
von SnapeAndScully
Kapitel 22
Eine gefährliche Mischung

Scully verbrachte den nächsten Tag in ihren Räumen, denn nach der gestrigen Nacht, hatte sie bis zum Vormittag geschlafen und danach gedankenverloren in ihrem Frühstück, das ihr wie immer von Jester gebracht wurde, herumgestochert. Sie freute sich auf ihre Legilimentikstunde am Abend, aber sie war verdammt aufgeregt. Sie wusste nicht genau, wie sie ihm heute begegnen sollte und sie konnte auch nicht einschätzen, wie Snape mit ihr umgehen würde.
“Sie sind zu früh”, bellte Snape, als Scully höflich an seiner Tür klopfte. Erschrocken wich sie einen Schritt zurück und war im Begriff, schon wieder zu gehen, als sie seine durchdringende und ölige Stimme erneut vernahm.
“Kommen Sie rein, ich habe schließlich nicht den ganzen Abend Zeit und jeh früher wir beginnen, desto schneller bin ich Sie wieder los”, keifte der schwarze Mann weiter. Er wusste nicht, wie sehr er Scully mit seinen Worten verletzte, doch sie ließ sich nichts anmerken.
Nachdem Snape die grundlegenden Dinge über Legilimentik erklärt hatte, lehrte er Scully die Anwendung von Okklumentik. Snapes Anweisungen waren kühl und sachlich, die Leidenschaft der vergangenen Nacht war gänzlich verschwunden und sein Ton war schäfer als zuvor. Drohend hatte er sich vor Scully aufgebaut, seine rechte Hand hielt den Zauberstab und er zielte damit direkt auf Scully, die vor ihm auf einem Stuhl saß.
“Konzentrieren Sie sich jetzt, bereit?”
Allerdings wartete Snape nicht auf Scullys Zeichen, er ließ ihr keine Zeit mehr, sich zu sammeln.
“Legilimens!”
Mit einem Mal, viel zu schnell, als dass sie hätte reagieren können, schossen tausend Erinnerungsfetzen an ihr vorbei, sie hörte Schreie in ihrem Kopf, Mulder tauchte vor ihrem inneren Auge auf, sie erlebte seinen Tod noch einmal und sie wurde innerlich zerdrückt, von der Flut an Gedanken. Eine Welle von bereits vergangenen Momenten brach über sie herein und zog sie unter Wasser, so dass sie kaum Luft bekam. Private, intime Momente mit Mulder, ein Kuss, eine Umarmung, eine sanfte Berührung, wirbelten durch ihren Geist und ihr wurde bewusst, dass Snape tief in ihr Bewusstsein vorgedrungen war und sie nackt und wehrlos vor ihm stand. Er war begierig, mehr von ihr zu erfahren und irgendwie schaffte er es, dass sie sich auf einen ganz bestimmten Augenblick konzentrierte. Sie sah ein Bett, sie sah Mulder, sie blickte auf sich selbst herab und sie setzte alles daran, Snape endlich aus ihrem Kopf zu bekommen.
“Legilimens”, schrie sie in einem Akt der Verzweiflung, denn sie drohte an den bunten Bildern zu ersticken.
Plötzlich schoss sie durch einen schwarzen Tunnel und schwebte über einem viel jüngeren Snape, der gerade ein Streitgespräch mit einer hübschen, jungen, rothaarigen Frau hatte. Scully fiel von einem Moment in den nächsten, ging noch weiter in die Zeit zurück und sah Snape dieses Mädchen umarmend. Er strich ihr sanft über die Wange, und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, ehe Scully in die nächste Erinnerung stolperte.
“Hast du ernsthaft geglaubt, Lily würde dich lieben, pah, das ist vollkommen verrückt. Habt ihr das gehört Leute, der alte Schniefelus hat gedacht, er würde geliebt werden. Du bist ein Todesser, genau wie deine widerlichen Freunde, ihr seid des Teufels rechte Hand, Lily hasst dich!”, höhnte ein junger Mann mit Brille und dunklem Haar, der Harry Potter unglaublich ähnlich sah. Snape lag auf dem Boden, von drei weiteren Schülern umringt, die in lautes Gelächter ausbrachen.
“James, lass ihn in Ruhe”, schrie eine rothaarige, junge Frau, die gerade über die Ländereien auf die Gruppe zugelaufen kam.
“Lily”, fragte James dümmlich, und grinste spitzbübisch, doch Lily beachtete ihn gar nicht.
“Severus”, sagte Lily sanft und reichte ihm die Hand, um ihm aufzuhelfen, allerdings rappelte sich Snape alleine hoch, klopfte sich das Gras und den Dreck von seinem Umhang, und sah sie mit einer Mischung aus Schmerz und Verachtung an.
