„So, das hat wieder viel länger gedauert, als erhofft. Wieder mal kam ein großes Projekt dazwischen, jetzt bin ich aber endgültig fertig und hab mindestens bis Oktober Zeit, ein paar Kapitel zu schreiben. Liebe Leser, ich hoffe, ihr habt immer noch Interesse an meiner FF und bleibt dran. Es geht nämlich noch weiter! :)“
Kapitel 58-Herbst und Winter
Das heiße Wetter auf Bangakilu Island veränderte sich auch nicht, als der August in den September und schließlich in den Oktober überging, während in Godrics Hollow schon der Duft von Herbst in der Luft lag, sich die Baumkronen bereits rötlich-gelb färbten und Hermine in ihrem Garten mehrere Körbe voll schöner, rot leuchtender Äpfel pflücken konnte.
Die Aurorenausbildung blieb, sieht man einmal ab von dem gewohnheitsmäßigen Konditionstraining morgens und den Duellen abends, so abwechslungsreich und spannend wie zuvor, und Harry und Chris waren sich sicher, dass sie ohne die wechselnden Trainingsthemen ihre Trennung zu Hermine und Lavender noch schlechter hätten verkraften können, wobei es ihnen ohnehin schon unerträglich schwer vorkam. Nachdem sie das Thema Unverzeihliche Flüche abgeschlossen hatten, kümmerten sie sich vier
weitere Wochen um den Kampf und die Verteidigung gegen eine Vielzahl von magischen Kreaturen, was laut Owen zwar Kinderkram sei, aber er wollte es andererseits auch nicht verantworten, dass ein Auror aus seiner Ausbildung von „...so etwas wie einem Grindeloh“ getötet wurde.
Ganz so schlimm war es freilich nicht. Dennoch behandelten sie sämtliche Zauber- und Tierwesen, die Harry bereits in der dritten Klasse bei Lupin oder in Hagrids Unterricht kennen gelernt hatte, sowie einige mehr, etwa die aus dem Hinterteil Flammen ausspeiende Feuerkrabbe (die man am besten mit einem Schleuderfluch auf den Rücken werfen sollte), die Runespoor (eine magische, schwarz-orange-gestreifte, dreiköpfige Schlange, die weniger mit Zaubern, sondern eher mit Beleidigungen zu bekämpfen war) sowie den grauenerregenden Lethifold (gegen den einzig und allein der Patronus-Zauber wirksam zu sein schien).
Der Lerndruck im St. Mungo wurde ebenfalls stärker. Besonders Hermine und Julia, die, bei höherem Gehalt und kürzerer Ausbildungszeit, noch anspruchsvolleren Unterricht hatten als ihre Kollegen Hannah Abbott und Anthony Goldstein, mussten mittlerweile jede freie Minute für die Zwischenprüfungen pauken. Hermine war überglücklich darüber, da sie der viele Lehrstoff von der Trennung von Harry ablenkte, während Julia langsam das Gefühl bekam, ihr Kopf würde bald explodieren. Trotzdem schaffte sie es, mindestens jeden zweiten Tag Ron in Askaban zu besuchen.
Lavender begann am ersten September ihr Studium der Zauberkunst. Sie hatte sich umgehört und erfahren, dass eine Professur nicht zwangsweise abgeschlossen werden musste, um in Hogwarts unterrichten zu dürfen. So oblag es allein der Entscheidung des Schulleiters einen Zauberer oder eine Hexe als Lehrer einzustellen, so wie Dumbledore es bereits bei Lupin oder Moody getan hatte. Trotzdem konnte sie das Studium gut auf den Lehrerberuf vorbereiten, und Lavender wollte gern einige Lektionen in Zauberkunst wiederholen, zumal sie, außer ihren UTZs, keine Qualifikationen hatte.
Das Zaubereiministerium bot gelegentlich Vorlesungen an, wobei das Studium für das Lavender sich entschieden hatte, viel von Eigeninitiative und selbstständigem Lernen abhing. Lediglich einige Klausuren und eine große Abschlussprüfung in Theorie und Praxis erwarteten sie, um die Professur absolviert und damit auf jeden Fall alle benötigten Kenntnisse für den Lehrerberuf erworben zu haben.
So zog der Oktober vorbei und der November brach an.
Doch trotz des vielen Lernens und ihrer eifrigen Arbeit ließ der Trennungsschmerz nicht nach und wurde fast sogar noch stärker. Lavender und Chris halfen sich mit Briefen und dem Austausch von Photos über die Zeit hinweg und in sexueller Hinsicht gingen sie sich eigenständig zur Hand, während Harry und Hermine neben der Trennung noch mit ihren starken Trieben auskommen mussten, die ihre beiden Freunde nachts (und manchmal auch morgens oder zwischendurch, besonders Lavender) wenigstens einigermaßen befriedigten.
Inzwischen hatte auch Harry Hermine einige Photos geschickt, die aber im Gegensatz zu Chris' Exemplaren nicht nur Teile seines Körpers zeigten, sondern ganz normal ihn, die Insel, die Hütte, die Mitschüler. Sehnsüchtig blickte Hermine auf ein Photo, das Harry in Freizeitkleidung und mit einem Strohhut auf dem Kopf grinsend vor seiner Hütte zeigte, während sie missmutig ihr Brötchen kaute.
„Ach, mein Harry...“, flüsterte sie.
„Wow, das ist ja schön!“, sagte Julia, die gerade in den Pausenraum gekommen war und Hermine über die Schulter schaute. „Ein echt schönes Photo...“, und nach einigen Augenblicken, „...hast du dir sein rechtes Hosenbein mal genauer angeschaut?“
„Natürlich.“, antwortete Hermine zähneknirschend, der nicht gefiel, dass Julia so schnell bemerkt hatte, dass Harry auf dem Bild, gewollt oder ungewollt, eine Erektion hatte, die er offenbar ins rechte Hosenbein seiner Shorts gestopft hatte und deren Konturen sich gut sichtbar im Stoff hervorhoben.
„Wundert mich, dass sein Penis da unten nicht gleich raus kommt!“, scherzte Hermine und steckte das Photo zurück in ihre Tasche. „Viel Platz ist da ja nicht mehr!“
Julia lachte und setzte sich neben sie.
„Jetzt übertreibst du aber, Mine! Bis zu den Knien? Nein, ganz so groß dann doch nicht!“
Hermine lachte mit. Sie hatte sich schon vor einer Weile damit abgefunden, dass sie um einige sexuelle Gespräche mit Lavender und inzwischen auch die anfangs sehr zurückhaltende Julia nicht umhin kam, aber das störte sie kaum noch. Im Gegenteil, sie war froh Freundinnen zu haben, denen sie sich auch in allem anvertrauen konnte.
„Wollen wir alles aufs Spiel setzen?“, fragte Malfoy. „Alles, was wir hier mühsam aufgebaut haben?“
„In Merlins Namen, du hast kaum einen Finger krumm gemacht, als wir das Lager errichtet haben, Draco!“, erinnerte ihn Bellatrix. „Ich bin jedenfalls dafür, dass wir handeln!“
Die sieben wichtigsten Todesser hatten sich an diesem Abend an der Tafel in der Spitze der Pyramide versammelt. Neben Malfoy und Bellatrix Lestrange war da noch Gregorowitsch, dessen rot angelaufenes Gesicht Zeugnis darüber gab, dass er das warme Klima Brasiliens auch nach fast einem Jahr immer noch nicht vertrug, Russell, der kräftige, grobschlächtige Kutscher, der sich um die gestohlenen, geflügelten Pferde kümmerte, Gaunt, ein spindeldürrer, weißblonder Mann, der sich auf alle Arten von Heilzaubern verstand, den Todessern als eine Art Medimagier diente und einen todesähnlicheren Anblick bot als die meisten seiner Patienten, Beckett, der, still und hinter seinen bleigrauen Augen in eigene Gedanken versunken, den Gesprächen scheinbar nur oberflächlich zuhörte und schließlich Cosgrave, ein kleiner, geduckter Mann mit dünnem, schwarzen Haar, der einen äußerst feigen Eindruck machte und deshalb nur für die Lagerbestände und die Verwaltung der Vorräte zuständig war.
„Unüberlegtes Handeln bringt uns aber kein Stück weiter!“, wehrte Malfoy sich. „Dabei verlieren wir nur Männer.“
„Ich sag ja gar nicht, dass wir unüberlegt handeln müssen!“, gab Bellatrix nach. „Aber wir müssen langsam etwas tun, sonst faulen wir hier noch alle fest.“
„Die Dementoren werden unruhig.“, berichtete Russell. „Sie sind uns nur gefolgt weil wir ihnen mehr Opfer versprochen haben als das Zaubereiministerium es konnte. Aber davon haben sie bis jetzt noch nicht viel gesehen.“
„Kein großes Problem...“, meinte Bellatrix. „Lassen wir sie einfach über ein Muggeldorf herfallen. Keine Gefahr. Muggel können Dementoren nicht sehen und werden nicht verstehen, was passiert ist.“
„Sie könnten unsere Sklaven bekommen!“, lachte Gregorowitsch. „Aber die haben vermutlich kaum noch glückliche Gedanken, schätze ich!“ Russell und Malfoy lachten.
„Da gibt’s eine kleine Stadt am Ufer des Juruá...die sollte die Dementoren erst mal zufrieden stellen!“, meinte Beckett. Er war viel unterwegs gewesen in der Umgebung, kannte sich am besten in der Gegend aus und hatte bereits einige Karten der Region gezeichnet. „Carauari. Unwichtig, wird kaum auffallen. Nur Muggel.“
„Gut, dann ist das ja geklärt!“, meinte Bellatrix zufrieden. Nur ungern wollte sie die Dementoren an ihrer Seite verlieren. Besonders da sie nach der Schlacht um Hogwarts keine Verbindung mehr zu Riesen, Drachen oder Inferi gehabt hatten.
Der Schweiß bildete einen klebrigen Rand direkt unter der Krempe seines Bowlers, den der untersetzte Mann auch hier, in diesem viel zu heißen Klima, nicht ablegte. Mittlerweile hatte er sich schweren Herzens damit abgefunden, dass er im Zaubereiministerium kein Bein mehr auf die Erde bekommen würde. Ein dutzend Mal noch hatte er es verflucht, dass er Dumbledores Worten damals keinen Glauben geschenkt hatte. Nur wenige Jahre zuvor hatte er ihm noch blindlings vertraut, hatte ihn in einen wichtigen Ministeriumsangelegenheiten sogar um Rat gefragt. Aber die Rückkehr des dunklen Lords wollte er ihm und Potter einfach nicht glauben. Aus Angst, das konnte er sich immerhin inzwischen eingestehen. Und was hatte ihm seine Ignoranz und sein Misstrauen schließlich eingebracht? Seine Stellung als Zaubereiminister und die damit verbundene politische Karriere hatte er verloren. Geradezu ironisch, wenn man bedenkt, dass Fudge gerade um diese Dinge gefürchtet hatte, als er den beiden vor mittlerweile vier Jahren nicht vertrauen wollte. Er hatte damals gedacht, vorbeugend und gewissenhaft zu handeln um seine Stellung zu behalten, und gerade dadurch hatte er alles verloren. Wie der Henker, der sich selbst den Strick dreht.
Fudge keuchte, nahm den Hut ab und wischte sich mit einem purpurnen Taschentuch über die schweißnasse Stirn. Wie bereits gesagt, das heiße Klima hier war er nicht gewohnt, aber ihm hatte der Sinn nach einem Ortswechsel gelegen. Deshalb machte er Urlaub hier in Brasilien.
Spätestens beim Weihnachtsball in der Walburgaburg hatte er begriffen, dass seine Rolle im Ministerium ausgespielt war. Zwar hatte er (vermutlich pro forma) noch eine Einladung bekommen, doch keiner der führenden magischen Staatsoberhäupter oder jemand anderes von Bedeutung dort hatte das Wort an ihn gerichtet, und das obwohl er der ehemalige Zaubereiminister war. Wobei sein Nachfolger, wie er mit einem Schmunzeln bedachte, ja auch alles andere als ein Musterkandidat zu sein schien. Dieser übereifrige Percy Weasley, ehemals sein Sekretär, hatte mittlerweile mehr als ein Problem zu bewältigen. Besonders der Angriff auf Askaban und dass man die entflohenen Verbrecher noch immer nicht gefangen hatte, ließ seinen Posten an einem seidenen Faden hängen. Und Weasley, wie Fudge mit einem weiteren, grimmigen Schmunzeln bedachte, hatte keinen Sirius Black, dem er die Sache in die Schuhe schieben konnte.
Dabei hatte Fudge eigentlich kaum Grund zur Klage. Mit seinem Ersparten von seinem Gehalt als Zaubereiminister und der folgenden Pension hatte er materiell keinen Anlass sich zu beschweren, weshalb er es sich auch leisten konnte, keinen anderen Beruf mehr aufzunehmen und hier in Rio de Janeiro Urlaub zu machen. Heute hatte er einen Ausflug nach Carauari unternommen, um wenigstens einmal den Regenwald zu sehen, wenn er schon mal in der Gegend war. Am liebsten hätte er einen Portschlüssel benutzt, da er aber keinen beschwören konnte (die Genehmigung des Zaubereiministeriums wäre ihm mittlerweile übrigens völlig egal gewesen), der fahrende Ritter nicht auf diesem Kontinent fuhr, in Carauari kein Kamin ans Flohnetzwerk angeschlossen war, er die Reisen mit einem Besen nicht vertrug und Muggelfortbewegungsmittel natürlich erst recht nicht in Frage kamen, verfiel er aufs Apparieren. Unbemerkt war er in der Muggelstadt angekommen und spazierte durch die Straßen. Niemand nahm Notiz von ihm. Im Nadelstreifenanzug und mit (zugegeben leuchtend grünem) Bowler auf dem Kopf fiel er hier kaum auf, obwohl die meisten Einheimischen solch feine Kleidung nicht trugen und nur selten zu Gesicht zu bekamen.
„Evanesco!“, keuchte Fudge schnaufend und ließ in einem unbeobachteten Moment sein Jackett verschwinden. Auch in Hemd und Weste war es noch mehr als warm genug. Seine roten Wangen leuchteten und er wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. Im selben Moment fragte er sich, wie er so dumm sein konnte, in einem vollständigen Anzug hier in dieses tropische Klima zu reisen. Aber eigentlich wusste er es. Weil er sich hinter den maßgeschneiderten, tadellos sitzenden Anzügen gern versteckte. Das war schon damals so gewesen, es gab ihm ein Gefühl der Sicherheit. Außerdem war er der Meinung, dass ihm diese Kleidung wirklich ausgezeichnet stand. Auch jetzt lehnte er es entschieden ab, zusätzlich noch die Weste abzulegen, obwohl seine Schweißdrüsen es ihm sicherlich gedankt hätten.
Der Regenwald umschloss fast die gesamte Stadt und bot ein beeindruckendes Bild für Fudge, auch wenn er sich nicht weiter als bis an die ersten großen Bäume wagte. Dieser große Wald bot vielen magischen und nicht-magischen Geschöpfen ein Zuhause, und Fudge war nie besonders mutig gewesen. Er war ein Büromensch, kein Kämpfer oder Abenteurer. Er blickte in das Dickicht vor ihm und überlegte, wie jemand sich da wohl durchschlagen wollte. Allein das schwüle, drückende Klima verlangte alle Kraftreserven von ihm ab. Obwohl es nicht mehr so schlimm wie am Anfang war. Musste die Gewöhnung daran sein, dachte Fudge. Jedenfalls kam es ihm nicht mehr heiß vor, sondern allenfalls angenehm, eigentlich eine ganz normale Temperatur, vielleicht sogar, bemerkte er verwundert, vielleicht sogar etwas kälter als normal. Als ihm dann jedoch ein eisiger Schauer den Rücken herunterlief, fuhr Fudge doch herum. Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren: Vor ihm schwebte ein Dementor auf ihn zu, keine zehn Schritt (wenn er denn Schritte gebrauchen würde) entfernt. Nur einen kurzen Augenblick war Fudge starr vor Angst, dann riss er hektisch seinen Zauberstab hervor.
