von Hannah Abbott 13
Er wandte den Blick von seinen Eltern ab und sah nun Ginny an. Sie lächelte.
Es kam Harry alles unwirklich vor. Er konnte einfach nicht glauben, dass Voldemort tot war, dass seine Eltern zurück waren, dass alle anderen zurück waren und, vor allem, dass Ginny bei ihm war.
Er lächelte glücklich zurück und legte einen Arm um ihre Schulter. Sie lehnte sich gegen ihn. Harry wertete das als ein sehr gutes Zeichen. Sie schien keinen Freund zu haben, sonst würde sie nicht zu ihm kommen.
„Ich hatte Angst um dich.“, sagte Ginny leise.
„Ich auch um dich.“
Sie schwiegen.
„Hast du Neville gesagt, dass er die Schlange töten soll?“
„Ja.“
„Warum hast du es nicht auch mir gesagt?“
„Ich konnte nicht.“
„Wieso?“
„Mach es mir doch nicht so schwer.“
Sie lächelte, aber das Lächeln verschwand schnell wieder.
„Ich hab gedacht, du wärst tot.“
„Das habe ich auch gedacht. Bin ich aber nicht, oder? Ich habe Glück gehabt.“
Sie schwiegen wieder.
Harry nahm all seinen Mut zusammen und sagte den Satz, den er das ganze Jahr zu ihr hatte sagen wollen: „Ich liebe dich, Ginny.“ Er Ginny tief in die Augen.
Sie lächelte wieder. Gespannt wartete er auf ihre Antwort.
„Ich liebe dich auch, Harry.“
Das Eis war gebrochen.
Harry hatte eigentlich gewusst, dass Ginny noch mit ihm zusammen sein wollte, ihn noch liebte und trotz allem, was er ihr angetan hatte, nicht böse auf ihn war, aber er hatte trotzdem Angst gehabt. Auch wenn es lächerlich war, er hatte Angst gehabt, sie verloren zu haben.
Ginny legte ihren Kopf auf Harrys Schoß. Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn.
„Ich habe dich vermisst, Ginny. Jeden Morgen als ich aufgewacht bin, jeden Abend vor dem Einschlafen. Ich habe dich ewig nicht gesehen. Und als du dann endlich da warst, haben wir gekämpft und ich dachte, ich würde sterben. Nur so konnte er besiegt werden, nur das war ein Weg, euch alle zu retten.“
„Aber du bist nicht tot.“
„Ja, das habe ich auch schon gemerkt.“
„Weißt du warum?“
„Ja, das weiß ich.“
„Darf ich es wissen?“
„Ja, das darfst du.“
Sie blickte ihn ungeduldig an.
Er seufzte. „Nur einen Teil, ja? Der Rest würde nicht hierher passen.“
Er schwieg eine Weile, in Gedanken versunken. Ginny störte ihn nicht. Sie wusste, dass er darüber nachdachte, was er sagen sollte.
„Jemand...hat mir mitgeteilt, dass Voldemort nur dann getötet werden kann, wenn ich tot bin... Also bin ich zu ihm in den Wald gegangen und vorher habe ich Neville gesagt, dass er versuchen soll, Nagini zu töten, denn auch sie musste getötet werden bevor er sterben konnte.
Ich bin auch an dir vorbeigekommen, ich glaube, du hast es gemerkt. Ich wäre fast umgekehrt, als ich dich gesehen habe, aber dann ist mir eingefallen, dass du erst sicher sein konntest, wenn Voldemort tot war, also auch ich tot war. Kurz gesagt, ich musste für dich sterben.“
Er schwieg wieder eine Weile und sah Ginny dabei an. Sie schaute mit großen Augen zurück.
Dann fuhr er fort: „Ich bin in den Wald gegangen und habe mich nicht gewehrt, als er mir den Todesfluch auf den Hals gejagt hat. Dann war ich kurz bewusstlos. Alle hielten mich für tot. Sie gingen mit mir hoch zum Schloss. Als Voldemort Neville den Hut aufgesetzt hat, habe ich mir den Tarnumhang angezogen. Den Rest weißt du selbst.“
Wieder Schweigen.
Dann fügte er leise hinzu: „Ich glaube, ich bin nicht gestorben, weil ich an dich gedacht habe... Wie du mich geküsst hast, du weißt schon, an meinem Geburtstag. Das war das beste Geschenk was ich je bekommen habe, denn dadurch habe ich mein Leben bekommen. Und du hast dadurch wahrscheinlich die ganze Welt vor Voldemort gerettet. Aber ich denke, dass nicht alle das erfahren sollten... Es wäre sehr hinderlich und gefährlich für dich und außerdem würde es außer den Ordensleuten sowieso keiner glauben, oder? Alle glauben, dass ich allein die Macht hatte ihn zu töten...“, Harry seufzte.
Ginny nickte. Sie lächelte wieder ihr schönstes Lächeln und setzte sich auf.
Und endlich, endlich küsste sie ihn. Und er erwiderte den Kuss und es war das, was er am meisten vermisst hatte.
Er vergaß alles um sich herum.
Ginny war glücklich. Sie hatte Harry fast ein Jahr vermisst, mehr als alle anderen. Am liebsten wollte sie nie mehr aufhören ihn zu küssen, nie mehr von seiner Seite weichen, immer bei ihm bleiben...
Plötzlich, und ohne jede Vorwarnung, war Harry weg. Sie hörte nur noch ein Schluchzen. Er lief davon. Von ihr weg, am See entlang. Sie sah ihm erschrocken nach. Was war bloß in ihn gefahren?
Ohne noch länger nachzudenken sprang sie auf und rannte ihm hinterher. Nach ein paar Metern stolperte sie in Lily und James, die sie verdutzt ansahen.
„Harry!“, keuchte sie und deutete auf Harry, der gerade über die Wiese zur Peitschenden Weide hoch rannte.
Sie begriffen sofort und liefen mit Ginny ebenfalls auf die Peitschende Weide zu.
Harry war längst im Gang verschwunden, als sie bei dem Baum ankamen.
Als sie bei der Weide ankamen hob James einen Ast auf und stupste gegen den Stamm des Baumes. Sofort hörte er auf, sich zu bewegen.
Lily rutschte als erste durch das Loch bei den Wurzeln, Ginny war direkt hinter ihr und James bildete den Schluss.
Sie krochen durch den dunklen Gang. Ginny konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Sie krochen scheinbar eine schreckliche Ewigkeit durch den dunklen, erdigen Tunnel.
Hinter ihr fluchte James: „Was zum Teufel will er in der heulenden Hütte?“
Dann konnten sie endlich ein Licht am Ende sehen, es wurde heller und heller und plötzlich hatte sich Lily durch eine Falltür in ein offenbar helles Zimmer gezogen. Ginny kletterte schnell hinterher.
Sie sah sich um. Das Zimmer war weitgehend verwüstet und die Fenster zugenagelt. Harry war nirgends zu sehen, aber sie hörten es aus dem oberen Stockwerk knarren.
Sofort waren James und Lily auf der Treppe nach oben. Ginny beeilte sich hinterherzukommen. Die drei liefen durch den oberen Flur und in das letzte Zimmer.
Harry saß auf einem alten Bett, mit dem Rücken zur Tür. Er hatte das Gesicht in den Händen verborgen und weinte, er hatte sie offenbar nicht bemerkt.
Ginny wollte sofort zu im laufen, doch James hielt sie sanft am Arm zurück und schüttelte den Kopf. Ginny verstand. Er wollte, dass Harry zuerst mit ihm und Lily sprach.
Ginny wartete an der Tür, als die beiden langsam zum Bett gingen und sich vorsichtig rechts und links neben Harry setzten.
Erst als die beiden einen Arm um ihn legten, sah Harry auf. Er schluchzte heftiger denn je. Es war ein schrecklicher Anblick, ihn so verwirrt und aufgelöst zu sehen. Er sah aus, als wüsste er nicht wo und wer er war.
„Harry, es ist alles gut, es ist nichts passiert, niemand hat Schaden genommen. Wir sind alle da.“, Lily sprach sehr leise und ruhig.
Harry blickte sie mit rotgeweinten Augen an und schluchzte immer noch: „Es ist zu viel, es ist einfach zu viel…“
„Harry, alles ist gut.“, James drückte Harry an sich. Aber es half nicht, es wurde eher noch schlimmer.
Lily drehte den Kopf und sah Ginny an. ‚Komm’, sagte ihr Blick. Ginny bewegte sich langsam durch das Zimmer. Sie hockte sich vor Harry auf den Boden und nahm seine Hände in ihre.
„Entschuldigung.“, schluchzte Harry und blickte sie mit tränenfeuchten Augen an, „Ich wollte dich nicht...“
Sie lächelte: „Harry es ist alles gut, es ist vorbei.“
Er schüttelte den Kopf und rieb sich mit einer heftig zitternden Hand die Augen.
Sie blieben noch fast eine halbe Stunde bei Harry, dann hatte er sich endlich soweit beruhigt, dass er wieder stehen und normal mit ihnen reden konnte.
„Es tut mir Leid, ich war einfach nur so geschockt. Es kam alles auf einmal, die Schlacht, die vielen Toten, der Sieg über Voldemort. Dann auch noch eure Rückkehr und als dann noch Ginny dazu kam, konnte ich einfach nicht mehr. Mein Gehirn war voll, einfach überfordert. Ich war völlig fertig, völlig geschockt. Danke, dass ihr bei mir ward.“, sagte Harry.
„Wir sind deine Eltern, Harry. Das mussten wir tun, wir waren doch die ganze Zeit nicht da.“, meinte James dazu nur und Lily nickte zustimmend: „Du bist unser Sohn, Harry.“
Harry umarmte Ginny. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde, Ginny.“, flüsterte er ihr ins Ohr.
„Du würdest ganz bestimmt etwas finden. Wahrscheinlich noch eine andere Möglichkeit, die Welt zu retten.“, flüsterte sie zurück. Harry lächelte, und ohne sich darum zu kümmern, dass seine Eltern zusahen, küsste er sie wieder.
Erst als James sich leise räusperte, ließen sie sich wieder los. Harry spürte, dass er rot wurde, doch seine Eltern lächelten verständnisvoll: „Komm, wir gehen. Hier ist es nicht besonders schön, oder?“
Sie gingen hinaus, James und Lily voran, Harry und Ginny Hand in Hand hinterher.
Als sie endlich wieder im Sonnenlicht vor der Peitschenden Weide standen, ließen Lily und James die beiden in Ruhe und gingen zu Remus, Tonks und Teddy.
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