von MIR
*
Mrs. Atroc sah ihre Schüler durchdringend an. „Ich dulde in dieser Schule keine Regelüberschreitungen!“
Die Schüler schwiegen betroffen.
Sie fixierte Gordon Grant: „Auch wenn man neu hier ist, hat man keine Sonderrechte! Ist das klar?“
Gordon, der heute seinen ersten Tag in dieser Schule hatte, schluckte schwer. Natürlich hatte er sich nicht absichtlich verlaufen.
Er hatte ein dringendes Bedürfnis gehabt und war aus Versehen in der Lehrertoilette gelandet. Dass er diese benutzt hatte, war ein Sakrileg, von dem auch Mrs. Atroc erfuhr.
„Ich warte auf eine Antwort, Gordon!“
„Ja“, kam es leise.
„Ja? Was ist denn das für eine Antwort? Ich möchte eine Entschuldigung!“, giftete die Lehrerin zurück.
„Entschuldigung“, sagte Gordon brav.
„Mein Name ist Mrs. Atroc und ich höre gerne ganze Sätze!“
„Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich verirrt habe, Mrs. Atroc“, erwiderte Gordon verzweifelt.
„Schon besser. Damit du in Zukunft die richtigen Toiletten findest, wirst du eine Woche lang der Putzfrau nach der Schule beim Reinigen helfen. Außerdem bekommst du eine Verwarnung!“
„Ich finde das total ungerecht!“, platzte Harry heraus, „Er hat es doch gar nicht absichtlich gemacht!“
Mrs. Atrocs Miene versteinerte.
„Seit wann hast du hier zu bestimmen, was gerecht und ungerecht ist, Harry Potter?!“, ertönte ihre kalte Stimme, „Noch ein Wort und die dritte Verwarnung ist unterwegs! Möchtest du das?“
„Nein, aber Gordon soll auch keine kriegen!“
„Na gut, da Verwarnungen deine Frechheit anscheinend nicht beeinträchtigen, versuchen wir es anders: Du wirst Gordon bei den Toiletten helfen.“
Dudley, Malcolm & Co. feixten.
Was als Strafe gedacht war, stellte sich für Harry als positiv heraus. Zunächst.
Beim gemeinsamen Arbeiten lernten die beiden sich näher kennen. Gordon war noch immer verzweifelt, dass sein erster Tag gleich so schief gelaufen war. Aber er war Harry sehr dankbar, dass dieser sich für ihn eingesetzt hatte.
Allzu viel war in den Toilettenräumen für die beiden ohnehin nicht zu tun. Die Putzfrau schüttelte den Kopf über die Idee der Direktorin und ließ die beiden Klopapierrollen verteilen und Papierhandtücher auffüllen. Danach konnten sie gehen. Das eigentliche Putzen besorgte sie lieber selbst.
Harry und Gordon verstanden sich gut und freundeten sich an.
Doch schon nach wenigen Tagen wurde die Freundschaft auf eine Probe gestellt.
Der Viererbande gefiel es gar nicht, dass Harry jetzt wieder jemanden an seiner Seite hatte. Zu gut erinnerten sie sich noch an Jonny. Zusammen waren die beiden fast unangreifbar gewesen.
Sie fingen Harry und Gordon nach der Schule ab, nachdem die beiden mit ihrem Strafauftrag fertig waren.
Zu viert umzingelten sie Gordon, während Harry nicht beachtet wurde. Dieser war bereit, seinen Freund zu beschützen, doch das war gar nicht nötig.
Ganz freundlich begann Malcolm: „Du hast es vielleicht noch nicht gemerkt, Gordon, aber es gibt hier Leute, mit denen man besser nicht befreundet ist. Es schadet dem Ansehen, wenn man sich mit Leuten abgibt, von denen sich alle fernhalten. Auch Mrs. Atroc hält Harry für keinen guten Umgang. Wir könnten dir behilflich sein, in beliebtere Kreise aufzusteigen.“
„Du könntest mit uns befreundet sein. Uns mag hier jeder“, setzte Dudley hinzu.
