Draußen heulte der Wind um das Schloss, sämtliche Schüler hatten sich in ihre jeweiligen Gemeinschaftsräume verzogen. Die Gänge waren leer, nur vereinzelt hörte man eiliges Fußgetrappel, das sich schnell wieder entfernte.
Vorsorglich rückte Regulus noch ein Stück weiter hinter die große marmorne Statue. Das Pergament in seiner Hand zitterte, die wenigen Zeilen, die darauf standen, waren krakelig und verwischt. Es ließ sich halt nicht besonders gut auf den eigenen Knien schreiben und anders ging es nun mal nicht. Falls irgendeiner der Slytherins rauskriegen sollte, was er hier tat, war er geliefert. Sirius war ein Verräter, Verrätern schreibt man keine Briefe. Und sie hatten ja Recht, Sirius war ein Gryffindor, ein Blutsverräter und er hatte seinem Ruf in den letzten Tagen auch alle Ehre gemacht, aber irgendetwas in Regulus wollte immer noch an das gute Ende glauben, an eine Versöhnung. Obwohl es dafür nun wirklich keinen Grund gab, sie hatten sich für zwei verschiedene Seiten entschieden, sie waren Feinde. Es gab nichts mehr zu ändern, die Entscheidung war längst gefallen. Es gab nichts mehr zu retten. Langsam zerknüllte er den Brief. Doch noch bevor er ihn in einer der Taschen seines Umhangs verschwinden lassen konnte, ertönte wieder der harte Klang von zielgerichteten Schritten auf Steinboden, dies Mal deutlich näher. Zu nah. Viel zu nah.
"Black, so spät noch auf den Gängen? Und dann auch noch hinter diesen lächerlichen Statue, das ist wirklich erbärmlich", Regulus musste nicht hochsehen, um die kalte spöttische Stimme zu erkennen. Diesen Tonfall beherrschte nur einer. Lucius Malfoy.
Langsam stand Regulus auf. Und erblickte wie erwartet die hochgewachsene Gestalt Lucius Malfoys, flankiert von zwei weiteren Slytherins. Natürlich.
Regulus Herz raste und vermutlich sah man ihm das an. Wie immer. Was sollte er nur sagen, was er hier tat? Die Wahrheit auf gar keinen Fall, aber was gab es für Alternativen?
"Viel erbärmlicher ist es, mir hinterher zu spionieren, Malfoy", erwiderte Regulus mit ausdrucksloser Stimme. Wenigstens hörte man ihm die Nervosität nicht an.
"Was tust du hier, Black?"
"Das geht dich überhaupt nichts an." Wie erbärmlich, wie hundserbärmlich, aber ihm viel nichts Besseres ein, nicht jetzt.
"Ach nein?", drohend kam er, immer noch flankiert von den beiden anderen Slytherins, auf Regulus zu. Beiläufig zückte er seinen Zuschauer.
"Nein", verzweifelt bemühte Regulus sich, nicht allzu beklommen anzuhören. Was jetzt kam, konnte er sich denken. Malfoys Blicke zu seinen beiden Begleitern sprachen Bände, ebenso wie die gezückten Zauberstäbe.
Doch dann entdeckte einer der beiden anderen Slytherins den zerknüllten Brief in Regulus' Hand.
„Hey, was ist das denn?“, die Stimme klang schnarrend und düster. Und passte damit perfekt zu dem Sprecher. Einem dürren Jungen mit fettigem schwarzen Augen und bösartig funkelnden, schwarzen Augen.
Noch bevor Regulus irgendetwas erwidern konnte, flog das Pergament in Malfoys Hände. Es war vorbei, er geliefert, sobald Malfoy auch nur den Adressaten gelesen hatte. Mit zitternden Lippen murmelte auch Regulus einen Zauberspruch. Und das Pergament in Malfoys Händen fing Feuer. Kurz stieß Malfoy einen unterdrückten Schrei aus, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. Mit blitzenden Augen richtete er seinen Zauberstab auf Regulus, während die Reste des Briefes auf dem Boden zu Asche zerfielen.
Dann flog der erste Lichtblitz auf Regulus zu. Vollkommen automatisch zückte auch er den Zauberstab, begann ebenfalls Zauber gegen die drei zu schleudern, auch wenn es sich dabei hauptsächlich um Abwehrzauber handelte.
Doch es dauerte nicht lange, bis sich die ungleichen Kraftverhältnisse bemerkbar machten. Die anderen waren zu dritt und außerdem alle älter als Regulus, es war nur eine Frage der Zeit bis er fiel. Er würde ihnen nicht ewig standhalten können. Sie kannten bei weitem mehr Zaubersprüche als er, sie waren in der Überzahl, es war erdrückend. Dann passierte es.
Der grüne Blitz schien aus dem Nichts zu kommen und prallte direkt auf Regulus' rechten Arm. Klappernd fiel sein Zauberstab zu Boden, der Schmerz kam ebenso plötzlich wie der Zauber und kurz drohte ihm die Wirklichkeit zu entgleiten, dann fing er sich wieder. Und lag zu seinem eigenen Erstaunen auf dem staubigen Fußboden. Malfoy blickte mit einem abfälligen Grinsen zu ihm hinab.
"Überleg es dir demnächst vorher, mit wem du dich anlegst." Nach einem letzten verächtlichen Blick auf den am Boden liegenden Regulus, drehte Malfoy sich um und verließ den einsamen Seitengang, ganz so, als sei nichts geschehen.
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