von Godess_Artemis
Die Nachricht an den Zaubereiminister
Ramirez staunte nicht schlecht als er die Räumlichkeiten der Benefizveranstaltung endlich erreicht hatte. Nachdem er sich durch zig Kontrollen mit Geheimnisdetektoren und Leibesvisitationen gekämpft hatte, stand er nun vor den kunstvoll verzierten Flügeltüren des Herrenhauses eines der höchsten Beamten des Zauberergamots, der heute zu Ehren irgendeines Keine-Ahnung-wievielten-Bestehens-eines-Gesetzes in seinem Haus dieses Event veranstaltete. Die Sicherheitsvorkehrungen waren jedenfalls höchste Stufe, sogar noch heftiger als in Gringotts.
Merlin, war er froh dass er endlich hier war, das dauernde Rumgefuchtle mit allerhand verschiedenen Gerätschaften und Zauberstäben machte ihn ganz kirre.
Der Spanier hatte schon auf dem Zufahrtsweg eine erste Leibesvisitation über sich ergehen lassen müssen, seinen Zauberstab zur Sicherheit in Verwahrung geben müssen solange bis er die Veranstaltung wieder verlassen würde und eine glaubhafte Erklärung für die unabdingbare Notwendigkeit der Anwesenheit des Ministers im Aurorenbüro hervorgebracht. Fast eine Stunde hatte er gebraucht um hierher zu kommen.
Patrick hatte in der Zwischenzeit bestimmt schon Schimmel angesetzt bis er wieder zurückkam.
Ramirez straffte die Schultern, drückte die Brust eindrucksvoll heraus und öffnete dann wild entschlossen die Flügeltüren. Falls Pat und er den Fall weiterbearbeiten durften, standen ihre Chancen auf einen baldigen Aufstieg innerhalb des Ministeriums nicht schlecht und dann würde der kleingeratene Auror endlich von seinen Kollegen akzeptiert werden müssen.
Und ein bisschen mehr Selbstvertrauen wäre für das Nesthäkchen ihrer Crew wirklich nicht schlecht!
Beim Anblick des Festsaales stockte allerdings auch dem sonst so gefassten Ramirez für einen Moment der Atem, so sehr nahm ihn alles gefangen. Er musste hart schlucken um den plötzlichen Klos in seinem Hals loszuwerden. Verdammt war das groß!
Die Ausmaße des Salons, in dem die Party größtenteils stattfand, waren beeindruckend. Hier konnte man locker ein ganzes Opernhaus unterbringen. Genauso viele Menschen wuselten auch in dem nach oben hin endlos scheinenden Raum (Ramirez vermutete stark, dass es nicht nur an der Bauart der Decke mit den Rundbögen lag, sondern dass da ein Zauber diese Illusion bewirkte) durcheinander, ihre Stimmen und deren Echo verursachten bei dem Spanier unangenehmes Ohrensausen.
Alles wirkte protzig und Aufmerksamkeit heischend, so auch der im Schachbrett - Muster mit schwarzem und weißem Marmor geflieste Boden, welcher auf Hochglanz poliert worden war, bevor ihn die geladenen Gäste als Tanzfläche missbrauchen durften und selbst die Musik war exquisit - eine extra aus ganz Europa zusammengestellte Gruppe aus Musikgenies spielte an diesem Abend nur für die hohen Gäste auf. Morgen würden sie sicherlich mit einem dicken Gehaltsscheck zurück nach Hause in ihre jeweiligen Länder gebracht werden.
Überall standen kleinere Grüppchen in der Gegend herum, die sich über Politik, Kunst oder die aktuellen Skandale der betuchten Gesellschaft ausließen. Einige unter ihnen waren auch Reporter von der Presse und dem magischen Rundfunk. Die Damen trugen überwiegend die neusten Trends der Modewelt(lange wallende Kleider aus teueren Stoffen zusammen mit überdimensionalen Sonnenhüten, Armketten und Colliers) zur Schau, während ihre Männer die alten massgefertigten Anzüge hervorgekramt hatten und etwas nervös an ihren engsitzenden Krawatten herumzupften. Die meisten gruppierten sich in direkter Nähe des einladenden Buffets.
