5.09.76
Der Himmel war immer noch regenverhangen, als ich mich an diesem Morgen aus meinem wunderbar weichen und warmen Bett quälte. Sollte noch mal jemand was von goldenem Herbst sagen, dass einzig rot goldene war die Ausstatung unseres Schlafsaals, was weniger an uns als an der vorgegebenen Einrichtung lag. Aber gut, das war nichts neues, das kannte ich zur Genüge von Zuhause. Leise seufzend schlug ich die rotgoldene Decke zurück und machte mich auf den Weg in Richtung Bad.
Eine geschlagene Stunde später waren wir dann alle vier in der äußerlichen Verfassung, uns runter in die Große Halle zu begeben und endlich zu frühstücken. Das heißt, Sam zupfte immer noch an ihren Haaren herum und beschwerte sich darüber, dass sie wieder viel zu wenig Zeit im Bad gehabt hätte und jetzt aussähe wie sonstwas, aber bestimmt nicht hübsch wäre. Zuerst versuchten Lily und Kitty sie ja noch vom Gegenteil zu überzeugen(was angesichts des Haargewuschels immer wahrheitswidriger war), aber nach dem gefühlten hundertsten Seufzer gaben dann auch sie auf. Leider war auch sonst niemand in der Nähe, von dem Sam sich vom Gegenteil hätte überzeugen lassen, sodass wir uns auch beim Frühstück weiter ihr Gejammer anhören durften. Hach ja, was wäre ein Frühstück ohne Sams (nicht vorhandene) Schönheitsprobleme. Aber zum Glück ging auch das vorbei, besser gesagt, der Unterricht begann und Sam musste notgedrungen die Klappe halten. Verwandlung bei der McGonagall war so anstrengend und anspruchsvoll wie immer, ich konnte froh sein, wenn ich in diesem Jahr ein Annehmbar bekam, denn ganz ehrlich, Verwandlung war überhaupt nicht mein Ding, auch wenn meine Eltern das großzügig übersahen und kein Wort darüber verloren, dass Savannah in diesem Jahr wahrscheinlich ihr drittes Ohnegleichen in Verwandlung abstauben würde.
Ich war nicht eifersüchtig auf ihre Leistungen, auch wenn meine eigenen besser sein könnten(was zum Wesentlichen daran lag, dass meine mündliche Beteiligung im Unterricht unter aller Kanone war. Und das nicht nur, weil ich nun mal schüchtern war, sondern auch wegen gewisser Idioten, die eine Reihe vor mir saßen und die ganze Zeit Blödsinn machten, seltsamer Weise aber trotzdem im Unterricht mitkamen...), aber ich war mir auch bewusst, dass mein unverdientes Lob nicht gerade dazu beitrug, die Lage zu entspannen.
Erst der erlösende Glockenschlag riss mich wieder aus meinen Gedanken. Verdammt, wenn ich so weiter pennte, konnte ich das Annehmbar gleich vergessen.
„Auf dem Weg zu Zauberkunst könnten wir doch nochmal kurz beim Gemeindschaftsraum vorbeigehen, ich brauch dringend einen Spiegel“, machte Sam gleich da weiter, wo sie vor Verwandlung aufgehört hatte. Doch noch bevor eine von uns gezwungen war, darauf zu reagieren, wurden wir erlöst.
„Hübsche Frisur, Stroud“, grinste Sirius Black, als er Sam beim Versuch, das Klassenzimmer zu verlassen fast umgerannt hätte(Glaubt hier irgendjemand an Zufall? Ich jedenfalls nicht). Sam warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu, doch sobald dir Rumtreiber außer Sichtweite waren(also nicht sehr weit, angesichts der Tatsache, dass der Korridor fast sofort einen scharfen Knick nach rechts machte), schien sie förmlich um ein paar Zentimeter zu wachsen und das kurze zufriedene Lächeln sagte eigentlich alles. Lily rollte mit den Augen, Kitty grinste mich an und Sam merkte sowieso nichts mehr. Immerhin würde sie uns jetzt erst mal mit ihrem Schönheitsgelawer verschonen, auch wenn es äußerst zweifelhaft war, ob eine seltsam glücklich schwebende Sam angenehmer war. Vor allem, wenn der Grund für dieses Schweben Sirius Black hieß...
Bis zum Mittagessen blieb alles normal (sogar Sam neutralisierte sich wieder). Die Lehrer kamen und gingen besser gesagt wir wechselten Lehrer und Klassenraum, man deckte uns gleich ausreichend mit Hausaufgaben ein, alles war so, wie es sein sollte(gut gegen weniger Hausaufgaben hätte ich natürlich auch nichts). Doch dann geschah das Unvermeidbare. Wir begneten einem der wenigen Menschen, denen ich in Hogwarts nicht begegnen möchte. Savannah. Es gab mir einen schmerzhaften Stich in die Rippen, als sie ohne mich zu beachten einfach weiter ging. Da war nichts. Als würde sie mich überhaupt nicht kennen. Und trotzdem, besser das, als Verachtung und höhnische Bemerkungen. Mehr konnte ich wahrscheinlich nicht verlangen. Es war einfacher so. Ich wusste es ja selber. Wie oft hatte ich selbst meinen Schmerz hinter einfacher Ignoranz versteckt? Hinter Kälte und Schweigen? Viel zu oft. Was mir Angst machte, war die Tatsache, dass Savannah genauso reagierte. Und das, obwohl sie sonst offen und direkt war. Manchmal vielleicht sogar etwas zu direkt. Vielleicht war auch das eben keine Maske gewesen.
Ich sollte aufhören, mir so viele Gedanken zu machen, das macht es auch nicht besser. Nur deprimierender. Wie einfach wäre es, wenn sich die Welt wirklich in Gut und Böse teilen ließe. Schwarz und Weiß. Gryffindors und Slytherins. Leider ist es nicht so. Aber was würde ich tun, wenn ich wüsste, das meine Schwester unwideruflich auf der anderen Seite steht? Wäre es dann einfacher? Loszulassen, zu vergessen und zu kämpfen. Egal was mal war. Ich wünschte, ich könnte das, einfach vergessen. Es würde mir eine Menge Schmerzen und Alpträume ersparen.
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