25.09.76
Vielleicht sollte ich mal ein bisschen was von meiner Familie erzählen.Vielleicht ist es dann leichter, mich zu verstehen.
Ich hab es bereits erwähnt, meine Familie bildet sich etwas darauf ein, dass sie seit Generationen fast ausnahmslos aus Gryffindors besteht. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie in allen reinblütigen Familien. Ausnahmen wie meine Schwester Savannah. Eine Slytherin. Wie es dazu kam? Im Nachhinein ist das schwer zu rekonztruieren. Wahrscheinlich war es die Anhäufung von Kleinigkeiten. Kleinigkeiten wie der Tatsache, dass meine Eltern mich schon immer bevorzugt haben. Ich war die Erstgeborene, die, die später einmal einen Großteil erben würde. Wahrscheinlich taten sie es nicht einmal mit böser Absicht, wahrscheinlich wollten sie wieder einmal nur das Beste für uns, für die Familie. Die Wahrheit ist, dass sie damit alles kaputt gemacht haben. Als elfjährige bist du noch nicht in der Lage zu entscheiden, auf welcher Seite du stehen willst.
Als ich damals die Große Halle betrat, war ich voller Stolz, ich wollte unbedingt die Tradition meiner Eltern fortführen. Ich wurde eine Gryffindor. Weil ich es mir wünschte, weil man mit immer wieder gesagt hatte, dass das der einzig richtige Weg ist. Natürlich hätten meine Eltern nichts gesagt, wenn ich nach Ravenclaw oder Hufflepuff gekommen wäre, das hätten sie akzeptieren können. Akzeptieren, aber nicht gutheißen. Und ich wollte doch so sehr, dass sie stolz auf mich waren.
Dieselben Gründe waren es wahrscheinlich, die Savannah zu einer Slytherin machten. Sie hatte es satt, immer in meinem Schatten zu stehen. Sie tat, was niemand erwartet hatte. Vorher war Savannah immer nur die Hübsche gewesen, auf einmal war sie eine Verräterin, eine, die vom rechten Weg abgekommen war. Es dauerte, bis ich den Schock überwunden hatte, ich konnte nicht glauben, wie meine Eltern über sie redeten. Wie oft wäre ich gerne einfach weggerannt. Aber ich blieb sitzen, schwieg und ließ sie reden. Ich entfernte mich von meinen Eltern ohne dass sie es merkten. Dass sie mich jetzt mehr denn je verwöhnten machte es nicht einfacher. Sie waren nett zu mir, sehr nett. Und ich wusste doch, dass es nichts mit mir zutun hatte, es war Savannahs Strafe. Sie führten ihr vor Augen, was sie an jenem Tag, an dem sie unsere Familie verraten hatte, verloren hat.
Vielleicht fragst du dich, warum ich das alles auf einmal erzähle. Heute morgen kam ein Brief von meiner Mutter. Sie haben meinen Vater gestern morgen tot in seinem Büro gefunden. Er lag einfach nur da. Keine Verletzungen, nichts. Als hätte sein Herz plötzlich aufgehört zu schlagen.
Ich weiß nicht, ob meine Mutter wirklich daran glaubt, dass er friedlich gestorben ist. Ich denke, auch sie ahnt, was wirklich passiert ist. Mein Vater blieb oft noch bis spät abends in seinem Büro bei Gringotts. Wir alle haben uns mit der Zeit daran gewöhnt. Wir würden uns nichts dabei denken, wenn er erst nach Mitternacht nach Hause kam. Oder gar nicht.
Es gab niemanden, der ihn vermisste. Gringotts ist zwar auch in der Nacht bewacht, aber Wachen sind nicht unüberwindbar. Ich glaube, dass er ermordet wurde.
Natürlich traut niemand sich, es auszusprechen. Sie haben alle Angst. Namenlose Angst, weil niemand weiß, was wirklich passiert. Offizielle Stellungnahmen gibt es nicht, nur geflüsterte Gerüchte. Es macht alles nur noch schlimmer.
Alle ahnen wir, dass der Krieg längst begonnen hat, ein Krieg ohne klare Grenzen. Wer ist Feind und wer Freund? Ich weiß es nicht mehr. Alle werden wir uns entscheiden müssen, auf welcher Seite wir stehen, sonst entscheiden andere für uns. Falls diese Entscheidung nicht schon längst gefallen ist.
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