
von Nurbla
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Harry lächelte immernoch als er den Krankenflügel verließ um sich endlich mit Ginny zu treffen. Dies würde möglicherweise der schönste und traurigste Tag in seinem Leben werden.
Viele seiner Freunde waren tot aber Voldemort war auch tot und Ron und Hermine waren verlobt und er wĂĽrde gleich Ginny in den Arm nehmen und zusammen wĂĽrden sie probieren die dunklen Seiten dieses Tages und des ganzen letzten Jahres zu vergessen.
Harrys Arme und Beine taten weh vor MĂĽdigkeit, die Verletzungen spĂĽrte er nicht mal. Er lieĂź sich auf den Boden nieder um auf Ginny zu warten.
Jeden Moment musste sie kommen.
Es war wie schlafen. So gut zu sitzen. Wie fliegen. Harry!Harry!Harry!
Harry fuhr hoch als sein Name gerufen wurde. Er blickte sich um und konnte nichts erkennen, da die Person, die ihn gerufen hatte mit dem Rücken zum Licht stand. Doch als sie einen Schritt zur Seite ging um ihn die Hand hin zu strecken erkannte er Cho. Harry ließ sich von ihr auf die Beine helfen und lächelte nur schwach zurück als sie ihn anstrahlte.
“Du warst großartig vorhin. Seit der DA hab ich mir gewünscht dich mal so richtig in Aktion zu sehen, ich wurde nicht enttäuscht.”
“Das ist ja schön.” meinte Harry ohne große Begeisterung. Was dachte die sich eigentlich? Das das alles einer toller Film war?
Und wo zum Teufel blieb Ginny? Sie müsste doch längst da sein.
“Sorry Cho.” entschuldigte er sich deshalb. “Aber ich muss jetzt Ginny suchen. Ich wollte sie schon vor `ner Ewigkeit treffen.”
Und da Cho nicht antwortete lieĂź er sie einfach stehen und ging zĂĽgig den Gang entlang Richtung GroĂźe Halle.
Molly eilte durch Hogwarts und suchte nach Ron und Ginny. Den Rest ihrer Familie(und wieder zerriss sie der Schmerz) hatte sie schon zum Fuchsbau gebracht. Nur ihre beiden jĂĽngsten fehlten noch.
Sie bog um die Ecke des siebten Stocks und rannte direkt in Harry rein.
“Oh Harry. Tut mir Leid mein Lieber. Alles ok?”
“Nichts passiert, Mrs Weasley.”
Kurz runzelte Molly die Stirn. Es war ihr nie aufgefallen, dass Harry sie immernoch siezte. Und das, obwohl sie sich doch wirklich mehr wie eine Mutter fĂĽr ihn fĂĽhlte. Aber irgendwie war das hier gerade nicht der richtige Moment jemandem das Du anzubieten.
Also fragte sie nur, mit der Gewissheit eine Antwort zu kriegen: “Hast du Ron oder Ginny gesehen? Ich dachte du weißt vielleicht am ehesten wo sie sind?”
“Wo Ginny ist weiß ich nicht. Die such ich selber. Aber Ron ist im Krankenflügel.”
Molly erschrak, war er doch verletzt? Sie wollte nicht noch ein Kind verlieren.
Doch über Harrys müdes Gesicht breitete sich ein merkwürdiges Lächeln aus. “Ron ist ok.” sagte er beruhigend und Molly fiel ein Stein vom Herz. “Er ist wahrscheinlich sogar ziemlich glücklich. Also wie gesagt im Krankenflügel...”
Erleichtert atmete Molly auf und sagte Harry noch er sollte Ginny zum Fuchsbau bringen wenn er sie finden wĂĽrde. Alleine durfte sie nicht apparieren. Und natĂĽrlich lud sie auch Harry ein mit ihnen zu FrĂĽhstĂĽcken, oder was auch immer fĂĽr eine Mahlzeit eigentlich dran war.
Dann ging sie weiter und fragte am Treppenabsatz eine ziemlich feine Dame in einem goldgeramten Gemälde, ob diese ihre Tochter gesehen habe.
“Oh” antwortet die. “Ist ihre Tochter ein hübsches Mädchen mit langen roten Haaren?”
Molly nickte.
“Ja Madam, ihre Tochter sah ich. Sie eilte diese Treppe hinab und dann verlor ich sie aus dem Auge. Aber selbstredend vergisst man ein solch schön anzusehendes Mädchen nicht. Nicht aus dem Auge aus dem Sinn, wissen Sie? Aber gefolgt bin ich ihr nicht. Es gehört sich einfach nicht, Leuten hinterher zu spionieren.”
“Jajaja” Molly war schon leicht genervt von der hochgestochenen Art der Dame. “Danke für die Auskunft!”