Harry fragte sich im Stillen, ob Dudley wohl selbst glaubte, was er da sagte. Aber er war zu geschockt, um es lustig zu finden.
Gordon schien zumindest von der Argumentation beeindruckt zu sein. Er überlegte. Sicher, Harry war nett zu ihm gewesen, aber sich deshalb auf Dauer den Schikanen von Schülern und Lehrern aussetzen zu müssen, war nicht gerade verlockend.
„Ich weiß nicht...“, antwortete er zögernd.
Malcolm witterte eine gute Chance und streckte ihm die Hand entgegen: „Schlag ein und du bist einer von uns!“
Dudley, Piers und Dennis nickten.
Noch immer zögerte Gordon. Doch Malcolm nahm ihm die Entscheidung ab. Er griff nach Gordons Hand und schüttelte sie.
„Jetzt gehörst du zu uns“, stellte er fest.
Auch die anderen drei begrüßten ihn mit Handschlag und Schulterklopfen.
„Ab jetzt sind wir eine Fünferbande“, sagte Piers.
„Die fünf Freunde“, ergänzte Dudley.
„Wohl eher nicht, Dud! Oder willst du der Hund sein?“, grinste Malcolm.
„Nein, er will ein Mädchen sein“, kicherte Piers.
Wütend trat Dudley nach ihm.
„Ey, man, war doch nur Spaß!“, rief Piers, „Hab dich nicht so. Wir sollten lieber unser neues Mitglied feiern.“
Gemeinsam zogen die fünf ab, ohne Harry auch nur im Geringsten zu beachten.
Wie versteinert blieb dieser auf der Stelle stehen. Er hatte keinen Versuch unternommen, Gordon umzustimmen. Trotzdem konnte er kaum fassen, was gerade geschehen war. Irgendwie hatte er gehofft, es würde mit seinem neuen Freund genauso sein, wie mit Jonny.
Aber so war es für Gordon natürlich einfacher.
Traurig machte er sich auf den Heimweg. Er war wohl einfach nicht dazu bestimmt, Freunde zu haben.
***
In Hogwarts ging alles seinen gewohnten Gang.
Die Erstklässler waren auf die Häuser verteilt worden und hatten sich eingelebt.
Professor Snape ärgerte sich wie immer über Unkenntnis und mangelnde Begabung der Neuanfänger.
Eine besondere Enttäuschung waren in diesem Jahr seine Slytherins. Kein einziges Ausnahmetalent war darunter und dieser Flint war einfach nur eine Katastrophe.
Die Ravenclaws hatten wie immer wenigstens ein paar Lichtblicke zu bieten: Clearwater und Adams schienen ganz passabel zu sein.
Von Hufflepuff erwartete er ohnehin nichts Gutes und Gryffindor.... Er hasste dieses Haus!
Wobei er zugeben musste, dass der dritte Sohn, den die Familie Weasley geliefert hatte, etwas aus der Art schlug. Peinlich genau und akkurat bereitete er seine Tränke zu, die meistens gelangen. Allerdings fehlte ihm das Quäntchen Phantasie, das man brauchte, um ein wirklich guter Trankbrauer zu werden.
In seinen UTZ-Kursen der sechsten Klasse hatte er zum erstenmal eine Hufflepuff sitzen. Ausgerechnet dieser tollpatschige Metamorphmagus! Irgendwie hatte sie den erforderlichen Ohnegleichen-ZAG geschafft. Trotzdem waren wahrscheinlich neue Katastrophen zu erwarten. Wenigstens war er den ältesten Weasley los.
Zufrieden war er nur mit den Siebtklässlern: Der erste Jahrgang, der alle sieben Jahre fundierten Unterricht bei ihm gehabt hatte. Ein bisschen stolz war er schon, dass sich hier ein paar Talente herauskristallisiert hatten.
Jetzt war er am Wasserspeier angekommen und sagte das Passwort. Egal, was Dumbledore von ihm wollte, er hoffte, dass es nicht wieder mit dem Potter-Nachkömmling und Lilys Schwester zusammenhing.
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