Die Große Halle war so voll wie immer, die Schüler liefen plappernd von einem Tisch zum andern, alle aßen und tranken, erfreuten sich des Lebens.
Missmutig stocherte Regulus in seinem Frühstück herum, ohne auch nur einen Bissen hinunter zu kriegen. Die letzte Nacht lag ihm wie ein schwerer Stein im Magen. Nachdem Malfoy und seine Kumpane weg waren, hatte Regulus sich mit letzter Kraft hinauf zum Krankenflügel geschleppt. Wo er auch den Rest der Nacht hatte verbringen müssen. Es war selbst für eine gute Hexe wie Madame Pomfrey nicht leicht, Knochen, die von einem unbekannten Zauber getroffen worden waren, zu heilen. Das hieß, vielleicht hatte es auch nur deshalb so lange gedauert, weil Regulus behauptet hatte, beim Quidditch gestürzt zu sein und das kleine Duell auf den Gängen mit keinem Wort erwähnt hatte. Vielleicht kratzte der Verband an seinem rechten Arm deshalb so unerträglich, vielleicht waren das aber auch nur ganz normale Nebenwirkungen. Hoffentlich. Eilig zog Regulus wieder den schwarzen Ärmel seines Umhangs über den Verband. Er hatte nun wirklich keine Lust, alle Nase lang auf seinen 'Sturz vom Besen' angesprochen zu werden. Denn obwohl er niemandem außer Madame Pomfrey von seiner Verletzung erzählt hatte, hatte sich die Nachricht bis zum Frühstück im ganzen Schloss herumgesprochen. Sodass es erstmal Spott gehagelt hatte, als Regulus den ersten Schülern begegnet war. Dass er keine Anstalten machte, darauf zu reagieren, hatte daran nichts geändert. Aber wenigstens ahnte niemand, was wirklich geschehen war.
Seufzend erhob Regulus sich, es hatte keinen Sinn weiter hier zu sitzen, er würde doch nichts essen. Da konnte er die halbe Stunde, die ihm noch bis Unterrichtsbeginn blieb auch anderweitig nutzen. Das hatte er zumindest vor, als er die Große Halle in Richtung slytherinschen Gemeinschaftsraum verließ. Doch als er gerade in den Gang einbiegen wollte, packte ihn eine Hand am rechten Ärmel und zog ihn in eine der vielen Wandnischen. Kurz musste Regulus schlucken, zu tief saß die Erinnerung an die letzte Nacht. Doch als er die Gestalt ansah, erlebte er eine Überraschung.
„Sirius?“, fragte er zögernd. Er musste sich irren, das konnte nicht sein.
„Ja, ich bin's“, Sirius sah aus, als könne er sich noch nicht Recht zu einem Lächeln durchringen.
„Was willst du?“, fragte Regulus vorsichtig.
„Was ist passiert?“, Sirius Blick war auf Regulus' rechten Arm geheftet. Unter dem Ärmel war schon wieder ein Stück des Verbandes zu sehen. „Und erzähl mir jetzt bitte nicht diesen Mist von dem Besensturz. Du fällst nicht vom Besen.“ Hatte Regulus sich geirrt oder hatte in Sirius Stimme kurz ein Hauch von Stolz mitgeschwungen?
„Doch. Ich bin vom Besen gefallen.“ Ein bitteres, verzerrtes Lächeln stahl sich auf Regulus' Gesicht. Da redeten sie wieder miteinander und er log Sirius an. Aber was hatte er denn für eine Wahl? Malfoy hatte deutlich gemacht, was passieren würde, wenn er irgendjemand davon erzählen sollte und Sirius war ganz sicher nicht der Typ, der so etwas auf sich beruhen lassen würde.
„Hör' doch auf“, kurz zuckte es in Sirius Gesicht, doch dann wurde er wieder ernst. „Wer war es?“, fragte er mit ausdrucksloser Stimme.
„Wer war was?“, Regulus bemühte sich, nicht allzu erschrocken auszusehen. Hatte also doch jemand gemerkt, dass er gelogen hatte. Und dann war es auch noch ausgerechnet Sirius.
„Hör' endlich auf mir etwas vorzuspielen, Reg! Wer hat dich angegriffen? Wer ist dafür verantwortlich, dass du einen gebrochenen Arm hast, falls er wirklich nur gebrochen ist…“, Sirius' Stimme war fast unmerklich immer lauter geworden.
„Ich bin vom Besen gefallen. Nichts weiter“, behauptete Regulus bevor er sich umdrehte, um wieder hinaus auf den Gang zu treten. Doch Sirius hielt noch immer seinen Arm gepackt.
„Wer war es?“
„Lass mich los, Sirius.“
„Wer?“, wiederholte Sirius mit gepresster Stimme.
„Lass. Mich. Los.“ Doch Sirius reagierte nicht. Kurz musste er schlucken, dann fuhr seine freie Hand in die Tasche des Umhangs und ertastete den Zauberstab.
„Ich sag's nicht noch mal, Sirius. Lass mich los.“ Der Zauberstab vor Sirius' Gesicht sprühte Funken. Und Sirius fuhr zurück, als hätte er sich verbrannt, während Regulus' schnelle Schritte sich in Richtung Kerker entfernten.
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