von lütfen
Eine halbe Stunde später, Hermine hatte sich wieder beruhigt, verließen sie Harrys Zimmer und leisteten den anderen Gesellschaft. Hermine freute sich darüber, dass sie so herzlich empfangen wurde, doch sie spürte auch die Neugier und Verwirrung der anderen, weshalb sie ihnen kurz erzählte, was passiert war.
Die Anwesenden schauten sie sprachlos an. Wenn einem das Mädchen, das man seit sie 11 Jahre alt ist, kennt, erzählt, dass sie mehr als ein Jahr als ein Einhorn verbracht hat, weiß man nicht, was man sagen soll. Die ersten, die sich erholten, waren Fred und George. Allerdings wussten sie auch nicht mehr zu sagen als "Wow!" Hermine lächelte schüchtern. Sie war nervös. Würde ihre Familie sie dennoch akzeptieren? Oder würden Sie genauso reagieren wie Severus?
Doch sie sorgte sich umsonst. Die Weasleys fragten sie nicht nach ihrer Zeit als Einhorn, an die sie sich sowieso nicht erinnern konnte. Molly Weasley fragte sie, was sie nun vorhabe. Hermine überlegte einen Augenblick. Dann sagte sie. "Ich bin mir noch nicht sicher, aber ich denke, ich werde mir zunächst eine eigene Wohnung suchen." Mit einem Mal richtete sich gerade auf. "Was ist eigentlich mit unseren Abschlussergebnissen? Harry, hast du einen Brief für mich bekommen?"
Verlegen schüttelte er den Kopf. "Hermine, ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube uhm… man hat sie an deine letzte Adresse geschickt. Und die war Hogwarts. Snapes Räume um genau zu sein. Ich weiß nicht, ob er deinen Brief hat. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, habe ich ihm nicht die Chance gegeben, irgend etwas zu sagen." Hermine nickte verstehend. "Das heißt, wenn ich meine Ergebnisse haben möchte, muss ich mich mit Severus in Verbindung setzen?" Harry nickte.
Als am späten Abend alle Gäste sich verabschiedeten und Hermine in einem Gästezimmer im Bett lag, grübelte sie über ihr weiteres Vorgehen nach. Sie würde Severus einen Brief schreiben müssen, indem sie ihn bat, sollte er ihren Brief haben, ihr diesen zu schicken. Es wäre sicher höflicher, wenn sie selbst zu ihm gehen würde, um ihren Brief abzuholen, allerdings fühlte sie sich noch nicht dazu in der Lage, ihm wieder gegenüberzutreten.
Bevor sie zu Bett gegangen war, hatte sie Harry gefragt, ob er wusste, wie es Mira ging. Er hatte ihr geantwortet das er sie einige Zeit lang beobachtet hatte, um sicher zu gehen, dass Hermine sich nicht dort befand. Miras Eltern waren sehr vorsichtig geworden und ließen ihre Tochter nirgendwo alleine hingehen, aus Angst Hermine oder ein anderer Zauberer würde ihre Tochter mitnehmen wollen. Hermine war froh, dass es Mira gut zu gehen schien, allerdings vermisste sie das kleine Mädchen sehr.
Sobald sie ihre Noten wusste, hatte sie sich vorgenommen, einen Job und später eine Wohnung zu suchen.
Trotz ihrer Erschöpfung konnte sie zunächst nicht einschlafen. Es fiel ihr schwer, sich zu entspannen. Sie musste so vieles erledigen und hätte am liebsten sofort damit angefangen. Das Ganze Unerledigte beschäftigte sie.
XXXXX
Am nächsten Morgen setzte Hermine sich noch vor dem Frühstück an den Schreibtisch in ihrem Zimmer und begann einen Brief an Severus zu schreiben.
Severus,
Harry hat mir gesagt, dass du wahrscheinlich den Brief mit meinen Prüfungsergebnissen erhalten hast. Wenn dem so ist, würde ich dich bitten mir diese umgehend zu zuschicken.
Vielen Dank im Voraus
mit freundlichen Grüßen
Hermine Granger
XXXXX
„Weißt du Hermine, ich weiß gar nicht, wieso du unbedingt ausziehen willst! Ich meine, hier ist doch genug Platz und bisher haben wir uns doch super verstanden, oder nicht?“ Hermine sah von den Wohnungsanzeigen im Tagespropheten und einer Muggelzeitung auf und betrachtete Harry eingehend.
Es waren bereits zehn Tage vergangen, seit Hermine aus dem Wald zurückgekehrt war. Obwohl Severus ihr nicht auf ihren Brief geantwortet hatte, suchte sie bereits nach einer neuen Unterkunft. „Nicht du bist der Grund, wieso ich hier weg will, Harry. Das Haus erdrückt mich. Es ist zu dunkel und zu traurig und…groß.“ Harry grummelte vor sich hin und biss in ein Brötchen. Hermine freute sich darüber, dass Harry mehr zu essen schien. Als sie wieder gekommen war, war er dünn, blass und kränklich gewesen.
Doch mittlerweile hatte er wieder mehr Farbe und wirkte dadurch und durch die leichte Gewichtszunahme wieder viel gesünder. „Wenn du ausziehst und mich hier alleine lässt, wird das Haus auch nicht unbedingt kleiner. Komm schon Mine, du kannst auch die komplette erste Etage haben, okay?“ Hermine hob nachdenklich ihren Kopf. „Wieso kommst du nicht einfach mit? Ich denke wir beide kommen wirklich miteinander aus, also warum nicht?"
Harry überlegte einen Moment. War es wirklich in Ordnung, das Haus, das Sirius ihm hinterlassen hatte, einfach leer stehen zu lassen? Er konnte nachvollziehen, was Hermine meinte. Ihm ging es ähnlich. Innerlich noch immer im Zwiespalt begann er zu antworten. "Denkst du wirklich wir beide können zusammen in einer Wohnung wohnen?“ Hermine zuckte die Schultern. „Warum nicht? Wir wohnen hier ja auch zusammen. Wo liegt der Unterschied?
"Na ja, der Unterschied liegt darin, das du hier lediglich eingezogen bist, weil Du momentan noch nichts anderes hast und man würde meinen, dass du weiterhin hier wohnen würdest, weil es bequemer ist. Wenn wir zusammen in eine Wohnung ziehen würden, würde das Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“ Hermine dachte kurz nach und musste zugeben, dass Harry Recht hatte. Als sie jedoch näher darüber nachdachte, wurde ihr bewusst, dass ihr das ziemlich egal war.
„Ganz ehrlich Harry, wie lange willst du dich noch von der Öffentlichkeit beeinflussen lassen? Sie werden immer irgendwas über dich zu schreiben oder zu tratschen haben, na und? Ich hab ein paar Artikel der letzten Monate gelesen und mir scheint nicht, als würden sie deiner Person je müde werden.“ Harry seufzte laut auf. Wie recht sie doch hatte. Die Zeitungen zerrissen sich das Maul über ihn. Berichteten über seinen Zustand, schrieben, wie ausgezerrt er wirkte, spekulierten darüber, ob eine Therapie nicht angebracht werde, da er immer labiler zu werden schien.