„Ich bin wieder Zaubereiminister!“, dachte er krampfhaft und seine schweißnassen Finger glitten am Holz des Zauberstabs entlang. „Ich bin einstimmig gewählt worden, alle feiern mich, sie machen eine Parade zu meinen Ehren...“
Sein Patronus nahm zwar keine Gestalt an, der silbrige Dunst genügte jedoch den Dementor auf ein anderes Ziel, von denen es in Carauari genug gab, zu lenken. Schwer atmend, als wäre er gerade eine Meile gerannt, sank Fudge am Stamm des großen Baumes hinter sich zu Boden. Seine Hand, die immer noch krampfhaft den Zauberstab umklammert hielt, zitterte. Als er schließlich die Kraft hatte aufzublicken, sah er wie dutzende von dunklen Dementoren über der Stadt schwebten und immer wieder wie Greifvögel die sich auf Beute stürzten nach unten stoben. Fudge japste vor Schreck. Noch einige Augenblicke lang verfolgte er das grässliche Bild, das sich vor seinen Augen abspielte, bis er es schaffte sich zu konzentrieren und in der Lage zu disapparieren war.
„Es beginnt nun eine neue Phase Ihres Trainings!“, verkündete Owen an diesem (dennoch schwülheißen) Novembervormittag, nachdem ihr obligatorisches Konditionstraining abgeschlossen war. „Ihre Zwischenprüfung rückt immer näher. Ab heute haben wir noch genau sechs Wochen um uns darauf vorzubereiten. Ich will Ihnen soviel verraten, dass in der Prüfung Fähigkeiten und Eigenschaften die Sie als Auror erfüllen müssen, getestet werden. Bitte nehmen Sie dies nicht auf die leichte Schulter!“, ermahnte er sie, und sein strenger Blick ging ihre Reihen entlang. „Es würde mich sehr freuen, wenn Sie alle diese Prüfung bestehen würden. Ich rechne allerdings nicht damit!“, fügte er schroff hinzu. „Eine Handvoll von Ihnen wird die Prüfung vermutlich nicht bestehen. Die betroffenen Personen müssen dies Training hier beenden und ohne Abschluss nach Hause zurückkehren, können aber auch dort mit der sonst üblichen Regelzeit von drei Jahren ihre Aurorenausbildung abschließen.
„Klingt doch eigentlich ganz gut...“, flüsterte Chris Harry zu. „Wenn wir durch die Prüfung fliegen, ist unsere Ausbildung ein Jahr länger, aber wir bekommen sechs Monate eher wieder was zum Bumsen...“
Harry grinste.
„Chris, du bist bekloppt, aber...stimmt schon...aber Owen würde uns den Kopf abreißen, wenn wir durch die Prüfung fallen würden.“
„Hast Recht.“, nickte Chris. „Wenn...“, doch Owens mahnender Blick in seine Richtung ließ ihn verstummen.
„Reden Sie ruhig weiter, Wenders!“, bat Owen. „Ich bin sicher, es wird den ganzen Kurs interessieren, was Sie zu sagen haben.“
Chris blickte beschämt zu Boden und schüttelte den Kopf.
„Na schön!“, nickte Owen. „Wenn ich dann mit Ihrer gütigen Erlaubnis fortfahren darf...“
Chris nickte, den Blick immer noch auf den Boden gerichtet. Owen hatte keinerlei Probleme, das Thema wieder aufzunehmen.
„Nun, die Zwischenprüfung. Wenn Sie...“ Doch er verstummte, als er sah, wie ausnahmslos alle Schüler den Blick von ihm lösten und in eine andere Richtung schauten. Dwight kam mit eiligen Schritten angelaufen.
„Sir, ich muss Sie sprechen. Sofort!“
„Was gibt es, Dwight? Sie sehen, ich bin mitten im Unterricht!“, zischte Owen. Dwight wischte sich mit einem Taschentuch über Stirn und Nacken. Dass er aufgelöst war, fiel nicht nur Harry und Chris auf. Er flüsterte mit sehr eindringlichem Blick mehrere Augenblicke lang Owen etwas ins Ohr. Mit jedem weiteren Wort erblasste Owen ein Stück mehr.
„Gestern?“, fragte er leise, was aber alle Aurorenschüler hören konnten. Dwight nickte heftig.
„Das geht zu weit...“, murmelte er. „Jetzt auch noch Muggel...sie führen uns schon zu lange an der Nase herum...sind die anderen schon aufgebrochen?“
„Ja, Sir.“
„Gut, ich werde Ihnen folgen. Übernehmen Sie den Kurs. Wir sind in ein paar Tagen zurück.“
Als Owen mit raschen (und für sein Alter durchaus beeindruckend schnellen) Schritten die Gruppe verließ, starrten ihm 54 Augenpaare neugierig nach, während Dwight aufmunternd in die Hände klatschte und versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
„Gut. Für den Vormittag gebe ich Ihnen ausnahmsweise frei.“ Ungläubig starrten ihn die Aurorenschüler an. So etwas hatte es bis dahin noch nie gegeben.
„Nach der Mittagspause treffen wir uns wieder. Für den Nachmittag habe ich mir nämlich etwas ganz besonders Nettes einfallen lassen...bitte bringen Sie dann alle Ihre Besen mit. Für diejenigen, die keinen
dabei haben, stehen ja Leihbesen im Stadion bereit.“
„Komische Sache...“, meinte Chris, als sie zurück zu ihrer Hütte gingen um sich umzuziehen.
„Allerdings.“, nickte Harry und löste bereits die Riemen seiner Trainingskleidung. „Hast du ne Idee, was da vorgefallen sein könnte? Warum ist Dwight so aufgelöst gewesen? Und wo sind die anderen Auroren jetzt?“
„Keinen Schimmer.“, brummte Chris. Schweigend gingen sie den Strand entlang. „Was Dwight sich wohl für den Nachmittag ausgedacht hat?“
„Vielleicht gehen wir ja mal in den Dschungel...da waren wir bis jetzt noch nie drin.“ Mit einem Keuchen zog Harry sich den ledernen Harnisch vom Körper ab.
