von Hannah Abbott 13
„Können wir eine Runde gehen?“, fragte er seine Eltern und Sirius und alle drei nickten und strahlten dabei immer noch. Harry kam es im Nachhinein dämlich vor, dass das die ersten Worte waren, die er zu seinen Eltern gesagt hatte.
Harry warf noch schnell einen Blick zu den anderen. Ginny und Ron waren bei den anderen Weasleys, Hermine war zu Remus und Tonks gegangen, die jetzt Teddy knuddelten und Cedric unterhielt sich mit Cho. Auch Dumbledore stand nicht mehr allein am Ufer sondern war auf Aberforth zugegangen und redete mit ihm, auch wenn Aberforth nicht so begeistert aussah wie die meisten anderen.
Sie gingen los und Harry fand es wunderschön, einfach mit ihnen zusammen zu sein.
Erst schwiegen sie alle. Es war Harry egal.
„Wo ist eigentlich Peter?“, fragte James beiläufig.
„Selbstmord.“, antwortete Harry knapp, „Er hat es verdient.“
James nickte heftig, ihm stand die Wut ins Gesicht geschrieben, allerdings auch die Trauer. Peter war sein Freund gewesen, ein sehr guter Freund, er und Lily hatten ihm ihr Leben anvertraut.
Auf Sirius Gesicht konnte Harry keine Spur Trauer entdecken, nur Wut und Verachtung. Peter hätte ihn damals ohne zögern den Dementoren ausgeliefert, obwohl Sirius sein Leben verschont hatte.
„Wie geht es Severus?“, wechselte Lily das Thema, bevor einer der Beiden noch etwas Unangenehmes beisteuern konnte. James bedachte sie mit einem unglücklichen Blick.
Harry drehte seinen Kopf zu der Stelle, wo eben noch Snape gestanden hatte. Er war verschwunden.
„Er hatte schrecklich Schuldgefühle.“, erklärte er, „Weil er es doch war, der Voldemort von der Prophezeiung erzählt hat.
Lily sah empört aus. „Er hat Lord Voldemort gesagt, dass er dich töten soll?“
„Ja.“, antwortete Harry erschrocken, „Wusstet ihr das nicht? Es hat ihm sehr Leid getan, weil er dich töten wollte, Mum, und er dich geliebt hat. Er hat Dumbledore gesagt, dass er nicht gewusst hat, dass die Prophezeiung uns betrifft. Als ob es besser gewesen wäre, wenn jemand anderes gestorben wäre... Aber am Ende war er doch auf der guten Seite.“
Alle schwiegen. James starrte wĂĽtend auf den See hinaus, offenbar wegen der Neuigkeit, dass sein Erzfeind in seine Ehefrau verliebt gewesen war. Er musste es natĂĽrlich gewusst haben, aber vielleicht war er sich nicht ĂĽber das AusmaĂź dieses Zustands bewusst gewesen.
Um von diesem unangenehmen Thema abzulenken fragte Harry: „Wie seid ihr eigentlich zurückgekommen?“
„Ich weiß es nicht...“, meinte Sirius nachdenklich, „Wir waren einfach da... und jetzt sind wir hier... bei dir. Ich weiß nicht mal, was passiert ist. Ich weiß, dass wir in der Mysteriumsabteilung waren und danach ist nur noch das mit dem Stein der Auferstehung, als wir bei dir waren, Harry. Sonst erinnere ich mich an nichts.“ Er runzelte die Stirn.
Lily nickte. „Geht mir genauso. Aber ich kann mich noch daran erinnern, wie ich dich im Spiegel Nerhegeb gesehen habe und auf dem Friedhof bei Voldemort. Sonst habe ich auch keine Erinnerungen.“
„Vielleicht solltest du mal Dumbledore fragen, der hat von so was mehr Ahnung“, ergänzte James.
Harry nickte: „Werde ich auch tun. Irgendwann.“
Sie setzten sich ans Seeufer.
Sie waren nun genau gegenĂĽber von der Stelle, wo seine Eltern an Land gek0mmen waren. Harry konnte den ganzen See ĂĽberblicken.
Genau in der Mitte war etwas. Eine weitere Gestalt. Sie hatte lange, dunkle Haare.
Harry erkannte das sofort, obwohl die Gestalt noch sehr weit entfernt war, denn die Sonne blendete ihn von diesem Standpunkt aus nicht.
„Seht mal.“, sagte er und deutete mit dem Arm hinaus auf den See. Sie schauten hinüber.
„Wer ist das?“, fragte Sirius. Harry stellte sich die gleiche Frage.
Sie sahen alle gebannt auf die sich langsam nähernde Person. Auf einmal räusperte sich jemand hinter ihnen. Harry schnellte herum, es hatte verdächtig nach Umbridge geklungen. Doch zum Glück war es Dumbledore.
„Darf ich mich setzen?“, fragte er. Harry nickte.
Als Dumbledore sich gesetzt hatte, fragte Harry: „Professor, wissen Sie, wer das ist?“ Und er ruckte mit dem Kopf in Richtung See.
„Ich habe keine Ahnung, Harry. Soweit ich es gesehen habe, sind alle Zauberer, die zurückgekommen sind, von Voldemort, seinen Anhängern oder irgendwie in seinem Zusammenhang getötet worden.“, antwortete Dumbledore, „Aber ich glaube, dass du inzwischen besser weißt als ich, wer zu den Guten und wer zu den Anderen gehörte.“
Er blickte Harry direkt in die Augen.
Harry wich Dumbledores Blick aus und sah wieder zu der Gestalt im See. Er dachte nach.
