von SnapeAndScully
Kapitel 31
Schwäche zeigen
Snape rief durch den Kamin nach einem Hauselfen, der kurz darauf auch erschien. “Was kann Jester für Sie tun, Sir?”, fragte der kleine Elf und verbeugte sich tief vor dem schwarzen Magier.
“Bring mir aus Miss Scullys Wohnung bitte einen Bademantel und frische Handtücher.”
Als Jester mit einem Packen weißer Handtücher und einem sauber gefalteten Bademantel zurückkam, ließ sich Snape sogar zu einem leise gemurmelten “Danke” herab und nahm ihm dann die Sachen.
Snape schätzte die Verschwiegenheit der Hauselfen sehr, denn sie erledigten sein Anliegen schnell und zuverlässig und stellten dabei keine unbequemen Fragen.
Snape klopfte höflich an der Tür zu seinem marmornen Badezimmer, hörte allerdings nur das Wasser rauschen und trat dann langsam ein. Er legte ihre Sachen auf einem kleinen Stuhl neben der Dusche ab, und wollte danach sofort wieder gehen, doch sein Blick fiel auf das helle Milchglas seiner Duschkabine. Dahinter erkannte er schon fast zu deutlich Scullys schlanke Silhouette, die in den warmen Dampfschwaden stand und das heiße Wasser auf ihren Körper herabregnen ließ. Sie bewegte sich nicht, ihre Arme hingen kraftlos herab und ihren Kopf hatte sie dem Wasserstrahl entgegen gereckt. Snape konnte die verschwommene Kontur ihrer Brüste hinter der beschlagenen Scheibe sehen und er errötete leicht. Wann hatte er das zum letzten Mal gesehen, und wieso konnte er seinen Blick jetzt nicht davon abwenden? Er sollte ihr Vertrauen, das sie in ihn setzte, nicht derart missbrauchen, allerdings war es schwierig für ihn, bei diesem Anblick einen klaren Gedanken zu fassen. Er zwang sich dazu, die Augen zu schließen, atmete einmal tief durch und verließ dann leise das Badezimmer, dass ihm die Schweißperlen auf die Stirn trieb.
Er wollte sich nicht in sie verlieben, das durfte er nicht, in seinem Leben hatte ein solches Gefühl keinen Platz mehr.
Severus entzündete ein flackerndes Feuer in seinem Kamin und ließ sich geräuschvoll in den Ledersessel davor fallen, während er ein volles Glas Feuerwhisky herbeizauberte. Er nahm einen kräftigen Schluck der goldbraunen Flüssigkeit, die angenehm in seiner Kehle brannte und bedeckte mit einer Hand seine Augen. Was für ein verrückter Tag. Heute morgen hätte nicht daran geglaubt, dass Miss Scully am Abend in seiner Wohnung duschen würde. In diesem Moment öffnete sich die Badezimmertür und Scully trat, in ihren weißen Frotteebademantel gehüllt, mit nassen Haaren heraus. Sie wirkte frischer und ausgeruht, ihre strahlend blauen Augen, hatten einen klaren Ausdruck angenommen und sie lächelte leicht. Snape stand sofort auf, stellte sein Glas ab und ging vorsichtig einige Schritte auf sie zu, wie ein scheues Tier, das nicht sicher war, ob es dieser Person trauen konnte.
“Wie geht es Ihnen jetzt”, fragte er sanft und sah sie eindringlich an.
“Gut”, sagte sie kühl und ihr Tonfall verriet, dass sie ihn nicht zu nahe an sich heranlassen wollte.
“Hören Sie”, sprach sie weiter, als Snape ungläubig die Stirn in Falten legte. “Sie haben sehr viel für mich getan, und ich bin Ihnen wirklich dankbar dafür. Man sollte Ihnen einen Orden verleihen, denn Sie haben mir mal wieder das Leben gerettet.” Sie lachte resigniert auf.
“Wo war Ihr Zauberstab”, fragte Snape ernst.
“In meiner Wohnung”, antwortete Scully wahrheitsgemäß und senkte schuldbewusst den Kopf.
