James und Sean schliefen lange, sodass es fast neun Uhr war, als sie hinunter in den Saal gingen, wo Lucy, Fiona und Denise schon mit Lucys Eltern beim FrĂŒhstĂŒck saĂen.
Auch das FrĂŒhstĂŒck lieĂ keinerlei WĂŒnsche offen.
Mrs. Stewart wirkte nun, im kleineren Kreis, weniger reserviert als am Vortag. Sie erzĂ€hlte, wie sie es erst fĂŒr einen schlechten Scherz gehalten hatte, dass ihre Tochter eine Hexe sein sollte, wie sie erst nach dem fĂŒnften Brief ĂŒberhaupt reagiert hatte, wie sich Professor Finch-Fletchley vorgestellt hatte, wie sie zum ersten Mal in der Winkelgasse gewesen war und wie schwierig es war, sich an Eulenpost zu gewöhnen. âEs freut mich um so mehr, dass ihr das Jahr doch gut gefallen hatâ, schloss sie und âsie hat schon geschrieben, wie toll sie es fand, dass man sie so aufgenommen hat â obwohl niemand in unserer Familie, weder meiner noch der meines Mannes, zaubern kann. Und nach dem ersten Tag war Lucy ja schon frustriert, aber irgendwie froh, dass fast alle ihr geholfen haben.â
âJa, es gibt ein paar Idioten, die glauben, sie wĂ€ren was besseres, nur weil ihre Eltern Zauberer sindâ, antwortete James. âMeistens hören sie den Blödsinn daheim. Bei mir zum GlĂŒck nicht â meine Oma war ja auch die erste Hexe in der Familie und meine Mutter hat sich nie was drauf eingebildet, dass sie reinblĂŒtig ist.â
âDie Lucy ist nicht die einzige, auch in unserem Jahr, die keine Zauberer als Eltern hatâ, bestĂ€tigte Sean. âUnd es gibt ein paar Sachen, die die Muggel, wie wir sagen, viel besser können. Wenn ich denkâ, ich kann keinen Computer bedienen.â
âSei froh, dass du hier keine Muggeljungs getroffen hastâ, meinte Lucy kichernd. âDie hĂ€tten es ĂŒberhaupt nicht fassen können, dass ein Junge davon keine Ahnung hat.â
Gegen elf Uhr brachte Mrs. Stewart James und Sean nach Newport. EhrfĂŒrchtig umschritt James vor der Abfahrt den Bentley und fragte, als sie im Auto saĂen, nach jedem Knopf, wobei er feststellen musste, dass Lucys Mutter auch nicht alles ĂŒber ihr Auto wusste.
In Newport verabschiedeten sie sich. James bedankte sich bei Lucy und ihrer Mutter und ging in die Bahnhofshalle, wĂ€hrend Sean vor dem Bahnhof das Zeichen fĂŒr den Fahrenden Ritter machte. James sah das GefĂ€hrt noch kommen, wĂ€hrend Mutter und Tochter Stewart ins Auto stiegen. Er fragte sich, ob die zahlreichen anderen Muggel am Bahnhofsplatz nichts sahen; jedenfalls schien sich niemand ĂŒber irgend etwas zu wundern.
Kurz vor der Teezeit kam er in London, am Grimmauld Place, an. Eltern und Geschwister bestĂŒrmten ihn mit Fragen ĂŒber die Party. Beim Tee hatte jedoch auch seine Mutter etwas Erfreuliches zu erzĂ€hlen: Der Trank gegen die Blutsucht war endlich geglĂŒckt. James freute sich, ebenso wie seine Geschwister, mit ihr, denn er hatte auch mitgelitten, wenn wieder einmal ein Versuch missglĂŒckt war und Mitleid mit den BlutsĂŒchtigen, die nun schon zwei Jahre, seit dem Tod Almorths, angeschnallt an ihre Betten in St. Mungo liegen mussten.
Am Dienstag kam eine Eule von Sean: Hi James,
meine Eltern scheinen sich wieder zu verstehen und tun, als ob nie was gewesen wÀre. Sie freuen sich genauso auf dich, wie ich. Bring die zwei Wochen noch gut rum und sei nicht allzu brav! Ciao, Sean.
