I'm Your Villain - And in the end...
von Resimesdra
Weia, und das, wo ich so großmächtig angekündigt hatte, es würde hierbei keine langen Wartezeiten geben oO Nun ja, sagen wir so, auch frischluftgewöhnte Slash-Autoren sind nicht unkaputtbar, und so hab ich mir auf nicht ganz einwandfrei geklärtem Wege *zu Thekla rüberschiel* doch noch eine Grippe eingefangen. Aber um es mit Busch zu sagen: „Drei Tage war der Frosch so krank, jetzt, raucht er wieder – Gott sei Dank“. (Nein, das Rauchen hab ich mich zwecks Halsentzündung noch nicht wieder getraut, aber… kommt noch^^)
…
Kinners, fangt mir ja nicht das Rauchen an. Ist teuer, kostet jede Menge Geld und billig ist es auch nicht. Ganz zu schweigen von… naja. Das führen wir hier jetzt nicht weiter aus.
Was schwafel ich hier eigentlich? Ich hab wohl doch noch Fieber oO Also denn – Gute Nacht.
~*--*~
Coming out of my cage
And I’ve been doing just fine
Gotta gotta be down
Because I want it all
It started out with a kiss
How did it end up like this?
It was only a kiss, it was only a kiss!
The Killers, Mr. Brightside
„Hier“, sagte Ginny und klopfte ein paar Kissen zurecht. „Du kannst auf der Couch schlafen.“
Besagte Couch war schmal und bereits ein wenig altersschwach und wirkte alles in allem nicht sonderlich einladend – aber Harry war bereits in jenem Stadium der Trunkenheit, in dem einem selbst der Asphaltboden hinter einer Bushaltestelle einladend erscheint. Seufzend ließ er sich auf das Polster sinken und schloss die Augen.
„Ja“, kam Hermines Stimme aus dem anderen Zimmer, „er ist hier bei uns. Nein, es geht ihm gut… er ist nur zu betrunken, um noch allein nach Hause zu finden.“
„Mit wem redet sie da?“, fragte Harry schläfrig.
„Mit Malfoy“, sagte Ginny. „Er wollte informiert werden, wenn wir dich gefunden haben.“
„Hätte mich ja selbst suchen kommen können, der blöde Arsch“, murmelte Harry, ohne genau zu wissen, warum. Aber irgendwie ärgerte es ihn, dass Malfoy seine beiden Freundinnen vorgeschickt hatte, um klar Schiff zu machen. Wie typisch.
Ginny setzte sich neben ihn und sah ihn nachdenklich an, das Kinn in die Handfläche gestützt. „Ich wusste gar nicht, dass du bi bist, Harry.“
Harry öffnete die Augen wieder einen Spalt breit. „Was bin ich?“
„Bisexuell.“
„Bin ich auch nicht.“
„Warum hattest du dann Sex mit Malfoy?“
Harry zuckte die Schultern. „Keine Ahnung.“
„Wie kannst du keine Ahnung haben?“
„Es ist halt so! Ich weiß auch nicht, wie es passiert ist, er war nackt und ich war überrumpelt und plötzlich… es ging alle so schnell, Gin. Die meiste Zeit wusste ich noch nicht mal, was ich tat… aber eigentlich hat ja Malfoy auch alles gemacht.“
„War’s denn gut?“
Harry schluckte. „Ja.“ Er sah sie nicht an.
„Na dann ist doch alles in Ordnung. Wo ist dein Problem?“
Jetzt sah er sie doch an. „Alles in Ordnung? Bist du verrückt? Nichts ist in Ordnung! Ich hatte Sex mit Malfoy, verdammt nochmal!“
„Ja und? Er sieht doch auch klasse aus, was willst du denn?“
„Aber ich bin doch gar nicht schwul!“, greinte Harry, dem vor Verzweiflung bald die Tränen zu kommen drohten. Warum nur wollte keiner verstehen, wieso das alles so eine riesige Katastrophe war?!
