Es war weit nach Mitternacht, der Himmel war übersät mit Sternen. Durch das halb geöffnete Fenster drang warme Londoner Smogluft in das magisch gekühlte Zimmer.
Reglos beobachtete die Gestalt am Fenster die Straße. Nichts rührte sich.
Regulus wusste selbst nicht so genau, woran es lag, dass er noch wach war. Vielleicht lag es an der Hitze draußen, vielleicht auch nicht. Es war ein langer, eintöniger Tag gewesen. Wie alle Tage. Noch unerträgicher durch das schöne Wetter und die fröhlichen Gesichter der Menschen, die an ihrem Haus vorbei gingen, ohne es zu sehen. Ein weiterer verschwendeter Tag, nichts weiter.
Plötzlich wurde die fast schon andächtige Stille durch hastige Schritte unterbrochen. Harte Schritte auf dem aufgeheitzten Asphalt. Ein Schatten, der sich hastig umsah, bevor er auf das Haus zukam. Zu zielstrebig als dass es ein Zufall hätte sein können. Wer auch immer es war, er war ein Zauberer.
Regulus erkannte ihn fast sofort. Die Gestalt vor der Tür war sein Bruder. Sirius.
Sirius, der so wenig Zeit wie möglich mit seiner Familie verbrachte. Sirius, den auch während der Ferien nichts am Grimmauldplatz hielt.
Regulus wusste nicht, was sein Bruder den Tag über tat. Vermutlich war es auch egal. Wichtig war nur, dass er nicht da war. Mutter hatte einen fürchterlichen Fluch nach dem anderen ausgestoßen als sie heute morgen fest gestellt hatte, dass Sirius nicht mehr in seinem Zimmer war.
Die Gestalt vor dem Fenster hatte, während Regulus seinen Gedanken nachhing, die Tür erreicht. Natürlich war sie verriegelt. Sirius hatte das gewusst, es war schon immer so gewesen.
Warum er dann so spät nach Hause kam? Um der unvermeidlichen Auseinandersetzung mit ihren Eltern zu entgehen? Nein, das glaubte Regulus nicht. Sirius hatte sich noch nie darum gekümmert, was seine Eltern dachten.
Mit dem Anflug eines schlechten Gewissens beobachtete Regulus, wie Sirius langsam das Gebäude umrundete und auf die verborgene Hintertür zusteuerte. Füher war sie immer offen gewesen. Ein Loch im engmaschigen Netz aus Sicherheitsmaßnahmen, das den Grimmauldplatz Nr.12 umgab. Heute nicht.
Sirius leise Flüche verklangen in der Sommerluft, als er den Zauber, der die Tür versiegelte, bemerkte. Natürlich hätte er die Tür sprengen können, aber das hätte bei weitem zu viel Lärm gemacht. Langsam trat er zurück. Starrte hinauf in das Angesicht des dunklen Hauses.
Wie konnte es sein, dass die Tür verriegelt war? Es wussten doch nur er und Regulus davon, oder? Zumindest hatte Sirius das geglaubt. Konnte es sein, dass ... Zögernd blickte er hoch zu dem dunklen Fenster, hinter dem sich das Zimmer seines Bruders verbarg.
Die Verzweiflung in Sirius Gesicht konnte Regulus auch von seinem Platz am Fenster aus erkennen. Er brauchte nicht hinzusehen. Er wusste es.
Langsam immer noch zögernd zückte Sirius seinen Zauberstab. Die blauen Funken schlugen mit einem leisen 'Klong' gegen Regulus' Scheibe. Die Zauberervariante von Steinchen werfen. Sirius hatte ihn also nicht gesehen. Wusste nicht, dass er ihn schon eine ganze Weile beobachtete.
Kurze Zeit später öffnete sich das Fenster, Regulus schmale Gestalt blickte sich suchend um und erkannte Sirius dann endlich. Ein kurzes Zögern, dann verschwand die Gestalt am Fenster wieder. Kurz war nichts als Stille zu hören. Dann konnte er Schritte hinter der Tür hören. Doch die Tür blieb verschlossen.
"Reg?", Sirius Flüstern drang nur verzerrt durch die Tür. "Bitte mach auf."
Kurz war Regulus tatsächlich versucht, nachzugeben. Schon allein weil es sich anfühlte wie früher.
"Warum sollte ich?"
Regulus konnte hören, wie Sirius aufseufzte.
"Bitte. Du bist doch mein Bruder."
Ach ja? Jetzt, wo du mich brauchst natürlich. Und was ist morgen, bin ich dann wieder nur Luft?
Regulus sprach diese Gedanken nicht aus. Schluckte sie voller Bitterkeit hinunter.
Und hoffte doch, dass alles anders kommen würde, als er einen Moment später den Bann von der Tür nahm.
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