“Schon gut”, meinte Snape beschwichtigend. “Grando wäre stärker gewesen, Sie hätte auch mit Zauberstab keine Chance gehabt.” Als Scully unter diesen harten, aber ehrlichen Worten getroffen zusammenzuckte, bemerkte er erst, was er da gerade gesagt hatte.
“Nein, so war das nicht gemeint”, versuchte sich Snape zu entschuldigen, doch Scully unterbach ihn barsch. Ihre Gesichtszüge waren hart und unbewegt, ihre Augen waren blaues Eis.
“Nein nein, es stimmt, ich hätte keine Chance gehabt. Als ich hier ankam, haben Sie nicht geglaubt, dass aus mir in dieser Welt etwas werden kann und Sie sollten Recht behalten. Ich sollte besser dorthin zurückkehren, wo ich leben kann, in eine Welt, ich der ich mich selbst verteidigen kann.” Die Kälte in ihrer Stimme erschreckte ihn und obwohl sie nur einen Meter von ihm entfernt stand, war sie so unerreichbar fern und unnahbar.
“Es hat sich mittlerweile viel verändert, Miss Scully. Sie können nicht so einfach aufgeben. Sie haben sehr viel Potential in sich, Sie wären eine gute Heilerin”, meinte Snape eindringlich und ging einen Schritt auf sie zu.
“Oh nein, Sie wissen genau so gut wie ich, dass dem nicht so ist. In meiner Welt hatte ich etwas erreicht, ich war Ärztin, ich war FBI Agentin, ich habe gekämpft, gewonnen und auch verloren”, sagte sie stolz.
“Sie sind gut, verdammt gut. Sie sind die beste Schülerin die ich jemals hatte, wollen Sie jetzt so einfach gehen?” Snape überkam plötzlich eine Angst, die er lange nicht mehr gespürt hatte. Es war der erneute Verlust, den er fürchtete, er konnte sie jetzt nicht gehen lassen, er brauchte sie hier.
“Ich will nicht gehen, ich werde gehen. Mein Entschluss steht fest. Ich sehne mich nach dem sicheren Gefühl des kalten, schweren Stahls in meiner Hand, ein Gefühl, dass mir kein Holzstab jemals geben wird. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen so viele Unannehmlichkeiten bereitet habe. Außerdem war es eine dumm Idee von mir, hier zu duschen. Ich wollte Sie nicht belästigen. Ich verschwinde jetzt in mein Zimmer und morgen sind Sie mich los. Danke, danke für alles. Sie waren in den ganzen Wochen der einzige Vertraute, Sie waren immer ehrlich zu mir. Sie spielten mir keine falsche Freundlichkeit vor und für Sie war ich auch kein Versuchskaninchen. Ich bin es Leid wie ein Kind mit besonderen Bedürfnissen behandelt zu werden, ich will endlich wieder ein Mensch sein”, antwortete sie und Wehmut mischte sich in ihre gefühlskalte Stimme.
“Nein, nein. Sie können nicht einfach aufgeben, nicht jetzt! Sind Sie wirklich so feige? Ich hatte sie anders eingeschätzt! Sie haben mich nicht belästigt, aber Sie haben mich gerade schwer enttäuscht”, schrie Snape wütend und stellte sich ihr in den Weg.
“Das tut mir Leid. Ich bitte Sie, machen Sie es mir nicht noch schwerer, als es ist. Lassen Sie mich bitte vorbei”, meinte sie stur und zog ihren Bademantel enger um ihren schmalen Körper.
“Sie fühlen sich gedemütigt und hilflos, ist es nicht so, Miss Scully?”, fragte Snape plötzlich sanfter und beschloss in die Offensive überzugehen. Scully bedachte ihn mit einem ungläubigen Blick voll Misstrauen und Schmerz. Obwohl sie mit Leibeskräften darum kämpfte, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen, traf er genau den wunden Punkt.
“Ich denke nicht, dass ich mit Ihnen darüber sprechen muss. Sie sind nicht mein Therapeut. Sie entschuldigen mich jetzt”, sagte Scully eisig, ihre blauen Augen funkelten ihn zornig an, als sie sich an ihm vorbei schob.
