von Jo Thompson
Für Nadja, wegen Regen und Dramatik. Für Fabienne, wegen Lachen und durchgemachten Nächten.
Und weil sie beide mir beide treue Leserinnen und Freundinnen sind.
I. Remus
Fassungslos starrte Tonks auf ihren Zauberstab. Gerade sprühten daraus zum dritten Mal die blauen Funken. Positiv. Wirklich positiv!
Sie wusste nicht genau warum sie das so überraschte. Vielleicht, weil ihr Mann ein Werwolf war, und sie nicht gedacht hatte, dass so etwas möglich war, vielleicht aber auch, weil sie einfach nicht erwartet hatte, dass es in dieser dunklen Zeit noch so etwas wie einen Lichtblitz geben konnte.
Langsam stand sie auf und lief hinunter in die Küche ihres Apartments. Sie wusste nicht genau, was sie nun tun sollte. Eigentlich freute sie sich. Ja, das tat sie.
Bei Merlins alten, verfaulten Zähnen! Sie würde Mutter werden!
Was Remus wohl sagen würde? Kichernd hüpfte sie zum Vorratschrank hinüber. Er würde bestimmt eine Panikattacke kriegen. Aber trotzdem, freuen würde er sich, dessen war sie sich sicher! Schliesslich war es ihr Kind. Halb Remus, halb Tonks. Vor ihren Augen erschien in Windeseile ein Bild von einem kleinen Remus mit pinken Haaren. Sie lachte.
Hmm... Wie sollte sie es Remus wohl sagen? Gerade heraus, oder mit einem kleinen Hinweis, wie einer Babysocke? Würde er das wohl schnallen?
Sie entschied sich dafür, ihm ein hübsches Essen zu kochen und es ihm dann zu sagen. Da gab es nur ein kleines Problem. Sie konnte nicht kochen. Schon der erste Versuch, Pastetenteig mit Hilfe des Zauberstabs anzurühren, endete in einem Desaster. In der ganzen Küche klebten Eier und Teigfetzen an den Wänden und Tonks war über und über mit Mehl bestäubt. So ihrer Sicht beraubt, stolperte sie über einen Stuhl und hing schlussendlich kopfüber vom Tisch.
Als Remus rein kam sah er erst mal nur ihren Hintern und ein paar zappelnde Beine.
Grinsend zog er seine Frau vom Tisch.
„Na?“, sagte er und strich ihr Mehl und Haare aus dem Gesicht. „Was sollte das denn werden?“
„Pasteten“, antwortete sie und deutete mit einem frustrierten Bilck auf die Teigfetzen an der Wand.
„Ach so“, erwiderte Remus, „ich dachte schon, hier seien die Todesser eingefallen!“
„Neee, meiner steht immer noch brav vor dem Haus und versucht wie ein Muggel auszusehen!“
Ihr Mann warf einen Blick aus dem Fenster. „Wann er wohl begreifen wird, dass diese eng anliegenden Jeans für Frauen sind?“
„Wird wohl noch ne Weile dauern“, kicherte Tonks und leckte sich etwas Teig von der Nase. Dazu liess sie ihre Nase krumm werden, wie eine Banane, damit sie mit der Zunge ran kam.
Lächelnd beobachtete Remus sie. Als sie fertig war, fügte er hinzu: „Übrigens ist das kein Todesser. Das ist einer, der fürs Ministerium arbeitet.“
Tonks blickte ihn betrübt an. „Schon schlimm. Die haben jetzt quasi unbegrenzt Zugriff auf ?Arbeitskräfte'.“
Remus nickte und fragte dann, auf die Sauerei deutend: „Womit hab ich mir das hier eigentlich verdient?“
Ihr Blick hellte sich schlagartig auf. „Ich hab eine Überraschung für dich!“
„Sooo?“ Grinsend setzte er sich auf einen Stuhl, der noch einigermassen von der Eierattacke verschont geblieben war. „Was denn?“
„Aaaalsoo“, sagte sie gedehnt. „Ehm, du kennst doch die Story mit den Mondkälbern und den Gnomen, oder?“
„Ja. Und?“
„Hmm, also da haben sie doch so eine Werkstatt und soo...“
„Worauf willst du hinaus?“
„Hmm, also, stell dir vor, ehm, ich und du, seien sozusagen die Werkstatt?“
Immer noch sah Remus sie irritiert an. „Ich versteh immer noch n -“ Dann machte es klick. Entsetzt starrte er auf Tonks und dann auf ihren Bauch. „Bei Morganas Tochter! Dora, bitte sag mir, dass das nicht wahr ist!“
Mit grossen Augen sah sie ihn an. „Ehm, was denn? Also ich meine: du wirst Vater! Und ich Mutter“, fügte sie unnötigerweise hinzu und setzte sich auf den freien Stuhl neben Remus.
Wie von der Tarantel gestochen sprang Remus nun auf und packte seine Frau an den Schultern. „Dora! Das ist nicht wahr, oder?“
„Was? Natürlich ist es wahr! Remus, wir bekommen ein Kind.“
Erschöpft sank ihr Mann auf seinen Stuhl zurück und vergrub sein Gesicht in den Händen.
„Fr... Freust du dich denn gar nicht?“, fragte Tonks.
„Ob ich mich freue? Dora, dieses Kind wird sein wie ich! Wie konnte ich das nur tun? Wie konnte ich dir das nur antun?“ Er raufte sich die Haare. „Wie konnte ich das einem Kind nur antun? Einem unschuldigen Kind!“
„Aber Remus, es ist doch gar nicht gesagt, dass es so wird! Und selbst wenn es so ist, wir schaffen das! Remus es ist ein Teil von uns! Ein Teil von mir und einer von dir!“ Beim letzten Teil liefen ihr die Tränen über die Wangen.
Er sah sie an. Sein Blick wurde kalt. Mit einer knurrenden Stimme, die mehr an die eines Wolfes, als an die eines Menschen erinnerte sagte er: „Dora, selbst wenn es normal wird, wird es das Kind eines Werwolfs sein. Alle würden über es verspotten. Das Kind eines Monsters. Es wird mich dafür hassen! Mein eigenes Kind wird mich hassen!“
Entsetzt sah Tonks ihren Mann an. Dann stand sie auf und nahm ihn in die Arme. „Du bezeichnest dich selbst als Monster? Remus, du bist kein Monster! Du bist mein Mann und du wirst ein wunderbarer, wunderbarer Vater werden!“
Er schüttelte sie ab und stand auf. „Nein“, sagte er kalt. Er wirkte nun wölfischer als je zuvor. Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet. „Nein! Du sollst es besser haben. Es soll es besser haben! Geh zu deinen Eltern. Sie werden für dich sorgen!“
Dann verliess er das Haus und liess Nymphadora alleine zurück. Das Letzte, was sie von ihm hörte, war der Knall, als er apparierte.
Erschöpft sank sie auf ihren Stuhl zurück und weinte. Ohne ein einziges Geräusch. Das einzige was sich bewegte, waren ihre fliessenden Tränen.
Drei Tage lang versuchte Remus, den Todesser abzuhängen, der ihn verfolgte. Längst hatte er den Entschluss gefasst, Harry zu suchen und mit ihm zu gehen. Und schliesslich gelang es ihm auch, sein Anhängsel abzuschütteln. Sofort apparierte er zum Grimmauldplatz Nummer 12.
Buch S. 210 - 221
Immer noch brausend vor Wut, lief Remus durch Londons Gassen. Wie hatte Harry so etwas nur sagen können? Verstand er denn nicht, dass er all das nur tat, um Tonks und das Kind zu schützen? Warum verstand niemand, dass er all den Menschen, die er liebte, nur schaden konnte? Er war kein Feigling!