„Aber der Presse neue Munition geben, die sie in ihren Schmierblättern bringen können?“ Hermine zuckte die Schultern. „Sie finden sowieso immer irgendwas Neues was sie über dich sagen können Harry. Und ganz ehrlich, mir ist egal was sie über mich schreiben. Ich lebe mein Leben, wie es mir gefällt und lasse mich nicht durch irgendwelche Pressefritzen davon abhalten. Das haben wir in der Vergangenheit zu oft getan.“
Hermine vertiefte sich wieder in ihre Suche und rahmte auch Wohnungen mit mehr als zwei Zimmern ein. „Na schön, ich schätze du hast recht, Hermine. Außerdem zieht dieses Haus einen wirklich runter und ich stehe bereits an einem Tief.“ Hermine schaute ihn scharf an. „Erzähl keinen Quatsch, Harry. Weißt du, wie viele Menschen gehbehindert sind? Muggel noch dazu? Du könntest es so viel einfacher haben, wenn du dich nicht immer selbst bemitleiden würdest.“
Harry öffnete geschockt den Mund. „Was? Guck nicht so. Ich hab gesehen, wie alle den armen, behinderten Harry bemitleiden und ja, ich fühle mit dir.“ Hermine lachte bei ihrem eigenen Witz auf. Als Harry nicht ebenfalls lachte, sah sie ihn auffordernd an. „Du sollst lachen, Harry, das sollte ein Witz sein. Du weißt schon, Empathie…ich fühle mit dir…egal, jedenfalls solltest du aufhören, dieses dumme Selbstbedauern zum Alltag werden zu lassen und der erste Schritt dazu wird sein, dass wir zwei uns eine schöne Wohnung suchen, okay?“
Harry nickte langsam. War das normal? War er schon immer so abhängig von Hermine gewesen? Brauchte er sie wirklich, um ihn auf dem Boden der Realität zu halten? In all den Monaten, in denen sie nicht da gewesen war, hatte kein Mensch, nicht einmal Malfoy ihm etwas Ähnliches gesagt. Molly Weasley kam regelmäßig vorbei und kümmerte sich um das wichtigste in seinem Haushalt. Einkaufen, Putzen, Wäsche waschen.
Ron, Ginny und Draco kamen fast jeden Tag vorbei, um ihn zu sehen und aus dem Haus zu bringen. Im Ministerium schonte man ihn, gab ihm nur leichte Fälle und niemals übermäßig viele. Er durfte früher gehen und später kommen. Wenn er einen Tag mal nicht kam, und das war im letzten Jahr mehr als ein Mal vorgekommen, sah man einfach darüber hinweg. Um es mal zusammenfassend zu sagen, Harry Potter war unterfordert. Er hatte keine Herausforderungen mehr zu bewältigen. Hatte nichts Spannendes mehr zu tun und das viel mehr als seine Behinderung, löste seine Depression aus.
Seit Hermine mit ihm im Haus lebte, hatte er mehr Appetit, lächelte häufiger und, was er vor ihr nie zugeben würde und immer bemängelte, er half im Haushalt und das gerne. Natürlich war es für ihn im Rollstuhl schwieriger, die oberen Schränke zu erreichen, wenn er Geschirr zum Tischdecken brauchte, aber wozu war er ein Zauberer? Hermine riss ihn aus seinen Gedanken. „Oh! Schau Harry, die Wohnung ist perfekt. Sie hat sogar einen Trainingsraum und eine Dachterrasse. Mit ein paar Zauberern könnte ich einen Wintergarten einrichten und…“ Ihr Gesicht, das einen Moment gestrahlt hatte, bei dem Gedanken bald in dieser Traumwohnung leben zu können, verdüsterte sich.
„Was ist?“ Hermine schüttelte nur enttäuscht den Kopf und schob ihm die Zeitung hin. Er schaute auf den Abschnitt, auf den ihr Zeigefinger deutete und erspähte das, was sie wohl so unglücklich gemacht hatte. Die Miete. „Und? Wo liegt das Problem?“ Hermine schaute ihn fassungslos an. „Bist du jetzt auch noch blind Harry? Wie soll ich mir das denn leisten? Ich hab keinen Job und kaum Erspartes. Jedenfalls nicht genug, um die Wohnung bezahlen zu können.“
Sie gab ein tiefes Seufzen von sich. „Vergisst du, dass ich auch mit einziehe? Und ich habe einen Job und auch ohne mehr als genug, um für die Wohnung aufzukommen.“ Hermine sah ihn entrüstet an. „Bist du verrückt? Ich könnte niemals auf deine Kosten leben. Es ist mir hier schon unangenehm, keine Miete zu zahlen, aber ich weiß, du bezahlst auch keine, aber…“
Harry verdrehte die Augen. „Ich bitte dich Hermine, ich weiß, du nutzt mich nicht aus und ich habe mehr als genug Geld. Von mir aus kannst du mir später, wenn du einen Job hast, deinen Teil zurückzahlen, okay?“ Hermine überlegte angestrengt. Langsam nickte sie. „Aber ich zahle es dir wirklich zurück, Harry, keine miesen Tricks!“ Harry grinste breit und nickte. „Was immer du sagst, Minchen.“
Mit einem Schlenker seines Zauberstabs säuberte Harry seine Tasse und räumte sie wieder in den Schrank. "Sag mal, hat Snape dir eigentlich schon geantwortet?" Hermine faltete die Zeitung zusammen und seufzte tief. "Nein! Ich hab das Ministerium gebeten, mir eine Kopie zu schicken, aber das kann noch einige Wochen, oder sogar Monate, dauern.
Vielleicht sollte ich Severus nochmal schreiben.“ Harry schüttelte den Kopf. „Er hat dir auf den letzten Brief nicht geantwortet, wieso sollte er dir auf einen anderen antworten?“ Hermine fuhr sich durch ihr langes Haar und seufzte wieder. „Ich schätze, ich werde Hogwarts einen Besuch abstatten. Es ist wahrscheinlich eh höflicher, Albus, Minerva und den anderen Lehrern einen Besuch abzustatten, oder?“
Harry ahnte, dass es Hermine wohl lieber gewesen wäre, er hätte ihr davon abgeraten, doch abgesehen davon, dass all ihre Sachen noch in Hogwarts waren, war es seiner Meinung nach wichtig, Snape wiederzusehen, damit sie endlich mit diesem Mistkerl abschließen konnte. „Haaarryyyyy, begleitest du mich?“ Harry schüttelte den Kopf. „Vergiss es, Hermine. Ich tue wirklich alles für dich, aber meine letzte Begegnung mit Snape war keine schöne.“
Hermine runzelte die Stirn und schaute ihn neugierig an. „Was ist passiert?“ Harry grinste schief und dachte an sein letztes Zusammentreffen mit seinem alten Tränkeprofessor zurück.
Er war unendlich wütend gewesen. Er hatte gerade erfahren, was Snape Hermine angetan hatte und war so schnell er konnte in die Kerker gerollte. Wie ein Verrückter hatte er gegen die Tür zu Snapes Räumen geklopft, den Zauberstab bereits griffbereit. Als Snape die Tür öffnete, ignorierte Harry die tiefen Ringe unter seinen geröteten Augen, den Bart, den er wohl tagelang nicht mehr gestutzt hatte, das Haar, das schon immer fettig gewirkt hatte und nun in langen strähnigen Zotteln sein Gesicht herunterhing und begann wie wild auf ihn einzubrüllen.
Snape hatte keine Reaktion gezeigt. Seine Augen waren kalt und bar jeder Emotion. Er hatte sich Harrys Geschrei gefallen gelassen, den wütenden Zauberer mehr oder weniger ignoriert. Harry, der keine Befriedigung darin gefunden hatte, Snape anzuschreien, ohne das dieser sich in irgendeiner Form verteidigt hatte, hatte schließlich mit all seiner zur Verfügung stehenden Kraft ausgeholt und seine Faust und Snapes Magen gerammt.
Überrumpelt von dieser Tat hatte Snape sich gekrümmt und Harry hatte ihn mit einem weiteren Faustschlag ins Gesicht zu Boden geschickt. Harry war in diesem Moment unendlich zufrieden mit sich gewesen. Nicht nur hatte er trotz seiner Behinderung Snape bewusstlos geschlagen, er hatte sich auch selbst Luft gemacht und diesem schmierigen Idioten die Meinung gegeigt.
