von Sunrise
Wir befinden uns in Hogwarts. Es ist wieder Zeit, die jetzigen Fünftklässler zu beraten, um herauszufinden, welcher Beruf für sie geeignet ist. Doch es gibt ein Problem: Luna Lovegood, um es beim Namen zu nennen. Professor Flitwick, ihr Hauslehrer, ist schon an ihr verzweifelt, und nun soll Professor McGonagall es versuchen.
McGonagall sah auf ihren Plan. Miss Lovegood hatten den nächsten Termin zur Berufsberatung. Professor Flitwick hatte ihr nicht helfen können, obwohl er ihr Hauslehrer war, und hatte kurzerhand Professor McGonagall darum gebeten, sich um sie zu kümmern.
Es klopfte.
„Herein!“, sagte McGonagall mit etwas zu hoher Stimme, sie war sich bewusst, was ihr bevorstand. Miss Lovegood war keineswegs gewöhnlich und umkompliziert, nein im Gegenteil. Doch was sollte man auch erwarten, wenn ihr Vater der Chef des Klitterers war?
„Guten Tag“, sagte die verträumte Stimme, die nur ihr gehören konnte. Niemand hatte so eine Stimme, niemand, außer Luna Lovegood.
„Professor Flitwick konnte Ihnen also nicht helfen?“, fragte McGonagall scharf.
„Anscheinend nicht“, entgegnete Luna gelassen und kratzte sich am Kinn.
„Wissen sie denn, was sie später mal von Beruf sein wollen?“
„Ehrlich gesagt, darüber habe ich mir noch nie so richtig Gedanken gemacht, ich habe keine Ahnung von Berufen…“
McGonagalls Gesicht wurde rot, sie lehnte sich ĂĽber den Schreibtisch und sah Luna mit vor Zorn funkelnden Augen an.
„Wofür lagen denn dann überall die Hefte herum, in denen Sie sich über die unterschiedlichen Berufe in der Zaubererwelt informieren können?“
„Das weiß ich nicht, Professor.“
Luna blieb immer noch gelassen, doch sie wollte keineswegs, dass Professor McGonagall sauer war, nein, sie fragte sich tatsächlich, weshalb im Gemeinschaftsraum diese Hefte gelegen hatten.
„Sie haben Sie also nicht gelesen?“, fragte Professor McGonagall mit immer höher werdenden Stimme.
„Nein“, meinte Luna, „Aber schauen Sie mal, ich habe einen Papierflieger damit gebastelt.“ Sie kramte in ihrer Tasche, und zog schließlich einen bunten, glänzenden Papierflieger daraus.
Bleib ruhig, befahl Minerva McGonagall sich selbst und antwortete geringschätzig:
„Toll.“
Doch Luna hatte ihrem Ton angemerkt, dass sie es nicht ernst meinte, und sie schaute Professor McGonagall enttäuscht an.
„Ist er etwa nicht schön?“
„Nein… äh… doch, aber es geht in diesem Gespräch eigentlich nicht um Papierflieger, sondern um den Beruf, den Sie später ausüben wollen.“
Es fiel McGonagall immer noch schwer, nicht die Beherrschung zu verlieren, und sie fragte sich, wie Professor Flitwick das Berufsberatungsgespräch überstanden hatte, wo Miss Lovegood anscheinend weder wusste, was sie später einmal werden wollte, noch sich über die Berufe informiert hatte.
„Und Sie haben nicht zufällig eine Idee, in welche Richtung Ihr späterer Beruf gehen soll?“, fragte sie, ohne eine vernünftige Antwort zu erwarten. Und sie bekam auch keine.
„Können Berufe gehen? Also… ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob es mir lieber wäre wenn mein Beruf nach rechts oder nach links geht.“
Luna machte ein nachdenkliches Gesicht, sie fragte sich, wovon Professor McGonagall redete. Seit wann konnten Berufe in verschiedene Richtungen gehen?
„Ich meine, welches Fach sie bevorzugen. Sie haben doch bestimmt ein Fach in Hogwarts, was sie besser können als die anderen?“
Minerva McGonagalls Stimme wurde immer schärfer, als sie mit Luna redete, doch sie redete sich immer wieder ein, dass sie ruhig bleiben musste.
