Der Magische Spiegel - März 2008
Fangen wir mit dem Ende an....
von Krummbein_1986
“Ein Ende kann auch ein Anfang sein!” und “Wenn sich eine Tür schließt, geht eine andere auf!” sind nur zwei der vielen Aussprüche, die den Beginn von etwas Neuem einleiten können, zwei Sätze, die im Grunde das Gleiche bedeuten und doch auf verschiedene Weise einen hoffnungsvollen Schimmer auf die Zukunft werfen, die so trüb und undurchsichtig, wenn auch absolut unausweichlich ist.
Nun gibt es natürlich viele Dinge, die zu Ende gehen können: Ein Jahr voller schwieriger Aufgaben, ein Monat der Entbehrung, ein Tag voller Freude und Glück; und doch, wenn wir diese Sätze gebrauchen, reden wir fast immer von Zeitabschnitten, die uns viel bedeutet, die uns geprägt, uns verändert haben. Es geht um Dinge, die unser Leben in eine bestimmte Richtung gelenkt und unsere Zukunft für immer beeinflusst haben.
Vor gar nicht allzu langer Zeit ging mit den Worten ‘All was well’ etwas zu Ende, das uns alle fasziniert und in nicht geringem Maße geprägt, wenn nicht sogar ein wenig verändert hat. Diese letzten Worte auf der letzten Seite eines unscheinbaren Buches leiteten das Ende unserer Zeit mit Harry Potter ein.
Millionen Menschen auf der ganzen Welt erlebten hautnah, was es bedeutete, einem Buch entgegen zu fiebern, voller Spannung und Vorfreude auf eine Geschichte zu warten. Zehn Jahre lang begleiteten sie den Jungen, der überlebte, auf seiner spannenden Reise durch die Welt der Magie und verfolgten seinen gefährlichen Weg von dem Jungen, der nicht glauben kann, dass er ein Zauberer ist, zu dem jungen Mann, der im letzten großen Krieg den dunkelsten aller Magier endgültig vernichtet.
Diese Menschen werden sich noch bis an ihr Lebensende an die vielen Jahre erinnern, in denen sie nervös auf das Erscheinen des nächsten Buches warteten, an die langen Wartezeiten, die sie mit Diskussionen und Theorien zu überbrücken suchten, sie werden ihren Kindern von der ‘Generation Harry Potter’ erzählen und dabei in glückseligen Erinnerungen schwelgen. Es war eine Ära, die es so wohl nur ein einziges Mal geben wird, zehn magische Jahre, die Jung und Alt zusammenschweißten und die Jugend wieder in die Buchhandlungen lockte. In einer Zeit der Computer und des WorldWideWeb, in einer Zeit, in der Eltern ihre Kinder lieber vor den Fernseher setzen, als ihnen ‘Pu der Bär’ vorzulesen, schaffte es ein junger Zauberlehrling, den Menschen das Lesen wieder näher zu bringen.
So manch einer klappte schließlich seinen siebten Band zu, völlig fassungslos und ungläubig, vollkommen überwältigt von der Macht der Worte. Eine Welle der Emotionen erfasste die Gemeinschaft der Leser und es dauerte den einen oder anderen Augenblick, bis sie schließlich erkannten, dass es das nun gewesen war, einen winzigen Moment, bis der Gedanke, dass es kein weiteres Buch mehr geben würde, sie schließlich erreicht hatte.
Nie wieder werden die Fans in Scharen ausschwärmen und sich in den Buchläden versammeln, nie wieder werden sie von der irrationalen Angst erfasst werden, dass ausgerechnet sie kein Buch mehr bekommen sollten, nie wieder werden sie angesichts eines einzigen Buches in unerklärlichen Freudentaumel verfallen oder dieses angenehme Kribbeln auf der Haut spüren, dass sie überkam, als sie nur noch einen Handgriff von der Geschichte entfernt waren, auf die sie doch so lange gewartet hatten.
Und doch… ist es wirklich zu Ende?
Es mag stimmen, dass Harry Potter in Form des geschriebenen, gedruckten Wortes seinen Abschluss gefunden und der Kreis sich am Ende geschlossen hat, aber es ist nur schwer vorstellbar, dass die Begeisterung für diese Bücher so schnell verloren geht, dass die Magie um diese Geschichte allzu schnell verblasst, denn an diesen Büchern hängt mehr als eine bloße Geschichte, Harry Potter ist mehr als ein Buchreihe, von der inzwischen beinahe jeder gehört hat:
Harry Potter ist bezeichnend für ein Stück Zeitgeschichte, deren Augenzeugen wir sein durften! Diese Bücher haben es geschafft, einen Teil der Magie, die jede einzelne Seite zu durchdringen scheint, in unsere Welt zu übertragen und uns ganz und gar in ihren Bann zu ziehen!