Endlich kam der 22. Juli und die Potters reisten mit Flohpulver nach Irland. Dort mieteten sie ein Auto, da sie eine Muggelpension gebucht hatten. Das hatte Jamesâ Mutter vorgeschlagen, nachdem sie mehrmals gehört hatte, dass die Zaubererpensionen auĂerhalb von Dublin in einem, wie sie sagte âgrauenhaften hygienischen Zustandâ waren. Ihre Kinder hĂ€tte das nicht gestört, doch die Pension, in der sie unterkamen, gefiel auch ihnen und war abgelegen genug, dass man nicht allzu weit gehen musste, um unbemerkt Quidditch spielenâ natĂŒrlich hatten alle drei die Besen dabei â oder sonstige Dinge, die man vor Muggeln nicht tun sollte, tun zu können.
Schon am Samstag waren sie bei den Finnigans zum Tee eingeladen. TatsĂ€chlich zeigten sich Seans Eltern bester Laune. Ginny Potter konnte sich an der kleinen Lynn nicht satt sehen, wĂ€hrend James und Sean sich in Seans Zimmer verzogen, Eithne, Albus und Lily sich zunĂ€chst gegenseitig beschnupperten und die MĂ€nner ĂŒber alte Zeiten und ihren Beruf sprachen.
Am Sonntag ging es in die magische Tierzucht, die Seans Onkel Garrett Lennart gehörte. Sean bestand darauf, dass die GÀste auch auf Hippogreifen ritten.
Alle drei Potters hatten zunĂ€chst Angst, als sie die riesigen Tiere mit ihren scharfen SchnĂ€beln sahen, doch Sean versuchte, ihnen Mut zu machen. âGanz einfach! Schaut!â, rief er, verbeugte sich, wartete, bis der Hippogreif sich ebenfalls verbeugte, stieg auf und drehte eine Runde ĂŒber das GelĂ€nde.
James wollte nun auch reiten, was Mr. Lennart aber nicht sofort zulieĂ. âHippogreife sind nicht wirklich gefĂ€hrlich, wenn man ein paar Dinge beachtet: Erst verbeugen, dann warten, bis er sich auch verbeugt â der Sean hatâs vorgemacht. Wenn ihr oben seid, gut festhalten, Hippogreife fliegen nicht ganz gerade. Ihr könnt mit den Knien steuern â nur leicht berĂŒhren, sie sind sehr empfindlich. Die hier sind gut dressiert und reagieren sofort. Und, ganz wichtig: Was immer geschieht, brĂŒllt nie einen Hippogreif an und beleidigt sie auch nie. Sie sind stolz und selbst sehr gut dressierte haben dann schon angegriffen.â
WĂ€hrend Sean zurĂŒckkam, fĂŒhrte Mr. Lennart James zu einem anderen Hippogreif. âSo, verbeug dich!â, befahl er. James bekam Angst, seinen Nacken unter den Schnabel des Tiers zu halten.
âDer macht nix! AuĂerdem pass ich auf. Tief beugen!â, hörte er Mr. Lennarts Stimme.
James verbeugte sich, stand auf und sah auch das Tier sich verbeugen. Er stieg auf und sofort hob der Hippogreif sich in die Luft. Vor Schreck vergaĂ James beinahe, sich festzuhalten. Umso fester drĂŒckte er mit den Knien zu, sodass das Tier hin und her schaukelte. Es dauerte einige Zeit, bis James sich im Griff hatte und als der Hippogreif wieder landete, war ihm so schwindlig, dass er kaum stehen konnte.
âFĂŒr einen AnfĂ€nger hast dich nicht schlecht angestelltâ, lobte Mr. Lennart.
Albus traute sich nicht, zu fliegen, sodass Eithne als nĂ€chste vortrat. âIst gar nix dabei!â, rief sie in Richtung Lily und Albus, verbeugte sich tief, sodass die Spitzen ihrer Zöpfe fast den Boden berĂŒhrten, schaute dem Hippogreif in die Augen und sprang auf. Sie hielt sich nur mit der linken Hand fest und winkte mit der rechten, rief zwischendurch âUnd Linkskurve!â, âUnd Rechtskurve!â, wobei sie kaum sichtbar ihre Knie bewegte, worauf das Tier sofort parierte.
Albus lieà sich es nicht auf sich sitzen, dass ein MÀdchen mutiger war als er und versuchte es doch, wobei er es in der Luft mit der Angst bekam. Er schrie auf, was den Hippogreif nervös machte.
âRunter, Blaufeder!â, befahl Mr. Lennart ruhig, aber scharf, und tatsĂ€chlich gehorchte der Hippogreif sofort. Dennoch hatte Albus genug und Lily wollte es gar nicht erst versuchen.
