Unser Besuch bei Electronic Arts - Teil 2
Nach einem kleinen Mittagessen, hauptsächlich bestehend aus Fish'n'Chips, wurden wir in Häuser eingeteilt und begannen mit unserer Tour zu den einzelnen Verantwortlichen für das Harry-Potter-Spiel. Ich wurde zusammen mit Jamie von Mugglenet und Illka von Harry Potter Fanit dem Hause Gryffindor zugeteilt und starteten bei Harvey Elliot, dem ausführenden Produzenten (Exec Producer) des Spiels.
Harvey ist verantwortlich für das Spiel, wie es aufgebaut und was gemacht wird. "Mein Job ist also zu entscheiden oder das Team entscheiden zu lassen, was für ein Spiel wir machen wollen, und sicherzustellen, dass wir genau das machen und den Überblick zu behalten." Er wählt also aus, auf welchen Plattformen das Videospiel laufen und in welche Sprachen es übersetzt werden soll und wie das Spiel überhaupt sein wird. "Wir stellen es nicht einfach nur zusammen, viele Leute schlagen Sachen vor. Mein Job ist es, den Kurs vorzugeben. Also werde ich in jeden Aspekt des Spiels eingebunden."
Das kann zuweilen doch recht schwierig sein. "Ich meine, die gute Sache ist, dass das Team sehr ausgereift ist. Wir haben einen großen Teil von dem Team übernommen, das von Anfang an dabei waren. Andy Carridge war zum Beispiel bei jedem einzelnen Harry-Potter-Spiel dabei. Es gibt Leute, die seit fünf, sechs, sieben Jahren dabei sind und deswegen kann man darauf vertrauen, wie die Dinge gemacht werden."
Doch im Vergleich zum Drehen von Filmen, sieht er bei Videospielen viele Vorteile: "Die Spiderman 3 Premiere war gerade am Montag und dort war ein Interview mit Tobey Maguire über die Dreharbeiten und er sagte: 'Ja, das Drehen war wirklich großartig, aber du stehst vor diesem Blue Screen und jenem Green Screen und erst wenn es fertig ist, siehst du, wie deine Leistung war!' - und das muss wirklich frustrierend sein, wenn man sechs Monate warten muss um zu sehen, wie gut du dich über New Yorks Skyline geschwungen hast." Bei Videospielen kann man hingegen kann man irgendeine Änderung machen und sie sich sofort ansehen. Deshalb gibt es an fast jedem Tag einen neuen Datenträger, auf dem das Spiel ist, und immer ist etwas geändert worden. "So ist es einfach, immer wieder neue Motivation für das Spiel zu bekommen, weil man sich einfach nur die CD nehmen kann und jedes Mal ist etwas neues dabei. Wir machen die Änderung, sehen es uns an und wir können das viel schneller machen, als jede andere Industrie (na ja, Schreiben kann man ähnlich schnell). Aber beim Film oder beim Fernsehen gibt es immer eine Nachbearbeitung, es wird am Schnitt gearbeitet oder sonst irgendwas und wir können das alles viel direkter machen. Und weil wir die CDs jeden Tag erstellen, lohnt sich jeder Tag."
Es ist aber auch gleichzeitig sehr wichtig, ein Fan von Harry Potter zu sein. Harvey begann bei EA vor über vier Jahren und hatte weder die Bücher gelesen noch die Filme gesehen. "Ich kam zu EA und meine Frau war sehr sauer, dass ich zu EA kam, in die UK Studios, in denen sie Harry Potter entwickeln. Und ich kam dazu und das Harry-Potter-Team war bereits etabliert. Ich arbeitete sehr gut, machte Burnout 3, das erste Burnout-Spiel von EA. Und währenddessen dachte ich nur: 'Ich werde die Harry-Potter-Bücher lesen und ich werde...'" Und als Harvey dann endlich damit anfing, ging es ihm, wie vielen anderen Fans auch: "Ich war nach einer Nacht und vielleicht ein bisschen vom Morgen damit durch. Aber ich war wirklich schnell durch, ich kaufte mir das zweite Buch in der Hoffnung, dass ich es genauso schnell schaffen würde, da es ein bisschen dicker war vielleicht ein paar Abende mehr. Und dann hörte ich irgendwie nicht mehr auf, sie zu lesen und ich las sie alle durch und sah alle Filme."
