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Fanfiction

Weihnachtswege - Teil II

von synkona

23. Dezember

Es war kalt und Harry lag auf etwas Hartem, als wäre er mitten in der Nacht aus dem Bett gefallen und hatte auf dem Boden geschlafen. Und das Fenster musste er offen gelassen haben. Harry murrte leise vor sich, hielt seine Augen aber geschlossen und versuchte sich zurück ins Bett zu tasten. Seine Hände trafen auf etwas Weiches und er klammerte sich daran fest und drückte die Wange gegen das, was sich verdächtig nach seinem Kissen anfühlte.

„Potter! Nimm gefälligst deinen Kopf aus meinem Schoß!“

Harry riss die Augen auf, als er von einem paar kräftiger Arme beiseite gestoßen wurde und unsanft auf dem Hosenboden landete. Er blickte geradewegs in das Gesicht von Draco Malfoy, der ihn mit blitzenden Augen ansah. Dracos Haare hingen ihm etwas wirr in die Stirn und er versuchte sie erfolglos beiseite zu pusten, ehe der die Hände zur Hilfe nahm.
Harry brauchte einen Moment lang, um sich daran zu erinnern, wo er war und wie er hierher gekommen war. Die alte Lagerhalle sah bei Licht nicht anders aus, als er es sich vorgestellt hatte - nur ein weiter, ungenutzter Raum, eine hohe Decke, kahle Wände und zerfetzte Kartons. Morgen ist Heiligabend, schoss es Harry durch den Kopf.

„Hattest du nicht gesagt, dass du früh am Morgen schon wieder weg wärst?“, meinte Malfoy und stand auf, um sich zu räkeln. „Sieht nämlich fast so aus, als wärst du noch immer da.“

„Ich hab geschlafen“, brummte Harry und ließ seine Schultern nach hinten kreisen. Sein Nacken war verspannt, von der Nacht auf dem harten Boden.

„Die Polizei war gar nicht hier, um nach uns zu suchen“, bemerkte Draco. „Aber was soll man auch erwarten, sind schließlich nur Muggel.“ Draco gähnte. „Also, was ist?“

„Was meinst du?“ Harry stand auf und ging ein paar Schritte durch den Raum. Dann warf er einen Blick auf seine Uhr. Halb neun am Morgen. Wenn er sich jetzt beeilte, zum Grimmauldplatz zu kommen, würde er noch etwas von dem heißen Kaffee trinken können, den Hermine jeden Morgen kochte.

„Deine Pläne für den heutigen Tag, Potter“, präzisierte Draco. „Falls du es schon vergessen haben solltest - wir werden von magischen und nichtmagischen Behörden verfolgt.“

„Weil du diese dämliche Kette klauen musstest!“

„Die ist nicht dämlich!“, fauchte Draco.

Harry ging an ihm vorüber, bis zu dem alten Tor und zwängte sich nach draußen. Eisiger Wind schlug ihm entgegen und wenige Schneeflocken tanzten durch die Luft. Bei Tageslicht sah hier alles grau aus. Die langen Wände der Lagerhalle und der übrigen Gebäude, der verschmutzte Gehweg, die alten Müllcontainer, die am Straßenrand standen. Nur die Graffitis brachten ein wenig Farbe in das Gesamtbild. Besonders weihnachtlich fühlte es sich aber nicht an.

„Wohin des Weges, geheimnisvoller Fremder?“, hörte er Dracos Stimme in seinem Rücken. Schritte hallten über den Asphalt, dann stand Draco neben ihm.

„Nach Hause!“, erwiderte Harry.

„Und da wartest du dann, bis dich wer verhaftet?“

„Mich wird keiner verhaften, weil ich denen nämlich sagen werde, dass alles deine Schuld ist. Und weißt du was, Malfoy? Die werden mir glauben!“ Malfoy schien es für einen Moment die Sprache verschlagen zu haben, denn er sagte kein Wort und auch das Grinsen war von seinen Lippen verschwunden.

Harry setzte seinen Weg fort. Sie waren immer noch in London, also würde er es schon irgendwie zum Grimmauldpatz schaffen. Er blieb stehen, als er den Straßenrand erreichte. Er spürte Dracos Blick in seinem Rücken. Es war ein seltsames Gefühl - als würden sich die Härchen auf seiner Haut aufstellen. Und er wusste, dass Draco ihn anstarrte, auch wenn er es nicht sehen konnte.

„Also, ich hab' vor zu fliehen“, rief Draco ihm zu. „Kannst mitkommen, wenn du nichts Besseres zu tun hast.“

Harry musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Draco sich nun in Bewegung setzte und mit langen Schritten auf ihn zukam.
„Ich werde zurück nach London gehen“, verkündete Draco, seine Stimme direkt hinter Harry. „Und dann … was weiß ich … wir könnten noch so ein Autoding klauen.“

„Nein, könnten wir nicht“, entgegnete Harry und drehte sich um. Etwas überrascht stellte er fest, dass Draco so dicht hinter ihm gestanden haben musste, dass ihre Gesichter nun nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. Einen Augenblick lang standen sie einander auf diese Weise gegenüber, keiner von ihnen wich zurück. „Wir können gar nichts, Malfoy“, sagte Harry dann leise, während er geradewegs in Dracos blitzende, graue Augen starrte. „Es gibt kein wir.“ Draco packte ihn bei den Schultern, so unerwartet dass Harry zusammenzuckte. Dann drückte Draco die Arme durch und stieß Harry von sich weg.

„Ich krieg so ein Autodings auch allein zum Laufen“, sagte er und das hörte sich einfach so komisch an, dass Harry gar nicht anders konnte - er lachte laut los.

„Das ist nicht komisch, Potter!“, knurrte Draco.

„Du glaubst gar nicht wie“, lachte Harry. Er brauchte eine Weile, um sich zu beruhigen, während Draco neben ihm stand, die Arme vor der Brust verschränkt und ihn mit einem finsteren Blick anstarrte.