„Regulus.“, sagte er plötzlich und sah Sirius an, „Dein Bruder. Er war der erste, der versucht hat, einen Horkrux zu zerstören. Und er ist gestorben, als er in der Höhle am Meer war. Er ist von den Inferi getötet worden.“
Nun sah er zu Dumbledore.
„Das hat Kreacher mir erzählt: Lord Voldemort ist mit ihm zusammen auf die Insel gefahren und hat ihn den Zaubertrank trinken lassen. Dann ist er mit dem Boot zurück und hat Kreacher zurückgelassen. Aber Kreacher hat es geschafft, heraus zu apparieren, und er ist zurück zu Regulus gegangen. Später hat Regulus herausgefunden, was Voldemort versteckt hatte, und er wollte den Horkrux zerstören. Also hat er eine Nachricht geschrieben und Kreacher befohlen, sein eigenes Medaillon gegen das von Lord Voldemort auszutauschen und es zu zerstören.
Regulus ist gestorben und Kreacher hat die ganze Zeit versucht, den Horkrux aufzubrechen, aber es nicht geschafft. Also hat er ihn nach einiger Zeit in eine der Vitrinen im Wohnzimmer gelegt. Bis wir angefangen haben das Haus zu entgiften, lag er dort drin. Kreacher hat ihn aber zurückgeklaut, nachdem wir ihn in den Müll geschmissen haben. Er hat ihn versteckt, aber in der Nacht, in der Sirius gestorben war, hat Mundungus ihn gestohlen. Umbridge hat ihn ihm abgenommen und so getan, als wäre er ein Familienerbstück aus der Familie der Selwyn, einer reinblütigen Familie. Wir haben das Medaillon aus dem Ministerium gestohlen und Ron hat es mit dem Schwert von Gryffindor zerstört.“
„Was sind Horkruxe?“, warf James ein.
„Später.“
Harry war klar, dass seine Eltern wohl weniger verstanden als sein Pate, aber auch der konnte sich mit Sicherheit nicht mal aus der Hälfte einen Reim machen. Doch Harry war ebenfalls davon überzeugt, dass Dumbledore jedes Wort verstanden hatte. Er sah erstaunt erst Harry, dann die Gestalt im See an. Sie war nur noch etwa 20 Meter von Ufer entfernt.
Harry warf schnell einen Seitenblick auf Sirius, denn immerhin war er Regulus Bruder, doch in Sirius Gesicht regte sich kaum etwas. Als Harry ihn sich jetzt mal genau ansah, erkannte er, dass das Gesicht nicht mehr eingesunken und wächsern war. Harry wusste, dass Askaban dieses Gesicht einst derart entstellt hatte. Sirius sah fast genauso aus, wie er auf dem Bild von der Hochzeit seiner Eltern aussah, nur älter. Jede Spur von Askaban war von seinem Gesicht verschwunden.
Sirius erwiderte seinen Blick und lächelte ihn an. Harry glaubte, dass er wusste, woran Harry dachte.
„Er war unschuldig?“, fragte er, „Ich hab nicht...“ Er kam nicht dazu, zu Ende zu sprechen, denn in diesem Moment hörten sie Schritte im Kies hinter sich. Harry drehte sich um. Dort stand Ginny. Sie lächelte verlegen. „Kann ich mich setzen?“, fragte sie. Harry nickte wieder. Lily rutschte ein Stück zur Seite und Ginny setzte sich zwischen sie und Harry. Dann blickten sie alle wieder auf den See.
Außer ihnen hatte wohl niemand den Mann im See gesehen, was Harry sehr merkwürdig fand. Vielleicht waren sie alle mit anderen Dingen beschäftigt?
Kurze Zeit später kam Regulus heraus. Harry war sich jetzt sicher, dass er es war, denn er erkannte ihn von dem Foto der Quidditchmannschaft aus seinem alten Zimmer wieder. Er wusste auch, dass es höflicher gewesen wäre, aufzustehen und ihn zu begrüßen, doch er blieb sitzen, wie alle anderen.
Regulus kam langsam auf sie zu. Er sah verlegen in die Runde.
„Hallo“, sagte er. Harry erkannte, dass er nicht älter war als er selbst. Er mochte vielleicht zwei oder drei Jahre älter sein, als auf dem Foto von der Quidditchmannschaft in seinem alten Zimmer. Dieser Junge, Harry fand, dass er nicht erwachsen wirkte, hatte sein Leben bewusst geopfert, um Voldemort zu schwächen. Er wusste genau, wie viel Mut ihn das gekostet haben musste. In einen Kampf ziehen, mit der noch so kleinen Chance zu überleben, war viel leichter, als freiwillig zu sterben.
„Hallo“, antwortete Harry.
Dann schwiegen alle.
Erst Sirius brach das Schweigen, indem er sagte: „Komm, wir gehen ein Stück. Ich denke, du hast mir einiges zu erklären.“ Er stand auf.
„Wenn ihr nichts dagegen habt, schließe ich mich an.“, meinte Dumbledore und stand ebenfalls auf. Die drei gingen am See entlang davon.
Auch James und Lily standen auf. „Ich denke, wir lassen euch jetzt besser in Ruhe.“, meinte Lily. James zwinkerte Harry zu, dann gingen die beiden in einigem Abstand hinter Sirius, Regulus und Dumbledore her.
Harry sah ihnen nach. Sein Vater sagte etwas und seine Mutter lachte. Sie wirkten, als wären sie nie weggewesen, als wären immer da gewesen, hier, wo sie hingehörten.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel