von SnapeAndScully
Kapitel 17
Veränderungen
Dana Scully versuchte seit vier Stunden vergeblich einzuschlafen. Der Poltergeist ließ sie einfach nicht los und erstaunlicherweise war es nicht einmal die Tatsache, dass es hier Geister gab, die sie erschreckte, sondern das, was er über den Zaubertranklehrer gesagt hatte. Wieso sollte Snape letztes Jahr der Schulleiter von Hogwarts gewesen sein und wieso hasste er Muggel? Ein Wahrer der Reinblüter, was war damit gemeint? Hermine hatte bereits seltsame Dinge über ihn erzählt, sie hatte versucht, eine negative Person in ein gutes Licht zu rücken, aber wollte sie dadurch vielleicht nur eine Warnung aussprechen?
Energisch schlug Scully die Bettdecke zurück und tigerte barfuss durch ihre Räume. Wer war dieser verschlossene, distanzierte Mann wirklich? Wer hatte ihm den Schmerz, der in seinen schwarzen Augen zu lesen war, zugefügt und wie schaffte er es, seine Miene innerhalb einer Sekunde völlig zu verschließen? Die junge Frau lief in das Badezimmer, zog sich den Rock und die Bluse wieder an, schlüpfte schnell in ihre Schuhe und verließ ihre Wohnung. Sie hätte es keine Minute länger dort ausgehalten, sie musste einfach raus, über alles nachdenken und versuchen, wieder einen kühlen Kopf zu bekommen.
Einem inneren Impuls folgend stieg sie wahllos die langen Steintreppen nach oben, folgte intuitiv dem hellen Schein des Mondes und fand sich, ohne es zu wissen oder geplant zu haben, auf dem Astronomieturm wieder. Von dem sagenhaften Ausblick begeistert, trat sie an das Geländer und ließ ihren Blick über die weite, mondbeschienene Landschaft schweifen. Sie nahm einen tiefen Atemzug und ihre Lungen füllten sich mit der klaren Nachtluft, während sie für einen Moment die brennenden Augen schloss und an überhaupt nichts dachte. Sie lüftete ihren Kopf durch und sah dann zu dem erhabenen Halbmond hinauf, der, von abertausend leuchtenden Sternen umgeben, sein silbern, gelbliches Licht über die Welt ergoss. Das große Schloss lag friedlich schlafend unter ihr, in einen dunstigen Nebelschleier gehüllt und wartete darauf, dass die glühend rote Sonne ihm sein Leben zurückgab. Langsam begann Scully zu frösteln, ihr schwarzer Umhang bat ihr wenig Schutz gegen die Kälte der Nacht und so rieb sie leicht frierend ihre Hände zum Aufwärmen gegeneinander, während sich auf ihren Armen eine leichte Gänsehaut gebildet hatte.
„Kalt“, fragte plötzlich eine dunkle, ihr nur allzu gut bekannte Stimme und sie zuckte erschrocken zusammen. Rechts neben ihr trat, in seine pechschwarze Robe gehüllt, der Meister der Zaubertränke aus dem Schatten und musterte Scully amüsiert, als sie betreten auf ihre Füße starrte und nach einer Ausrede suchte, wobei sie sich schlussendlich doch für die Wahrheit entschied.
„Ich konnte nicht schlafen und …“, erklärte die rothaarige Frau kleinlaut.
„Und dann kamen Sie auf die glorreiche Idee, einfach mal ein wenig durch Hogwarts zu spazieren, nicht wahr“, vollendete Snape hochmütig ihren Satz.
„Ich kann auch nicht schlafen“, sagte er plötzlich völlig zusammenhangslos und trat neben sie ans Geländer.
Scully sah abwartend zu ihm auf und die nur kurz verstummten Fragen kehrten zurück und bestimmten ihr Denken.
„Nun fragen Sie schon“, forderte Snape sie auf, ohne sie dabei direkt anzusehen. Er grinste leicht, ein schiefes, freudloses Lächeln glitt sich für einen Augenblick über seinen Mund.
Die junge Frau blickte ihn erstaunt an, ehe sie wieder den Mond betrachtete.
„Haben Sie Muggel wirklich gehasst“, flüsterte sie so leise, dass er sie kaum verstand, aber das war auch nicht nötig, er kannte ihr Anliegen bereits.
„Ja.“ Er spuckte das kalte, gehässige Wort als die Antwort einer Frage aus, vor der er sich innerlich gefürchtet hatte, doch zu lügen hatte keinen Sinn.
Scully erschreckte seine Antwort, jetzt, nachdem sie laut ausgesprochen worden war, überraschenderweise überhaupt nicht, im Gegenteil, sie bewunderte seine Ehrlichkeit, seinen trockenen Mut.
„Hmm“, machte sie nur, und Snape gab sich damit zufrieden.
Einige Minuten sagte sie nichts, sondern sahen nur schweigend hinaus auf die mondbeschienenen Wiesen. In Hagrid Hütte brannte noch Licht, und der Wald stand still und leer, wie eine bewegungslose Armee, die auf ihren nächsten Angriff wartete.
„Haben Sie schon einmal einen Menschen getötet“, fragte der Zaubertranklehrer und zerriss dadurch das Schweigen.
„Ja.“
„Ich auch.“
Snape wusste nicht, warum er das sagte, er konnte sich noch nicht einmal erklären, warum er sich hier, auf dem höchsten Turm von Hogwarts, überhaupt mit seiner Schülerin unterhielt, und sie nicht anstelle dessen mit einer saftigen Strafe zurück in ihre Räume schickte, allerdings war ihm das im Moment auch egal.
Erneut herrschte eine angenehme Stille zwischen den Beiden, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
„Haben Sie schon einmal einen unverzeihlichen Fehler begangen“, flüsterte Snape erneut.
„Oh, ich habe schon sehr viele Fehler begangen und einige davon kann ich mir bis heute nicht verzeihen.“
Ihre schlichte Antwort befriedigte ihn, aber im Grunde war es ihm gleichgültig, er hatte nur laut gedacht und vertraute sich soeben einer völlig Fremden an.
„Den größten Fehler meines Leben büße ich noch bis heute und das zu Recht.“
Seine Stimme klang rau und belegt. Scully hörte den Schmerz darin und mit einem Mal empfand sie unglaubliches Mitleid für den dunklen Mann, dessen Augen wie Seele schwarz waren, schwarz und unendlich tief.
Sie wollte etwas sagen, wollte warme, tröstende Worte aussprechen. Sie wollte ihm sagen, dass er lange genug Buße getan hatte, dass er lange genug gelitten hatte und dass jeder eine zweite Chance verdient hatte. Doch statt dessen schwieg sie. Sie wollte die Distanz, die zwischen ihnen bestand, nicht noch weiter verkleinern, denn genau diese gab ihr eine angenehme Vertraulichkeit. Auf eine seltsame Art und Weise mochte sie diesen gebrochenen Mann. Vielleicht, weil ihr sein tiefer Schmerz, den er seit Jahren empfand, erschreckend bekannt vorkam?
Sie spürte, dass für diese Nacht alles gesagt worden war. Traurig sah sie zu Snape auf, der seine Augen auf einen unsichtbaren Fixpunkt in weiter Ferne gerichtet hatte und es nicht wagte, sie anzusehen.
„Gute Nacht, Professor“, hauchte Scully und als sie sich zum Gehen umdrehte, konnte sie ein schwaches Nicken seinerseits wahrnehmen.
Kurz nachdem Scully gegangen war, machte sich Snape ebenfalls auf den Weg in seine Wohnung. Es war schon weit nach Mitternacht und er musste ihren Aufsatz bis morgen früh korrigiert haben.
Mit einem Glas Feuerwhiskey in der linken Hand saß er über Scullys Zusammenfassung gebeugt an seinem Schreibtisch. Er hatte noch niemals einen so verdammt guten Aufsatz gelesen. Das war keine Zusammenfassung der ersten beiden Kapitel, sondern das war eine vollständige, fünfzehn Seiten lange Abhandlung über die Wirksamkeit von Magnolienblüten.
Am nächsten Morgen erwachte Scully von Jesters aufgeregtem Quieken, denn sie hatte in den ersten beiden Stunden Zaubertrankunterricht und sie hätte sich bereits vor einigen Minuten auf den Weg machen sollen. Noch nie war es ihr so schwer gefallen, aufzustehen, aber da sie erst in den frühen Morgenstunden eingeschlafen war, war sie nun todmüde und wenig aufnahmebereit.
Mit fünf Minuten Verspätung kam sie schließlich in dem düsteren Klassenzimmer an und ihr Lehrer musterte sie mit einer Mischung aus Tadel und Spott.