“Es tut mir Leid”, flüsterte Lily, aber Snape beachtete sich nicht mehr, sondern wandte sich von ihr ab und murmelte. “Lass mich in Ruhe.”
Das nächste, was Scully wieder wahrnahm, war Snapes Stimme, die sich vor Zorn fast überschlug.
“Verschwinden Sie, raus, raus hier!”, schrie Snape außer sich von Wut und Scully kam langsam zu sich. Benommen sah sie sich um und bemerkte, dass sie nicht mehr auf dem Stuhl vor Snape saß, sondern auf dem Boden, mit dem Rücken an der Wand, die sie stützte. Ihr Lehrer stand vor ihr, die schwarzen Augen zu kleinen Schlitzen verengt, die Lippen fest aufeinander gepresst und den Zauberstab drohend auf sie gerichtet. Scully kämpfte sich mühsam auf die Beine und stotterte ein klägliches “Es tut mir Leid”, auch wenn sie die Situation noch nicht verarbeiten konnte.
“Verschwinden Sie, sofort”, zischte Snape mit der Bissigkeit einer Schlange.
“Aber ich ... es ...”
“Raus!”
Snape wurde wieder lauter und ging einen weiteren Schritt auf Scully zu, die mit dem Rücken an der kalten Steinwand lehnte. Ihr Kopf dröhnte und um sie herum drehte sich alles. Erst jetzt, als ihr Lehrer so nahe vor ihr stand, merkte sie, dass seine Hand zitterte und dass sein Atem schwer und keuchend ging. Er hatte mit einem Mal tiefe, dunkle Ringe unter den Augen und seine schwarzen Haare hingen in wilden Strähnen in sein Gesicht.
“Professor Snape, ich bitte Sie”, versuchte es Scully ein letztes Mal, doch Snape blieb eisern.
“Raus hier. Sofort!”, sagte er kalt und zeigte mit seiner freien Hand auf die Tür, während er mit seinem Zauberstab weiterhin Scully fixierte.
Die junge Frau schwankte leicht, sah mit einem traurigen Blick zu Snape auf, ehe sie aus dem Klassenraum verschwand und die Tür geräuschvoll hinter sich zufallen ließ.
Snape blieb schwer atmend alleine in seinem Labor zurück und klammerte sich mit einer Hand fest an das Lehrerpult. Kraftlos fiel sein Zauberstab zu Boden und er fuhr sich über die brennenden Augen, in denen stille Tränen brannten. Scully hatte sich in seinen Erinnerungen festgebissen und wollte sie nicht mehr loslassen. Wie hatte sie es geschafft, ihn, einen Meister in Okklumentik, derart zu überrumpeln? Es hatte ihm viel Kraft gekostet, sie endlich aus seinen Gedanken zu verbannen, allerdings hatte sie schon viel zu viel gesehen. Sie wusste jetzt, dass er ein Todesser war und sie wusste auch von Lily und wie Potter ihn damals behandelt hatte. In einem Augenblick voller Scham hatte sie ihn gedemütigt am Boden liegen sehen, hilflos und bleich, von seiner großen Liebe verschmäht. Snape ballte die Hände vor Wut zu Fäusten, sein Körper zitterte noch immer und er bereute es zutiefst, diesem Weib Okklumentikunterricht gegeben zu haben. Er hatte mehr über sie erfahren, aber auf dieses Wissen konnte er gerne verzichten, denn dass sie und ihr Partner mehr als nur Kollegen gewesen waren, das war ihm vorher bereits bewusst gewesen.
Sie war der erste Mensch, der aus ihm lesen konnte wie aus einem Buch und er hasste das. Sie war klug und hübsch, eine sehr gefährliche Mischung.
Erschöpft lies er sich auf einen Holzstuhl fallen und schloss für wenige Augenblicke die schweren Augenlider. Er wollte einfach nur vergessen und den Schmerz der Vergangenheit nicht noch einmal spüren.
Scully lag in ihrem Schlafzimmer auf dem Bett und wollte im Moment nicht darüber nachdenken, was sie in Snapes Erinnerungen gesehen hatte, denn sie konnte es nicht fassen, wie er sie behandelt hatte. In ihrer alten Welt, in ihrem geordneten, strukturierten Leben hatte sie sich als FBI Agentin niemals schwach gefühlt, das kalte, schwere Eisen hatte ihr Macht und Stärke verliehen, mit ihrer Waffe war sie nie schutzlos gewesen und jetzt, in dieser verdammten Welt der Zauberei war sie eine hilflose Frau geworden. Sie war den Launen ihres Lehrers ausgeliefert, der in einem Moment aggressiv und mächtig war und im nächsten unglaublich sanft und verletzlich schien. Scully konnte ihn nicht einschätzen und sie konnte nur schwer mit ihm umgehen, aber dennoch faszinierte er sie. Vielleicht war es die Gefahr, die von ihm ausging, die sie anzog.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel