von Gwenifer
3. Grüne Flammen in der Nacht
Seit über einem Jahr war Vernon Dursley von seinem Neffen nachts nicht mehr aus dem Schlaf geschreckt worden. Dafür war er dankbar. Es war ja nicht so, dass ihm durch die nächtlichen Eskapaden des unnützen Rotzlöffels im vergangenen Sommer knappe zwei Wochen lang nur etwas Schlaf gefehlt hätte. Man musste sich das wirklich einmal vorstellen. Da lag er in seinem Bett und schlief einen verdienten, erholsamen Schlaf nach einem anstrengenden Tag bei Grunnings, träumte friedlich von leckerem Essen, traumhaften Urlaubsorten, tollen Frauen (mal ehrlich, wer würde, wenn er mit einer Bohnenstange wie Petunia verheiratet war, nicht von hübscheren Bräuten träumen!) und dann wurde er von schmerzvollen, panischen Schreien, wackelnden Möbeln und flackernden Lichtern geweckt. Das führte erst einmal zu Herzrasen, was ihm, der er extrem übergewichtig war und unter hohem Bluthochdruck litt, nicht sonderlich bekam und dann natürlich zu Wut, was Herz und Blutdruck noch weniger schätzten. Und wenn jemand wirklich glaubte, es wäre ein Honigschlecken, einen um sich schlagenden 15jährigen zu beruhigen, ihn niederzudrücken und ihn grün und blau zu schlagen, dann hatte dieser wirklich keine Ahnung. Nachdem Vernon seinem Neffen 10 Nächte hintereinander diese Behandlung hatte zukommen lassen, hatte er sich von seinem Arzt für ein paar Tage krankschreiben lassen, weil sein rechter Arm schmerzte und kaum noch zu irgendetwas zu gebrauchen war. Das wirklich dumme an der ganzen Geschichte aber war die Tatsache, dass er nach einer solchen Attacke auf seinen Schlaf und die darauf folgende Maßregelung nicht so einfach wieder einschlafen konnte. Meist hatte er noch über eine Stunde wachgelegen, sich unruhig hin und her gewälzt und sich häufig gefragt, ob er noch einmal aufstehen solle, um dem Flegel auch noch das letzte Wimmern auszutreiben. Was er dann aber doch immer hatte bleiben lassen, der Faulheit wegen.
Ja, Vernon Dursley war dankbar, deshalb fragte er auch nicht, was sich seit dem letzten Jahr geändert hatte und warum Harry nachts keinen Zirkus mehr veranstaltete. Doch er hoffte, dass er diesen Erfolg sich zuschreiben konnte, dass seine Methode, wenn auch etwas zeitverzögert doch erfolgreich gewesen war. Schließlich hatte er es ja auch nicht versäumt, seinen Neffen gleich nach dessen Ankunft in diesem Sommer daran zu erinnern, was ihm blühen würde, sollten sich die nächtlichen Vorgänge vom Vorjahr wiederholen.
Als er nun in dieser Nacht durch schrille Schreckensschreie seiner Frau aufgeweckt wurde und feststellen musste, dass das ganze Haus bebte, war sein zweiter Gedanken nach ?den schlag' ich windelweich!' dass es ja zu schön gewesen war, um wirklich anzudauern.
„Was zum Henker …!“
Klirr! Laut scheppernd fiel ein Bild von seinem Haken an der Wand und zerbrach auf dem Boden.
„Vernon!“ Petunia Dursley saß kerzengerade in ihrem Bett, die Beckdecke bis an ihr Kinn gezogen und die Augen weit aufgerissen. Schreckensbleich sah sie ihren Mann an.
„Was geht hier vor sich?“ ihre schrille Stimme knickte und war danach kaum mehr als ein heiseres Flüstern, von Panik getrieben. „So was hat er doch noch nie gemacht! Ich meine … selbst das mit Magda, … „ der Rest des Satzes blieb unvollendet. Entsetzt blickte sie um sich, als auf ihrem Schminktisch Parfumfläschchen und Lippenstifte umfielen.