Erst später war ihm bewusst geworden, dass Snape ihn wahrscheinlich gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Wenn doch, wäre er schon mit seinem Gebrüll nicht weit gekommen.
Er erzählte Hermine in kurzen Zügen von dieser Begegnung und Hermine seufzte. Das tat sie häufig in der letzten Zeit. „Harry, bitte komm einfach mit, ja? Du musst Severus nicht gegenüber treten, nur zu wissen, dass du in meiner Nähe bist, würde mir ungemein helfen.“
XXXXX
Natürlich ging Harry mit ihr. Bereits zwei Tage später apperierten sie an die Apperiergrenze Hogwarts und gingen gemeinsam hoch zum Schloss. Harry war dankbar, dass Hermine ihm wortlos half, die steinigeren Wege zum Schloss hinauf zu überwinden. Es ließ ihn nicht ganz so hilflos wirken.
Als sie das Schloss betraten, versuchten sie die Blicke der umherlaufenden Schüler zu ignorieren und so schnell wie möglich zum Büro des Schulleiters zu gelangen. Am Wasserspeier angekommen, sagten sie das Passwort, dass Dumbledore ihnen in seinem Antwortbrief mitgeteilt hatte und ließen sich von der Wendeltreppe hinauftragen. Harry war unglaublich erleichtert gewesen, dass Hogwarts ihm keine Probleme bereitete, sich fortzubewegen.
Die Treppen waren breiter geworden und hatten ihn nach oben getragen. Hermine hatte ihm zwar versichert, dass in der Geschichte Hogwarts stehen würde, das Schloss würde sich allen Situationen anpassen, doch er hatte sich dennoch davor gefürchtet, dass er Hermine würde um Hilfe bitten müssen. Er wusste, sie hatte keine Probleme dabei, ihm zu helfen, doch es war schlimm genug gewesen, dass er ohne sie in eine mehrmonatige Depression gefallen war, er wollte nicht abhängig von Hermine sein.
Oben angekommen, klopften sie an die Tür. Die Tür öffnete sich und gab Dumbledore frei, der lächelnd an seinem Schreibtisch saß, die Hände aneinander gelegt.
„Harry, Hermine, wie schön euch zu sehen. Setzt euch doch.“ Sie nahmen auf den Sesseln vor dem großen Schreibtisch Platz und nahmen dankend eines der Zitronendrops an. „Also, was verschafft mir euren erfreulichen Besuch?“ Hermine lächelte. „Weißt du, Albus, während meiner Abwesenheit hat das Ministerium die Eule mit meinen Prüfungsergebnissen hier her geschickt, wahrscheinlich an Severus. Damit ich mich irgendwo bewerben kann, brauche ich mein Zeugnis und da Severus mir auf meinen Brief nicht geantwortet hat, dachte ich, ich schau mal vorbei.“
Albus lächeln wurde einen Hauch trauriger. „Ja, deine Abwesenheit...Severus schien sehr betroffen davon zu sein, meine Liebe.“ Das bezweifle ich, dachte Hermine. „Darf ich fragen, wo du all die Monate gewesen bist? Wir alle haben uns sehr gesorgt.“ Hermine grinste entschuldigend. „Nennen wir es einen nervlichen Zusammenbruch mit ungewöhnlichen Ausmaßen.“
Dumbledore runzelte nachdenklich die Stirn, ließ es allerdings auf sich beruhen. „Nun, ich hoffe du ermöglichst mir bei Gelegenheit, genaueres über deine Situation zu erfahren. Und nun geh und erledige, was du zu erledigen hast. Harry und ich haben sicherlich einiges an Gesprächen nachzuholen.“ Hermine nickte lächelnd, stand auf und lief zur Tür.
„Aber Hermine, bitte versuch vorsichtig zu sein mit Severus. Er ist in letzter Zeit…sagen wir, anders, als du es vielleicht gewohnt bist. Versuch nicht ganz so überrascht zu sein, er ist etwas reizbar.“ Obwohl sowohl Hermine als auch Harry bereits den Mund für eine Erwiderung geöffnet hatten, verkniffen sich beide eine Bemerkung bei Dumbledores Blick.
Hermine lief langsam die Treppe hinunter, die Flure entlang und hinab in die Kerker. Ihr Bauch kribbelte wie verrückt. Doch es war kein schönes Kribbeln. Es war ein schmerzhaftes Kribbeln. Unangenehm und übelkeitserregend. Vor Severus Tür blieb sie stehen, hob die Hand und klopfte. Es verging eine Weile, Hermine hob gerade die Hand, um erneut zu klopfen, als er die Tür aufriss.
Hermine schluckte. Das war ein Anblick, den hatte sie nicht erwartet. Severus sah…beschissen aus. Seine Haare, die sie als seidig und weich in Erinnerung hatte, waren strohig und kaputt. Er war dünner geworden und wirkte viel älter, als ein Jahr zuvor. Er hatte tiefe Augenringe, zu seiner Erscheinung fehlte nur noch ein stoppliger Drei-Tage-Bart.
Hermine wehte der Geruch von Feuerwhiskey entgegen, ein Geruch, der ihr, die sie so gut wie keinen Alkohol trank, als besonders stark und besonders unangenehm auffiel. Sie war so überrascht von seinem Erscheinungsbild, dass sie zunächst nichts anders tat, als ihn anzustarren. „Her…mine.“ Rau und bröcklig klang seine Stimme und lenkte Hermines Blick von seinen knittrigen, jedoch sauberen Kleidern wieder auf sein Gesicht.
„Severus. Kann ich einen Moment herein kommen?“ Er nickte langsam und trat zur Seite. Hermine betrat seine Wohnung und nahm erschrocken die Unordnung wahr. Papiere, Bücher, Kleider, Flaschen…alles lag verstreut auf dem Boden und den Möbeln herum. Noch nie hatte sie einen Raum in Hogwarts gesehen, der so chaotisch und schmutzig gewesen war. Nicht mal der Schlafsaal der Jungen in Gryffindor war jemals so unordentlich gewesen. Natürlich größtenteils dank der Hauselfen.
Hermine lief bis zu dem kleinen Tisch im Wohnzimmer und setzte sich auf einen der Stühle. Severus runzelte die Stirn und kam ihr entgegen. „Was?“ Hermine, die Severus selbst im betrunkenen Zustand als eloquent kannte, blinzelte überrascht. Sie fasste sich nach einem Moment wieder und versuchte ihn neutral anzusehen. „Ich habe nur zwei Dinge hier zu erledigen, Severus. Die erste Sache, die ich gerne wissen möchte, ist, ob irgendwelche Briefe für mich hier angekommen sind.“
Sie schaute in aufmerksam an, als er nicht reagierte und darauf zu warten schien, dass sie fortfuhr, tat sie genau das. „Und zweitens will ich nur wissen, ob meine Sachen noch hier sind?!“ Da sie weiter nichts zu sagen hatte, wartete sie darauf, dass er das Wort ergriff. Es verging ein langer Moment, indem keiner von beiden etwas sagte. Erst nach einiger Zeit fixierte Severus sie mit seinem Blick. Hermine sah ein Funkeln in seinen Augen, dass sie ihm in seinem erbärmlichen Zustand nicht mehr zugetraut hätte. „Wo warst du?“
Seine Stimme klang noch immer unbenutzt, doch die Schärfe war deutlich heraus zu hören. Hermine blinzelte verwirrt. „Entschuldige Severus, aber das ist definitiv nicht deine Sache. Wärst du jetzt so zuvorkommend und würdest mir meine Fragen beantworten?“ Severus rührte sich nicht. Ohne eine Mine zu verziehen, fragte er: „Tee?“ Wieder blinzelte Hermine. Was war denn mit Severus los. Er hatte sie auf fieseste Art und Weise abserviert.
