von MIR
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Natürlich hatte Marge für Dudley noch ein weiteres Geschenk bereit. Er bekam einen elektronischen Stafford-Terrier, der auf Knopfdruck bellen, knurren oder jaulen konnte. Marge erzählte empört, dass es kein entsprechendes Pitbull-Exemplar gegeben hatte und sie schon sehr lange hatte suchen müssen, um überhaupt eine vernünftige Rasse zu bekommen.
Vor der Weihnachtsansprache der Queen im Fernsehen gab es erst mal einen kleinen Willkommensimbiss.
„Diese Häppchen sind ganz allerliebst, meine liebe Petunia. Zumindest sehen sie künstlerisch aus. Naja, Vernon und ich sind natürlich schon ein wenig sättigendere Kost gewohnt. Aber natürlich ist es zuviel verlangt, bei zwei kleinen Kindern ein ansprechendes, ausreichendes Weihnachtsmittagessen zuzubereiten.", kommentierte Marge das Essen.
„Der Truthahn ist bereits im Backofen, aber ich dachte...", begann Petunia.
„Natürlich meine Liebe. Ich bin ja nicht blind. Vernon und ich sind es nur nicht gewohnt, vor dem Festmahl erstmal ausgehungert zu werden. Schließlich sind Feiertage." Marge musterte Petunia und Harry abschätzig. „Nun, in eurer Familie scheint man ein wenig knauseriger zu sein. Das müssen wir wohl akzeptieren."
Marge begann Harry genauer in Augenschein zu nehmen. „Sag mal Vernon, ich habe immer noch nicht verstanden, warum ihr diesen nervigen Quälgeist überhaupt aufgenommen habt?!"
Vernon zuckte die Achseln. „Frag meine Frau! Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, was da in sie gefahren ist. Seit der Bursche hier ist, macht er nur Scherereien. Aber Petunia benimmt sich, als hätten wir quasi die Pflicht, ihn zu beherbergen. Manchmal führt sie sich fast auf, als wäre sie seine Mutter!"
„Wie schrecklich für den armen Duddy!!!", entgegnete seine Schwester, "Leidet er sehr darunter? Eigentlich müsste doch Petunia klar sein, dass ihre Pflichten zuerst ihrem eigenen Kind gelten! Unvorstellbar!
Wenn es wenigstens ein ansprechendes Kind wäre! Aber dieses rattige Knochengerippe ist doch nur widerlich! Und dann hat es auch noch so eine hässliche Narbe im Gesicht!"
Vernon pflichtete ihr bei: „Er war schon so entstellt, als er zu uns kam, das hat er seinen verantwortungslosen Eltern zu verdanken. Nun gut, was sollten wir machen..."
Petunia kaute mit hochrotem Gesicht ihre Häppchen und beobachtete die Kinder beim „Spielen": Dudley hatte den Hund in die Ecke gepfeffert und schlug gerade mit der Pistole auf Harrys Kopf, weil dieser sich eines der 17 Autos geschnappt hatte. Harry ergriff die Flucht, merkte aber zu spät, dass er genau auf Brutus zurannte, der ihn wütend anknurrte. Der Pitbull versuchte erneut zuzuschnappen, doch Harry konnte gerade noch ausweichen. „Aus!", rief Marge und zu Harry gewandt, „Und du lässt gefälligst meine Hunde in Ruhe, du verzogenes Stück Dreck!"
Dann schaute sie vorwurfsvoll zu Vernon und Petunia: „Ich verstehe nicht, wie ihr zulassen könnt, dass er Duddylein die Spielsachen wegnimmt! Vernon, du solltest ihm mal Manieren beibringen."
Vernon erhob sich zornig. In Petunia tobte ein innerer Kampf. Sie war wütend auf Marge und wäre Vernon gerne zuvorgekommen, um Harry milder zu bestrafen, doch dann hätte sie es mit ihrer Schwägerin endgültig verdorben. So wandte sie sich ab.
Dudley klatschte begeistert in die Hände, als Vernon Harry erwischte. Vernon setzte zum ersten Schlag an, als plötzlich das Telefon, die Haustürglocke und die Eieruhr gleichzeitig klingelten. Überrascht ließ er seinen Neffen los und Harry flüchtete in den Schrank. Merkwürdigerweise meldete sich niemand am Telefon und auch vor der Haustür war es leer. Die Eieruhr hatte ebenfalls keiner gestellt...
Die Dursleys konnten nun in Ruhe die Weihnachtsansprache im TV verfolgen und anschließend den Truthahn und den Plumpudding genießen. Es gab keine weiteren Störungen, auch wenn Marge sich ein wenig über die gesunden Beilagen beklagte („Schließlich will man die Feiertage genießen und keine Diät halten!").