Aufmunternd trieb Dwight die letzten Ankömmlinge dazu an, sich schneller einzufinden. Harry hatte sich geirrt: Auch diesmal versammelten sie sich nur am Strand. Mit einem gewollt freudigen, aber leicht zu durchschauenden Klatschen in die Hände begrüßte Dwight sie. „Haben alle Ihre Besen dabei? Sehr schön, wir veranstalten jetzt eine Battle Royal.“, verkündete er. „Das heißt ein Jeder-gegen-jeden-Duell, bei dem der letzte Übriggebliebene Sieger ist. Das Turnier wird in der Luft über dem Meer kurz vor der Küste hier ausgetragen. Sobald ich das Startsignal gegeben habe, können Sie beginnen. Ich werde das Spiel von hier aus mit dem Omniglas verfolgen. Verloren hat, wer ins Wasser stürzt, landet oder sich weiter als eine Meile von der Insel entfernt. Noch Fragen?“
Da dies nicht der Fall war, bestiegen sie alle ihre Besen und flogen wie dutzende große Pfeile in die Luft davon. Harry zog seinen Feuerblitz weit nach oben und behielt so die meisten seiner Konkurrenten im Blick. Einige Meter unter sich sah er Chris unruhig in schnellem Tempo von links nach rechts schweben. Er schaute auf, grinste Harry an und drohte ihm gespielt mit der Faust. In diesem Moment
ertönte die gellende Pfeife von Dwight, die das Startsignal gab.
Harry grinste über das ganze Gesicht, als sich die Aurorenschüler nach dem Duell wieder in einer Reihe vor Dwight versammelt hatten. Er war der einzige unter ihnen, der nicht pitschnass war.
„Bild dir nichts drauf ein!“, murmelte Chris, der immer noch versuchte, das Wasser aus seinen Ohren herauszubekommen. „Du hast nur gewonnen weil du gut fliegen kannst.“
„Tolles Argument...“
„Herzlichen Glückwunsch, Potter!“, nickte Dwight, dem man die Freude deutlich anmerken konnte. „Ich bin stolz darauf, dass einer meiner Schüler das Duell gewonnen hat. Hier ist Ihr Preis.“
Er reichte Harry eine große, bernsteinfarbene Flasche. Dabei beugte er sich vor und flüsterte mit einem Lächeln: „Gut gemacht, Harry!“
Harry grinste und nahm die Flasche entgegen.
„Feuerwhisky?“, fragte er verwundert. „Ich dachte, Alkohol wäre nicht erlaubt hier?“
„Ach, was macht schon eine Flasche?“, entgegnete Dwight mit Augenzwinkern. „Außerdem bin ich bis frühestens übermorgen der einzige Auror auf dieser Insel. Aber kein Wort zu Owen darüber.“
Harry schüttelte den Kopf.
„Nein, Sir. Wissen Sie...wo sind die anderen Auroren denn?“
Dwight machte eine unergründliche Mine.
„Nein Potter. Nicht jetzt. Machen Sie sich über nichts Sorgen, es wird alles gut.“
Harry nickte und schaute noch einmal auf die Flasche in seinen Händen.
„Aber Sir, ist das nicht...nicht unfair, den anderen gegenüber?“
„Na ja...die Flasche fasst ein bisschen mehr als man annehmen könnte. Ich schätze, der Inhalt reicht genau für 54 Becher. Wie Sie das aufteilen, bleibt natürlich Ihnen überlassen, aber ich schätze nach so einer Badekur kann man einen kleinen Aufmunterer gebrauchen, oder?“ Dwight blickte die Reihe der Aurorenschüler entlang. Die meisten waren noch immer damit beschäftigt, das Wasser aus ihrer nassen Kleidung zu wringen. Harry grinste und zog mit einem Knallen den Korken aus der Flasche.
Zwei Tage später kehrten die übrigen Auroren wieder nach Bangakilu Island zurück. Harry und Chris beobachteten aus einiger Entfernung wie Dwight sich schnell und rasch mit seinen Kollegen aus Frankreich und den USA unterhielt.
„Kannst du Owen sehen?“, fragte Harry.
„Nein.“, antwortete Chris. „Er scheint nicht bei ihnen zu sein!“ Taylor schüttelte nun den Kopf und Dwight schien irgendetwas zu fluchen.
„Immer noch nicht...“, meinten die beiden ganz schwach zu hören.
Kurz darauf verkündeten Dwight und Taylor den Aurorenschülern, dass Owen wegen einer dringenden Angelegenheit in England nicht mehr zur Aurorenausbildung zurückkehren würde. Nicht nur Harry und Chris waren betrübt über diese Nachricht, denn Owen war, trotz seiner Strenge und seinen hohen Ansprüchen, ein ungewöhnlich geeigneter, fähiger und toleranter Lehrer gewesen.
Als sie an diesem Abend in ihren Betten lagen, dachte Chris lange darüber nach, was geschehen sein könnte, während Harry weder Kraft noch Lust hatte, sich darauf zu konzentrieren. Zwar war er neugierig, was mit Owen geschehen war, aber ein weitaus mächtigeres Gefühl verdrängte die Gedanken an ihn aus seinem Kopf. Vor Schmerz kniff Harry die Augen zusammen, weil er starke Sehnsucht nach Hermine verspürte. Es war hart von ihr getrennt zu werden, aber mittlerweile war es unerträglich geworden. Dabei war das Sexuelle, und das verwunderte ihn beinah ein bisschen, fast Nebensache geworden. Seine Erektion nahm er kaum noch wahr. Natürlich vermisste er auch schmerzlichst den berauschenden Geschlechtsverkehr mit ihr, aber Hermine selbst vermisste er noch zehnmal so stark. Sie einfach nur zu sehen und lachen zu hören wäre jetzt wie rettende Heilung für ihn gewesen. Wieder wurde ihm bewusst, wie sehr er einfach diese Frau liebte, dieses intelligente, tapfere, clevere, noch dazu unglaublich hübsche Mädchen. Wenn er es nicht besser wüsste, dachte er fast, er würde schon sein ganzes Leben auf Bangakilu Island verbringen und Hermine war nicht mehr als ein wunderschöner Traum gewesen. Harry kniff die Augen noch fester zusammen, so weit, dass die Augäpfel schmerzten, aber er konnte nicht verhindern, dass eine Träne seine Wange herunterlief. Er schnappte nach Luft was beinah wie ein Schluchzen klang und hoffte inständig, Chris würde schon schlafen und hätte dies nicht mitbekommen. Harry stöhnte vor Schmerz auf. Die Sehnsucht nach seiner Hermine war so stark, dass sein Herz sich anfühlte, als ob es bei lebendigem Leib herausgerissen werde.
Seufzend stand Hermine, beladen mit einem Koffer und einer großen Reisetasche, vor dem schönen Altstadthaus ihrer Eltern in Brentwood, keine zwanzig Meilen nordöstlich von London. Sie hatte vorgehabt dies nicht zu tun, aber sie hielt es nicht mehr aus. Die Einsamkeit in dem großen Anwesen in Godrics Hollow, das ihr plötzlich kalt und ungemütlich vorkam, konnte sie nicht mehr ertragen, auch wenn sie häufig bei Lavender, Julia und auch ihren Eltern zu Besuch gewesen war. Wieder seufzte Hermine und unwillkürlich glitt ihr eine Träne die Wange hinab.
„Ach Harry, wann bist du denn endlich wieder da?“, flüsterte sie und wollte am liebsten vor Zorn laut aufschreien. „Und es sind gerade mal fünf Monate vorbei, ich dreh noch durch!“ Der schwere Koffer und die Reisetasche glitten ihr aus den Händen und fielen mit einem dumpfen Ton auf das Kopfsteinpflaster des Bürgersteigs. Hermine setzte sich auf ihren Koffer und vergrub das Gesicht in den Händen. Mit einem Mal fühlte sie sich so verzweifelt und unglücklich wie schon lange nicht mehr in ihrem Leben. So verzweifelt vielleicht wie damals, als sie Harry durch Chos gefälschte Photos unterstellt hatte ihn zu betrügen, ihn geschlagen und sich sogar an Malfoy heran gemacht hatte und sie, nach der Erkenntnis wie falsch sie gelegen hatte, sicher war, dass er ihr niemals wieder verzeihen würde, und sie niemals wieder zusammen kommen würden. Laut schluchzend rannen die Tränen aus ihren Augen und sickerten durch ihre Finger, von wo aus sie stetig auf den Boden tropften.
„Oh, Harry!“, weinte sie haltlos. Bisher hatte sie immer versucht sich damit zu trösten, dass mit jeder verstrichenen Minute das Wiedersehen näher rückte. Das halft jetzt nicht mehr: Ihr Herz schmerzte, als ob tausend Cruciatus-Flüche auf einmal hinein geschossen wurden. „Oh Harry!“, rief sie noch einmal und wahre Sturzbäche rannen nun ihr Gesicht hinab. In diesem Moment totaler Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung fiel Hermine noch einmal auf, wie sehr sie Harry doch von ganzem Herzen liebte und wie sehr sie ihn brauchte.
„Oh, Harry!“, schluchzte sie, mittlerweile zum dritten Mal. Der kalte Novemberwind pfiff eisig durch ihren Wintermantel, doch das nahm sie im Moment kaum wahr. Im Gegenteil, ihr war sonderbar heiß zumute. Noch eine gefühlte Ewigkeit litt sie Höllenqualen, bis sie sich komplett ausgeweint hatte und ihr Herzschmerz langsam ein bisschen nachließ. Sie stand wieder auf und wischte sich mit dem Ärmel durchs gerötete Gesicht. Durch das große Wohnzimmerfenster sah sie ihre Eltern, die dort gerade Tee tranken und sich scheinbar sehr angeregt unterhielten. Sie hatten bisher offenbar weder Hermines Ankunft noch ihre Trauer bemerkt.
„Oh Mum...oh Dad...“, murmelte Hermine. „Ich kann nicht wieder hier einziehen. Ich kann es nicht. Das Haus hier ist einfach nicht mehr mein Zuhause, das ist jetzt Godrics Hollow, egal ob Harry da ist oder nicht.“
Sie sah, wie ihre Mutter eins von Hermines Photos von einem Beistelltischchen nahm. Ihr Mann schloss einen Arm um sie und beide schauten lächelnd und voller Stolz auf das Bild.
Die echte Hermine lächelte ebenfalls als sie das sah. Wieder wischte sie sich durchs Gesicht und zog ein Taschentuch hervor, um sich die Nase zu putzen.
„Nein, ich kann hier nicht mehr wohnen. Und so sollt ihr mich schon gar nicht sehen...“, meinte sie. Wieder fühlte sie, wie sehr ihr Herz schmerzte. Die Sehnsucht nach Harry und die Trauer darüber quälten sie noch immer.
„Evanesco...“, murmelte sie, und Koffer und Reisetasche verschwanden. Sie selbst warf noch einen kurzen Blick zu ihren Eltern bevor auch sie disapparierte, im Gegensatz zu ihrem Gepäck jedoch nicht zurück nach Godrics Hollow.
Lavender lachte, während sie einen Korkenzieher abwechselnd auf die Größe eines Kleinkindes und auf die einer Stecknadel veränderte.