Für viele hat mit dem letzten Band die Reise in die Welt des Harry Potter gerade erst begonnen;
Obwohl wir in diesem abschließenden Buch alles erfahren haben, was auf den ersten Blick wichtig erscheint, so ist doch nicht alles geklärt und vielleicht wird einiges bis in alle Ewigkeit offen bleiben, aber das ist etwas, das nur die Zeit allein beantworten kann.
Aber auch wenn die Geschichte letzten Endes dort aufgehört hat, wo sie einst begann, und der Junge, der überlebte, endlich glücklich ist, so bedeutet das nicht, dass die Faszination um seine Person sich in Luft auflöst.
Es bleiben Lücken im Text, unbeantwortete Rätsel, ungeklärte Fragen, faszinierende Mysterien, die es zu entschlüsseln, zu umschreiben, zu lösen und zu füllen gilt. Das Ende der Geschichte hat den Grundstein für etwas viel größeres und unfassbareres geschaffen.
Schon jetzt ist die Zahl der vielgeliebten FanFiktions über die ominösen 19 Jahre zwischen Harrys Worten ‘I’ve had enough for a lifetime’ und dem so umstrittenen Epilog kaum noch zu überblicken. Und auch die Zahl der Erzählungen, die sich mit der Zeit der nächsten Generation befassen, ist nicht gerade gering.
Wir haben viele neue Aspekte und Beweggründe kennen gelernt, die unsere liebsten und am meisten gehassten Figuren zu dem gemacht haben, was sie sind, wir haben ihre tiefsten Geheimnisse und ihre größten Ängste kennen gelernt, den Moment der Stärke und der Feigheit live miterlebt. Und nun versuchen wir zu sehen und zu verstehen, was uns vorher verborgen geblieben war.
Eine neue Welle der Kreativität hat die Fans erfasst und zieht uns erneut in ihren Bann. Die Möglichkeiten, unserer eigenen Fantasie freien Lauf zu lassen, scheinen unerschöpflich, die Ideen für immer neue spannende Abenteuer nicht mehr zählbar.
Doch nicht nur die Umsetzung realistischer oder auch weniger realistischer Geschichten ist aus diesem Ende entsprungen, auch eine ungeahnte Zahl an mitreißenden Diskussionen hat die Fangemeinschaft erfasst. In diversen Kategorien tauschen die Leser ihre Meinungen über den Abschluss der Reihe aus, stellen sie die vielen ungeklärten Fragen, in der Hoffnung, eine passende Antwort zu finden, diskutieren sie die kleinsten Details, die für den Ausgang der Geschichte wichtig oder auch nicht so wichtig waren, und versuchen auf diese oder jene Weise dem Geheimnis um Harry Potter endgültig auf die Spur zu kommen.
Und auch für mich ist dieses Ende ein neuer Anfang, der Anfang dieser Kolumne, in der ich versuchen will, den vielen Rätseln und Geheimnissen, welche die Welt des Harry Potter noch für uns bereithält, zu entschlüsseln, in der ich die einzelnen Figuren durchleuchten und auf frischer Tat ertappen will, in der ich Zusammenhänge aufzeigen und Unstimmigkeiten aufdecken möchte.
Inzwischen wurde schon so viel gesagt, so viel geschrieben, dass es unmöglich scheint noch etwas Neues hinzuzufügen, eine neue Geschichte zu schreiben, und doch sind die Möglichkeiten beinahe unendlich, denn wir alle sehen die Dinge in einem anderen Licht, wir alle sehen diese Bücher auf unsere eigene Weise.
Mir bleibt am Ende nur zu versuchen, euch meine Sicht der Dinge näher zu bringen, euch die Möglichkeit zu geben, das Geschehen durch meine Augen zu sehen, euch einen neuen oder alten Weg aufzuzeigen, den zu gehen oder zu meiden euch ganz allein überlassen ist…
Letztlich ist es nur ein kleiner Versuch, etwas ungreifbares festzuhalten, denn die Faszination und die Magie dieser Bücher lässt sich einfach nicht in Worte fassen!