* * *
Harry war nie in einer der Straßen gewesen, die er an diesem Tag entlang ging. Und es war ein seltsames Gefühl, mit Draco an seiner Seite durch eine Muggelstadt zu wandern. Die Lagerhalle ließen sie bald hinter sich und kamen wieder in bewohnte Gebiete der Stadt. In den Köpfen der Menschen schien es nur eines zu geben: Weihnachten. Lichterketten und bunte Weihnachtsbildchen hingen an den Fenstern und Kränze an den Türen. In mancher Wohnung konnte Harry einen Weihnachtsbaum erkennen und vor einer Haustür hatte ein Plastikweihnachtsmann Stellung bezogen.

„Muggel sind seltsam“, entschied Draco, als er den Weihnachtsmann mit schief gelegtem Kopf betrachtete. „Warum stellen die sich hässliche Gnome vor die Tür?“

„Das ist kein Gnom, Malfoy, das ist der Weihnachtsmann.“

„Na, das ist ja dann noch seltsamer…“

Harry versuchte Draco zu ignorieren, indem er an ihm vorbeiging und seine Schritte beschleunigte, doch Draco rannte ihm einfach hinterher.
„Du bist bei Muggeln aufgewachsen, oder nicht?“, fragte er.

„Geht dich nichts an“, fauchte Harry.

„War ja nur ne Frage. Komm schon, Potter, warum so schlecht gelaunt?“

„Willst du das wirklich wissen?“ Harry schnaubte. „Morgen ist Heiligabend und anstatt mit dem perfekten Geschenk für Ginny zu Hause zu sitzen und Hermine dabei zu helfen, Kekse zu backen, laufe ich mit dir … wo auch immer lang! Abgesehen davon, dass ich wegen dir von der Polizei gesucht werde.“

„Hört sich ganz so an, als hättest du ein Problem“, sagte Draco gelassen.

„Ja, und es geht direkt neben mir“, presste Harry zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. So hatte er sich die Sache jedenfalls nicht vorgestellt.

„Warum bist du dann heute früh nicht abgehauen?“

Es ärgerte Harry ungemein, dass er auf Dracos Frage keine Antwort geben konnte. Und es war eine gute Frage.
„Warum hast du überhaupt gefragt, ob ich mitkomme?“, hielt Harry schließlich dagegen. „Den Laden hättest du auch allein überfallen können.“

Nun war es an Draco, nicht zu antworten und sie verfielen beide in Schweigen, während sie weiter die Straße entlang gingen.
Eine dünne Schneeschicht hatte sich auf dem Bürgersteig gebildet, gerade so viel, dass Harrys Schuhsohlen Abdrücke hinterließen. Ein wenig Schnee fiel immer noch und verfing sich in Harrys Haaren. Er dachte daran, wie Hermine wohl jetzt aufgeregt nach draußen schaute und musste schmunzeln. Vorsichtig schielte er zur Seite, um Draco anzusehen. Der Slytherin hatte sein Kinn in die Höhe gereckt und starrte stur geradeaus. Mit wem er wohl Weihnachten feiert, dachte Harry und wunderte sich im nächsten Moment über seine eigenen Gedanken. Sonst interessierte er sich schließlich auch nicht dafür, was Draco so machte.

„Wenn du weiterhin auf mich anstatt auf den Weg starrst, dann rennst du gleich gegen ne Laterne“, sagte Draco, ohne Harry dabei anzusehen. Letzterer wandte den Blick eilig wieder auf den Bürgersteig.

„Wo sind wir hier überhaupt?“, nörgelte Draco. „Du hast echt einen miesen Orientierungssinn, Potter … oder wollten wir in einer Muggelwohnsiedlung spazieren gehen?“

Gegen seinen willen musste Harry grinsen.
„Genervt?“

„Pf“, machte Draco.

„Wir gehen in Richtung Zentrum“, erklärte Harry dann. Zumindest glaubte er, dass es so war. Und notfalls konnten sie immer noch nach dem Weg fragen. „Keine Sorge, Malfoy, zu Weihnachten sind wir Zuhause. Also ich in meinem und du in deinem.“

„Das war jetzt echt überflüssig“, meinte Draco. „Außerdem kann ich Weihnachten nicht ausstehen, also was soll's.“

Harry runzelte die Stirn, aber etwas in Dracos Stimme hielt ihn davon ab, weitere Fragen zu stellen. Wie zwei einsame Wanderer waren sie, die in stillem Einvernehmen den Gehweg entlang liefen. Fast so, als wäre es nicht ihr erster gemeinsamer Spaziergang.

* * *

„Du siehst echt bescheuert aus“, erklärte Draco, als er Harry musterte. Harry runzelte die Stirn und nahm die hellblaue Mütze vom Kopf, um sie einen Moment lang zu betrachten und dann wieder aufzuziehen.

„Nicht weniger als du.“

Draco hob die Hand und fasste mit dem Zeigefinger gegen seine eigne, tannengrüne Wollmütze. Nach einem Fußmarsch, der länger ausgefallen war als ursprünglich erwartet, waren sie wieder in Richtung Innenstadt gekommen. Nachdem sie einen Steifenwagen gesehen hatten, waren sie dann der Meinung gewesen, sich wenigstens ein bisschen zu tarnen. Und bei der Kälte lief sowieso jeder mit einer Mütze auf dem Kopf herum, da würden sie nicht weiter auffallen.

„Ich wusste gar nicht, dass du die Muggel für genau so beschränkt hältst wie ich“, sagte Draco, während er sein Spiegelbild in einem Schaufenster zu betrachten versuchte und an der neuen Mütze herumzupfte. „Wenn du denkst, dass die uns jetzt nicht mehr erkennen.“

Harry antwortete nicht auf die Frage. Mit einem Grinsen drehte sich Draco wieder zu ihm um.
„Wir gehen zum Bahnhof. Da, wo auch immer der Hogwartsexpress abfährt“, entschied er dann.

Harry hatte etwas dagegen, sich von Draco herum kommandieren zu lassen, daher war er sich nicht sicher, warum seine Beine sich trotzdem in Bewegung setzten um seinem neuen Begleiter zu folgen.

„Du weißt schon, dass der Hogwartsexpress nicht jeden Tag fährt, oder?“, sagte er, als er wieder auf Draco aufgeholt hatte.

„Ich hab keinen Zauberstab, Potter. Und wenn ich jetzt in die Winkelgasse gehe, dann kommt irgendein Auror und nimmt mich fest, weil ich den Muggeln so einen Schreck eingejagt habe. Aber ich werde in jedem Fall meine Mutter besuchen gehen und ich weiß, dass in der Nähe ein Muggeldorf mit Bahnhof ist. So einfach. Das ist jetzt meine Sache, du kannst also gerne zurück nach Hause gehen und Weihnachten feiern.“

So wie Draco es sagte, meinte er jedes Wort davon, aber da war auch noch der Blick, mit dem er Harry nun ansah. Seine Augen blitzten herausfordernd, als wollte er sagen, komm doch mit, ist ein Abenteuer. Du und ich. Vielleicht bildete Harry sich das nur ein, aber es bewegte ihn dazu, Draco weiter nachzulaufen - einmal ganz abgesehen davon, dass es noch eine Sache gab, der er auf den Grund gehen wollte, bevor sich ihre Wege wieder trennten.

„Wirst du mir auch noch sagen, was es mit dem Stein auf sich hat?“, fragte er noch einmal.

„Er gehörte meiner Mutter“, erwiderte Draco und das waren schon mehr Informationen als Harry erwartet hatte. Nicht, dass es das Rätsel auch nur halb entwirrte. Draco beschleunigte seine Schritte und im nächsten Moment konnte Harry nur noch seinen Rücken sehen. Hier waren wieder mehr Menschen in den Straßen unterwegs, auch noch einen Tag vor Heiligabend. Wahrscheinlich würden sie sich sogar noch am nächsten Tag hastig aneinander vorbeidrängen, um auf die letzte Minute noch das fehlende Geschenk zu besorgen. Gesprächsfetzen drangen an Harrys Ohren und irgendwo spielte ein Straßenmusiker Weihnachtslieder. Mehrere Personen hatten sich zwischen Harry und Draco geschoben und nur ab und an sah Harry die grüne Mütze aufleuchten. Aber er folgte Draco weiter. Es gab neue Fragen, die er noch gerne stellen würde.

„Malfoy! Was meinst du damit?“ Ein paar der Menschen schielten zu Harry hinüber, als er Draco zurief und sich zu ihm durchkämpfte. Draco ging ungerührt dessen weiter.

„Was war denn an dem Satz nicht zu verstehen?“, sagte er.

„Wenn der Stein deiner Mutter gehört hat, was macht er dann in einem Muggelladen?“, fragte Harry weiter. „Das ergibt keinen Sinn!“

„Dann hör auf, dir dein Köpfchen darüber zu zerbrechen.“ Für Draco schien das Gespräch damit beendet und Harry war um kein Stück klüger als vorher.


* * *

Draco suchte die Bahnverbindung heraus. Und Harry konnte es kaum fassen, als er mit einem Blick auf die Uhr feststellte, dass es schon auf Mittag zuging. Sie konnten doch unmöglich den ganzen Morgen gelaufen sein! Draco schlug mit dem Zeigefinger, gegen die Glasscheibe, hinter der die Fahrpläne hingen, bis er offenbar den richtigen Zug gefunden hatte. Er lehnte sich so weit nach vorn, dass seine Nasenspitze beinahe das Glas berührte.

„Gleis … sieben“, sagte er dann und drehte sich mit einem triumphierenden Blick zu Harry um. „Letzte Chance abzuspringen, Potter. Es sei denn, du hast dir das mit der Polizei anders überlegt und willst dich jetzt doch aus dem Staub machen.“

Nein, Harry hatte nicht vor davonzulaufen, zumindest nicht vor der Polizei. Er schaute zu den Gleisen hinĂĽber, wo er von weitem einen Zug einfahren sah. Irgendwohin fuhren die ZĂĽge, nur weg von hier, meilenweit ins Land hinein und darĂĽber hinaus. Neue Wege, dachte Harry und schnaubte.

„Was ist Potter?“

„Warum?“, fragte Harry, nicht mehr als das. Warum. Die Frage, die er sich schon die ganze Zeit über stellte. Warum war Draco in der Winkelgasse erschienen, warum hatte er Harry so unbedingt dabei haben wollen und vor allem: Warum war Harry nicht schon längst gegangen? So langsam hatte er das Gefühl, dass ihm seine Rationalität abhanden kam. Spätestens in dem Moment, in dem er wusste, dass er mit Draco in diesen Zug steigen würde und sich ein weiteres Warum in seinem Kopf formte.

„Warum was?“, entgegnete Draco.

„Wenn ich mit in den Zug steige“, sagte Harry und wählte seine Worte dabei mit Bedacht, während in Dracos Augen wieder dieses Glitzern trat, das von einem Abenteuer erzählte. „Dann wirst du mir sagen, warum du mich mit in diesen Laden genommen hast.“

„Hältst du deine Gesellschaft für so wertvoll, dass du denkst, mich damit erpressen zu können?“ Dracos Mundwinkel zuckten amüsiert und einen Moment lang glaubte Harry, er würde nicht auf das Angebot eingehen, doch dann nickte er. „Gut, ich sag's dir. Im Zug.“

Der Zug war so voll wie er nur einen Tag vor Heiligabend sein konnte, voll gestopft mit all den Menschen, die zu ihren Liebsten nach Hause fuhren. Und dennoch gelang es Harry und Draco ein einsames Abteil am Ende des Zuges zu finden. Nur eine alte Zeitung lag auf einem der Sitze, die Draco mit einer unwirschen Geste beiseite wischte. Er ließ sich in einen Platz am Fenster fallen und streckte die Beine von sich. Harry setzte sich ihm schräg gegenüber und versuchte sich auszurechnen, wie hoch die Chancen waren, dass sie ihren Zielbahnhof erreichten, bevor ein Schaffner merkte, dass sie gar kein Ticket hatten. Draco zog sich die Mütze vom Kopf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
„Ich hätt' nicht gedacht, dass du mitkommst“, sagte er und betrachtete Harry eingehend, nicht spöttisch oder herablassend, sondern einfach nur interessiert.