„Okay, die Vergrößerungs- und Verkleinerungszauber funktionieren ja schon ganz gut!“, meinte sie, äußerst zufrieden mit sich. „Dann probier ich noch mal die Färbezauber...“
Während sie sich noch konzentrierte, ertönte die Klingel der Wohnungstür. Rasch steckte sie den Zauberstab weg und öffnete die Tür.
„Mine, was ist denn passiert?“
Hermine stand mit verschränkten Armen, aufeinander gepressten Lippen und rotgeweinten Augen vor ihr. Voller Verzweiflung schaute sie sie an.
„Ich vermisse Harry...“, brach es aus ihr heraus, wobei ihr Satz in ein Schluchzen überging, sodass der letzte Teil kaum noch zu verstehen war.
„Oh, mein armer Schatz!“, meinte Lavender mitfühlend und breitete die Arme aus, in die Hermine sich gleich hineinstürzte. Sie klammerte sich an ihr fest und weinte haltlos, während sie das Gesicht gegen Lavenders Schulter presste.
„Ist ja gut...ist ja gut...“, meinte Lavender leise und strich Hermine durchs Haar. „Wollen wir jetzt erst mal reingehen und ich koch uns beiden eine schöne Tasse Tee?“ Hermine wimmerte und nickte, ohne aufzublicken. Lavender zog sie mit sich in die Wohnung hinein und schloss die Tür.
Eine dampfende Tasse Tee vor der Nase, beruhigte sich Hermine langsam wieder. Hier, in Lavenders
Gesellschaft (die immerhin dasselbe ertragen musste wie sie) schien alles nicht mehr so hoffnungslos zu sein.
„Wie geht’s dir?“
„Schon besser...“, meinte Hermine, und brachte sogar ein Lächeln zustande. „Vielen Dank, Lav.“
„Wozu sind Freundinnen da?“
„Sag mal...ähm...hast du irgendwas mit Zucker im Haus?“
Lavender schmunzelte und zog aus einem Küchenschrank eine Packung riesengroßer Schokokugeln, gefüllt mit Erdbeermousse und Schlagsahne, aus dem Honigtopf hervor. Hermine seufzte auf, griff sich eine und biss ein großes Stück ab. Sie spürte, wie ihre Nerven sich langsam beruhigten.
„Eigentlich sollt ich das ja nicht...“, murmelte sie kauend.
„Bei deiner Figur?“, lachte Lavender. „Mine, du kannst dir das ruhig erlauben, ganz sicher. Wenn ich deine Figur hätte, würde ich mir überhaupt keine Sorgen machen.“
„Ach komm, wir haben doch fast die gleiche Figur!“, lachte nun auch Hermine. „Eins muss ich wissen, Lav. Wie hältst du das eigentlich aus? Ich meine, von Chris getrennt zu sein?“
„Schwer...“, gab Lavender zu. „Ich hab auch schon manche Nächte lang in mein Kissen geweint, das kannst du ruhig wissen. Aber irgendwie...irgendwie ist es auch wieder nicht so schwer. Weil ich weiß, dass er mich liebt und dass wir uns bald irgendwann wiedersehen.“
„Bald ist gut...“, schnaubte Hermine.
„Noch 197 Tage...“, räumte Lavender ein.
„Du zählst die Tage?“
„Natürlich. Und jeden Tag mach ich ein neues Kreuz in meinen Kalender. Na ja, und ab und zu besuch ich natürlich auch beste Freundinnen...“, grinste sie. „...oder meine Eltern...“
„Was arbeiten deine Eltern eigentlich?“, fragte Hermine interessiert, der erst in diesem Moment auffiel, dass sie nichts über Lavenders Familie wusste, und das obwohl sie schon fast ebenso lange befreundet waren wie sie und Harry ein Paar.
„Dad ist Leiter der Abteilung für Magische Spiele und Sportarten im Zaubereiministerium.“, erklärte Lavender. „Und Mum hat lange in der Vergissmich-Zentrale gearbeitet, ist aber seit letztem Jahr Mitglied des Zaubergamots. Na ja, und da konnten sie mir leicht meinen Job damals in der Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit organisieren. Und deine Eltern in der Muggelwelt?“
„Zahnärzte.“, antwortete Hermine. „Na ja, sie behandeln Zähne.“
Lavender nickte.
„Sind Sie begeistert von Harry? Ihr habt ja vorletztes Weihnachten bei ihnen verbracht, nicht wahr?“
„Ja...ja, sind sie!“, lächelte Hermine. „Sie haben Harry gleich sofort als Schwiegersohn akzeptiert. Wahrscheinlich weil sie gemerkt haben, wie sehr wir ineinander verliebt sind.“
„Ihr habt es Ihnen gleich erzählt?“
„Es gab da einen gewissen Umstand, der das nötig gemacht hat.“, wich Hermine aus.
„Hm...meine Eltern wissen noch nichts. Noch nichts von Chris' Heiratsantrag, meine ich. Wobei zumindest Dad schnell einverstanden sein wird...schließlich ist Chris Jäger im Quidditch-Team von Ravenclaw gewesen.“ Lavender grinste und lehnte sich entspannt zurück. „Er hat es immer bedauert, dass ich nie ins Quidditch-Team gekommen bin. Er ist ganz verrückt nach dem Spiel, hat sämtliche Teams schon spielen gesehen und kauft sich selbst immer den neuesten Rennbesen. Mum wird immer fuchsteufelswild dabei.“ Hermine grinste. „Aber ich gehör einfach nicht auf einen Besen.“, schloss Lavender nüchtern.