Harry verhielt sich in seinem Schrank ganz leise. Mittlerweile wusste er, wo er draufdrücken musste, um Licht einzuschalten. Auf seiner Matratze lag die zweite kleine Socke von dem Paar, das er Abend zuvor nicht hatte anziehen wollen. Die Socke mit dem Loch. Sie sah merkwürdig dick aus und etwas Buntes lugte hervor. Harry zerrte so lange daran, bis er einen ganz kleinen Teddy hervorgeholt hatte und ein weiteres, bunt eingewickeltes Stück Schokolade, das ihm nun keiner mehr streitig machte.
Am nächsten Tag verabschiedete sich Marge schon wieder, da sie ihre anderen Lieblinge nicht so lange allein lassen wollte. Vernon bedauerte es, doch Petunia atmete insgeheim auf.
Mit dem Ende der Feiertage kehrte auch bei den Dursleys wieder Normalität ein. Nach dem Wochenende ging Vernon wieder wie gewohnt zur Firma und Petunia blieb mit den Kindern allein.
Es gab eine Menge einzukaufen und Petunia hasste es, mit beiden Kindern unterwegs zu sein. Besonders als sie dann auch wieder einmal auf die unvermeidliche Mrs. Figg traf.
„Was für ein Zufall, dass ich Sie treffe", begann die alte Dame, „ich wollte noch einmal nachhaken, ob Sie nicht bald einmal vorbeikommen wollen. Ich würde mich..."
„Hören Sie: Es tut mir Leid!", unterbrach Petunia sie genervt, „Ich habe einfach keine Zeit! Mit den beiden Kleinen habe ich total viel zu tun!"
„Oh, das ist schade. Aber... naja... dann... Wie wäre es, wenn Sie mir ..., ich meine, ich könnte Ihnen helfen und gerne einmal auf die Racker aufpassen."
Petunia wollte gerade eine höfliche Ablehnung formulieren, als sie innehielt. Sicher Duddy würde sie dieser unfähigen alten Schachtel niemals anvertrauen, aber Harry... Das wäre doch die Lösung ihres Problems!
„ Nun ja, ehrlich gesagt, wenn Sie es wirklich wollen... Also, es wäre tatsächlich wunderbar, wenn Harry ab und zu mal bei Ihnen bleiben könnte. Nicht, dass ich nicht mit ihm klar käme, aber er ist halt ein schwieriger Junge, dem ein Umgebungswechsel einmal guttun würde."
„Wunderbar!" Mrs. Figg strahlte, „Wenn Sie wollen, kann er jetzt gleich kommen.
Petunia fühlte eine ziemliche Erleichterung bei der Vorstellung, Harry jetzt sofort loswerden zu können und dann mit Dudley allein loszuziehen, und willigte ein.
Sie ging mit Mrs. Figg noch bis zu ihrem schrulligen Häuschen und verabschiedete sich mit dem Versprechen, den Besucher in zwei Stunden wieder abzuholen.
Als Harry mit Mrs. Figg deren Wohnung betrat, staunte er über die vielen Katzen. Zunächst war er ein bisschen ängstlich, aber als ein kleines Kätzchen ganz zutraulich ankam und sich streicheln ließ, verlor auch Harry seine Scheu. Er spielte mit den Katzen, lachte und tobte. Als er von Mrs. Figg dann auch noch Milch und Kekse bekam, hatte er seinen glücklichsten Tag seit langem.
Leider blieb das auch Petunia nicht verborgen, als sie ihn abholen wollte. Petunia hatte schon schlechte Laune, als sie die Wohnung betrat, denn der Geruch und die Unordnung ekelten sie an. Doch dann begann ein kleines Drama, denn Harry wollte nicht mit Petunia gehen. Er klammerte sich heulend an Mrs. Figg und schrie, als Petunia ihn wegziehen wollte. Aber es half nichts. Mit Gewalt zerrte sie ihren Neffen aus der Wohnung. Harry wehrte sich den ganzen Weg über und kreischte lautstark. Eine ganze Menge Leute drehte sich auf der Straße nach Petunia um und auch einige Fenster wurden geöffnet. Sie wäre am liebsten in den Boden versunken. Als sie irgendwann endlich zu Hause ankamen, war Harrys Tante sich sicher, dass sie nie wieder Mrs. Figgs Angebot annehmen würde. Da war es hundertmal besser, beide Jungs mitzuschleifen.
Auch Arabella Figg war unzufrieden mit sich selbst. Sie schaute ihrem kleinen Gast noch lange nach und war sich sicher, einen Fehler gemacht zu haben. Auch wenn es wunderbar gewesen war, Harry einen schönen Tag zu bereiten, so hatte sie damit vielleicht genau das Gegenteil, von dem, was sie wollte, erreicht. Sie musste in Zukunft vorsichtiger sein!
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