„Ich auch nicht“, murmelte Harry und lehnte sich tief in die Sitzpolster. Wenigstens war es warm im Zug, wenn auch sicher nicht so warm wie in der Küche im Grimmaulsplatz, mit einer Tasse Kaffee in der Hand.
Mit einem leisen Rattern fuhr der Zug an, zunächst langsam, dann immer schneller, bis die Stadt an ihnen vorbei rauschte und dann hinter ihnen lag.

Zunächst sagte Draco gar nichts. Irgendwann holte er den Sternsaphir aus seiner Manteltasche heraus und legte den Stein in seine Handfläche. Blau und tief wie der Ozean schien er zu sein und Draco starrte ihn an, als wollte er nie damit aufhören.

„Du schuldest mir eine Antwort“, sagte Harry schließlich.

Draco schaute auf und sah ihn an. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, wie Harry es noch nie bei Draco gesehen hatte.

„Du warst einfach da, Potter“, sagte er schlicht. „Ist vielleicht nicht die Erklärung, die du hören willst, aber es ist so. Ich hab nicht in der Winkelgasse herum gestanden und darauf gewartet, dass du vorbei kommst.“

Harry runzelte die Stirn. Nein, das war nicht die Erklärung, die er hören wollte. Es war nicht einmal eine, die er glauben wollte.
„Warum warst du in der Winkelgasse, wenn du in den Muggelladen wolltest?“

„Andere Besorgungen“ Draco zuckte mit den Schultern. „Und dann hab ich dich vor dem Laden gesehen, wie du deine Nase gegen das Schaufenster gedrückt hast.“ Draco strich mit dem Zeigefinger liebevoll über den Saphir, als sei der Stein so zerbrechlich wie ein junger Vogel.

„Und du hast gedacht, wenn du schon einen Laden überfallen musst, dann kannst du wenigstens mich mit hineinziehen. Oder wolltest du versuchen, mir die ganze Sache in die Schuhe zu schieben?“ Harry beugte sich nach vorn und streckte die Finger nach dem Saphir aus, doch Draco zog ihn rasch von ihm fort.

„Für was hältst du mich denn?!“ Draco tat entrüstet.

„Einen Idioten“, erwiderte Harry. „Ich dachte, dass hätte ich schon mal gesagt.“

„Wie gesagt: Du hättest nicht mitkommen müssen. Ich hab gefragt. Du hättest Nein sagen können.“

„Warum hast du gefragt?“, hakte Harry nach. Wieder dieses Warum, dieses große Fragezeichen, das über Draco Malfoy schwebte.

„Ich …“, fing Draco an und schaute auf, um Harry anzusehen. „Keine Ahnung.“

„Keine Ahnung?“, wiederholte Harry. „Keine Ahnung?!“

Draco zuckte mit den Schultern.
„Zieh die Notbremse und spring ab, wenn's dir nicht passt.“

* * *

Harry starrte aus dem Fenster, die Lippen fest aufeinander gepresst. Es schneite jetzt stärker als am morgen und die Landschaft wurde allmählich weiß. Seit drei Haltestationen hatten er und Draco kein Wort miteinander gesprochen. Und an drei Haltestationen hatte Harry sich dagegen entschieden, auszusteigen und seiner Wege zu gehen.

Draco hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die Augen geschlossen. Seine Mütze lag neben ihm auf dem freien Sitz. Harry seufzte. Seine Freunde suchten wahrscheinlich schon nach ihm. Was sollte er ihnen sagen, wenn er zurück zum Grimmauldplatz kam? Dass er den Tag lieber mit Draco Malfoy verbracht hatte, als sich mit ihnen auf Weihnachten zu freuen? Wohl kaum.

„Malfoy?“, sagte Harry vorsichtig, doch Draco reagierte nicht. Offenbar war er tatsächlich eingeschlafen. Harrys Blick wanderte zu der Ausbeulung in Dracos Manteltasche, in der er vorhin seinen Stein gesteckt hatte. Langsam rückte Harry näher und streckte die Hand aus, hielt aber dann inne, als sie nur noch Zentimeter von Dracos Hand entfernt war.

„Wage es, meinen Stein auch nur zu berühren und du bist ein toter Mann“, sagte Draco gelassen und ohne die Augen zu öffnen. Harrys Hand zuckte zurück.

Er merkte nicht, wie ihm die Augen zufielen. Er hatte eigentlich gar nicht schlafen wollen, auch wenn ihm die Müdigkeit in die Glieder kroch. Aber irgendwann konnte er die Augen einfach nicht länger offen halten.

„Potter!“, zischte Dracos Stimme an Harrys Ohr und Harry schlug erschrocken die Augen auf. Draco hatte ihn bei den Schultern gepackt, um ihn wachzurütteln, ließ ihn aber nicht los. „Wir haben keine Fahrkarten!“

„Das weiß ich“, nuschelte Harry, noch halb verschlafen.

„Dann sollten wir zusehen, dass uns der Typ, der gerade durch die Gänge geht und …“ Weiter kam Draco nicht, denn in diesem Moment wurde die Tür zum Abteil aufgestoßen und der Schaffner trat zu ihnen herein. Draco ließ Harry sofort los.

„Fahrkarten bitte“, sagte der Schaffner und Harry hatte das Gefühl, dass der Mann kein Auge zudrücken würde. Bloß weil Weihnachten war.

* * *


„Na toll“, maulte Draco, als er dem Zug hinterher schaute, der ohne ihn und Harry von dannen fuhr.

„Vielleicht hättest du ihn nicht als einfältigen Muggel bezeichnen sollen“, meinte Harry. „Womöglich hätte er uns dann nicht gleich bei der nächsten Station rausgeschmissen…“

Draco brummte etwas vor sich hin, das Harry nicht so genau verstehen konnte und stapfte mit dem FuĂź auf dem Boden auf.
„Wir sind mit Sicherheit noch meilenweit von meinem Haus entfernt!“, beschwerte er sich.

Harry drehte sich einmal um die eigene Achse. Sie waren geradezu im Nirgendwo gelandet. Ein einziges Gleis verlief durch den Ort und das Bahnhofsgebäude bestand aus einer kleinen Fachwerkhütte. Wie er von hier aus zurück nach London kommen sollte, gab Harry noch Rätsel auf. Wenn er seinen Zauberstab dabei gehabt hätte, wäre es kein Problem gewesen. Dabei hatte er nie bewusst gemerkt, wie wichtig die Zauberei für ihn geworden war. Er konnte niemandem sagen, wo er sich befand, weil keiner seiner Freunde ein Telefon besaß. Und das einzige Geld, das er bei sich trug, waren ein paar Silbersickel.

„Ich komm' mir schon vor wie ein Muggel“, brummte Draco.

„Dann hättest du den Stein da lassen sollen, wo er hin gehört“, erwiderte Harry.

„Mein Vater hätte ihn aber nicht weggeben dürfen“, fauchte Draco. „Er hatte kein Recht dazu!“

Noch eine Information mehr. Draco trat kräftig in den Schnee und wirbelte damit das weiße Pulver auf.

„Wir könnten einfach auf den nächsten Zug warten“, sagte Harry und schaute sich nach einem Fahrplan um. Er fand einen vergilbten Zettel, den jemand an das Häuschen genagelt hatte.

„Und? Wann komm ich nach Hause?“, rief Draco, während er nach wie vor den Schnee malträtierte, als wäre der schuld an seiner Misere.

Harry las sich die Uhrzeiten ein zweites und ein drittes Mal durch, aber es änderte nichts an der Tatsache, dass sie offenbar in einem der abgelegensten Städtchen in dieser Gegend gelandet waren. Er traute sich kaum, zu Draco zurückzugehen, bevor der noch ihn anstatt den Schnee durch die Gegend schleuderte.

„Morgen früh“, sagte Harry dann.

„Morgen … früh?“, wiederholte Draco und hielt mitten in der Bewegung inne - sein Fuß schwebte noch in der Luft. „Morgen früh?! Ha!“

Harry trat vorsichtshalber einen Schritt zurĂĽck, um nicht in Dracos Schusslinie zu geraten, doch was immer er erwartet hatte, Draco tat sein Bestes, um ihn zu ĂĽberraschen. Er stampfte mit dem FuĂź auf, einmal, zweimal.
„Ha!“, rief er erneut, stand einen Moment still und fing dann wie hysterisch an zu lachen.

„Malfoy?“, fragte Harry, der die Befürchtung hatte, dass sein Begleiter gerade den Verstand verlor. „Geht es dir gut?“

„Morgen früh!“, rief Draco noch einmal und warf den Kopf in den Nacken. „Der nächste Muggelzug fährt morgen früh ins Muggeldorf ein! Warum suchen wir uns nicht einfach ein verdammtes Muggelhotel! Pah!“ Er spuckte die Worte förmlich in die Winterluft und schien kurz davor, sich die Haare zu raufen. Harry jedenfalls hatte Draco Malfoy noch nie so gesehen. Der Draco, den er kannte, hatte keine hysterischen Anfälle - es passte einfach nicht zusammen.

„Beruhig dich!“, brüllte Harry und packte Draco bei den Handgelenken. „Was ist denn nun so schlimm so daran? Du hast doch gesagt, dass du Weihnachten eh nicht ausstehen kannst, also bin ich ja wohl derjenige, der befürchten muss, an Heiligabend in der Pampa zu versauern!“

„Aber … der … Stein“, sagte Draco zähneknirschend. „Alles wegen dem Stein …“

„Ich weiß leider immer noch nicht, was du mit diesem Stein hast, Malfoy und wenn du nicht vorhast, es mir zu sagen…“

Draco riss seine Handgelenke aus Harrys Griff, schien sich aber nun wieder zu beruhigen.
„Du verstehst das nicht Potter“, murmelte er. Harry konnte sich daran erinnern, dass Draco diese Worte auch schon am Vortag benutzt hatte, als Harry ihn zum ersten Mal nach dem Saphirstern fragte. Harry verzog die Lippen zu einem dünnen Strich. Wer hätte gedacht, dass er ausgerechnet hier landen würde?

„Lass uns gehen, ich hab Hunger“, sagte Draco dann und setzte sich in Bewegung.

Er hatte wahrscheinlich nicht die geringste Ahnung, wo er lang ging, ebenso wenig wie Harry. Dabei war das Dorf, in dem sie gelandet waren, beinahe schon zu klein, um sich darin verlaufen zu können. Es grenzte schon an ein Wunder, dass es hier überhaupt einen Bahnhof gab. Kein Mensch war hier auf den Gehwegen unterwegs, nicht so wie im London der Vorweihnachtszeit. Aber hinter den Fenstern der Wohnhäuser brannten Lichter und es gelang Harry und Draco sogar, eine Gaststätte zu finden.

Die Frau hinter dem Tresen war gerade dabei, ein Glas abzuwischen, als Harry und Draco eintraten. Es war warm drinnen und heiseres Lachen erfĂĽllte die Gaststube.

„Na, was kann ich für euch tun?“, fragte die Wirtin und legte ihr Spültuch beiseite.

„Wir … ähm …“, fing Harry an und tastete nach den Silbersickeln in seiner Manteltasche. Er überlegte, ob er sie der Frau anbieten sollte und ob sie ihm dafür eine warme Mahlzeit oder sogar ein Zimmer geben würde. Er hatte keine Ahnung, wie er so weit hatte sinken können.

„Würden gerne ein Zimmer haben“, beendete Draco den Satz und knallte mit hoch erhobenem Kopf etwas auf den Tresen, das sehr zu Harrys Verblüffen aussah, wie mehrere Pfund-Noten. Draco schien nicht einmal zu wissen, wie viel Geld es war, dass er da bei sich hatte und für Harry war es ein Rätsel, wie er überhaupt daran gekommen war. Die Frau hinter dem Tresen schien sich nicht darum zu scheren.

„Hier bei uns?“, fragte sie und schnaufte, scheinbar amüsiert. „Einen Tag vor Heiligabend?“

„Was dagegen?“, fauchte Draco und die Wirtin hob abwehrend die Hände, nahm Draco aber offenbar nicht so ernst, als dass sie ihre neuen Gäste gleich wieder vor die Tür gesetzt hätte.

„Ich hätt' noch was frei“, sagte sie stattdessen und das altbekannte Grinsen kehrte auf Dracos Lippen zurück, als er Harry einen Blick über die Schulter zuwarf.

* * *

„Wo hast du das Geld her?“, war die erste Frage, die Harry stellte, als sie beide allein waren. Draco hatte ein Zimmer genommen, bloß ein einziges. Es war über der Wirtstube, die letzte Tür in einem Flur, der so eng war, dass nicht einmal zwei Leute nebeneinander hergehen konnten.

„Freu dich doch einfach, dass ich es hab“, erwiderte Draco. „Sonst müsstest du noch eine Nacht in der Kälte verbringen.“

Harry schaute auf seine Uhr, doch von Nacht konnte nun wirklich noch keine Rede sein. Allenfalls von einem frĂĽhen Nachmittag.
Draco inspizierte das kleine Zimmer bis in den letzten Winkel. Er ging zu dem Fenster hinüber, zog die transparenten Vorhänge zur Seite und spähte nach draußen, ehe er sich dem Bett zuwandte und über das Laken strich.

„Du erwartest nicht ernsthaft von mir, dass ich den ganzen Nachmittag hier mit dir verbringe, oder?“ Harry verschränkte die Arme vor der Brust, obwohl die Vorstellung einiger weiterer Stunden in Dracos Gesellschaft nicht so abschreckend auf ihn wirkte, wie sie es hätte tun sollen.

Draco lieĂź sich rĂĽcklings auf das Bett fallen und breitete die Arme zu beiden Seiten aus.
„Ein bisschen unbequem“, sagte er, ohne auf Harrys Bemerkung einzugehen. „Aber gemütlich als das große Muggelgebäude von letzter Nacht.“

„Malfoy!“

Draco setzte sich wieder auf.
„Ich erwarte gar nichts von dir, Potter. Hab ich nie getan. Mal ganz abgesehen davon, dass das Zimmer ja wohl dem gehört, der es bezahlt hat.“

„Morgen früh“, sagte Harry, als wäre das nicht schon oft genug gesagt worden. „Morgen früh fährt der nächste … Moment!“ Er war kurz davor gewesen, sich zu Draco aufs Bett zu setzen, als er aufsprang, als hätte er einen knallrümpfigen Kröter im Schrank gefunden. „Warum haben wir keine Fahrttickets gekauft, wenn du Muggelgeld dabei hast?!“

Draco zuckte nur mit den Schultern.
„Woher soll ich denn wissen, dass man in Muggelzügen ständig kontrolliert wird?“

Harry konnte ihm ansehen, dass er nicht die Wahrheit sagte. Schon wandte sich Draco von ihm ab und starrte stattdessen die Wand an. Zuerst wollte Harry weiter nachhaken, dann entschied er sich jedoch dagegen. Dracos Blick war hart geworden, fast schon verbittert, als hätte die Wand ihm etwas angetan. Harry drehte sich um.

„Ich werde gehen“, sagte er. Draco sagte nichts, doch Harry konnte sehen, wie sich seine Finger in das Bettlaken krallten.

* * *


Harry vergrub die Hände tief in seinen Jackentaschen. Ganz ruhig war er aus dem Zimmer gegangen, das Draco mit seinem Muggelgeld gemietet hatte, dann erst war er gerannt. Immer schneller, durch den engen Flur, die Treppe hinunter - so schnell, dass er eine Stufe verpasste und beinahe auf allen Vieren gelandet wäre. Und dann durch die Wirtstube im Erdgeschoss, zu der Haustür und nach draußen.

Es wehte ein eisiger Wind zwischen den Häusern des Dorfes, als Harry die Straße hinunter ging. Er hatte keine Ahnung, wo er sich hinwenden sollte, schließlich war er noch nie hier gewesen. Er bezweifelte, dass es ihm gelingen würde hier eine Eule aufzutreiben, die sich einen Brief ans Bein binden ließ. Aber wenn er zu lange fort blieb, würden seine Freunde irgendwann versuchen, ihn mit einem Zauber zu finden. Spätestens morgen Abend, wenn sie alle unter dem Weihnachtsbaum saßen und er nicht da war, um Ginny ihr nicht ganz so perfektes Geschenk zu überreichen.

Harry seufzte und trat in den Schnee, so wie Draco es schon am Bahnhof getan hatte. Die Dinge liefen überhaupt nicht mehr nach Plan - alles geriet durcheinander, seine schöne, geordnete Welt. Und das bloß, weil er sich von Draco Malfoy zu einem Abenteuer hatte überreden lassen. Denn genau das war es, wie er nun erkannte. Ein Abenteuer. Dracos Saphir gehörte dazu, die Muggelpolizei, die sie wahrscheinlich zur Fahndung ausgeschrieben hatte und die Leute vom Ministerium, die alles wieder rückgängig machen würden, um Harry und Draco selbst in die Finger zu kriegen. Ihre Flucht gehörte dazu, selbst der genervte Schaffner, der sie hochkantig aus dem Zug geworfen hatte und der kleine Ort, dessen Namen Harry nicht einmal kannte. Und Draco. Draco, der ihm nicht sagen wollte, warum der Sternsaphir so wichtig war oder warum er wollte, dass Harry mitkam.

Schneeflocken tanzten wie winzige Sterne durch die Winterluft und der Himmel war so hell, dass er schon beinahe weiß war. Harry ging die Straßen entlang, bis er vor der Kirche am Marktplatz angelangt war. Dort setzte er sich auf eine Bank, direkt unter eine mächtige Eiche und versuchte Klarheit in seine Gedanken zu bringen. Da war wieder dieses Gefühl, dass er zugleich hasste und liebte, das ihn wahnsinnig machte und von dem er geglaubt hatte, es los geworden zu sein. Dieses Gefühl, wenn er Draco Malfoy ansah.

„Verdammter Mist!“, fluchte Harry und eine ältere Dame, die gerade an ihm vorüber ging, sah ihn missbilligend an. Harry schnaubte nur. Er hatte weitaus mehr Probleme als er einen Tag vor Heiligabend haben wollte. Und er bezweifelte, dass er in diesem Jahr noch in Weihnachtsstimmung kommen würde.

* * *


Harry zögerte seine Rückkehr in die Wirtsstube hinaus, obwohl er wusste, dass er früher oder später dorthin zurückgehen würde. Es blieb ihm ja kaum eine andere Wahl, ohne seinen Zauberstab oder Geld oder einen Freund, der ein Telefon besaß. Als er am späten Nachmittag wieder in die Gaststätte trat, gerade als draußen die Dämmerung einsetzte, blieb er allerdings zunächst in der Wirtstube, anstatt hinauf in das Zimmer zu gehen, in dem Draco womöglich den ganzen Nachmittag gesessen und seinen Saphir angestarrt hatte.

Mit dieser Vermutung lag Harry falsch, wie er bereits im nächsten Augenblick erkannte, als er Draco an einem der Tische sitzen sah. Harry seufzte ergeben und zog einen Stuhl zu sich heran.

„Potter“, sagte Draco, ohne von seiner Tasse Tee aufzusehen, die er mit beiden Händen umklammerte.

„Malfoy.“

„Also noch hier“, fuhr Draco fort und nahm einen Schluck von seinem Tee. „Und ich hab gedacht, du wärst nun doch abgehauen.“

Harry schnaubte.
„Wo hätte ich denn bitte hingehen sollen?“

„Was weiß ich“, brummte Draco und lehnte sich nun in seinem Stuhl zurück, um Harry eingehend zu betrachten. Harry senkte den Kopf und starrte die Tischplatte an. Er fühlte sich wie bei einer Prüfung und der kleinste Fehler würde ihn bereits durchfallen lassen.

„Malfoy…“ Harry holte tief Luft. „Erzähl mir von dem Saphir.“ Er hatte seiner Stimme einen sanften Ton verliehen, der Draco offenbar überraschte, denn Letzterer schaute auf und straffte die Schultern.

„Warum?“, fragte er.

„Weil ich ein Recht darauf habe!“, zischte Harry. „Weil dieses Ding daran schuld ist, dass ich mit dir hier festsitze!“

Dracos Blick verfinsterte sich. Harry seufzte und nahm einen zweiten Anlauf.
„Weil es mich interessiert“, sagte er.

Draco zog die Augenbrauen hoch, doch dann nickte er langsam. Er griff nach seiner Tasse und trank den restlichen Tee in einem Zug leer.
„Nicht hier“, flüsterte er und erhob sich von seinem Stuhl. Harry tat es ihm gleich und folgte Draco die Treppe hinauf und durch den schmalen Gang, bis sie wieder in dem Zimmer waren, das Draco sich für eine Nacht gemietet hatte.

Draco setzte sich auf das Bett und griff mit der Hand in den Nacken, um den Verschluss der Kette zu öffnen, die er sich offenbar um den Hals gelegt hatte. Als der Sternsaphir wieder in seiner Hand ruhte, setzte sich auf Harry. Dieses Mal machte Draco keine Anstalten, den Stein vor ihm zu verbergen. Mit der Fingerspitze fuhr er die Zacken des Sterns entlang.

„Er hat deiner Mutter gehört“, erzählte Harry schließlich das, was er bereits wusste, um das Gespräch in Gang zu bringen.

„Er hat eine Geschichte“, erwiderte Draco. „Manche Dinge haben eine.“

Es waren keine Worte, wie er sie je aus Dracos Mund gehört hatte und schon gar nicht in diesem sanften Tonfall, so dass Dracos Stimme kaum lauter war als ein Flüstern.

„Und? Hast du vor, sie mir zu erzählen? Wo ich schon wegen dir hier festsitze…“

Draco schwieg eine Weile und Harry hielt es fĂĽr besser, zu warten, auch wenn er mittlerweile geradezu darauf brannte, die Geschichte des Sternsaphirs zu erfahren.
„Meine Mutter hat ihn immer getragen“, fing Draco schließlich an und betrachtete dabei fortwährend den blauen Stein. „Zumindest früher. Sie hat irgendwann damit aufgehört, als ich fünfzehn war oder so. Da war es auch nicht mehr so wichtig.“

„Für mich sieht's aus, als ob dir das Ding sehr wichtig wäre“, warf Harry ein. „Ich meine …“

„Unterbrich mich nicht, Potter!“, fauchte Draco ungehalten und einen Moment lang schien er wieder ganz der Alte zu sein. Dann nahm er seine Erzählung wieder auf.
„Es ist jetzt wieder wichtig, weil ich mich erinnert habe“, erklärte Draco. „Weil man Vater sich dazu entschieden hat, es an einen verfluchten Muggeljuwelier zu verkaufen und zwar heimlich. Ich hab's aber gemerkt und ich hab mich erinnert.“ Draco seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Als ich ein Kind war, hat Mutter den Stein jedenfalls immer getragen, als wäre es das Wichtigste, das sie je besessen hat. Ich bin nicht sicher, warum sie ihn später nicht mehr angerührt hat, aber ich fürchte, dass es meine Schuld war.“

Draco presste die Lippen fest aufeinander. Harry blickte auf den Saphir in Dracos Händen, auf Dracos Finger, die den Stein sanft umschlossen und verspürte mit einem Mal den Drang, seine eigene Hand auszustrecken und sie auf Dracos zu legen. Stattdessen krallte er seine Finger in das Bettlaken.