Und sie ging die Treppe runter.
Ein Stockwerk tiefer fiel ihr auf, dass die feine Dame neben ihr durch die Bilder lief und höchst anständig jedes einzelne Bild um Entschuldigung bat.
“Ich dachte es gehört sich nicht, Leuten zu folgen?” sagte Molly schnippisch.
“Nein das tut es nicht.” antwortete die Dame ernst. “Ich dachte nur, Sie sollten wissen, dass die Tochter der Dame sehr verstört wirkte und bittere Tränen weinte.”
“Sie hat geweint?” fragte Molly ungläubig und im nächsten Moment flog sie die Treppen hinunter. Wann hatte Ginny das letzte mal in aller Öffentlichkeit geweint?
Was war passiert?
Was konnte sie noch verkraften bis sie zerbrach?
Noch einmal beschleunigte sie ihre Schritte.
Sie wusste wann Ginny das letzte mal geweint hatte. Das war am Ende ihrer 5. Klasse gewesen, nachdem sie nach Hause gekommen war. Erst hatte Molly gedacht, es wäre wegen dem schrecklichen Tod von Albus gewesen. Ginny wollte auch nicht, dass jemand mitkriegte, dass sie weinte.
Sie hatte sich eingeschlossen.
Ron hatte Molly schließlich nach einigem Rumgedrukse erzählt, dass Ginny mit Harry zusammen gewesen war und das Harry jetzt aber Schluss gemacht hatte, weil er Angst um Ginny hatte.
Molly hatte das trotz des Schmerzes den es fĂĽr Ginny bedeutete toll von Harry gefunden. Der Junge war fĂĽr sein Alter echt sehr verantwortungsbewusst.
Doch was war diesmal der Grund?
Wollte Harry ihre Tochter nicht mehr?
Hatte er wohlmöglich eine andere?
Aber warum suchte er sie dann?
Hatte Ginny umsonst gewartete und gehofft?
Und dann stand Ginny auf einmal direkt vor ihr.
Ihr Haar war zerzaust, ihre Augen rotgeweint und sie schien einem Zusammenbruch nahe.
Molly nahm sie in den Arm und apparierte direkt zum Fuchsbau. Dort fĂĽhrte sie ihre willenlose Tochter in die KĂĽche und lieĂź sich mit ihr aufs Sofa fallen.
Heftige Schluchzer schĂĽttelten Ginny, als sie den Kopf an Mollys Brust lehnte und hemmungslos zu schluchzen begann.
“Wein ruhig. Vielleicht wird es dann besser.”
Leicht wiegte sie sich beide hin und her und flüsterte: “Du musst nicht reden, aber wenn du willst, ich bin für dich da.”
Ginny antwortete nicht und wieder schĂĽttelte es sie. Da ging die TĂĽr auf und Arthur trat ein.
“Molly?” fragte er mit einem besorgten blick auf Ginny.
“Arthur-Schatz, ich glaube das ist nicht der richtige Moment. Kümmre dich bitte um George!”
Flehend sah sie ihren Mann an und hoffte, dass er verstand, dass das hier eine Sache war wo er erstmal wenig machen konnte. Im Moment brauchte Ginny eine Mutter.
Als Arthur wieder weg war, fing Ginny an sich zu beruhigen und mit brĂĽchiger Stimme und verborgenem Gesicht begann sie schlieĂźlich ihrer Mutter das Herz auszuschĂĽtten.
“Erst war da der Schock, dass Harry...tot ist. Und Fred...und Lupin...und Tonks und alle die anderen. Dann war ich einfach nur erleichtert, weil Harry noch lebte.”
“Ja” Molly nickte. Das waren sie alle gewesen.
“Und dann hab ich Harry...getroffen und hab mich mit ihm...verabredet.”
Ein erneuter Schluchzer lieĂź Ginny zusammen zucken.
“Als ich dann zum Krankenflügel kam hab ich gehört, wie Hermine...” Ginny versagte die Stimme und Molly fragte sich was so schlimm sein konnte.
“...Harry einen Heiratsantrag gemacht hat.”
Ginny schnappte nach Luft und sank vollkommen in sich zusammen.
Molly war verdutzt. Mit allem hatte sie wohl irgendwie gerechnet, aber nicht mit einem Heiratsantrag.
“Und hat er...?”fragte sie zögerlich.
Ginnys Körpersprache war genug an Antwort und Molly fühlte den Zorn in sich aufsteigen.
Was bildete der sich eigentlich ein?
War ihm die BerĂĽhmtheit doch noch zu Kopfe gestiegen?
Wie konnte er so hinterhältig sein?
Wie hatte sie sich so in ihm täuschen können?