„Das werden wir gleich wissen!“ resolut schwang sich Vernon Dursley aus seinem Bett, doch das Quieken, das in seiner Erklärung mitschwang, ließ seine Frau wissen, dass er nicht annähernd so selbstsicher war, wie er vorgab zu sein. Ganz automatisch griff er nach dem Schlüsselbund auf seinem Nachttisch, an dem die Schlüssel zur Tür seines Neffen hingen. Hastig schnappte er sich seinen Morgenmantel vom Haken hinter der Tür und zog ihn über. Energisch versuchte er, den Gürtel zu knoten, doch seine Bewegungen waren unsicher, sein Griff zu fest. Nachdem er es endlich geschafft hatte, war fraglich, ob er das schmale Stoffband ohne die Hilfe einer Schere wieder würde lösen können. Dann schnappte er sich den breiten Ledergürtel, der unter seinem Morgenmantel gehangen hatte und warf seiner Gattin noch einen aufmuntern Blick zu bevor er nach dem Türknauf griff.
„Bleib hier und mach dir keine Sorgen, Tuni! Das werden wir ganz schnell geklärt haben!“ Gerade als er die Tür einen Spalt geöffnet hatte, hörte man im Flur mehrere Bilder von den Wänden fallen. Vernons Kopf verfärbte sich knallrot und sein Gesicht schwoll merklich an.
„Dieser Missgeburt werd' ich's zeigen!“ schnaubte er wütend bevor er die Tür mit Schwung aufriss und hinaus auf den Gang stampfte.
„Gib' auf die Acht, Vernon!“ rief Petunia Dursley ihrem Mann mit zitternder Stimme nach. „Er ist doch in deren Augen jetzt erwachsen …“
„Wenn der glaubt, dass er in diesem Hause mehr als ein unnützer Schmarotzer ist, dann …“
Seine Beschreibung, was er mit seinem Neffen tun würde, wurde von einem dumpfen, lauten Rumsen unterbrochen, dem ein panisches Quieken folgte.
„Daddy?“
„Ist dir was passiert, Dudley?“ erkundigte sich Vernon besorgt, nachdem ihm klar geworden war, dass das beunruhigende Geräusch aus dem Zimmer seines Sohnes gekommen war.
„Mir geht's gut!“ antwortete der fettleibige Junge, doch seine Antwort kam nur gedämpft bei seinem Vater an. Er hatte sich tief unter seiner Decke begraben und auch noch das Kissen über den Kopf gezogen. Nachdem er durch das Zusammenbrechen eines Regals aufgeweckt worden war, überlegte er sogar, ob es nicht vielleicht sicherer war, wenn er sich unter dem Bett versteckte. Das Problem war nur, dass er wahrscheinlich auf halbem Weg stecken bleiben würde.
„Bleib in deinem Zimmer Sohn! Ich werde das Problem gleich aus der Welt geschafft haben.“
Das Beben um ihn herum verstärkte sich und überall im Haus konnte Vernon das Fallen und Zerbrechen von Gegenständen hören. Seine Wut seigerte sich ins unermessliche und während er mit einiger Mühe die wenigen Schritte zur Zimmertür seines Neffen zurücklegte, zwängte er den Lederriemen zwischen seinen Morgenmantel und den zu eng geschnürten Gürtel. Um die Schlösser an Harrys Tür zu öffnen, brauchte er zwei freie Hände. Wütend donnerte er eine Faust gegen das Holz, bevor er sich daran machte, mit hektischen Bewegungen die einzelnen Schlösser zu öffnen, was in der Aufregung und den unsteten Lichtverhältnissen, nicht ganz so einfach war. Dabei machte er akustisch seiner Wut Luft.
„Du elender Freak! Wenn du glaubst, dass du damit durchkommst, bloß weil du jetzt bei deinen Freaks erwachsen bist, dann hast du dich aber ganz gewaltig getäuscht! Einen wie dich, sollte man in ein tiefes Loch schmeißen, und nie wieder raus holen! Wenn ich heute mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen nie geboren zu sein, oder gleich mit deinen Eltern krepiert zu sein! Du nichtsnutziger, mieser Wurm! Glaub mir, wenn ich mit dir durch bin, werden eure Kurpfuscher ganz schön was zu tun haben, um dich wieder zusammen zu flicken! …“
Durch seine Schimpftirade bemerkte Vernon Dursley nicht, dass es hinter der Tür, die er in wenigen Augenblicken öffnen würde, totenstill war. Und durch die aufgestaute Wut, die er durch sein Brüllen und seine hektischen Bewegung aus sich heraus ließ, fiel ihm auch nicht auf, das das Türblatt direkt vor seiner Nase und unter seinen Händen nicht bebte, wie der Rest des Hauses, sondern sich ihm entgegen zu drücken schien. Das nahm er erst zur Kenntnis, als er die Tür aufstoßen wollte, und es nicht ging.
„Was zum Henker …?!“ verdutzte schnaubte der massive Mann die Tür an, die es wagte, sich ihm entgegenzustellen. „Wenn du glaubst, du kommst damit davon, dass du die Tür von innen verbarrikadierst, dann bist du auf dem falschen Dampfer! Die Tür, die ich nicht aufkriege, muss erst noch erfunden werden!“ brüstete er sich und warf sich mit aller Kraft gegen das besagte Objekt, welches auch tatsächlich etwas nachgab. Unglücklicherweise hatte Vernon Dursley seine rechte Hand so gehalten, dass sie in dem Moment, als sich die Tür einen Spalt hatte aufdrücken lassen, in diesen Spalt schob und nun dort steckte, denn der Erfolg war nur von sehr geringer Dauer gewesen. Eine enorme Kraft hatte das Blatt sofort als die Energie des Aufpralls des wuchtigen Fettkloßes nachgelassen hatte, wieder zugedrückt, und dabei die Hand eingeklemmt.
Nun tobte Onkel Vernon nicht vor Wut sondern heulte vor Schmerz, was augenblicklich seine Frau aus ihrem relativ sicheren Bett trieb.
„Vernon-Darling, was …? Oh mein Gott!“ entsetzt nahmen die hagere Frau mit weit aufgerissenen Augen die eingeklemmte Hand war.
„Oh Darling, was ist passiert?“ mit zitterten Händen tastete Petunia nach der Schultern ihres wimmernden Mannes, in einer unsicheren Geste des Trostes. Als sie merkte, dass diese Berührung ihm nicht unangenehm zu sein schien, schob sie mit vorsichtiger Bewegung eine Haarsträhne aus dem schmerzverzerrten Gesicht. Kalter Schweiß stand dem Gepeinigten mittlerweile auf der Stirn und sein Gesicht, das kurz zuvor noch tief rot vor Wut gewesen war, war inzwischen unnatürlich blass.
„Was soll ich machen?“ flüsterte sich unsicher und konzentrierte ihren Blick auf Vernons Haaransatz um ihm weder in die vor Schmerz zusammen gekniffenen Augen, noch den zusammengepressten Lippen noch auf die eingeklemmte Hand sehen zu müssen.
„Dudley!“ krächzte der gequälte Mann mit größter Anstrengung.
„Dudley! Komm schnell her und hilf deinem Vater!“ Wenn sie schon selbst nicht sonderlich hilfreich war, so war sie wenigstens dazu nütze, die richtigen Schlüsse zu ziehen.
„Ich …, ich kann nicht!“ kam nach einiger Verzögerung die klägliche Antwort.
„Was heißt du kannst nicht? Hast du dir auch wehgetan?“ Die Räder in Petunias Gehirn begannen sich zu überdrehen. Wenn ihrem Duddykins auch etwas passiert war, um wen sollte sie sich dann kümmern? Vernon brauchte dringen Hilfe, doch ihr armer kleiner Sohn, den konnte sie doch unmöglich allein leiden lassen, wenn er sich verletzt hatte.
„Nein, …, aber … ich …“ stotterte Dudley was die Sorge seiner Mutter nur unwesentlich abschwächte.
„Schwing deinen Arsch hier her, und hilf mit gefälligst!“ Für einen kurzen Moment hatte Vernon seine Stimmer wieder im Griff und da er die Unentschlossenheit im Gesicht seiner Frau sah, beschloss er mit dem bisschen Gehirn, dass nicht vom Schmerz umnebelt war, zu handeln und auf seine Art und Weise seinem Sohn die Entscheidung, ihm zu helfen, zu erleichtern.
„Ich kann nicht!“ kam noch einmal ein schwacher Versuch von Dudley, sich gegen ein Verlassen seines sicheren Bettes zu wehren.
„Duddylein, bitte komm und hilf deinem Vater! Wenn wir das überstanden haben, gibt's auch ein schönes großes Eis für dich.“
Der diätgeplagte Junge sprang sofort darauf an. „Karamell, mit Schokosauce und Waffeln!“ Gewissenlos nutzte er die Situation seines Vaters aus.
„Sicher, Duddylein! Alles was du willst, aber bitte komm jetzt und hilf deinem Vater!“ verzweifelt flehte Petunia Dursley ihren Sohn an, endlich seinen fetten Arsch aus seinem Bett zu wuchten. Ganz, ganz weit hinten in ihren Gedanken war eine kleine Stimme die ihr sagte, dass Harry sofort, ohne an sich selbst zu denken, zu Hilfe geeilt wäre. Eine viel lautere Stimme sagte ihr aber, dass ohne Harry ihr Gatte sich erst gar nicht in dieser Situation befinden würde.
Langsam kam Dudley Dursley aus seinem Zimmer geschlichen und schaute sich ängstlich um. Als er sah, was mit seinem Vater geschehen war, beschleunigte er seinen Schritt und zwängte sich an seiner Mutter vorbei. Ohne nachzudenken griff er nach seines Vaters Arm und hätte wahrscheinlich versucht daran zu ziehen, hätte Vernon nicht bereits bei der ersten Berührung vor Schmerz aufgeschrieen.
„Hast du sie noch alle!“ fuhr der Eingeklemmte den Jungen an in einer Mischung aus Grunzen und Ächzen, während Petunia ihren geistig eher minderbemittelten Sohn darauf hinwies, das die beste Möglichkeit, die Hand aus dem Spalt zu befreien wohl wäre, zusammen mit seinem Vater die Tür aufzudrücken.
„Auf drei!“ Krächzte Vernon Dursley und fing auch sofort an zu zählen, nicht jedoch bevor er ein Nicken von seinem Sohn erhalten hatte, das ihm bestätigte, dass ihn dieser verstanden hatte.
Als Dudley sich gegen die Tür warf, gab diese unter seinem und dem Gewicht seines Vaters nach und ließ sich aufdrücken. So schnell er konnte zog letzterer seine verletzte Hand zurück und drückte sie an sich. Doch er hätte sich gar nicht beeilen brauchen, denn zusammen hatten sie das Türblatt so weit aufgedrückt, dass die Tür nun offen blieb. Und nun konnten alle fühlen, warum sie sich so schwer hatte öffnen lassen. Ein heftiger Wind versuchte die drei weg von der Tür weiter in den Gang hinein zu drücken, was bei Petunia keine große Kunst war, doch ihre zwei Männer konnten dem Druck stand halten und einen Blick ins Zimmer werfen.
Dort sah es aus, als hätte ein Orkan getobt. Sein Fenster war zerschmettert, ob von einem herumfliegenden Gegenstand oder allein durch die Druckwelle ließ sich nicht sagen, die wenigen Möbel waren zum Großteil zerstört, nur sein Bett war heil geblieben, und die wenigen Habseligkeiten die Harry besaß und die er nie offen herum liegen ließ, hatten ein fürchterliches Chaos verursacht, dass sich seinen Verwandten nun offenbarte. Blätter, Stifte, Bücher, Kleidungsstücke, Scherben, Hedwigs Käfig und dessen Inhalt, ohne Eule selbst, denn die war zu Hermine unterwegs gewesen, um dort Harrys Geburtstagsgeschenk abzuholen, waren an die Wände des Zimmers gedrückt oder flogen in einem Wirbel im Zimmer umher. Dessen Zentrum war … Harry, der etwa einen Meter über seiner Matratze schwebte und in grünen Flammen stand. Bei dem Anblick seines Neffens, der lichterloh zu brennen schien, machte Vernon Dursley einen Schritt in den Raum hinein, und wurde mit ohrenbetäubendem Getöse umfangen und Schmerzensschreie, die er nur zu gut kannte. Fasziniert aber auch angeekelt starrte er auf den schmächtigen Jungen, der ihm irgendwie größer schien als sonst und der sich unter den Schmerzen aufbäumte. Bei genauem hinsehen konnte der magieverabscheuende Muggel erkennen, dass die Flammen, die Harrys Körper zu verzehren schienen, ihm in Wirklichkeit gar nichts antaten.
„Verfluchte Freaks!“ brummte er und nahm sich fest vor, dass, wie auch immer diese Geschichte ausgehen sollte, Harry nicht länger in diesem Haus geduldet war. Bevor er seine Beobachtungen und seinen Entschluss seiner Frau mitteilen konnte, die ihn zwar ängstlich aber auch neugierig vom anderen Ende des Flurs anstarrte, kamen zwei Gestalten in schwarzen langen Roben die Treppe herauf gestürmt und bahnten sich einen Weg zu Harry ins Zimmer.
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