James ritt dagegen noch einige Male und schaffte es schlieĂlich auch, den Hippogreif zu kontrollieren. Mr. Lennart lieĂ ihn sogar gemeinsam mit Sean und Eithne eine lĂ€ngere Strecke ĂŒber das Land fliegen. NatĂŒrlich mussten die beiden Finnigans manchmal Jamesâ Hippogreif etwas Beruhigendes zurufen, doch sie kamen sicher zurĂŒck. Dass es begonnen hatte, zu regnen, störte sie nicht. James lachte auch nur, als er bei der letzten Landung vom nassen Gefieder seines Reittiers abrutschte und in den Schlamm fiel â genau Sean vor die FĂŒĂe, den er so ebenfalls zum Sturz brachte.
Sean war nicht beleidigt, sondern lachte nur. âWem das noch nicht passiert ist, der ist noch nie auf einem Hippogreif gerittenâ, meinte er.
Weniger begeistert waren dagegen Ginny Potter und Deirdre Finnigan, als sie ihre Ă€ltesten Söhne voll Schlamm nach Hause kommen sahen. Die beiden mussten, ebenso wie danach die jĂŒngeren Geschwister, in die Badewanne und die Kleidung wurde mehreren Ratzeputz-Zaubern unterzogen, musste aber dennoch zur WĂ€sche.
Zum Tee spannte Seamus Finnigan ein magisch vergröĂertes Zeltdach ĂŒber die Terrasse, da die WohnkĂŒche fĂŒr die Gesellschaft zu klein wurde. Neben sieben Finnigans und fĂŒnf Potters hatten sich Seans GroĂmutter und sein Onkel Garrett Lennart mit seiner Frau Elaine und den zehnjĂ€hrigen Zwillingen Evan und Aidan angesagt.
WĂ€hrend beim Tee vor allem ĂŒber Quidditch gesprochen wurde â Irland stand das Spitzenspiel gegen RumĂ€nien bevor, wĂ€hrend England gegen Andorra Punkte sammeln wollte â kam nach dem Abendessen, als die Lennarts gegangen waren, auch das heikle Thema zur Sprache. Seans GroĂmutter kam eher unbeabsichtigt darauf, indem sie den Ritt im Regen auf den Hippogreifen kommentierte: âDas muss dein Sohn sein, Seamus! Dir hat auch nie das Wetter zu schlecht sein können.â
âWer keinen Regen aushĂ€lt, ist kein Ireâ, gab Eithne einen Spruch, den sie irgendwo aufgeschnappt zu haben schien, zum Besten.
âLassen wir den Sean meinen Sohn seinâ, meinte ihr Vater. âOder, was tĂ€test mit einem Geist als Vater?â
âWieso?â, fragte Lily neugierig.
âNix fĂŒr kleine Kinderâ, antwortete James, worauf sie ihm die Zunge herausstreckte.
âWeiĂt, der Storch hat meinem Papa erzĂ€hlt, er hat mich damals falsch abgeliefertâ, neckte Sean. âAber der hat ihn wohl verarscht.â
âHĂ€ttâ er dich nur woanders hin gebracht!â, kommentierte Eithne. âAber immerhin, bald bist wieder in Hogwarts und kannst andere tratzen!â
âStimmt, dich lassen sie dort erst gar nicht hin. Du kommst ins Drachengehegeâ, gab Sean zurĂŒck.
âUm einen Hornschwanz abzuholen, der dich zum FrĂŒhstĂŒck verspeistâ, kam prompt die Antwort.
âAufhören!â, befahl Mutter Finnigan. âWas sollen denn die Potters von euch denken?â
âDass es hier haargenau so zugeht wie bei unsâ, antwortete Albus. âUnd dass groĂe BrĂŒder auch in Irland auf die Liste der verbotenen Tiere gehören.â
âDu nervst. Ein echter kĂŒnftiger Slytherinâ, antwortete James.
Die Eltern konnten nicht verhindern, dass noch mehr Nettigkeiten hin und her wechselten. Doch Vater Potter war schlieĂlich zufrieden: âWas sich liebt, das neckt sich. Solange sie das im SpaĂ sagen können, ist alles in Ordnung.â
âStimmt, du Klugsch...wĂ€tzerâ, antwortete seine Frau und gab ihm einen Kuss.
ENDE
Eine Fortsetzung unter dem Titel âTodessergĂ€ngeâ erscheint demnĂ€chst
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