und flĂŒsterte: âHermine, wach auf.â
Nichts geschah.
âLiebes, du musst aufwachen! Wenn Filch uns erwischt, dann hilft uns auch dein Schulsprecherstatus nicht!â
Hermine seufzte.
Er beugte sich ein wenig weiter vor. Seine Lippen berĂŒhrten kurz ihre SchlĂ€fe.
âDobby hat versprochen, uns nachher die letzte Ration Erdbeeren hochzubringen!â
Sofort schlug sie die Augen auf.
Schlaftrunken richtete sie sich auf und rieb sich die MĂŒdigkeit aus den trĂ€nenden Augenwinkeln.
âWie spĂ€t ist es?â, fragte sie gĂ€hnend.
âEs muss weit nach Mitternacht sein.â
Alarmiert wandte sie sich ihm zu.
âWas? So spĂ€t schon? Verdammt, ich muss den Aufsatz fĂŒr Professor Tonksâ, sie
grinste recht hĂŒbsch, ânoch beenden!â
Resignierend lieĂ sie den Kopf hĂ€ngen. Es wĂŒrde sie noch mindestens eine Stunde
ihres kostbaren Schlafes kosten.
Beruhigend legte Harry ihr eine Hand auf den Arm. Unter all seinem Papier kramte er
zweieinhalb Rollen hervor.
âHierâ, er drĂŒckte es ihr in die Hand, âich hab das schon fĂŒr dich gemacht!â
Sie sah ihn mit leuchtenden Augen an.
âIst das dein Ernst?â
Er nickte nur und lieĂ sich in eine warme, nie enden wollende Umarmung ziehen.
âDu bist ein Schatz! Danke, Harry!â
Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, was sie allerdings nicht mitbekam.
âLass uns schnell von hier verschwinden.â
WĂ€hrend sie durch die GĂ€nge liefen, schwiegen sie. Jeder seinen eigenen Gedanken
nachgehend.
Irgendwann hakte sich Hermine bei ihm ein und er genoss das GefĂŒhl, dass ihre Schulter an ihm auslöste.
âHarryâ, flĂŒsterte sie und ihr heiĂer Atem berĂŒhrte sein Ohr.
âHm?â
âSchlaf heute lieber bei mir. Dann musst du nicht extra noch zum Gryffindorturm zurĂŒcklaufen.â
âOkayâ, antwortete er schlicht, obwohl er sich in Gedanken ausmalte, wie es sein wĂŒrde, wenn sie beide in einem Bett schlafen wĂŒrden.
âIch kann dir das Sofa ein bisschen gröĂer zaubern, wenn du möchtest.â
Wieder nickte er. NatĂŒrlich, was auch sonst.
Kaum merklich schĂŒttelte er den Kopf. Ihre NĂ€he lieĂ ihn einerseits kochen andererseits jagte es ihm Schauer ĂŒber Schauer den RĂŒcken herunter.
Er versuchte, sich auf den Weg und die Muster der alten Backsteine zu konzentrieren, doch es gelang ihm nicht.
Immer wieder kehrten seine Gedanken zurĂŒck zu der Frau, die leichtfĂŒĂigen Schrittes neben ihm herlief. Fast schwebte.
Ihr Haar wippte bei jeder Bewegung mit und wenn er sich anstrengte, konnte er den sachten Geruch von KirschblĂŒten an ihnen riechen.
Eine Handspanne ging er hinter ihr und sein Blick fixierte ihr Profil. Geschwungenes, sĂŒĂes Ohr. Gerade Nase. Tiefe, lange Wimpern. Einladende Lippen. Ein zierlicher Körper, der von perfekt sitzenden Roben verhĂŒllt wurde und Spielraum fĂŒr die wildesten Fantasien lieĂ, obwohl man nicht viel Haut erkennen konnte.
Fast liebevoll presste sie ihre Zettel und BĂŒcher an ihre Brust.
Wie es wohl wĂ€re, das Objekt ihrer Lust zu sein? Ob sie ihn ebenso ehrfĂŒrchtig in den Armen halten wĂŒrde? Oder wĂ€re sie gar ein kleiner Wildfang?
Ihre Nackenhaare stellten sich auf, als sie zurĂŒcksah und bemerkte, dass er sie angesehen hatte.
âKommâ, flĂŒsterte sie und trat in den Schulsprecherturm ein. Erst jetzt erreichte die Neuigkeit sein benebeltes Gehirn.
Unentschlossen folgte er ihr.
Sie erwachte noch bevor die Sonne ihren Morgenrock abgelegt hatte. Kein Licht drang durch ihren Vorhang. Stöhnend drehte sie sich auf der Seite um und versuchte, noch eine Stunde Schlaf zu finden, bevor sie sich wieder ans Lernen machen musste.
Ein dumpfes GerÀusch lieà sie aufschrecken.