Ramirez schlängelte sich vorsichtig durch die Massen als er seinen ehemaligen Lehrmeister erblickte. Incognito sah er nicht viel anders aus als die restlichen Partygäste, nur dass er ein eher gelangweiltes Gesicht zur Schau trug als die künstlichen Lächeln der Damen oder einen genervten Flunsch zog wie deren Ehegatten. Außerdem sah man seiner Kleidung etwas das nicht ganz so großzügige Gehalt eines Auroren an. Trotzdem machte er einen beeidruckenden Anblick aus wie er in seinem dunkelroten Anzug mit stoischer Gelassenheit am Buffet-Tisch lehnte, ein Glas Rotwein an den Lippen, obwohl er noch kein einziges Mal daran genippt hatte und es auch den restlichen Abend nicht tun würde - immerhin war er im Einsatz.
Natürlich waren die Auroren, die zum persönlichen Schutz des Ministers abbestellt worden waren ebenfalls in dessen Nähe zu erwarten gewesen.
Unauffällig lies Ramirez seinen Blick über die Leute wandern in der Hoffnung den Zaubereiminister schnell zu entdecken. Weit konnte er nicht weg sein, wenn seine Leibwächter hier waren! Der Spanier hatte Glück, der Minister(heute abend in gewagtem Veilchenlila mit passender Krawattennadel) unterhielt sich etwa zehn Meter links von ihm mit dem japanischen Zaubereiminister, der gegen ihn eine recht farblose Figur abgab so ganz in dezentem Dunkelgrau. Beziehungsweise er redete und der ärmste Mr. Yamamoto musste ihm zuhören. Zielstrebig ging Ramirez auf die beiden Zaubereiminister zu um das einseitige Gespräch schnell zu Ende zu bringen.
Vorsichtig näherte er sich den beiden Männern von der Seite, damit sie ihn sofort erkennen konnten und nicht für einen aufdringlichen Stalker oder so hielten. „Mr. Spavin, könnte ich sie kurz sprechen?“, fragte er nervös.
Der britische Zaubereiminister wandte sich überrascht zu ihm um. „Kennen wir uns?“
Ramirez hatte nie persönlichen Kontakt zum Minister gehabt und wusste nicht, wie er auf diese Frage antworten sollte ohne zu lügen. Ja, sie arbeiteten für die selbe Behörde. Nein, sie hatten noch nicht ein einziges Mal miteinander gesprochen. Nicht einmal am Tag seines Einstandes in „DER FIRMA“, wie das Zaubereiministerium unter den Angestellten nüchtern bezeichnet wurde, als alle Azubis vorgestellt und für die Pinnwand fotografiert wurden.
Vielleicht war damals mehr das Aufpolieren des Image ein Grund für die Aktion und der Zaubereiminister hatte seinen Namen schon längst wieder vergessen?
„Wir sind uns schon desöfteren über den Weg gelaufen - im Ministerium.“, versuchte Ramirez dem Gedächtnis des Älteren auf die Sprünge zu helfen.
„Hm, tut mir wirklich leid, aber ich kann mir nicht alle Gesichter merken, die ich irgendwann mal gesehen habe. So gut ist mein Gedächtnis nun auch wieder nicht.“, erwiderte Mr. Spavin. „Sind Sie sicher, dass wir uns kennen?“
Dem Spanier fiel auf, dass er sich noch nicht mit Namen vorgestellt hatte. Vielleicht hatte er Glück und der Mann kannte seinen Namen aus seiner Personalakte. „Mein Name ist Ra...“
Ein Schatten hinter sich erregte die Aufmerksamkeit der drei sich im Gespräch befindlichen Personen.
„Mr. Davidson, warum kommen Sie so auffällig zu uns herüber?“, brummte dessen Arbeitgeber verstimmt, immerhin wollte er diesen Abend geniesen ohne dauernd daran erinnert zu werden, dass er nicht der Liebling aller war und es durchaus Leute gab, die ihn gerne abgesetzt hätten oder sogar endgültigeres.