Nur äußerlich blieb sie ganz ruhig. Sollte sie Ginny wirklich das sagen, was sie sagen wollte, oder würde sie dann als dumme nichts verstehende Mutter abgestempelt?
Vielleicht würde Ginny ja ausflippen und sauer sein und das wollte Molly nicht riskieren. Anderseits, vielleicht wäre es ja sogar besser wenn Ginny wütend wäre anstatt todtraurig?
“Weißt du was?” fragte sie deshalb vorsichtig.
Ginny schĂĽttelte den Kopf.
“Wenn Harry so drauf ist, dann ist er sowieso nicht der Richtige für dich.”
Ginny reagierte wie Molly es befürchtet und gewollte hatte. Sie sprang auf und ballte ihre Hände zu Fäusten. Dann schrie sie ihre Mutter an: “Mum! Es ist egal ob richtig oder nicht! Ich liebe ihn!! Kapiert?! Das ist nichts was ich mir ausgesucht habe. Und das ist nichts was gut für mich ist. Mir geht’s damit beschissen. Aber ich kann nichts dran ändern!”
“Ich weiß ich weiß.” seufzte Molly und bemühte sich nicht belehrend zu klingen. Das war bestimmt das letzte was Ginny jetzt beruhigen würde.
“Aber es gab doch andere, oder? Micheal, oder was ist mit Dean?”
Abrupt drehte sich Ginny zur Wand. “Ein bischen Schwärmerei, ein bischen Sehnsucht nach Liebe. Sonst nichts. Nichts ernstes.”
Langsam ging Molly von hinten auf ihre Tochter zu und wollte sie in den Arm nehmen und trösten. Doch mit ausgestreckten Armen blieb sie stehen. Sehnsucht nach Liebe? Hatte sie ihren Kindern nicht genug Liebe geschenkt? War das hier alles ihre Schuld? War Fred auch gestorben ohne je geliebt geworden zu sein?
Und dann klopfte es an die HaustĂĽr und Molly fuhr herum und fand sich von Angesicht zu Angesicht mit Harry wieder.
Sie dachte nicht nach als sie sagte: “Du wagst es noch hier aufzutauchen?” Ihre Stimme klang gefährlich und leise.
“Ich dachte Frühstück...?” Harry schien verunsichert.
“Wir sind nicht hier um dich durchzufüttern!” schrie sie ihn an. Wie konnte er sich einbilden noch zum Frühstück willkommen zu sein?
“Du verschwindest jetzt besser. Raus!!!”
“Ginny?” wandte sich Harry an ihre Tochter. “Was...?”
“Geh einfach Harry! Mit jemandem wie dir will ich nichts mehr zu tun haben.”
Molly hörte den Schluchzer in ihrer Stimme als sie Harry zur Tür schob und ihm diese vor der Nase zuknallte.
Dann lief sie besorgt zu Ginny zurĂĽck, die auf dem Sofa zusammengebrochen war. Sie zog sie zu sich hoch und umarmte sie ganz fest.
Und dann ging ein weiteres mal die TĂĽr auf und Ron kam rein.
Ginny drehte sich zu ihm um.
Das Ron sie so sah war egal. Ron war ok. Doch wie ging es ihm jetzt? Immerhin hatte er Hermine fĂĽr wahrscheinlich immer an seinen besten Freund verloren.
Die einzige Erklärung dafür, dass er wie ein Honigkuchenpferd strahlte war: Er wusste noch von nichts.
Ginny sah wie Ron leicht die Stirn runzelte, als er ihr tränenverschmiertes Gesicht sah und sagte: “Was auch immer hier so schrecklich ist, ich habe was, das so lächerlich klingt, dass ihr lachen werdet... Aber es ist mein voller Ernst.”
Verständnislos blickte Ginny ihren Bruder an. Was war bitte so lustig daran verlassen zu werden?
“Also ihr werdet es nicht glauben, aber ich, wohlgemerkt ich, bin seit etwa einer Stunde verlobt.”
Ginny war sprachlos und genauso schien es ihrer Mutter zu gehen. Hatten die Drei beschlossen sich alle am gleichen Tag zu verloben?
“Mi...mi...mit wem?” Wollte ihre Mutter neben ihr schließlich wissen.
“Naja, könnt ihr euch das nicht denken?” Fragte Ron etwas unsicher und ließ seine Augen von einer zur anderen huschen.
Beide Frauen schĂĽttelten mechanisch den Kopf.
“Seit ihr schwer von Begriff oder was? Hermine wer denn sonst? Sie hat mich gefragt und ich hab ja gesagt. So bin ich ganz nebenbei um den Antrag rumgekommen.”
“Feigling” flüsterte Ginny und sprang auf. Ihr war auf einmal so leicht ums Herz. So leicht, dass sie meinte sie könnte abheben. Alles war ein riesen dummes Missverständnis.
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