„Doch, das bist du!“, sagte eine böse kleine Stimme in seinem Hinterkopf. „Du läufst weg und versteckst dich vor der Verantwortung!“
Wütend schüttelte Remus den Kopf und ignorierte die Stimme.
Plötzlich sah er überrascht auf und bemerkte, wo er gelandet war. Direkt vor dem Tropfenden Kessel. „Na dann“, dachte er und betrat die Kneipe.
Kaum hatte er einen Fuss über die Schwelle gesetzt, stürmte auch schon Tom, der zahnlose Wirt auf ihn zu. „Stopp!“, rief der, „Du bist hier Falsch! Tiere wie du gehören eine Gasse weiter!“
Bestürzt sah Remus den Buckligen an. Viel hatte sich geändert.
„Sag mal hörst du schlecht, Wolf? Du bist hier nicht erwünscht!“
Remus zuckte zurück und stolperte über die Schwelle. Rücklings lag er nun vor der Tür des Tropfenden Kessels. Als ihm Tom dann auch noch die Tür vor der Nase zuschlug, donnerte es, der Himmel entlud sich und es begann zu Regnen.
Langsam stand er auf und zog sich die Kapuze seines alten Umhangs tief ins Gesicht. ?Wie tief ist bin ich nun schon gesunken?', fragte er sich, als er humpelnd die Nokturngasse betrat.
„Viel zu tief!“, antwortete die Stimme und kicherte böse.
Vor der Kneipe Zum Gehörnten Wolf, blieb er stehen. „Wie passend“, murmelte er und trat ein. Drinnen war es so gut wie leer. An einem Tisch sassen zwei alte Hexen, mit Warzen, gross wie Taubeneier und an der Theke hockte ein merkwürdiges Geschöpf, dass Remus bei näherem Betrachten als Kobold ohne Nase und Ohren identifizierte.
Seufzend ging er zur Theke und bestellte bei der Schankfrau ein Butterbier.
„Sowas gibt's hier nicht, Schätzchen“, sagte die Hexe und enthüllte beim Grinsen einen zahnlosen Mund.
Verblüfft sah Remus sie an. Die Hexe war höchstens dreissig! Wo waren ihre Zähne? Fast hätte er gefragt, aber er konnte sich grad noch zurückhalten. „Ehm, na dann, ein Feuerwhiskey, bitte.“ Das war dem Anlass auch eher angemessen.
Kichernd beugte sich der Kobold zu ihm rüber und zeigte ihm seine spitzen Zähne. „Harter Tag, was?“
Remus nickte nur und griff nach dem viel zu grossen und bis obenhin gefüllten Glas, das die Hexe ihm hingestellt hatte.
„Mach dir nichts draus, Junge“, schnarrte der Kobold weiter und bohrte in dem Loch, wo früher mal sein rechtes Ohr gewesen sein musste. „Wir andern haben's auch nicht so leicht!“
„Soo? Na, ich bin mir sicher, meine Probleme willst du nicht haben!“
„Jaa, das glaub ich auch“, kicherte der Kobold. Er war eindeutig betrunken und tatsächlich nippte er an einem Getränk. Erst jetzt bemerkte Remus, was der Kobold da trank. Es war eine braune Brühe, in der allerlei komische Sachen schwammen. Er glaubte etwas Ähnliches wie ein Auge zu sehen, aber bevor er es sich näher ansehen konnte, hatte der Kobold es sich runtergekippt.
„Aber weißt du, Junge, ich hab selber schon genug!“ Als Remus nicht antwortete, fuhr er einfach fort.
„Hab mal bei Gringotts gearbeitet, weißt du? Hatte 'n guten Job und war weit oben! Mein Mädchen war die hübscheste Koboldfrau in ganz England und wir hatten sogar 'n Kind. Berbök hiess er. Prachtjunge. Alles war gut. Nur fanden die Leute in Gringotts ich hätte zu viele Freunde wie dich.“
„Freunde wie mich?“, fragte Remus mechanisch.
„Menschen“, knurrte der Kobold. „Naja, und dann hat mich eines Tages dieser eingebildete Genuk (A/N: Koboldogack für Kerl) zu sich gerufen. Griphook, weißt du? Der sagte: „Gornuk“, das ist mein Name, weißt du? „Du bist ein grosser Mitarbeiter“ Grosser Mitarbeiter, das sagte er! „Deshalb sollst du das Verlies der Les - na ja, ein Verlies eben, umräumen.““
„Umräumen? Klingt nicht so wichtig!“
„Pah“, sagte der Kobold und machte eine abschätzige Handbewegung, „Das soll dir egal sein, ist 'n wichtiges Verliess, soviel kannst du wissen. Und ist was Wichtiges drin. Aber wie auch immer. Das Verliess ist gut bewacht, also war's gefährlich. Ist ein Geheimnis von Gringotts wer es bewacht. Und ich war dann unten und da ist das passiert!“ Er deutete auf die Löcher, die früher mal Ohren und Nase gewesen sein mussten.
„Die bei Gringotts haben gesagt, dass so was vorkommt. Durfte allerdings meinen Job nich behalten. War unfähig, hiess es. Und sieht ja auch nich so schön aus, deshalb war meine Frau auch weg, mit Sohn. Jetzt sind auch die Freunde weg. Menschen. Was für eine Ironie, nich war? Sobald die Ohren und die Nase weg sind, sind auch Frau, Kind, Job und Freunde weg!“
Remus antwortete nicht.
„Und du? Du hast Ohren und Nase noch, oder?“
„Jaa.“
„Und deine Frau? Dein Kind?“
Lange sah Remus den Kobold an, ohne zu Antworten. Dann legte er ein paar Münzen auf den Tisch und eilte hinaus. Der Regen hatte keine Zeit mehr, auf seinen Kopf zu prasseln, so schnell war er disappariert.
Zwei Minuten später stand er vor der Tür der Familie Tonks. Langsam hob er die Hand und betätigte den Türklopfer. Es ging eine Weile, bis sich die Tür öffnete. Vor ihm stand Tonks. Sie trug einen blauen Pyjama mit Bären drauf und in der Hand hatte sie eine Riesenpackung Eis in der ein Kochlöffel steckte. Ihr Haar war mausbraun und streichholzkurz Sie schien sehr mitgenommen.
Als sie Remus erblickte, sah sie erst aus, als wüsste sie nicht, ob sie ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, oder ihn lieber abküssen sollte. Sie entschied sich weder für das eine noch das andere. Stattdessen fragte sie ihn nur: „Was ist?“
„Ich... möchte mich entschuldigen!“
Sie sagte nichts.
„Ich weiss, das klingt jetzt alles nach Floskeln, aber es tut mir wirklich Leid! Ich war ein Idiot, und ich hätte dich niemals alleine lassen sollen! Ich liebe dich, und möchte bei dir sein. Bei dir und dem Kind!“
Sie sah ihn immer noch mit grossen Augen an. Dann senkte sie den Blick. „Meinst du das auch ernst? Denn weißt du, wenn du wieder gehst, werd ich wohl mehr als drei Packungen Erdbeereis verlieren!“
Das brachte Remus zum Lachen. Glücklich nahm er seiner Frau das Eis aus der Hand und küsste sie. „Ich meine es ernst. Und ich werde nicht weggehen!“
Stürmisch fiel sie ihm um den Hals und drückte ihn an sich.
„Hey, hey, nicht so wild“, sagte Remus, und löste sich von ihr. „Du hast jetzt schliesslich ein Baby in dir. Da musst du besser aufpassen!“
„Jaja“, sagte Tonks ungeduldig, aber mit einem breiten Lächeln. Sie hatte ihren Remus wieder.
II. Ron
Ron war genervt. In letzter Zeit hatte er immer weniger von Hermine. Er hatte zwar gewusst, dass sie auf diesem Trip nicht gross Gelegenheit haben würden, um zusammen zu sein, aber warum hatte er nur das Gefühl, dass sie sich immer besser mit Harry verstand? Immer öfters waren die beiden zusammen und heckten Pläne aus er stand aussen vor.
Es war besonders schlimm an den Tagen, an denen er das verdammte Medallion tragen musste. Es machte ihn fertig. Es liess ihn Dinge denken, die... die ihn fertig machten. Und an diesem Tag war es einfach zu viel!
Buch S. 318
„Ich...“, sie wirkte gequält. „Ja - ja, ich bleibe. Ron, wir haben gesagt, wir gehen mit Harry, wir haben gesagt, wir helfen -“
„Ich versteh schon. Du entscheidest dich für ihn.“
„Ron, nein - bitte - komm zurück, komm zurück!“
Ihr eigener Schildzauber behinderte sie; als sie ihn schliesslich entfernt hatte, war Ron schon in die Nacht hinausgestürmt.
Schluchzend stolperte sie hinter ihm her. „Ron. Ron, bitte!“ Ihre Tränen vermischten sich mit dem Regen, als sie durch die Gebüsche rannte und die Dornen ihre Hosen zerfetzten.
Auf der nächsten Lichtung blieb Ron stehen und drehte sich zu ihr um. Hermine stolperte und fiel auf die Knie.
„Ron - bitte - bleib hier!“ Tränen liefen ihr über die Wangen und ihre Locken hingen ihr ins Gesicht. Langsam streckte sie die Hand nach ihm aus. „ Du hast es versprochen!“, flüsterte sie.
Hart sah er sie an. Dann hob er den Zauberstab und disapparierte.
„NEEEIIIN!“, schrie Hermine auf und sackte zusammen. Schluchzend kniete sie am Boden. Die Augen starr auf die Stelle gerichtet an der Ron verschwunden war. „Nein“, weinte sie leise, „du hast es versprochen!“
Buch S. 390 - 393, 406
Bei Bills und Fleurs Haus, Shell Cottage, regnete es nicht. Ron stand immer noch unentschlossen vor der Tür und überlegte, ob er wirklich klopfen sollte. Aber eigentlich hatte er keine andere Wahl. Nachdem er disappariert war, hatte ihn eine Bande von Kerlen geschnappt, die ihn unbedingt beim Ministerium hatten abliefern wollen. Merlin sei Dank waren sie nicht die hellsten gewesen und er war ihnen schnell entkommen. Leider aber nicht schnell genug. Harry und Hermine waren bereits weg gewesen.
Beim Gedanken an Hermine wurde ihm schlecht. Warum war er nur gegangen? Sie hatte ihn angefleht und er war einfach gegangen. Er hatte es ihr versprochen und doch war er nicht geblieben. Ron fühlte sich hundeelend.
Diese elenden Kerle. Er hatte sofort zurück apparieren wollen aber diese Idioten hatten ihn ja unbedingt aufhalten müssen. Diese Mistkerle!
Erschöpft sank er auf die Stufen vor der Tür und vergrub das Gesicht in den Händen. Er war eigentlich nicht wirklich wütend auf diese Männer. Viel wütender war er auf sich selbst. Seine Augen brannten. Energisch strich er sich die Träne, die ihm über die Nase rollte, aus dem Gesicht. Was war er doch für ein Idiot. Hermine hatte schon recht gehabt. Er war ein Idiot.
Er bemerkte gar nicht, wie hinter ihm die Tür aufging.
„Ron?“, hörte er eine verwunderte Stimme.
Erschrocken drehte er sich um. Vor ihm stand sein grosser Bruder Bill und starrte verwundert auf ihn hinunter.
„Um Merlins Willen“, rief der jetzt aus, „komm schnell rein! Ist etwas passiert? Mit Harry, oder Hermine?“
Bei den Namen überkamen Ron sofort wieder schreckliche Schuldgefühle. Doch er schüttelte nur den Kopf. „Ich brauch 'nen Platz zum Schlafen“, murmelte er.
Da fiel Bill erst noch was ein. „Moment!“ Er richtete den Zauberstab auf Ron. „Wer sagt denn, dass du nicht ein Todesser bist?“
Fast schon empört starrte Ron seinen Bruder an. Dann zuckte er mit den Schultern. „Ich bin Ronald Bilius Weasley, Sohn von Molly und Arthur. Hmm... Als ich drei war hat Fred meinen Teddy in eine Spinne verwandelt.“
Bill zog die Brauen hoch und liess den Zauberstab sinken. „Na dann komm mal rein“, sagte er und griff Ron unter die Arme.
Die Tage vor Weihnachten waren die Hölle. Bill und Fleur freuten sich glücklich als frisch gebackenes Ehepaar auf Weihnachten und immer wieder kamen Leute vorbei, die ebenfalls glücklich schöne Weihnachtsgeschenke brachten.
Ron verbrachte die meiste Zeit in dem Gästezimmer im obersten Stock. Ausser Bill und Fleur wusste niemand, dass er dort war.
Bill hatte nicht viel gefragt. Er war sicherlich nicht begeistert, dass sein Bruder Harry Potter im Stich gelassen hatte, aber ein blinder konnte sehen, dass es Ron Leid tat und so redete er möglichst wenig über die Sache. Stattdessen erzählte er, was inzwischen alles passiert war. Remus war zu Tonks zurückgekehrt, die schon ganz schön rund wurde und der Name Voldemort war ein Tabu geworden. Die Todesser benutzten ihn, um die Mitglieder des Ordens aufzuspüren. Fast hätten sie so Kingsley gekriegt. Die Weasleys waren aber anscheinend relativ gut davon gekommen. Fred und George hatten sogar zusammen mit Lee Jordan einen Radiosender gegründet. PotterWatch. Der gesamte Widerstand gegen den dunklen Lord hörte diesen Sender. Es war sozusagen der einzige der noch verlässlich informierte.
Oft sass Ron alleine in seinem Zimmer und hörte Radio, verzweifelt auf der Suche nach einem Anhaltspunkt, wo seine Freunde sein könnten.
So auch am Weihnachtsmorgen.
„...und nun, sehr verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer kommen wir wieder einmal zu unserer allseits beliebten Reportagereihe: Freunde von Potter, wie immer mit einem dieser Freunde: Romulus.“
„Hallo alle zusammen“, erklang Remus Stimme aus dem kleinen Radio.
„Romulus, hast du wieder etwas Neues zu erzählen?“
„Nun eigentlich kann ich euch allen nur wieder sagen, was ich immer wieder sage: Harry Potter steht für all die Dinge, für die wir kämpfen. Gerechtigkeit, Gleichheit und das Gute, und jeder der für diese Dinge kämpft, sollte somit auch für Harry Potter kämpfen. Er ist der, in den wir alle Hoffnung stecken, genauso wie in alle, die ihm helfen und ihn unterstützen. Seine Freunde.“
Obwohl niemand anderes im Raum war, wurden Rons Ohren rot und ein unangenehmes Gefühl der Scham stieg in ihm auf.
„Danke Romulus“, sagte Lee, „Noch ein Wort an all jene Freunde von Harry Potter, die ihn schon viel zu lange nicht mehr gesehen haben, die ihm helfen wollen, aber nicht können?“
„Ja. Verliert nicht den Mut und helft jedem, der eure Hilfe braucht! Ob Muggel, Flüchtling oder Squib, es wäre das, was auch Harry Potter tun würde. Und falls ihr Harry wieder sehen solltet, sagt ihm, dass immer noch viele hinter ihm stehen. Wir alle stehen hinter ihm und werden mit ihm kämpfen, wenn die Zeit reif ist!“
Ron atmete tief durch.
„Und jetzt, liebe Zuhöher und Zuhörerinnen, wünschen wir euch allen noch fröhliche und vor allem friedliche Festtage, mögt ihr alle diese Zeiten unbeschadet überstehen. Das Passwort für die nächste Sendung lautet Phönix.
Wir beenden unsere Sendung mit einem Weihnachtslied der besonderen Art. Ein Weihnachtslied der Muggel: Happy X-Mas, oder auch War is Over von Yoko Ono und John Lennon. Auf Wiederhören!“
Apathisch starrte Ron den Radio an und dachte an Hermine, und plötzlich hörte er ihre Stimme.
„...Ron war? Als sein Zauberstab zu Bruch ging? ... Wie er vorher mal war...“
Ron zuckte zusammen. Das war Hermine gewesen. Ihre Stimme. Sie war aus seiner Tasche gekommen. Verblüfft sah er auf die Ausbuchtung in seiner Hosentasche. Der Deluminator! Hastig langte er in seine Tasche und zog ihn hervor. Er sah eigentlich ganz normal aus, aber Ron war sich sicher, dass er Hermine gehört hatte. Zögerlich liess er den Apparat klicken und wie zu erwarten(k) ging das Licht aus. Allerdings wurde es nicht dunkel. Draussen vor seinem Fenster war nämlich ein anderes Licht erschienen. Es leuchtete bläulich und war etwa so gross wie Rons Faust und es pulsierte leicht.
„Ein Portschlüssel“, dachte Ron verblüfft. Vielleicht würde er ihn zu Hermine und Harry bringen.
Eilig stand er auf und stolperte auf seinen Schrank zu und riss all seine Sachen heraus und stopfte sie in seinen Rucksack. In Windeseile hatte er fertig gepackt und rannte runter in den Garten, wo die kleine Kugel schon wartete. Er lief auf sie zu, doch die Kugel hüpfte von ihm weg und hinter den Schuppen. Ron folgte ihr.
Dann urplötzlich blieb die Kugel stehen und Ron ebenfalls. Langsam machte die Kugel kehrt und flog auf Ron zu, immer näher und näher und schliesslich berührte sie seine Brust. Doch wiedererwarten blieb sie nicht stehen, sondern flog weiter, in ihn rein. Ron zuckte leicht zurück, denn er dachte, dass sie ihn verbrennen würde, doch es tat nicht weh. Sie war heiss, aber angenehm, und er spürte wie sich die Hitze langsam auf den ganzen Körper ausbreitete und plötzlich, ganz ohne Vorwarnung, wusste er was zu tun war. Er hob den Zauberstab und disapparierte.
Er landete an einem verschneiten Berghang. Der Wind blies und es war bitterkalt. Fröstelnd lief Ron den Hang ab. Er rief und suchte, aber er konnte seine Freunde nicht finden.
Den ganzen Tag verbrachte er dort. Er hoffte, sie zu sehen, wenn sie das Zelt abbrachen, aber von Hermine und Harry fehlte jede Spur.
Als die Nacht hereinbrach, wusste er, dass er sie verpasst hatte und er holte wieder den Deluminator raus. Wieder klickte er, wieder kam die kleine Kugel und wieder spürte er die angenehme Wärme. Er disapparierte und kam in einem Wald raus. Auf einer Lichtung. Keine Menschenseele war zu sehen, also blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten. Erschöpft hockte er sich unter einen Baum und wartete auf ein Zeichen.
Ein paar Stunden später regte sich tatsächlich etwas im Gebüsch, raus kam aber weder Harry noch Hermine, sonder eine silberne Hirschkuh, dicht gefolgt von einem menschen. Dieser Mensch war Harry. Ron sprang auf die Füsse. Er wollte schon zu seinem besten Freund gehen, doch etwas hielt ihn zurück. Was, wenn er ihn gar nicht hier haben wollte? Die alten Zweifel kamen wieder auf. Was, wenn Harry und Hermine alleine sein wollten?
Still beobachtete er, wie Harry auf den zugefrorenen Teich hinauslief und schliesslich die Kleider auszog.
Was trieb der Kerl da? Verblüfft starrte er auf den Teich, bis er entdeckte, was Harry anscheinend schon vor einer Weile gesehen hatte. Auf dem Grund des Sees lag ein Schwert!
Inzwischen hatte Harry seinen Zauberstab auf das Eis gerichtet und ein Loch hineingesprengt. War er verrückt? Er wollte doch wohl nicht tatsächlich da reinspringen?
Ein Rascheln in einem Gebüsch unweit von Rons entfernt, lenkte ihn ab. War da jemand? Ron wollte schon hingehen, doch Harry war nun schon eine ganze Weile unter dem Eis. Wo blieb er bloss? Immer noch kein Zeichen von ihm. Er würde ertrinken. Dieser Gedanke erfasste Ron wie ein Fieber. Harry würde sterben, wenn er nicht eingriff. Eilends stürmte er aus seinem Versteck, liess seinen Rucksack fallen und lief auf das Eis hinaus. Dort konnte er auf dem Grund Harry sehen. Etwas schien ihn nach unten zu ziehen. Ohne nachzudenken sprang Ron hinterher. Das Wasser war Eiskalt und beraubte ihn zuerst sämtlicher Gedanken, bis auf einen. Harry würde sterben. Sein bester Freund würde sterben. Mit diesem Gedanken schlang er die Arme um Harrys Brust und zog ihn nach oben.
Buch S. 379 - 388
„Keine Sorge, alles ist gut. Mehr als gut. Ich fühl mich grossartig. Ich hab dir jemanden mitgebracht.“
„Was soll das heissen? Wen -“ Noch halb schlafend fiel ihr Blick auf die Gestalt hinter Harry. Es war Ron, der mit einem Schwert in der Hand dastand und auf den zerschlissenen Teppich tropfte. Das konnte nicht sein. Er war zurückgekommen.
Hermine schlüpfte aus ihrem Bett und bewegte sich wie eine Schlafwandlerin auf Ron zu, den Blick auf sein blasses Gesicht geheftet. Sie blieb dicht vor ihm stehen. Mit leicht geöffneten Lippen, die Augen aufgerissen. Ron lächelte sie schwach und hoffnungsvoll an und hob halb die Arme.
Sie konnte es nicht fassen. Er war zurück. Doch die Freude, die auf den ersten Schock gefolgt war, verschwand sofort wieder und wich der Wut, die in ihr hochkochte! Wie konnte er es wagen, jetzt hier aufzutauchen? Nach all den Wochen, in denen sie alleine gewesen war? Wie konnte er es wagen? Wie konnte er erwarten, dass sie ihm jetzt auch noch um den Hals fiel? Dieser verdammte Mistkerl! Was bildete er sich eigentlich ein? Dieses Arschloch! Rasend vor Wut stürzte sie sich auf ihn und fing an, jeden Zentimeter von ihm, den sie erreichen konnte mit ihren Fäusten zu bearbeiten.
„Autsch - au - hör auf! Was zum -? Hermine - AUA!“
„Du - komplettes - Arschloch - Ronald - Weasley!“
Sie unterstrich jedes Wort mit einem Schlag. Der gesamte Frust, der sich in den vergangenen Wochen aufgestaut hatte entlud sich mit diesen Schlägen. All die Trauer, all die Tränen, die sie seinetwegen vergossen hatte, all das liess sie nun an ihm aus. An ihm, ihm, der an allem Schuld war!
Buch S. 390 - 396
Because you give me something, that makes me scared alright.
Hey Leute, das zweitletzte Chap. Hoffentlich ists nicht allzu verwirrend, wegen den Zeitsprüngen im Buch. Freu mich wie immer auf (hoffentlich) viele, viele Kommis.
Glg, Jo
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