Nicht nur, dass er sie betrogen hatte, er hatte sie unglaublich verletzt. „So nett Tee unter den gegebenen Umständen auch klingt, ich muss leider ablehnen und dich nochmal bitten, mir meine Fragen zu beantworten.“ Ihr ganzer Körper war angespannt. Nur zu gerne wäre sie seinen Gefühlen auf den Grund gegangen, doch anders als viele Monate zuvor hatte sie dazu nicht mehr das Recht. Es war seine Privatsphäre und jedes Problem was sich zwischen ihnen entwickelte, mussten sie magielos lösen.
Severus nickte und schwankte dann zu seinem Schreibtisch. Der Schreibtisch war einer der wenigen Orte, die beinahe ordentlich waren. Er öffnete eine der Schubladen und zog einen Packen Briefe daraus hervor. Hermine war nicht überrascht, dass die Briefe alle verschlossen waren, sondern vielmehr, dass er sie nicht einfach weggeworfen hatte.
Bevor er zurück kam, nahm er einen großzügigen Schluck von einer der Flaschen, die überall in der Wohnung herum standen. Hätte Hermine es nicht besser gewusst, sie hätte geglaubt, das alles wäre ein dummer Scherz oder ein Traum. Das war doch nicht Severus. Ja, er hatte immer die Neigung gehabt, ab und an nach der Flasche zu greifen, wenn er unter Stress stand und ja, mehr als einmal hatte er es übertrieben und sich eine Standpauke über seinen Alkoholkonsum von Hermine anhören dürfen, aber das hier…
Gegen ihr besseres Wissen ließ sie die Flasche mit einer Wink in ihre ausgestreckte Hand gleiten, bevor er einen weiteren Schluck nehmen konnte. Severus funkelte sie wütend an, doch Hermine ignorierte ihn. Einige weitere Bewegungen öffneten die Tür zum Labor und ließen einige Phiolen zu ihr schweben. „Hermine...Miss Granger, ich verbiete Ihnen…Ihnen, sich an mein... meinen...“ Hermine schüttelte betrübt den Kopf. Das erklärte natürlich, wieso er vorher kaum einen ganzen Satz gesprochen hatte.
Sie lief auf ihn zu und stemmte ihre Hände in die Hüften. „Glaub mir Severus, ich will nichts lieber, als meine Sachen zu nehmen und sofort von hier zu verschwinden, aber leider bemitleide ich dich in deinem jetzigen Zustand zu sehr, um dich hier alleine zu lassen. Trink das und wage es nicht, dich zu weigern, denn glaub mir, vielleicht haben wir nie herausgefunden, wer von uns stärker ist, aber in deiner momentanen Verfassung bist du kein Gegner für mich!“ Sie hielt ihm die Phiolen entgegen, keine davon enthielt einen Ausnüchterungstrank, und zerrte ihn dann in Richtung seines Schlafzimmers.
So sehr sie es verabscheute, sich mehr hier aufzuhalten, als sie musste, ihr Mitgefühl und ihre Anteilnahme verboten es ihr, ihn weiter vor sich hin vegetieren zu lassen. Severus schluckte tatsächlich die Tränke und funkelte sie wütend an, als er bemerkte, was sie ihm gegeben hatte. Einen Schlaftrank. Hermine schüttelte missbilligend den Kopf. Wenn er nicht mal mehr erkannte, welche Tränke er vor sich hatte, stand es wirklich schlecht um ihn. Sie verfrachtete den nun vor Müdigkeit wankenden Mann in sein Bett und warf lieblos ein Laken über ihn.
Ein letzter Blick und sie verließ das Schlafzimmer wieder. Im Wohnzimmer sah sie sich einmal prüfend um, legte einen Schweigezauber um Severus Räume und rief dann: „Dobby! Winky!“ Einige Sekunden vergingen bis die beiden Elfen zweifelnd vor ihr standen und sich ängstlich im Raum umsahen.