„Ich hatte den Eindruck eingreifen zu müssen, Sir. Nicht dass sie von dem Guten hier einen schlechten Eindruck zurückbehalten.“, meinte Ramirez` Lehrmeister Jonathan Davidson und legte seinem ehemaligen Schützling beruhigend die Hand auf die Schulter, auch wenn er sich wegen des Größenunterschieds etwas strecken musste. Kein Wunder, dass Ramirez alle bedrohlich empfanden - dabei war der Spanier so ein Netter! „Ramirez Corona arbeitet schon seit zwei Jahren für uns im Aurorenbüro! Er war bis vor einem Jahr mein Untergebener. Hat bei seinem Eignungstest mit Ohnegleichen bestanden und ist einer unserer besten Auszubildenden.“
„Oh, dann gehören Sie ebenfalls zur heutigen Schutztruppe nehme ich an?“, fragte der Mr. Spavin ausgesucht höflich. „Ich hoffe Sie machen Ihre Sache bisher gut. Oder ist draußen etwas vorgefallen, sollen wir Evakuierungsmaßnahmen einleiten?....“
Ramirez kam kaum dazu etwas einzuwenden als der Minister wie ein Wasserfall zu reden begann. Zum Glück griff sein ehemaliger Ausbilder rettend für ihn ein - er selbst dürfte es sich in seiner Position nie erlauben dem Zaubereiminister dazwischen zu reden. „Nein, eigentlich ist nichts vorgefallen und Mr. Corona gehört auch nicht zur Schutztruppe. Deshalb würde es mich brennend interessieren wieso er trotzdem hier ist.“
„Ich...also...es...wir haben neue Hinweise erhalten in einem alten Fall ...der auch sie betrifft und wir ...also Mr. Greene, mein Partner, und ich dachten wir sollten Sie als erstes von den neuen Beweisen in Kenntnis setzen.“, stammelte der sonst so nervenstarke Spanier nervös wie ein Schuljunge und reichte dem Zaubereiminister den Tippstreifen mit den Zauberstabdaten.
„Länge: achtdreiviertel Zoll....Kern: Feder eines Pegasus....Holz: Erle...im Gebrauch seit sechs Jahren....“, las Mr. Spavin ab. „Das sind doch die Daten eines Zauberstabes oder nicht? Was soll an denen so spektakulär sein?“, wollte der Minister verblüfft wissen.
„Mr. Spavin, sie wissen doch dass keine zwei Zauberstäbe jeweils gleich sind und diese Daten...sie stammen von einem Zauberstab, den wir vor kurzem in einem Fall als Beweismittel sichergestellt haben.“, erklärte Ramirez, nun wieder gelassen, geduldig und fügte ergänzend hinzu. „Es ist der Zauberstab ihres Sohnes.“
Der japanische Minister, der ihr Gespräch unsicher mit verfolgt hatte betrachtete die betroffenen Gesichtsausdrücke und fragte in gebrochenem Englisch nach: „Spavin-san, geht es Ihnen gut? Haben Sie eine schlechte Nachricht erhalten?“
„Nein, nein, Mr. Yamamoto.“, versicherte ihm der Minister hastig. „Sicher nicht. Eine gute Nachricht. Ich...ich muss kurz weg um etwas zu klären, könnten Sie unserem überaus liebenswürdigen Gastgeber bitte meinen Dank für diese Festivität ausrichten und Ihm sagen, dass es mir leid tut dass ich die Party so schnell verlassen musste?“, bat der Zaubereiminister und deutete eine kleine Verbeugung zum Abschied an.
„Natürlich sehr gerne, Spavin-san.“, antwortete der ausländische Gast und machte sich sofort auf den Weg die Nachricht zu überbringen.
„Und Sie sagen mir alles was Sie bisher zu dem neuen Fall wissen! Davidson, Sie kommen ebenfalls mit!“, meinte der britische Minister bestimmt und zu dritt verließen sie die Veranstaltung. „In diesem speziellen Fall will ich dass nur meine besten Mitarbeiter daran arbeiten und Sie gehören zweifellos zu den Besten ihrer Generation.“
So und zum Schluss noch ein bisschen Hintergrundwissen zu Mr. Spavin, Alexander's Daddy, der hier zum ersten Mal in Natura auftaucht:
(zur Erinnerung: die Geschichte spielt in etwa im Sommer 1899)
*Faris "Spundloch" Spavin war von 1865 bis 1903 Zaubereiminister. Sein Beiname "Spuntloch" heißt im Original: Spout Hole und das bedeutet, dass er alle mit seinem unaufhörlichen Redefluß übergossen hat (Spout = Abflußrohr, Ausfluß, im übertragenen Sinn: jemanden zutexten).
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel