Es war dunkel. Warum war es eigentlich immer dunkel, wenn er dem Dunkeln Lord gegenüber trat? Zumindest erinnerte Regulus sich nicht an ein einziges Treffen der Todesser, dem nicht die Dunkelheit beigewohnt hatte. Vielleicht lag das gar nicht mal so sehr daran, dass es wirklich immer Nacht gewesen war, vielleicht hatte viel mehr die Angst die Erinnerungen schwarz werden lassen.
Dieses Mal war es auf jeden Fall wirklich Nacht. Tiefste, undurchdringliche Nacht, die durch die zerbrochenen Fensterscheiben, in den einst so herschaftlichen Raum hineinsickerte.
Regulus' Herzschlag schien die Stille auszufüllen. Das diffuse Gefühl der Bedrohung, das sich langsam aber sicher zu Angst ausweitete, betäubte ihn. So war es jedes Mal, selbst wenn er sich nichts vorzuwerfen hatte, selbst wenn alles zur Zufriedenheit des Dunklen Lords ausgeführt worden war.
Und heute war das nur bedingt der Fall. Sicher, sie waren alle tot. Der Mann, der aus der Hütte gestürzt war, um seine Familie zu beschützen. Die Frau, die sich lieber selbst das Leben genommen hatte, als von ihnen getötet zu werden. Und das Mädchen mit dem Sonnenhaar, das er hatte beschützen wollen und das trotzdem den Tod gefunden hatte.
Verzweifelt versuchte Regulus, sich einzureden, dass es keinen Unterschied machte, dass es dem Dunklen Lord sowieso egal war, wie seine Opfer starben.
'Du wolltest sie retten, glaubst du wirklich, dass ihm das egal ist? Du warst nicht nur kurz davor, du hast es getan. Dein Glück, dass Bellatrix sie trotzdem noch erwischt hat.' Es waren Gedanken wie diese, die sich unaufhörlich in seinem Kopf drehten ohne dass er irgendeinen Einfluss darauf gehabt hätte. Und genau diese Gedanken sollte er schleunigst verbannen. Wenn das so einfach wäre. Der Dunkle Lord galt nicht umsonst als der begabteste Leglimentiker aller Zeiten. Und um Menschen wie ihn zu durchschauen musste man meist nicht einmal Zauberei anwenden. Sicher, er hatte gelernt in den letzten Monaten. Man sah ihm nicht mehr jeden einzelnen Gedanken an, aber was bei anderen als passable Maske durchging, war vor dem Dunklen Lord vollkommen nutzlos.
Die Panik schnürte Regulus die Kehle zu, als der Dunkle Lord tatsächlich den Raum betrat.
Jetzt war es endgültig vorbei.
'Verabschiede dich von einem Leben, das schon lange nicht mehr wirklich lebenswert ist und um das du trotzdem bangst.' Regulus wusste, dass diese Gedanken bei weitem zu dramatisch waren für das, was in wenigen Minuten unweigerlich geschehen würde. Er kannte das, hatte es schon bei anderen mitangesehen. Er würde nichts mehr davon bemerken. Der Tod würde blitzschnell kommen. Ein Tod wie ihn nur Schwächlinge verdienen.
Doch zu Regulus grenzenlosem Erstaunen richtete sich der Blick des Dunklen Lords nicht auf ihn. Es war Bellatrix Lestrange, die unter dem Blick ihres Meisters zu schrumpfen schien und deren Augen trotzdem nichts von ihrem fanatischen Glanz verloren. Ihr Bericht der nächtlichen Ereignisse entsprach der Wahrheit, soweit Regulus das feststellen konnte. Abgesehen davon, dass sie natürlich versuchte, sich selbst in einem besseren Licht als die übrigen da stehen zu lassen, aber das taten sie alle. Bellatrix, weil sie nach dem Lob des Dunklen Lords lechzte, die meisten anderen aus Angst.
Doch dann kam die kritische Stelle. Die Flucht des Mädchens. Kurz gab Regulus sich der Hoffnung hin, dass der Dunkle Lord sich mit Bellatrix' Bericht zufrieden geben würde, dass er nicht fragen würde, wie dem Mädchen überhaupt die Flucht gelingen konnte, warum sie es nicht in der kleinen Hütte gefunden hatten.
Eine bodenlose Hoffnung, Regulus wusste es in dem Moment, in dem Bellatrix erschrocken innehielt, angesichts des Blicks, den der Dunkle Lord ihr zuwarf.
„Wer von euch ist dafür verantwortlich?“ Die eisige Stimme ließ sie alle zusammenfahren. Wie Kanninchen vor der Schlange saßen sie da. Auf den Gesichtern die Angst, dass die Verachtung sich gegen sie richten würde. Selbst wenn sie nichts wussten.
„Yaxley?“ Noch immer ausdruckslos forderte der Dunkle Lord ein Geständnis von seinem Gefolgsmann.
Doch genau wie der erschrockene Yaxley erbleichte auch Regulus. Warum ausgerechnet Yaxley? Warum ausgerechnet Yaxley, der gesehen hatte, wie er das Zimmer des Mädchens verlassen hatte, der das klebrige, verlogene „Nichts“ gehört hatte? Warum nicht irgendein anderer?
Die Worte kamen nur stockend und voller Angst über Yaxleys Lippen.
„Nicht ich … Black … gesagt … nichts … “
Diese spärlichen Fetzen reichten aus, um Regulus Schicksal zu besiegeln. Doch es war nicht wie erwartet der Todesfluch, der ihn traf. Ein leichter Tod ist keine Strafe. Ein Verräter verdient Schmerzen.
Minuten später waren die letzten Zauber verklungen. Regulus lag in seinem eigenen Blut, das Gesicht vor ohnmächtiger Schmerze verzerrt. Tränen mischten sich mit Blut, der Schmerz brannte sich in seinen Körper. Es reichte nicht, um ohnmächtig zu werden. Er erlebte die Qualen bei vollem Bewusstsein. Seine Schreie verhallten ungehört, nur quittiert von Gelächter.
Dann endlich ließen sie von ihm ab, ließen ihn liegen wie ein abgestochenes Schwein.
Und endlich kam die Ohnmacht.
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