So kam es dann, dass er mitten während der Produktion des Feuerkelchs in das Harry-Potter-Team aufgenommen wurde, wo es ihm bis heute sehr gefällt. "Es ist eine erstaunlich vielfältige Welt mit richtig verlockenden Charakteren und man weiß nicht, was passieren wird. Ich meine, wir sind noch im Abenteuer mit ihm, wir wissen noch immer nicht, was mit Harry Potter passieren wird. Wir haben ein gemeinsames Ziel, wir wollen eine phänomenale Harry-Potter-Erfahrung machen und JKRs Mission realisieren. Sie hat ein phänomenales Buch geschrieben. Wir wollen, dass auch das Videospiel so ist. Das ist alles."
Anschließend kamen wir zu Wayne Stables, der auf Grund seines Akzents teilweise etwas schwer zu verstehen war, in die "dritte Dimension". Wayne ist der CG Supervisor des fünften Harry-Potter-Spiels und seine Aufgabe ist, "das vom Art Team Erarbeitete ins Spiel einzubauen und mit der Technik zu verbinden". Bevor er zu Electronic Arts kam, hat er Special Effects für Filme entworfen. Er war unter anderem an dem zweiten und dritten Teil der "Herr der Ringe"-Trilogie sowie Shrek 2 beteiligt. Aber Videospiele mochte er schon immer lieber, und da sich Film- und Spieleindustrie gar nicht so sehr unterscheiden ("Beide versuchen, die Leute zu unterhalten."), ging er zu EA. Und weil es ihm so Spaß macht, Schlösser und Häuser zu bauen, arbeitet er am Harry-Potter-Spiel richtig gern.
"Ein Spiel zu entwickeln, unterscheidet sich eigentlich gar nicht so sehr von Architektur", sagt er. Glücklicherweise müssen sich die Entwickler nicht so viel alleine ausdenken, denn der Filmproduzent Warner Bros. versorgt sie mit dem nötigen Material. "Wir haben Film- und Setaufnahmen von Warner Bros. bekommen, denn sie haben die Harry-Potter-Welt ungefähr so erschaffen, wie JKR sich das vorgestellt hat und wir haben diese Filmaufnahmen als Grundlage genommen." Warner Bros. erstellt von den Drehorten, z.B. den Korridoren oder Hallen, sogenannte "Blueprints". Das sind digitale Baupläne, anhand derer der Drehort exakt gebaut werden kann. Diese Blueprints hat auch EA verwendet, als es um das Aufbauen der Harry-Potter-Welt ging. "Korridore, Gemeinschaftsräume usw. sehen also denen aus dem Film sehr ähnlich. Man denkt, dass man wirklich durch Hogwarts geht. Man kann sogar in die Eulerei gehen und das ist wirklich cool", freut er sich.
Auch bei anderen Dingen hilft der Filmriese, so zum Beispiel beim Entwerfen der virtuellen Charaktere: "Alte Charaktere, wie z.B. Harry waren kein Problem, die neuen dagegen schon, weil man noch nicht weiß, wie sie im Film aussehen, wie sie sich bewegen und handeln, und im fünften Teil werden nun mal eben viele neue Charaktere eingeführt." Warner Bros. stellt EA hierzu schon vorab Aufnahmen der Filme zur Verfügung, was die Arbeit natürlich enorm erleichtert.
Wir interessieren uns dafür, wie man es in einem Videospiel hinbekommt, dass sich das Gras so schön im Wind bewegt. Wayne grinst und versucht, es möglichst einfach zu erklären. Grob gesagt funktioniert das alles durch optische Tricks und auch nur auf neuen Konsolen wie der Xbox 360 oder der Playstation 3, die eine gute Grafikhardware haben. Die Textur, also das Muster der Graslandschaft, wird mit vielen Punkten versehen, die dann ähnlich einer Sinuskurve hin und her bewegt werden und damit die Textur verzerren. Dadurch sieht es so aus, als ob sich das Gras im Wind bewegen würde.
Für die kommenden Spiele versprach er uns noch mehr Details, auf die wir uns freuen könnten. An Ideen würde es ihm jedenfalls nicht mangeln.
Nun gingen wir zu Chris Roberts, dem Game Designer, mit dem wir schon zuvor unsere ersten Schritte durch das virtuelle Hogwarts gewagt hatten. Chris ist zusammen mit Matt Birch, der an dem heutigen Tage leider nicht am Fansite Day teilnehmen konnte, sicherlich eine der wichtigsten Personen bei EA.
Seine Aufgabe kurz vor der Veröffentlichung des Spiels könnte auch die lustigste sein: "Jetzt am Ende bin ich nur noch dabei, andauernd das Spiel
zu spielen und sicherzugehen, dass es auch genau das ist, was wir haben wollen." Neben ihm gibt es noch fünf weitere Tester, sowie 70 bis 80 Leute,
die in der Qualitätssicherung arbeiten. Dazu kommen auch noch diverse Entwickler, die das Spiel in den verschiedenen Sprachen testen und schauen, ob
alle Ãœbersetzungen stimmen. "Es sind also Hunderte an Stunden, sie arbeiten richtig in Schichten. Jetzt zum Ende der Programmierung gibt es Leute,
die reinkommen und 24 Stunden durcharbeiten ... nun, sie arbeiten nicht wirklich 24 Stunden, sie arbeiten in verschiedenen Gruppen", sagt er und lacht.
Für die Qualitätssicherung interessieren sich auch die Warner Brothers. "Ich muss dazu fähig sein, Warner Bros. erzählen zu können, dass wir nichts
verrücktes machen, z.B. Harry Potter in einen Roboter zu verwandeln", frotzelt Chris. Das ist natürlich nicht ernst gemeint, trotzdem muss überprüft
werden, ob das ganze Spiel der Geschichte entspricht und dass nichts schief läuft.
Warner Bros. unterstützt die Spieleentwickler aus Guildford hier jedoch auch. Als es um die Auswahl der zu erledigenden Missionen ging, bekam EA bereits sehr früh das Drehbuch zum Film, "sodass wir dann schon mal einen sehr guten Eindruck davon bekamen, wie sie die Handlung zusammengekürzt hatten und was sie für den Film als wichtig erachteten. Das hilft uns besser einschätzen zu können, worauf wir uns besonders konzentrieren müssen." Dass dies aber keine allzu genaue Hilfe ist, dürfte auch den Fans bekannt sein, da die Drehbücher oft ziemlich knapp sind und viele eigentlich wichtige Szenen herausgeschnitten wurden. Außerdem wird das Drehbuch auch während dem Filmen noch verändert.
"Eines der ersten Dinge, die man macht, ist, sich bestimmte Hauptpunkte in der Handlung rauszusuchen und sich dann zu überlegen, wie man diese Handlungspunkte im Spiel gestaltet. Dann muss man sich aber auch den gesamten Spielverlauf überlegen, also wie alles von Anfang bis Ende aussehen wird, denn man möchte z.B. nicht, dass Harry alle fünf Minuten etwas neues lernen muss, das vergisst man dann alles wieder. Man braucht also ein festes System, sodass man Sachen selbst rausfinden kann."
Wichtig ist es auch, mit so einem Spiel die richtige Zielgruppe zu treffen: "Wir müssen eine breite Gruppe ansprechen können, aber gleichzeitig wollen wir einen sehr umfangreichen Inhalt haben, weswegen wir kein sehr einfaches Spiel machen wollen, wo man alles in fünf Minuten raus hat, sondern ein Spiel, das nicht frustrierend ist, nicht verwirrend ist und wo man wirklich tonnenweise Sachen zu tun hat." Man kann ihm richtig anmerken, wie stolz er darauf ist, dass das erste Harry-Potter-Spiel, an dem er mitwirkt, einen völlig anderen Weg geht als die vorherigen. "Die früheren Harry-Potter-Spiele waren sehr rätselorientiert und sehr linear. Und sie kommen vielleicht auch etwas zu stark von der Handlung ab, aber bei diesem Spiel bleiben wir wirklich dicht dran und wir haben Hogwarts richtig umgesetzt."
Dabei ist aber auch er von guter Teamarbeit abhängig. Besonders mit Matt Birch zusammen entwirft er viele Details zum Videospiel. "Wir arbeiten sehr eng zusammen, und das läuft so ab, dass wir eine Zeitlinie für die Handlung entwerfen, Ideen für einzelne Abschnitte vorschlagen und wir dann darüber streiten, etwas ablehnen oder einfach diskutieren. Wir hatten wirklich einige hitzige Diskussionen darüber, was rein kommt und was nicht."
Einigkeit herrschte zumindest über den Beginn des Spiels: "Wir wollten einen großen, aber keinen langen Anfangsmoment haben, wenn die Dementoren angreifen. Wir wollten das so ungefähr wie in den Bond-Filmen haben, wo vor den Anfangscredits immer eine große Actionsequenz kommt."