“Sie müssen nicht immer stark sein. Ich kann mir vorstellen, wie Sie sich fühlen müssen. Es tut mir Leid, was heute Abend passiert ist, aber das ist kein Grund, einfach davonzulaufen.”
Scully drehte sich abrupt um, ihre Haltung war starr und angespannt.
“Ach, Sie können sich das vorstellen. Ich habe seit ich hier bin schon genug Schwäche gezeigt, aber ich war nicht immer so. Früher war ich stark und stolz, sehen Sie doch nur, was aus mir geworden ist!” Ihre Stimme begann zu zittern, und sie schlug den Blick zu Boden. Snape spürte, dass sie ihre Fassung nicht mehr lange aufrecht erhalten konnte.
Als sie wieder aufsah stand ihr Lehrer direkt vor ihr und sah sie aus unergründlich schwarzen Augen an.
‘Bitte’, flehte sie stumm. ‘Bitte lass mich nicht in dich verlieben. Sieh mich nicht so an, ich kann das im Moment nicht.’
“Ich weiß”, flüsterte er und seine dunkle, sanfte Stimme ließ sie schwach werden. “Ich weiß. Ich spüre Ihre Stärke, ich sehe Ihren Stolz in Ihren Augen. Sie sind mutig und dickköpfig”, fuhr er fort und entlockte Scully ein leises Lachen. “Aber in der heutigen Nacht müssen Sie weder stark noch mutig sein. Sie haben in letzter Zeit viel mitgemacht. Sie können Ihre Gefühle nicht ewig verbergen, Sie dürfen auch einmal schwach sein, verletzt sein.” Er sprach leise und seine blanke Ehrlichkeit überraschte sie beide. Snape war sich nicht sicher, ob er das zu Scully oder zu sich selbst sagte, er wusste nicht, warum er sich so seltsam verhielt, warum er unbedingt wollte, dass Scully ihm ihre Schwäche zeigte.
“Wie fühlen Sie sich”, fragte er noch einmal und sein altes Herz pochte wild, als ihr kleiner Körper zitterte und sie sich Schutz suchend an ihn drückte.
“Ich habe mich niemals so gedemütigt gefühlt”, schluchzte sie. “Ich konnte mich nicht bewegen und lag halb nackt wie eine bewegungslose Puppe unter ihm. Ich konnte mich verdammt nochmal nicht bewegen, keinen Zentimeter. Ich war in meinem eigenen Körper gefangen, während ich ihm schutzlos aufgeliefert war. Er wollte es tun, aus Liebe. Es war so beschämend, so demütigend.” Sie schlang die Arme um Snapes Körper und er strich ihr beruhigend über den Rücken und fuhr ihr liebevoll durch die nassen Haare. Ihr einmaliger Duft stieg ihm in die Nase und sie roch so vertraut. Er drückte sie fester an sich und sie fühlte sich seltsam geborgen in den armen des dunklen Zauberers.
‘Bitte’, flehte sie stumm. ‘Bitte lass mich dich nicht brauchen. Berühre mich nicht so, ich kann das im Moment nicht.’
“Tut mir Leid.” Scully lachte beschämt und wischte sich mit dem Handrücken schnell die Tränen weg. Snape sagte nichts, er war wie verzaubert von ihrem Anblick, von ihrem Charakter, und ohne dass er es bewusst steuerte, strich er mit seinem Daumen über ihre feuchte Wange. Die nächsten Augenblicke schienen mit der Ewigkeit zu verschmelzen, die Luft war elektrisierend und Snape senkte seinen Kopf zu Scully herab. Sein Mund kam dem ihren gefährlich nahe und sie schloss die Augen, als seine Lippen sich für den Bruchteil einer Sekunde auf ihre legten. Es war ein sanfter Kuss, leicht und unbeschwert wie der kurze Flügelschlag eines Schmetterlings, der zufällig die Haut streift. Snape schaute Scully an und in seinen dunklen Augen lag so viel Gefühl, dass sie ihn beinahe nicht wiedererkannte. Sie lächelte.
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