„Also, ehrlich gesagt…“ (Der Satz fing ja schon wieder gut an) „Ich glaube, ich bin in Pflege magischer Geschöpfe ganz gut“, meinte Luna und kratzte sich erneut am Kinn. „Aber da bin ich mir auch nicht so ganz sicher.“
Um das Gespräch ein bisschen zu beschleunigen, sagte McGonagall:
„Ja, Hagrid hat mir erzählt, dass Sie gut in Pflege magischer Geschöpfe sind. Dann hätten wir doch schon mal eine Richtung.“
„Welche Richtung den jetzt?“ Luna begriff gar nichts mehr. „Rechts oder Links?“
Professor McGonagall stöhnte. Konnte dieses Mädchen nicht ein einziges Mal seinen Mund halten, oder wenigstens etwas konstruktives zur Unterhaltung beisteuern?
„Ist doch egal“, antwortete sie hastig, bevor Luna auf die Idee kommen konnte, noch etwas zu sagen. Doch damit nahm das Unheil seinen weiteren Lauf.
„Mir ist es nicht egal!“, sagte Luna und schaute Professor McGonagall empört an. Wie konnte diese Frau nur glauben, dass etwas egal ist? Immerhin ging es hier um ihren Beruf!
McGonagall starrte verzweifelt aus dem Fenster. Was sollte sie darauf jetzt sagen? Sie durfte nicht die Beherrschung verlieren, doch wenn es so weiter ging, konnte nur noch Professor Dumbledore helfen – und sie konnte doch nicht eingestehen, dass auch sie kläglich an dieser Schülerin versagt hatte.
„Hören Sie zu, es ist für ihren Beruf nicht weiter wichtig, in welche Richtung er geht, außerdem habe ich nicht den Eindruck, dass Sie verstanden haben, was ich damit meine“, McGonagall holte tief Luft und fuhr fort: „Sie mögen magische Geschöpfe, gehe ich Recht in der Annahme?“
„Ja, das tun Sie“, antwortete Luna mit verträumter Stimme.
„Welche Geschöpfe mögen Sie besonders?“, fragte Professor McGonagall.
„Moment mal“, sagte Luna ein wenig empört, „Ich dachte es geht hier um meinen Beruf, und nicht um das Fach Pflege magischer Geschöpfe!“
„Aber um einen Beruf für Sie zu suchen, ist es wichtig, zu wissen, welches Fach Sie mögen, und was Sie an dem Fach besonders mögen.“, entgegnete McGonagall und sah Luna mit einem scharfen Blick an.
„Ich mag Pflege magischer Geschöpfe…“, meinte Luna verträumt und sah aus dem Fenster.
„So weit waren wir schon. Was mögen Sie an dem Fach?“
„Die magischen Geschöpfe.“
„Welche mögen Sie besonders?“
„Hmm…“
Wütend rang McGonagall nach Luft, wenn dieses Mädchen ihr jetzt wieder keine vernünftige Antwort gab, dann konnte es aber etwas erleben! Sie hatte ihre Nerven schon genug strapaziert, schließlich war McGonagall auch nicht mehr die Jüngste.
„Also“, fuhr Luna fort und sah McGonagall wieder aus ihren blauen, verträumten Augen an.
„Am liebsten mag ich die Schrumpfhörnigen Schnarchkackler, auch wenn ich noch nie einen gesehen habe, aber was ich schon darüber gehört habe, ist sehr interessant…“
Beinahe hätte Minerva McGonagall laut gestöhnt, ja, am liebsten hätte sie Miss Lovegood rausgeschmissen, aber sie musste Ruhe bewahren. Dennoch zischte sie:
„Es gibt keine Schrumpfhörnigen Schnarchkackler, nennen Sie ein Wesen, was Sie schon mal wirklich gesehen haben!“
„Hmm… die meisten Wesen, die ich schon gesehen habe, finde ich nicht besonders interessant“, antwortete Luna auf die indirekte Frage. „Darf ich kurz nachdenken, Professor?“
„Tun Sie das“, meinte McGonagall, in der Hoffnung, danach eine präzise und zum Gespräch beitragende Antwort zu bekommen. Doch plötzlich drehte Luna sich auf ihrem Stuhl um, so dass sie schließlich mit dem Kopf nach unten und den Beinen in der Luft dasaß.
Auf Professor McGonagalls seltsamen Blick hin erwiderte sie:
„So kann ich besser nachdenken… es macht Ihnen doch nichts aus, oder, Professor?“
„Nein, absolut nicht“, sagte McGonagall (und jeder – ausgenommen Luna Lovegood natürlich – hätte ihrer Stimme die triefende Ironie angemerkt).
Luna pfiff beim Nachdenken vor sich hin und murmelte seltsame Sachen, und als sich an diesem Zustand nach fünf Minuten immer noch nichts geändert hatte, fragte Professor McGonagall ungeduldig:
„Sind Sie inzwischen zu einem Ergebnis gekommen?“
„Oh ja, aber ich dachte, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich noch weiter nachdenke.“
„Wir sollten hier keine Zeit vergeuden, sagen Sie einfach, welche magischen Wesen Sie besonders interessant finden, und nennen Sie bitte nur magische Wesen, die Sie schon mit ihren eigenen Augen gesehen haben.“
„Okay…“, sagte Luna, und schaute verträumt aus dem Fenster. „Moment, woran hatte ich gerade noch mal gedacht? Entschuldigen Sie, Professor, ich glaube, ich habe es vergessen.“
Schon wieder war McGonagall kurz davor gewesen, laut zu stöhnen, aber kühn bewahrte sie die Ruhe.
„Dann denken Sie noch einmal nach“, versuchte sie Lunas Gedanken zu beschleunigen. Doch:
„Ah, ich habe es wieder!“, rief Luna und hüpfte vor Aufregung auf ihrem Stuhl auf und ab.
„Dann sagen Sie es, bevor Sie es wieder vergessen“, meinte McGonagall, und wartete gespannt auf die Antwort (die natürlich mit einigen Sekunden Verzögerung kam).
„Also… ich mag die Thestrale… die sind interessant… Flubberwürmer mag ich nicht so, die sind so glitschig, aber Zentauren sind auch interessant… da wäre nur das Problem, dass sie keine Menschen mögen...“
„Dann haben wir doch schon etwas. Wenn Sie Thestrale interessant finden, dann fänden Sie es doch ganz bestimmt interessant, sich mit denen zu beschäftigen, habe ich Recht?“ Langsam riss Professor McGonagall der Geduldsfaden, und gespannt wartete sie auf Luna Lovegoods Antwort.
„Hmm, ja, aber irgendwie sind Schrumpfhörnige Schnarchkackler und Schlibbrige Summlinger doch interessanter, oder? Ich meine, sich mit Geschöpfen zu beschäftigen, die noch nie jemand gesehen hat, ist doch auch nicht schlecht, oder?“
Wieso, WIESO um Himmels Willen musste dieses Mädchen immer alles kompliziert machen?
„Es gibt sie aber nicht!“ Fast schrie McGonagall, doch Luna blieb ruhig.
„Haben Sie dafür Beweise?“
„Nein, aber… das ist doch alles völliger Schwachsinn.“
„Ist es gar nicht!“
Lunas Empörung spiegelte sich auf ihrem Gesicht deutlich wieder, und beide – Professor McGonagall und Luna Lovegood – hatten sich inzwischen von ihren Stühlen erhoben und sahen sich mit vor Zorn funkelnden Augen an.
„Werden sie vernünftig!“, zischte Professor McGonagall, die ihre Beherrschung inzwischen völlig verloren hatte. „Mir ist es egal, wenn wir hier keinen Beruf für sie finden, aber dann dürfen sie sich bei mir nicht beschweren. Kein Wunder, dass Flitwick ihnen nicht helfen konnte.“
Auch Luna wurde immer wĂĽtender, und beugte sich ĂĽber den Tisch als sie sagte:
„Sie können nicht beweisen, dass es Schrumpfhörnige Schnarchkackler nicht gibt, also können Sie auch nicht sagen, dass das Schwachsinn ist.“
„Dann beweisen Sie doch, dass es sie gibt! Werden Sie Artenforscherin und beweisen sie der Welt, dass es „Schrumpfhörnige Schnarchkackler“ gibt. Wenn Sie in dem Beruf pleite gehen, ist es nicht meine Schuld.“
„Okay, dann werde ich Artenforscherin“, sagte Luna trotzig und erhob sich von ihrem Platz. Erleichtert seufzte McGonagall.
„Dann sind wir aber immer noch nicht fertig“, sagte sie. „Da Sie sich ja nicht über die einzelnen Berufe informiert haben, muss ich das ja tun.“
„Tun Sie das“, sagte Luna kalt und setzte sich wieder.
„Erst mal müssen wir klären, welche Fächer sie dann nehmen müssten. Sie brauchen natürlich Pflege magischer Geschöpfe, und außerdem Alte Runen, Wahrsagen, Verwandlung und Verteidigung gegen die dunklen Künste.“
„Wofür brauche ich das denn alles, wenn ich doch nur Artenforscherin bin?“, fragte Luna mit ausdruckslosem Gesicht.
„Sie müssen Runen lesen können, weil es viele alte Bücher über magische Geschöpfe gibt, die in Runen geschrieben sind. Wahrsagen brauchen Sie“ (Professor McGonagall rollte die Augen und schnaubte verächtlich) „um vorhersagen zu können, wann ein Geschöpf sich wo aufhält – eigentlich ist das alles Schwachsinn, aber so sind eben die Vorgaben. Außerdem müssen Sie sich vielleicht mal in ein Tier verwandeln – also unter Umständen ein Animagus werden, um bestimmte Arten von Geschöpfen zu entdecken. Viele Geschöpfe fliehen vor Menschen. Und Verteidigung gegen die dunklen Künste ist immer gut.“
„Aha“, sagte Luna verträumt, und fragte gleich darauf: „Gibt es noch etwas zu klären, oder sind wir jetzt fertig?“
„Ich denke, wir haben alles geklärt“, antwortete Professor McGonagall, erleichtert, Luna endlich entlassen zu können. Dieses Gespräch hatte sie den letzten Nerv gekostet, und sie war froh, dass sie Miss Lovegood nicht zu Professor Dumbledore hatte schicken müssen – allerdings war sie kurz davor gewesen.
„Bald wird die ganze Welt wissen, dass es den Schrumpfhörnigen Schnarchkackler gibt“, sagte Luna, die in ihrem verträumten Hüpfschritt zur Tür ging.
McGonagall begleitete Luna zur Tür, öffnete sie für sie und wollte sie gerade schließen, als Luna noch einmal den Mund öffnete, um eine Frage zu stellen, die ihr noch immer auf den Lippen brannte:
„Sagen Sie, in welche Richtung geht der Beruf den jetzt?“
Was dann passierte, können Sie, werter Leser, sich sicherlich denken:
Minerva McGonagall schlug die Tür zu, und machte sich an diesem Abend noch auf dem Weg zum Krankenflügel, um sich von Madam Pomfrey ein starkes Beruhigungsmittel verschreiben zu lassen, und diese gab ihr – als McGonagall die ganze Geschichte noch einmal erzählt hatte und dabei fast in Ohnmacht gefallen wäre - den Rat, erst mal keine Berufsberatungsgespräche zu führen und sich einige Tage zu erholen, was Professor McGonagall allerdings strikt ablehnte, da sie ja nicht riskieren konnte, dass jemand etwas von diesem Gespräch zwischen ihr und Miss Lovegood erfuhr. Doch trotzdem – Minerva McGonagall erholte sich nie wirklich von diesem Tag, der seitdem zu ihrem Unglückstag wurde.
Was weiter bezüglich dieses Berufsberatungsgespräches geschah, ist bislang noch unklar, allerdings werden ich Sie informieren, falls es dazu Neuigkeiten gibt.
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