Eine besondere Schwierigkeit ist, dass es in jeder neuen Folge der Spiele neue Methoden zum Zaubern gibt. So muss der Spieler in jedem Spiel erst neu lernen, wie ein Zauberspruch geht, obwohl Harry es ja eigentlich schon weiß. "Wir brauchten einen Platz, wo wir dem Spieler die Grundlagen beibringen konnten, und dafür ist der Grimmauldplatz perfekt. Harry ist an diesem Punkt wegen seiner Anhörung ein bisschen nervös, was das Benutzen von Zauberei angeht. Die bevorstehende Anhörung schien also einfach nur eine logische Möglichkeit zu sein, um Harry wieder auf Vordermann zu bringen. An Weihnachten kommt man dann wieder zum Grimmauldplatz zurück, und das ohne besonderen Grund, das ist nur für die Fans. Man kann mit Lupin und Tonks reden, man kann Sachen finden, die vielleicht noch wichtig werden, man kann sich sogar den ganzen Stammbaum der Blacks ansehen, man kann Kreacher sehen, Mr. Weasley ist da und man kann einfach umherwandern. Wenn man damit fertig ist, kann man das Haus verlassen, wann man will."
Er jedenfalls findet sich im virtuellen Hogwarts gut zurecht: "Wir haben aus einer Menge Kisten eine richtige Karte gebaut, die die verschiedenen Orte darstellten, bestand, damit wir sehen konnten, wie alles zusammenpasst, und damit lebten wir dann eine ganze Zeit lang, bis ich dann z.B. sagen konnte: 'Um zum Unterricht für Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu kommen, geht man raus dem Gemeinschaftsraum, runter in den dritten Stock, dort den Gang entlang, dann über die Hängebrücke, in den Turm hinein und man ist da.'" Um das ganze für die Fans auch zu erleichtern, wurde auch die Karte des Rumtreibers in das Spiel integriert, auf der man sich die Wege zu allen Orten und Personen anzeigen lassen kann.
So eine Karte hatten wir für das Gebäude von EA zwar nicht, dafür eine nette PR-Agentin, die uns durch verwinkelte Gänge und Treppenhäuser führte. Unterwegs gingen wir durch einen großen Raum, in dem mindestens hundert PCs standen und Programmierer auf dutzende Monitore mit 3D-Modellen von Hogwarts starrten. Ein ganzes Stockwerk nur für die Entwicklung von Harry Potter, wie ein großes Logo am Eingang verriet. Ein beeindruckender Anblick. Ohne unsere Assistentin hätten wir den Weg durch die vielen Schreibtische und Zwischenwände zu Kelvin Tuite, dem Art Director sicher nicht gefunden. Kelvin wartete auch schon in einem gemütlichen Sofa sitzend, einen Gamecontroller in der Hand haltend und einen riesigen Monitor betrachtend, auf dem Harry gerade die große Brücke entlang lief.
Kelvin, der schon seit dem ersten Spiel im Team ist, arbeitet als Art Director sehr eng mit dem CG Supervisor und dem Game Designer zusammen. Er ist verantwortlich für all die Kameraperspektiven, die Beleuchtung und eigentlich alle Dinge, die man sieht, wenn man durch Hogwarts läuft. "Wir wollten natürlich das Schloss schöner machen, wir wollten mehr Klassenzimmer, Türme, Gänge, ..." Es soll schließlich alles so aussehen wie im Film. Auf der Wii, die vor ihm steht, zeigt er uns noch verschiedene wunderschöne Ansichten über Hogwarts und erzählt dabei weiter, wie sie die Schauspieler mit einem Laser-Verfahren eingescannt haben.
Die anderen Verantwortlichen bei EA sind vor allem noch Matt Birch, der seit dem Gefangenen von Askaban im Team ist und als der Harry-Potter-Fan im Team überhaupt gilt. Er arbeitet als Produzent, konnte aber von uns nicht interviewt werden, da er am Fansite Day leider nicht da war.
Auch Justin Manning sollte noch erwähnt werden. Er ist seit 2000 bei Electronic Arts und zeigte uns zum Abschluss noch die Arbeitsplätze der Entwickler. Wir sahen, wie Hagrids Hütte in verschiedenen Schichten aufgebaut wurde, zuerst nur ein blaues Gerüst, später kamen dann Texturen und Lichteffekte dazu. Leider hatten wir nicht mehr die Gelegenheit, auch ihn zu interviewen, da der Fansite Day nun dem Ende zu ging.
Unser Bericht ist natürlich noch nicht zu Ende, denn nächsten Freitag, am 18. Mai, kommt der dritte Teil unseres exklusiven EA-Berichts, in dem wir über unsere eigenen Erfahrungen beim Spielen des neuen Harry-Potter-Spiels berichten.
Vielen Dank an unsere Moderatoren und Vertrauensschüler Seraph und whomping willow für die Hilfe bei den Übersetzungen!
Matthias
© Harry Potter Xperts 2007