Kerzengerade saĂ sie da.
Was war das gewesen? Sollte sie mal nachsehen?
Seufzend richtete sie sich auf, warf sich einen Mantel ĂŒber und betrat mit nackten FĂŒĂen die Treppe.
Zitternd stieg sie sie herab und sah sich im erleuchteten Gemeinschaftsraum um.
In einer Ecke an ihrem Schreibtisch saà Harry und schien gerade aus seinem Schlaf zu erwachen. Sie erspÀhte das heruntergefallene Verteidigungs-Lehrbuch.
Leise trat sie nĂ€her und spĂ€hte ĂŒber seine Schulter.
Er schrieb den Aufsatz fĂŒr Tonks!?
Aber er hatte doch gesagt, er habe ihn sogar schon fĂŒr sie gemacht!?
Verwirrt beobachtete sie, wie er sich die Stirn rieb.
Was hatte das zu bedeuten?
War der Aufsatz, den er ihr gegeben hatte, vielleicht sogar sein eigener und er saĂ die ganze restliche Nacht daran, einen neuen fĂŒr sich selbst zu schreiben!?
Aber, dann hatte er gelogen. Warum hatte er gelogen?
âWeshalb schreibst du an einem Aufsatz, den du laut eigener Aussage schon lĂ€ngst beendet hast?â
Harry zuckte ganz schrecklich zusammen.
âHermine! Du kannst mich doch nicht so erschrecken!â
Seine Brust hob und senkte sich in einem wilden Stakkato. Sein Haar war noch wirrer, wenn das ĂŒberhaupt noch möglich war.
âSag schonâ, forderte sie ihn auf.
âKannst du es dir nicht vorstellen!?â
âNein, klĂ€r mich auf.â Sie lĂ€chelte spitzbĂŒbisch. Und Harry wusste, er wurde von ihr gelinkt.
âSeit Wochen bist du gespannt wie ein Bogen und fast jede Sekunde muss ich befĂŒrchten, dass du explodierst! Ich mach mir Sorgen, Hermine!â
Er drehte sich richtig zu ihr um. Sie legte eine Hand auf der Lehne des Stuhles ab.
âDu isst nicht mehr richtig. Schlafen kannst du auch nicht. Ich will nicht, dass du vor Erschöpfung zusammenbrichst!â
Hermine blickte betreten zu Boden. Er hatte Recht. Sie aĂ kaum etwas, schlief nur ein paar Stunden am Tag und die meiste Zeit saĂ sie in der Bibliothek und lernte.
âIch möchte gerne mal wieder mit dir einen Spaziergang machen! Oder einfach nur im Sessel vor dem Kamin sitzen und mit dir herumalbern! Ganz unbeschwert! Und fröhlich!â
Harry stand auf und zog sie an ihren Handgelenken in seine Arme. Vorsichtig presste er einen Kuss auf ihren Scheitel.
âIch hab dir meinen Aufsatz gegeben, damit du wenigstens ein paar Stunden schlafen kannst!â
âUnd was ist mit dir? Du schlĂ€fst genauso wenig! Musst deinen Pflichten als QuidditchkapitĂ€n nachgehen und ĂŒbernimmst noch so oft genug meine RundgĂ€nge.â
âDer Unterschied ist, Hermine, dass ich drei Stunden mehr am Tag schlafe als du! AuĂerdem kann ich mir das leisten. Ich hab nicht so viel Unterricht wie du! Hör zuâ, er drĂŒckte sie zĂ€rtlicher an sich und lieĂ seine Fingerspitzen ĂŒber ihren RĂŒcken wandern, âich will einfach, dass du dich ein bisschen entspannst und Ruhe hast! Immerzu solchem Stress ausgesetzt zu sein, wirkt sich dauerhaft schlecht auf Körper und Psyche aus. Nimm dir einfach ein paar Momente und schalte ab! Und wenn du Hilfe brauchst, ich ĂŒbernehme gerne mal ein oder zwei deiner Arbeiten!â
Stille waberte durch den Raum wie formloser Nebel, der sich mal hier, mal dort verdichtete und wieder aufsprengte.
âDas kann ich nicht annehmen!â, erwiderte sie und versuchte, sich aus seiner Umarmung zu befreien.
âDu musst, Hermine. Wir beide wissen, wie sehr dich das Ganze belastet! Du spĂŒrst es!â
Er lieĂ sie sich von ihm zurĂŒckziehen.
âEgal, welches Argument du aufwendest, alles lĂ€uft darauf hinaus, dass du eine Pause brauchst!â
âAber ich kann doch nichtâŠâ, flĂŒsterte sie und senkte den Blick. Die Last auf ihren schmalen Schultern schien sie zu erdrĂŒcken.
âDoch, du kannst. Lass mich dir unter die Arme greifen! So, wie du unzĂ€hlige Male fĂŒr mich da warst!â
Er streckte ihr die Hand entgegen.
âLass mich dir ein wenig Frieden schenken!â
Zögerlich ergriff sie das ihr dargebotene Angebot.
Wochen spĂ€ter schien Hermine wieder ganz sie selbst zu sein. Kein NervenbĂŒndel, das bei jeder Angelegenheit zu explodieren drohte. Nicht missgelaunt und auch nicht mehr so dĂŒnn. Auch die langen Schatten unter ihren Augen waren verschwunden.
Quickfidel und munter und regsam nahm sie am Unterricht teil, belebte den Gemeinschaftsraum mit ihrem Lachen und ihrem Leichtsinn.
Anders als Harry hatte sie ihre Kraft wieder gefunden.
Eines Abends, es war wie so oft nach Mitternacht, gesellte sich Hermine zu Harry, der noch immer an einem Aufsatz ĂŒber Zaubereigeschichte schrieb.
Sie setzte sich auf den Platz neben ihm. Direkt vor dem Feuer. Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors.
âWie weit bist du denn, Harry?â
âFast fertig. Ich muss nur die Folgen der KoboldaufstĂ€nde und die Auswirkungen auf die Rechte magischer Geschöpfe erlĂ€utern und beweisen.â
Er wandte sich wieder seinem Papier zu. Hermine zögerte, doch dann entschied sie sich doch, es zu tun.
Sie packte sein Handgelenk, nahm ihm die Feder aus der Hand. Ăberrascht und sauer zuckte sein Blick zu ihr herĂŒber.
âLass das, ich muss das fertig kriegen, Hermine. Wirklich.â
Sie schĂŒttelte kaum merklich den Kopf.
Ron hatte Recht gehabt. Harry hatte sich verÀndert. Und das alles, um ihr eine leichtere Zeit zu bescheren.
âDu solltest einmal eine Pause machen, Harry. All die Arbeit bekommt dir nicht.â
âDas geht leider nicht, Hermine. Du weiĂt warum.â
Die AbsurditÀt der Situation lieà sie auf einmal lauthals loslachen. Irritiert sah er sie an.
âWas ist so witzig?â
Sie warf sich ihm in die Arme und kuschelte sich mit dem Kopf an seine Brust.
Anfangs war er wie erstarrt, dann löste sich die Starre und er legte sanft seine HĂ€nde auf ihren RĂŒcken.
âKannst du dich noch an genau dieselbe Situation vor ein paar Wochen erinnern? Wir haben die Rollen getauscht, Lieber!â
Sie wackelte mit ihrem Zeigefinger.
Er krÀuselte die Stirn, sodass seine Narbe gÀnzlich hinter Falten verschwand. Ein PhÀnomenen, das anscheinend nur sie zu bemerken schien.
SchlieĂlich lachte auch er und seine verkrampfte Haltung entspannte sich ein wenig.
âDu hast Recht.â
âDarf ich dir ein bisschen Frieden schenken?â, fragte sie und sah ihm tief in die Augen.
Er schluckte, als hinter ihm ein Holzscheit gefÀhrlich knackte. Der wilde, unbÀndige Flammenschein erleuchtete ihr Gesicht und lieà ihr Temperament hervortreten.
âOkay.â
Sie neigte den Kopf und betrachtete ihn aus schrÀg stehenden Augen.
âWeiĂt du, du hast so viel fĂŒr mich getan, als ich mit den Nerven komplett unten war. Und ich weiĂ, was du eigentlich hattest tun wollen, auch wenn du es gut verbergen konntest. Ich hĂ€tte nicht gedacht, dass du so fĂŒr mich fĂŒhlst. Niemand tut das, was du getan hast, ohne Grund. So aufopferungsvoll benimmt sich niemand, der nicht etwas Tieferes fĂŒhlt. Ich danke dir, dass du mir meine Ruhe zurĂŒckgegeben hast. Aber eines irritiert mich. Warum hast du es nicht schon damals getan? Zu feige?â
Er hustete erschrocken. Sie klopfte ihm auf den RĂŒcken.
âAtmen, Harry, atmen.â
âWieso?â, keuchte er.
âWeil du ihn hierfĂŒr brauchstâŠâ
Sie beugte sich vor und drĂŒckte ihre Lippen zart auf seine. In typischer Hermineart nahm sie sich, was sie wollte und wusste genau, dass es das war, was Harry vor Wochen hatte tun wollen: Sie kĂŒssen, um sie wieder ruhiger und ausgeglichener zu machen.
Ach ja, ⊠Und natĂŒrlich, weil er sie liebte.
***
Ich hoffe, es hat euch gefallen!?
Federn raus und schreibt mir. Lob, Kritik, Anmerkungen, Fragen, WĂŒnsche, ich freue mich ĂŒber jegliche Art von Kommentar.
Liebste GrĂŒĂe
Lily
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