„Ich hab ihr gesagt, dass mir ihre Meinung egal ist“, fuhr Draco fort. „Nicht zum ersten Mal, aber ich hab's zum ersten Mal ernst gemeint. Wirklich ernst. Und Mutter hat es wahrscheinlich erkannt. Das war in meinem fünften Schuljahr. Und ich hab ihr gesagt, dass mir ihr Stein egal ist.“

„Was er nicht ist?“, hakte Harry nach. Draco schaute abrupt auf und sah ihm direkt in die Augen. Harry hatte eine erneute Rüge erwartet, die allerdings ausblieb. Draco starrte ihn nur an, mit seinen grauen Augen, die gar nicht mehr so kühl wirkten, wie Harry sie in Erinnerung hatte.

„Nein“, sagte Draco und wandte den Blick wieder ab. Harry atmete aus - er hatte nicht einmal gemerkt, dass er die Luft angehalten hatte.

„Ich hab sie danach gefragt“, meinte Draco und umschloss den Saphir nun mit beiden Händen. „Ich glaube, ich war noch sehr jung, als ich sie zum ersten Mal gefragt habe, was er bedeutet. Jedenfalls war ich noch nicht in Hogwarts. Sie hat mir gesagt, dass …“ Draco brach ab und schloss die Augen. Sein Gesicht wirkte angespannt, als würde es ihm Mühe bereiten, die nächsten Worte zu sprechen - oder als ob er sie nie zuvor mit jemandem geteilt hätte. Harry verzichtete dieses Mal darauf, nachzuhaken. Er löste die Finger aus dem Bettlaken und streckte sie nach Draco aus. Flüchtig berührte er dessen Schulter, zog die Hand jedoch so rasch zurück, als hätte er sich verbrannt. Draco runzelte die Stirn.

„Sie hat gesagt, sie hätte es von ihrer Mutter bekommen“, sagte er dann. „Und dass es magisch wäre. Ich hab das als Kind geglaubt, später nicht mehr. Der Stein hat jedenfalls nie bewiesen, dass er magische Kräfte hat. Aber Mutter hat immer behauptet, dass er sie mit Vater zusammen gebracht hätte.“ Draco schüttelte den Kopf. „Eigentlich glaub ich gar nicht an so einen Schwachsinn. Dass ein Stein einem helfen könnte, jemanden zu finden.“

Harry kaute auf seiner Unterlippe.
„Du hast ihn aber gestohlen“, sagte er.

„Weil er meiner Mutter gehört hat!“, erklärte Draco mit Nachdruck. „Und weil sie mir als Kind gesagt hat, dass sie ihn mir schenken würde, wenn ich volljährig bin, damit er mir hilft, jemanden … wie auch immer. Der Stein ist wertvoll und er hätte mir gehören sollen und mein Vater hatte kein Recht, ihn wegzugeben. Ich hab mir nur geholt, was mir zusteht“ Draco reckte das Kinn in die Luft und starrte die gegenüber liegende Wand an.

Harry betrachtete Draco von der Seite her. Er wagte es nicht, etwas zu sagen, obwohl er gerne weitere Fragen gestellt hätte. Draco öffnete die Handflächen und der Saphir kam wieder zum Vorschein. Kurz sah er ihn an, dann legte er sich die Kette erneut um den Hals und ließ den Stein unter seinem Hemd verschwinden. Er holte tief Luft.
„Und jetzt, Potter? Hast du vor zu bleiben oder haust du ab?“

Harry hatte nicht vor zu gehen, auch wenn der spöttische Unterton in Dracos Stimme zurückgekehrt war und auch wenn morgen Heiligabend war.
„Ich hab nicht vor in der Kälte unter freiem Himmel zu übernachten“, sagte er.

„Angst zu erfrieren?“, erwiderte Draco und grinste. „Und ich dachte immer, der große Harry Potter würde vor nichts zurückschrecken.“

Es war erstaunlich, wie schnell dieses Gespräch eine andere Richtung genommen hatte, wie schnell sie wieder in alte Gewohnheiten verfielen.
„Du kannst mich mal, Malfoy“, entgegnete Harry. „Morgen früh nehm' ich den ersten Zug und dann bin ich weg.“

„Zurück nach Hause, hm? Da frag ich mich doch, ob du es morgen noch schaffst ein passendes Geschenk für Weasley zu finden … wäre doch schade, wenn du am Weihnachtsmorgen mit leeren Händen dastehst. Nachher glaubt sie noch, du liebst sie nicht“, meinte Draco und ließ sich zurückfallen. Er lag nun mit dem Rücken auf der Matratze, die Arme unter dem Hinterkopf gefaltet und starrte an die Zimmerdecke.

„Liebe hat doch nichts mit Geschenken zu tun“, schnaubte Harry.

„Das sagst du jetzt, Potter. Warten wir doch mal ab, wie du das nach der Bescherung siehst.“

„Da sich unsere Wege morgen früh wieder trennen werden, glaube ich kaum, dass du das je erfährst“, entgegnete Harry und biss die Zähne aufeinander.

„Soll das heißen, du lädst mich nicht auf eure Hochzeit ein? Jetzt bin ich aber schwer enttäuscht“, spöttelte Draco.

„Leb damit“, fauchte Harry und verschränkte die Arme vor der Brust.

DrauĂźen war es mittlerweile dunkel geworden und die Menschen hatten sich in ihre warmen Wohnzimmer verkrochen. Schneeflocken fielen lautlos zu Boden. Es wĂĽrde eine weiĂźe Weihnacht werden.


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