„Miss Scully, Sie sind zu spät. Vielleicht sollten Sie Ihre nächtlichen Streifzüge durchs Schloss bleiben lassen und anstelle dessen ins Bett gehen“, meinte er hochmütig.
„Ja das sollte ich wohl, da ich leider noch nicht dazu fähig bin, mir einen ‚Wach-Trank’ zu brauen, der meine Müdigkeit verschwinden lässt“, konterte Scully. Diese Antwort gefiel ihm zum einen, denn sie zeugte von Fachkenntnis, aber zum anderen machte ihn diese freche Unterstellung wütend.
„Ich brauche diesen Trank nicht und im Gegensatz zu Ihnen, weiß ich, was Pünktlichkeit bedeutet und achten Sie auf Ihren Ton, Miss Scully.“
„Hier ist der Aufsatz, Professor Snape“, lenkte Scully ab, um sich nicht weiter mit ihm streiten zu müssen.
Snape nahm ihn entgegen und gab ihr die gestrige Arbeit wortlos wieder zurück, denn er war viel zu zornig, als dass er sie hätte loben können.
Die weitere Stunde verlief sehr gut, Scully arbeitete so effizient und professionell wie in den vergangenen Tagen und perfektionierte mit jedem weiteren Trank ihre Fähigkeiten. Snape war zufrieden und noch immer erstaunt über das Können seiner neuen Schülerin, obgleich ihm nicht ganz klar war, was ihn gestern Nacht geritten hatte, dass er sich mit ihr, mit diesem vorlauten Weib hatte unterhalten können.
In den restlichen Fächern war Scully jedoch so schlecht wie am Vortag. Professor McGonagall hatte es mittlerweile aufgegeben, sie zu ermutigen und Professor Flitwick wäre beinahe von seinem Bücherstapel gefallen, als er in Zauberkunst ihren ersten, kläglichen Versuch mit ansehen musste, bei dem ihr Zauberstab wie ein totes Stück Holz aussah und sich rein gar nichts getan hatte.
Dementsprechend mies gelaunt trottete Scully am Nachmittag zu Professor Grando in den Verteidigungsunterricht und ihre Stimmung sank auf den absoluten Tiefpunkt, als sie ihren Lehrer, breit grinsend, im Türrahmen des Klassenzimmers stehen sah.
„Guten Tag, Miss Scully“, posaunte Jure und schüttelte überschwänglich ihre Hand. „Heute, habe ich etwas ganz besonderes für Sie vorbereitet, das wird Ihnen gefallen!“
Scully zog nur leicht angewidert ihre Hand weg und schritt wortlos an ihm vorbei, in das gänzlich abgedunkelte Zimmer. Eine Art Diaprojektor warf ein übergroßes Bild einer, so wie es aussah, Bisswunde, an die Wand und Scully ging interessiert etwas näher heran.
‚Mal sehen, ob sie wirklich so hart ist, wie sie tut. Und wenn nicht, dann ist das nur gut für mich. Vielleicht kann sie ja kein Blut sehen und kippt um’, dachte Jure, und schloss mit einem frechen Grinsen die Zimmertür.
„Ich habe mir gedacht, ich bringe Ihnen heute etwas über Vampire bei. Das steht zwar jetzt noch nicht im Lehrplan, aber da Sie sehr intelligent sind und bereits über das nötige medizinische Wissen verfügen, wird das kein Problem für Sie sein“, erklärte Grando und lächelte, was Scully ein genervtes Seufzen entlockte.
„Vampire“, fragte sie ungläubig.
„Ja Vampire. Sagen Sie bloß, die Muggel glauben nicht an Vampire“, entrüstete sich Jure.
„Nun ja, manche schon“, antwortete sie sarkastisch und setzte sich an ihren Tisch.
Professor Grando überging ihre letzte Bemerkung und fing mit seinen Erklärungen über Vampire an und Scully begriff schnell, dass die Vorurteile, die die Menschen diesen Kreaturen gegenüber hatten, in keinster Weise der Wahrheit entsprachen. Obwohl sie sich eigentlich von nichts mehr aus der Fassung bringen ließ, überraschte es sie nun doch sehr, dass es in dieser Welt sogar Vampire geben sollte, Mulder wäre sicherlich begeistert gewesen.
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