Ginny rollte die Augen und sprach mit ihrer besten Lektorenstimme aus, was alle Slasher schon lange wissen, oder zumindest wissen sollten, aber das ist auch egal, denn diese Geschichte hat keine Moral und wird auf den letzten paar Seiten auch keine mehr entwickeln. „Du liebe Zeit, Harry! Hör doch mit diesem Schubladendenken auf! Schwul, hetero – was sagt das schon aus? Wir sind doch alles Menschen, manche männlich, manche weiblich, manche dick, manche dünn, manche brünett und manche blond. Auf manche steht man, auf manche nicht. Was macht das schon aus, wenn auch mal ein gleichgeschlechtlicher Partner dabei ist? Geht davon vielleicht die Welt unter?“
Harry starrte sie an. Was sie da sagte, schien auf merkwürdige Weise Sinn zu machen – obwohl er es noch nie zuvor so gesehen hatte. Was an sich nicht weiter verwunderlich war, denn ein normaler Mensch wie Harry, der nur ganz geringfügig von der Norm abweichende Tendenzen aufwies, machte sich über ein solch komplexes Thema natürlich keine Gedanken, bis ihn die Problematik selbst in den Arsch biss. Es war nicht seine Schuld, dass er so ein engstirniges Leben führte, nein, wirklich nicht.
„Wann… wie… woher hast du gewusst, dass du… mit Hermine…“
„Dass ich auf sie stehe, meinst du?“ Ginny lächelte. Harry nickte stumm. Sie hatten nie so offen über die Zeit ihrer Trennung gesprochen, aber im Moment glaubte Harry, dass er es ertragen konnte.
„Ich weiß nicht… ich fand sie schon immer hübsch. Aber dann war diese eine Party, Seamus’ Geburtstag, und ich bin allein hin, weil wir Krach miteinander hatten. Hermine war auch da. Sie wollte mich aufbauen, also haben wir getrunken und getanzt… und irgendwann haben wir uns geküsst. Und da wusste ich es einfach. Es hat richtig Klick gemacht, verstehst du?“ Sie sah ihn an, ein wenig verlegen, und strich sich eine Strähne ihres roten Haars aus der Stirn.
„Einfach Klick?“, wiederholte Harry nachdenklich. Ginny nickte. Sie schwiegen sich einen Moment an. Dann sagte Harry: „Würdest du… mir noch einen Gefallen tun?“
Sie nickte. „Klar.“
„Würdest du mich noch ein letztes Mal küssen?“
Sie zögerte. „Harry… ich weiß nicht. Wir sind nicht mehr zusammen, du bist betrunken und stinkst nach Zigaretten und Bier, und…“
„Bitte.“
„Also… also gut. Aber mach die Augen zu.“
Ihre Lippen berührten sich, flüchtig, fast scheu – und Harry wartete auf den Urknall, die Schmetterlinge, den Hurrikan im Inneren… doch nichts geschah. Sie lösten sich wieder voneinander, Ginny mit leicht geröteten Wangen, Harry mit verwirrtem Blick.
Sie lächelte. „Siehst du?“
Harry blieb die Antwort erspart, denn just in diesem Moment kam Hermine herein und fuhr sich mit einer Hand durch ihr wuscheliges braunes Haar. „So, Malfoy hab ich auf morgen vertröstet.“ Sie ließ sich in einen Sessel fallen. „Am liebsten wollte er ja sofort herkommen, aber ich hab ihm erklärt, dass es wohl besser ist, noch zu warten. Was hast du bloß mit ihm angestellt, Harry?“
Harry zuckte leicht die Schultern und lächelte. Was auch immer er mit Malfoy angestellt hatte – ihn selbst hatte es schlimmer erwischt.
--
Der nächste Morgen kam und fand Harry stöhnend und voll bitterer Selbstvorwürfe auf seiner unbequemen Gastcouch. Sein Rücken schmerzte, seine Beine waren eingeschlafen und in seinen Schläfen pulsierte es unangenehm – dabei hatte er doch gar nicht so viel getrunken. Er bezweifelte zwar, dass er dieses Gespräch mit Ginny unter nüchternen Umständen geführt hätte, aber trotzdem, er hatte sich auch nicht komplett weggeschädelt, um es mit Rons Worten zu sagen.
In was für eine blöde Situation hatte er sich da nur gebracht? Erst jetzt ging ihm auf, dass es eigentlich höchst merkwürdig war, dass er nun bei seinen Freunden auf der Couch pennte, während er Malfoy seine Wohnung überlassen hatte, in welcher der nun sicherlich bereits einen neuen, unangebrachten Platz aufgetan hatte, wo man irgendwelche Typen vögeln konnte (vielleicht Harrys Bett? Die Badewanne? Der Küchentisch? Ach nein, das hatten sie ja bereits hinter sich) – und der Gedanke daran versetzte Harry einen unangenehmen Stich in gleich mehreren Körperregionen. Eine davon war seine Blase, aber das kam wohl eher daher, dass er dringend pinkeln musste.
Seufzend wĂĽhlte er sich also aus seinen Decken und tapste schlaftrunken in Richtung Toilette. Als er dabei an der offenen KĂĽchentĂĽr vorbeikam, warf er einen schnellen Blick auf die Uhr an der Wand. Gerade mal halb Acht! Eine geradezu unmenschliche Zeit fĂĽr SelbstvorwĂĽrfe, befand Harry, und setzte kopfschĂĽttelnd seinen Weg zum Badezimmer fort.
Er ließ sich auf der Klobrille nieder (nein, selbstverständlich gehörte Harry nicht zur Gattung der Sitzpisser, aber im Moment war sein Vertrauen in seine koordinatorischen Fähigkeiten noch nicht wieder voll hergestellt, und außerdem gab ihm das mehr Zeit zum Nachdenken), stützte das Kinn in die Handfläche und grübelte darüber nach, wie es von nun an weitergehen sollte.
Er konnte ja wohl schlecht nach Hause gehen, ohne zu wissen, was er Malfoy sagen sollte. Malfoy würde wissen wollen… ja, was eigentlich? Eigentlich ging es ihn ja nichts an, was Harry dachte oder empfand. Eigentlich war das ganz allein Harrys Sache, und überhaupt, was änderte es, wenn er Malfoy sagte, dass er vielleicht und unter Umständen möglicherweise doch ein ganz klitzekleines Bisschen schwul war? Oder bi, wie Ginny sich ausgedrückt hatte. Was war damit gewonnen?
Harry seufzte. Nein, eigentlich änderte sich dadurch gar nichts. Er konnte es also genauso gut lassen. Es war nur… irgendwie wollte er, dass Malfoy es wusste. Was natürlich bescheuert war, weil dadurch nur alles noch komplizierter werden würde, als es ohnehin schon war. Und das war natürlich scheiße. Vor allem, weil Harry selbstverständlich keinerlei Bestrebungen hegte, diese einmalige Sache zwischen ihnen zu wiederholen, weil – ob nun schwul oder bi oder was auch immer – es sich hier immer noch um Malfoy handelte, den Harry so schnell wie irgend möglich wieder aus dem Bild haben wollte.
Denn so war es schließlich immer zwischen ihnen gewesen, richtig? Man geriet hin und wieder mal aneinander, hatte so seine Reibereien, aber am Ende des Tages gingen beide wieder getrennte Wege. Und das war auch gut so, weil…
Weil…
Ja, warum eigentlich?
Weil Draco Malfoy die Wurzel alles Bösen war, selbstverständlich. Nur dass sich herausgestellt hatte, dass er das doch nicht war.
Weil Draco Malfoy ein blasser, spitzgesichtiger Wicht ohne Muskeln war. Nur dass das nicht länger der Fall war, mittlerweile sah er eigentlich recht gut aus. Rein platonisch betrachtet, selbstverständlich.
Weil Draco Malfoy und Harry Potter sich einfach nicht ausstehen konnten. Nur dass das so auch nicht stimmte; Malfoy konnte zwar manchmal wie die Pest am Arsch sein, aber dann wieder…
Harry schüttelte den Kopf über sich selbst. Nein, nein, nein. Malfoy war noch immer ein schrecklicher Mensch, zum Beispiel legte er winzige BHs ominösen Ursprungs in Harrys Tiefkühlfach, stellte sein Gleitgel neben Harrys Haarpflegeprodukte und war augenscheinlich physisch nicht in der Lage, die Cornflakes-Packung wieder zuzumachen, nachdem er all die grünen Fruitloops rausgesammelt hatte.
Das alles waren wichtige Punkte zur Erfassung des Charakters von Draco Malfoy, die man keinesfalls unter den Tisch fallen lassen durfte! Nie im Leben könnte Harry mit jemandem befreundet sein (oder gar mehr), der solch gravierende Persönlichkeitsmängel an den Tag legte. Nie! Schließlich war Harry erwiesenermaßen ein großartiges Exemplar der Gattung Homo sapiens (nein, das Wortspiel war hier keineswegs beabsichtigt!) und es kam daher gar nicht in Frage, dass er sein Leben und sein Bett mit einem so rückständigen…
…und hatte er gerade ernsthaft Draco Malfoy in seinem Bett erwogen?!
Vielleicht, dachte Harry und stand abrupt auf, war das mit dem Nachdenken doch keine so tolle Idee.
Er zog die Spülung und warf einen schnellen Blick in den Spiegel. Ooookay. Ungeachtet seiner tadellosen Persönlichkeit war das, was ihn da aus dem Spiegel anschaute, am ehesten als Eichhörnchen zu beschreiben, das sich offenbar gerade von einem schweren Skiunfall erholte. Wäre Harry nicht sowieso schon auf dem Weg zur Nüchternheit gewesen, so hätte ihn diese Erkenntnis ganz sicher ernüchtert.
Er seufzte abermals (ein Tag, an dem man schon in der ersten halben Stunde so hochfrequent seufzen musste, konnte doch nur absolut beschissen sein!) und beschloss, noch eine MĂĽtze Schlaf zu nehmen. Vielleicht gelang es ihm ja. Dann musste er wenigstens nicht an Malfoy denken.
Blöder Malfoy.
Wieder im Wohnzimmer angekommen, hatte Harry gerade die Augen zugemacht, als es an der TĂĽr klingelte. Wer um alles in der Welt besaĂź die Unverfrorenheit, andere Leute am Sonntagmorgen um acht aus dem Bett zu holen?!
Eigentlich konnte das nur einer sein.
Nur wusste Harry zufällig aus erster Hand, dass dieser jemand ein ausgesprochener Langschläfer war und sich vor elf nie aus dem Bett quälte. Aber wer dann?
Vielleicht, dachte er grimmig, hatten Ginny und Hermine sich ein paar neue frĂĽhaufstehende Lesbenfreunde zugelegt. Man konnte schlieĂźlich nie wissen.
Allerdings verspürte Harry auch nicht den Drang, sich diesen mysteriösen Freunden in Eichhörnchenlook und Boxershorts zu präsentieren, also beschloss er, liegen zu bleiben und so zu tun, als sei er noch nicht wieder bei Bewusstsein.
Der Jemand an der Tür schien aber leider andere Vorstellungen zu haben, denn ein paar Augenblicke später klingelte es erneut. Und erneut. Und…
„Arghl!“, brummte Harry, warf die Decken ab und marschierte zur Tür. Wer auch immer da draußen stand, er/sie/es verdiente den Anblick seiner ungebügelten Quidditch-Unterhosen!
Er riss die Tür auf, und…
„Heilige Scheiße, Potter!“, sagte Malfoy mit ehrlicher Verblüffung in der Stimme. „Was ist denn mit dir passiert? Du siehst aus wie ein Eichhörnchen, das einen schweren Skiunfall hatte!“
Harry erstarrte. Erst mal, was wollte Malfoy hier? Und wie zum Geier war es möglich, dass er den selben abstrusen Vergleich zu Harrys zermatschter Morgenvisage anstellte?!
Harry öffnete den Mund, um genau diese Fragen in genau dieser Reihenfolge zu stellen. Doch unglücklicherweise schien der Datentransfer von seinem Gehirn zu seinem Mund eine Massenkarambolage verursacht zu haben, denn was schließlich herauskam, war: „Mal… eh… du… eh…? Was… Eichhörnchen?“
Malfoy blinzelte. Er schien schließlich zu dem Schluss zu kommen, dass Harrys Hirn vom Alkohol beschädigt worden war, denn er sprach von nun an besonders langsam und deutlich. „Ich… Malfoy. Du… Potter.“
„Ach, halt die Fresse“, keifte Harry, der den Datensalat in seinem Hirn soweit entwirrt hatte, dass zumindest die Region, die für ordinäre Kraftausdrücke zuständig war, wieder in Betrieb genommen werden konnte, was ihn enorm beruhigte. „Was zum Teufel willst du hier?“
Malfoy trat einen Schritt zurück. „Cool bleiben, Potter. Ich bin nur hier, um zu sehen, wie’s dir geht.“
„Wie soll’s mir schon gehen?“, krähte Harry und raufte sich die Haare. „Mir geht’s blendend!“
„Dann kann ich ja wieder gehen“, sagte Malfoy und trat einen weiteren Schritt zurück.
„Hier geblieben!“, bellte Harry. „Lass mich doch erst mal ausredend, verdammt nochmal!“
Die beiden starrten sich einen Moment lang an. Dann ergriff Draco wieder das Wort. „Also?“
Harry verschränkte die Arme vor der Brust. Es war empfindlich kalt da draußen, und vor allem, wenn man nur Boxershorts anhatte. „Jetzt hab ich den Faden verloren“, sagte er. „Das ist deine Schuld.“
Malfoy rollte die Augen. „Ist es das nicht immer?“
Harry zuckte die Schultern. „Du bist ein schlechter Einfluss“, stellte er fest.
Malfoy sah ihn einen Augenblick lang scharf an, dann stahl sich so etwas wie ein Lächeln auf seine Züge. „Also, lässt du mich nun rein, oder was?“
„Ich bin nicht befugt“, sagte Harry. „Das ist die Wohnung von Ginny und Hermine.“
In diesem Moment flog hinter ihm in der Wohnung eine Tür auf. „HARRY!“, schallte Ginnys Stimme durch den Flur. „Wenn du jetzt nicht bald den Stock aus deinem Arsch ziehst, mach ich’s für dich!“
Harry erschauerte. Nicht nur, dass er hier in der Eiseskälte stand und in Unterwäsche mit Malfoy debattierte, nein, er wurde dabei auch noch von seiner Exfreundin belauscht! Großartig. Der heutige Tag versprach genauso abstrus zu werden, wie der vorige geendet hatte.
„Ich glaube, das heißt, du sollst mich reinlassen“, sagte Malfoy nüchtern, und Harry wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Also trat er einen Schritt zur Seite und brachte seinen Unwillen durch mürrisch herabhängende Mundwinkel zum Ausdruck.
„Mach nicht so ein Gesicht“, sagte Malfoy, und ehe Harry es sich versah, strich sein Daumen sanft über Harrys Lippen. „Sonst bleibt’s noch so stehen.“
„Unfug“, murrte Harry mit hochrotem Kopf und ging Malfoy nach, der selbstbewusst ins Wohnzimmer schlenderte.
Na toll.
Und wenn sein Herz nicht bald einen Gang runterschaltete, würde er womöglich auch noch demnächst einen Infarkt bekommen.
Andererseits – vielleicht wäre ein schneller Tod angesichts der Situation ja auch gar nicht mal so übel.
-
Kurz darauf saĂźen sie im Wohnzimmer, Harry, Malfoy und Ginny und Hermine, die auf ihrem Lauschposten vor der TĂĽr entdeckt worden waren und sich nun als Beziehungsberater aufzuspielen suchten. Was albern war, fand Harry, weil er und Malfoy ja ĂĽberhaupt keine Beziehung hatten. Und auch keine wollten, natĂĽrlich.
„Du bist also weder schwul, noch bi, noch magst du Malfoy“, resümierte Hermine gerade. „Und trotzdem hattest du Sex mit ihm?“
„Wir hatten eigentlich gar keinen Sex“, protestierte Harry, bereits empfindlich nah an der Grenze zur Verzweiflung.
Malfoy sah ihn an. „Du hattest deinen Schwanz in meinem Mund“, sagte er trocken. „Also, da wo ich herkomme, nennt man das Sex.“
„Aber wir haben nicht… ich meine… du warst nicht…“
„Wir haben nicht gefickt“, sagte Malfoy. „Meinst du das?“
„Ja. Also zählt es nicht.“
„Wie bitte?“, fragte Ginny, leicht verletzt. „Es muss doch nicht immer einer penetriert werden, damit es als Sex gilt!“
Hoppla, dachte Harry und nahm sich vor, in nächster Zeit etwas vorsichtiger mit seiner lesben-diskriminierenden Wortwahl zu sein.
„Und dass du mir in weniger als einer Minute laut stöhnend ins Gesicht gespritzt hast, lag wohl auch daran, dass es dir so überhaupt nicht gefallen hat, was?“
„Unter einer Minute?“, rief Ginny. „Oh Malfoy, du musst mir sagen, wie man das macht!“
„Hey!“, riefen Harry und Hermine im Chor, während Malfoy nur blöd grinste und Ginny schwach errötete.
„Ich mein ja nur“, sagte sie und lächelte Hermine entschuldigend an.
Harry schnaubte. „Was auch immer. Jedenfalls war das eine einmalige Sache.“
„Wieso?“, fragte Malfoy.
„Was soll das heißen, wieso?“
„Genau, wenn es doch gut war, wieso wehrst du dich dann so?“, fragte Hermine.
„Ja, weil… weil… weil es eben falsch ist,“ rief Harry, bestürzt über Hermines offenkundigen Mangel an moralischem Bewusstsein. Wann genau war das denn passiert?
„Wieso ist es falsch?“
Harry kam nun wirklich in Erklärungsnot. Es war doch alles so klar – und dennoch unheimlich schwer in Worte zu fassen. „Selbst wenn es mir gefallen hätte, selbst wenn ich dich mögen würde – wir könnten nie zusammen sein!“, greinte er schließlich mit weinerlicher Stimme und warf in einer Geste der Verzweiflung die Hände in die Luft. „Es ist einfach unmöglich!“
„Und wieso ist es unmöglich?“, wollte Draco mit aufreizender Begriffsstutzigkeit wissen.
„Du… du hebst winzige BHs in meinem Tiefkühlfach auf!“, flüsterte Harry, der darüber noch immer so bestürzt war wie am ersten Tag. Ginny und Hermine sahen sich irritiert an, und auch Malfoy machte ein erstauntes Gesicht.
„Was?“
„Du weißt schon“, flüsterte Harry verschwörerisch. „Dieses kleine blaue Ding!“
„… du meinst die Anti-Augenschwellung-Schlafmaske?“
Vielsagende Stille senkte sich ĂĽber die Szenerie.
„Oh. Na ja. Und… warum pickst du immer nur die grünen Fruitloops raus, hä?“
„Ich bin allergisch gegen die anderen!“
„Nein, das bist du nicht, niemand ist allergisch gegen eine bestimmte Farbe Fruitloops!“
„Na schön, vielleicht mag ich die grünen halt einfach am liebsten!“
„Da seht ihr’s!“, kreischte Harry triumphierend. „Da seht ihr’s!“
Ginny rollte die Augen. „Na und? Glaub ja nicht, wir wüssten nicht, dass du bei den Mohrenköpfen immer die Waffel unten übrig lässt und sie dann wegschmeißt, wenn du glaubst, dass keiner hinguckt.“ *
„Waaaaas?“
Hermine grinste. „Lüg nicht. Wir haben dich gesehen. Aber ich verrat dir jetzt was, Harry: Nobody’s perfect.“
Harry errötete bis unter die Haarwurzeln. Das war’s dann ja wohl. Sein großes Geheimnis war enthüllt, all sein moralische Integrität dahin. Er war ein entlarvter Mohrenkopfwaffelwegschmeißer, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte.
„Also“, sagte Malfoy schließlich. „Quid pro quo, oder wie seh ich das?“
„Was?!“
Hermine räusperte sich. „Liebe“, dozierte sie, „ist gemeinsame Freude an der wechselseitigen Unvollkommenheit.“ **
Harry starrte sie an. Hermine starrte zurĂĽck.
Harry starrte Ginny an. Ginnys Gesicht war eine Maske aus Unnachgiebigkeit.
Harry starrte Malfoy an. Malfoys Gesicht war…
…war…
…irgendwie hübsch, schmal und hellhäutig, mit ausdrucksvollen grauen Augen und platinblonden Strähnen seines Haars, die immer vorwitzig hineinfielen, sodass er sie ungeduldig mit dem Handrücken fortwischte. Wenn man ganz genau hinsah, konnte man sogar einen Anflug von Sommersprossen um die Nase herum erkennen; allerdings waren sie nur sehr blass und Harry hatte sie nie zuvor bemerkt. Vielleicht deckte Malfoys sie normalerweise ab, schämte sich ob des Makels, aber Harry gefiel gerade diese Unvollkommenheit ausnehmend gut.
„Was?“, fragte Malfoy, und Harry hörte den Hauch von Unsicherheit in seiner Stimme, Unsicherheit, dass Harry ihn zurückweisen würde, ihn nicht wollte… Harry musste unwillkürlich lächeln und schüttelte den Kopf. Vielleicht…
Sollte er in den sauren Apfel – will sagen, Malfoy – beißen, sein Gespür für Ethik, Anstand und Alles Was Recht War vergessen und sich auf etwas einlassen, von dem er jetzt schon mit ziemlicher Sicherheit sagen konnte, dass es die chaotischste, verstörendste und kompromittierendste Zeit seines Lebens zu werden drohte? (Und diese Überlegung schloss Voldemort und einen durchgeknallten Hauselfen-Stalker mit suizidalen Tendenzen ein).
Das Ganze klang eigentlich nicht sehr verlockend, fĂĽhlte sich aber dennoch so an. Irgendwie.
Er bekam es kaum mit, als Hermine aufstand und die protestierende Ginny mit sich zog, etwas von FrĂĽhstĂĽck und Kaffeekochen murmelnd, er sah einfach nur in Malfoys quecksilbergraue Augen, die seine eigene Unsicherheit widerspiegelten.
Nach einer Weile begann Malfoy, unruhig hin und her zu rutschen. „Sagst du jetzt noch was, oder…“
Harry rollte die Augen. „Halt die Klappe und küss mich, du Idiot.“
Malfoy brauchte nicht lang, um der Aufforderung nachzukommen.
…und da war es. Es war kein Klick, wie Ginny es beschrieben hatte, stattdessen war es ein Summen, das von Harrys Zehen zu kommen schien und sich langsam in seinem ganzen Körper ausbreitete, wie Schallwellen, wie das Rauschen der Brandung, bis schließlich Harrys gesamte Existenz zu vibrieren schien.
Sie lösten sich wieder voneinander, die Augen noch immer geschlossen, und blieben einfach so sitzen, die Stirn an die des anderen gelehnt.
„Du zitterst“, sagte Malfoy schließlich, sein Atem warm auf Harrys Haut.
„Ja.“ Harry brachte eine Hand hinauf zu Malfoys Gesicht und berührte es mit den Fingerspitzen.
„Und jetzt?“, flüsterte Malfoy, während er sich kaum merklich in Richtung von Harrys Hand lehnte.
„Jetzt ziehen wir dem guten Harry erst mal etwas an, damit er eure Vereinigung nicht gleich mit einer saftigen Lungenentzündung beginnt, und dann würde ich sagen, ihr zwei schwingt eure Ärsche in unsere Küche und frühstückt mit uns.“
Die beiden warfen Ginny, die plötzlich wieder in der Tür stand, einen halb fragenden, halb pikierten Blick zu, worauf diese ihr rotes Haar in den Nacken warf und in einer genauen – wenngleich jüngeren, hübscheren und schlankeren – Imitation ihrer Mutter die Hände in die Hüften stemmte. „Wird’s bald?“
Harry und Draco sahen sich an und grinsten.
„Zu Befehl, Oberfeldmarschall Weasley!“, rief Harry, sprang auf die Füße und salutierte zackig. Ginny rollte die Augen und entschwand wieder in die Küche.
„Komm schon“, sagte Harry zu Malfoy. „Hermine kocht verdammt guten Kaffee.“
Malfoy lachte und ließ sich von Harry hochziehen. „Also gut. Obwohl ich es sehr bedauerlich finde, dass du deinen beachtlichen Torso jetzt wieder verhüllen wirst.“
Harry grinste.
Vielleicht war es ja wirklich nicht so ĂĽbel, nicht perfekt zu sein.
The End
A.N.:
* Es soll ja angeblich Leute geben, die das machen. *hust* Aber seien wir mal ehrlich, die Waffel schmeckt auch immer komplett nach Pappe!
** Danke, Mum! ;)
Jeez, ist das kitschig geworden oO Aber naja, was soll’s ist ja schließlich nur einmal im Jahr Weihnachten, eh? Wenn ich mich diese Woche noch aufrappeln kann, gibt’s vielleich noch nen Weihnachts-One-Shot – wenn nicht, dann wünsch ich an dieser Stelle euch allen ein Frohes Fest und einen Guten Rutsch ;) Cherrioh!
Oh, btw – ja, schon wieder kein richtiger smut. Ich entschuldige mich. Vielleicht finde ich demnächst zu meinen pornographischen Wurzeln zurück – ansonsten müsst ihr womöglich bald noch Storys mit Niveau von mir lesen… und da sei Merlin vor ;)
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Samstag, 01.07.
Freitag, 02.06.
Mittwoch, 24.05.
Der Tod ist in allen sieben BĂĽchern ein ganz bedeutendes Thema.
Joanne K. Rowling