Dobby sah Hermine scheu an. „Hermine Granger! Dobby ist so froh Harry Potters Freundin wiederzusehen. Aber Dobby muss Hermine Granger sagen, Dobby, Winky du alle Hauselfen aus Hogwarts sind nicht gestattet, Räume vom Professor zu betreten.“ Winky nickte bekräftigend. „Dobby, Winky, ich weiß, ich bin keine Schülerin mehr hier und ich bewohne das Schloss auch sonst nicht mehr, aber ich habe eine Bitte an euch. Räumt hier auf. Lüftet, verbrennt, sorgt dafür, dass diese Räume wieder bewohnbar werden.“
Die Hauselfen sahen sie zweifelnd und ängstlich an. „Ich weiß, Severus hat euch sicherlich nicht allzu freundlich behandelt, aber ich bin mir sicher, Professor Dumbledore würde mich vollends unterstützen, wenn ich euch um ein paar Dinge bitte.“ Sie wartete auf die Reaktion der Hauselfen und als diese vorsichtig nickten, fuhr Hermine fort. „Erstens, die Bar in diesen Räumen wird nicht mehr nachgefüllt! Severus erhält keinen Tropfen Alkohol mehr aus dem Vorrat der Schule. Ihr besorgt ihm nichts. Solltet ihr bei ihm Alkohol finden, lasst ihn verschwinden. Zweitens, diese Räume werden wieder regelmäßig geputzt. Macht es möglichst dann, wenn Severus nicht da ist. Ich will nicht, dass er seine Wut an euch auslässt.
Ich denke, das ist alle…oh! Sollte Severus zu den Mahlzeiten nicht die große Halle besuchen und sollte er verlangen, dass ihr ihm Essen in seine Räume bringt, dann ausschließlich Obst und Gemüse. Wenn er ordentliches Essen will, soll er wie alle anderen in der großen Halle essen. Das gilt natürlich nicht, wenn er nachweislich krank ist.“ Obwohl dieser Mistkerl sowieso nie krank wird. Die Hauselfen nickten und obwohl Hermine sah, wie sehr sie sich dagegen zu sträuben schienen, sich mit ihr gegen Severus zu verbünden, glaubte sie Erleichterung in ihren großen Augen zu erkennen. Erleichterung darüber, dass endlich jemand etwas tat.
„Oh und eins noch, wenn Severus das nächste Mal seine Räume verlässt, könnte einer von euch sich darum kümmern, meine Sachen zusammen zu packen und zum Grimmauld Platz Nummer 12 zu schicken? Ich weiß, ich verlange viel, aber…“ Dobbys Augen weiteten sich noch mehr. „Hermine Granger geht weg? Dobby dachte, Hermine und Severus Snape wohnen wieder zusammen.“ Hermine schaute traurig den kleinen Elfen an. „Nein Dobby, deshalb müsst ihr ja jetzt auf Severus aufpassen, okay? Wenn er Schwierigkeiten macht, geht zu Professor Dumbledore, er steht hinter euch, okay?“ Die Elfen nickten.
Bevor Hermine die Räume verließ, schaute sie nochmal grinsend zu Dobby zurück. „Übrigens habe ich Harry mitgebracht Dobby!“ Der Elf quietschte und ploppte davon. Hermine kicherte leise und schloss die Tür hinter sich, um Winky in Ruhe aufräumen zu lassen.
XXXXX
TBC
So, mehr passiert erst mal nicht! Ich weiß, viele von euch haben gehofft, dass Severus erklärt, wieso er gehandelt hat, wie er gehandelt hat, aber ihr wisst ja, wie er ist. Er braucht halt eine Weile, bis er seinen Gefühlen Ausdruck verleihen kann. Bleibt geduldig...
Ich bin sicher, er wird uns alle bald erleuchten.
Lg
Ach ja, ein paar reviews wären cool
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