„Ich auch nicht!“, stimmte Hermine ihr zu. „Hast du ja gesehen, in Afri...“ Hermine verstummte und räusperte sich. „Ähm...Lavender? Wissen deine Eltern eigentlich, was...was in Afrika vorgefallen ist?“
„Nein. Nein, und ich bin auch ganz froh darüber. Um den Einsatz nicht zu gefährden, ist kein Wort darüber aus der Aurorenzentrale gefallen. Und ist mir auch ganz Recht, dass so gut wie niemand was darüber weiß. Entweder man würde sich über mich lustig machen oder ich müsste Mitleidsgetue ertragen. Nein, so ist es besser.“
Schweigend tranken die beiden ihren Tee.
„Willst du heute Nacht hier schlafen, Mine?“, fragte Lavender schließlich.
„Oh...ähm...ja, gerne. Aber nur...“
„Schon klar, ich werd dich nicht verführen!“, versicherte Lavender augenrollend. „Na schön, wir haben uns in der Vergangenheit ein paar Mal gegenseitig die Schneckchen geleckt und mit Dildos amüsiert, aber seit ich Chris kennen gelernt habe, hab ich noch weniger Interesse daran als sonst, es mit einer Frau zu treiben. Obwohl das mit dir auch sehr schön war!“, setzte sie rasch hinzu.
„Ähm...okay, aber eigentlich wollte ich sagen, nur wenn ich dir nicht zur Last falle.“
„Oh...“, meinte Lavender und es war einer der seltenen Augenblicke, wo sie rot wurde. „Oh...nein, natürlich nicht.“
Eine Woche später (es war ein Dienstag) kam Hermine gerade vom viel zu frühen Feierabend im St. Mungo wieder in Godrics Hollow an, als ein winziger Waldkauz auf sie zuschoss, ihr beinah in Haar geflogen wäre und ihr einen Brief überbrachte. Neugierig öffnete Hermine ihn und überflog die nur sehr kurze Nachricht.
Liebe Hermine,
es ist ein Junge. Tonks und ihm geht es gut.
Remus
Die Nachricht las Hermine gleich dreimal, und in ihr breitete sich ein so anheimelndes Gefühl aus, dass es ihr vorkam, als ob sie in ein heißes Bad getaucht worden wäre. Tonks hatte also ihr Kind bekommen. Sie freute sich von ganzem Herzen für die beiden, und da sie sowieso vorgehabt hatte, demnächst wieder Ron zu besuchen, beschloss sie, ihm gleich am nächsten Tag auch diese Nachricht zu überbringen. Schließlich kannte er ebenfalls Tonks und Lupin und war in Askaban komplett abgeschieden von Nachrichten.
In Askaban angekommen, fand sie Ron tief in ein Buch versunken in seiner Zelle wieder. Nachdem der Gefängniswärter sie hereingelassen hatte, setzte sie sich freudestrahlend neben Ron auf dessen Pritsche.
„Na Ron. Wie geht’s dir?“
„Gut...“, nuschelte er. „Schön, dass du mich mal wieder besuchst.“
„Na ja, ich bin nicht gerade oft hier...“, gab Hermine zu. „Aber du hast ja oft genug Besuch, wie ich gehört habe...“ Sie lächelte ihm ein strahlend weißes Lächeln entgegen. „Julia ist ganz verrückt nach dir, glaub ich.“
„Oh, wirklich...“, murmelte Ron und Hermine wunderte, dass er überhaupt nicht erfreut darüber klang. „Weißt du, darüber wollt ich zufällig auch mit dir reden...ähm...ich bin nicht mehr ganz sicher was...was Julia betrifft.“
„Was meinst du mit „was Julia betrifft“?“, fragte Hermine entgeistert. „Du willst mir doch nicht erzählen, dass du...“
„Na ja, ich weiß nicht...“, wand Ron sich. „Ich weiß nicht, ob ich sie wirklich liebe oder ob ich es nur mag mit ihr zusammen zu sein, verstehst du? Oder ob ich nur dankbar dafür bin, dass sie überhaupt mit mir zusammen ist.“
„Aber wie kommst du denn darauf?“
„Na ja, es gibt da noch anderes...“, wich Ron aus. „...andere Sachen, andere Gefühle...und andere...“ Er warf einen Seitenblick auf Hermine. „...und andere Mädchen...“
Beschämt sah er wieder zu Boden, doch Hermine packte seinen Kopf, drehte sein Gesicht in ihre Richtung und presste leidenschaftlich ihre Lippen auf seine. Sie schloss die Lider, umfasste seinen Kopf und drängte ihn noch näher an sich heran, während ihre Münder sich ganz langsam einen Spalt öffneten und ihre Zungen einen wilden Tanz miteinander begannen. Eine Ewigkeit währte der Kuss, in den Hermine alles an Inbrunst und Gefühl hineinlegte, was sie nur aufbringen konnte. Dann trennten sich die beiden wieder voneinander und sie sah Ron mit festem Blick an.
„Und?“, fragte sie, mit ungewohnt harter Stimme.
„Ich...ich weiß nicht...“, meinte Ron. „Irgendwie...irgendwie fühlte sich das nicht richtig an...“
„Nicht richtig weil ich mit Harry zusammen bin?“
„Nein. Nein, nicht richtig weil...weil es irgendwie nicht gepasst hat...mit Julia ist es irgendwie...na ja, da hat man mehr Schwindel im Kopf und fühlt sich leichter.“
Hermine lächelte erleichtert.
„Ron, lass dich nicht täuschen: Du liebst mich nicht. Du liebst Julia, da bin ich ziemlich sicher. Und wir gehören auch nicht zusammen. Ich gehöre zu Harry, das ist schon ewig so und das wird auch immer so bleiben. Lass dich nicht verunsichern. Du bist nicht in mich verliebt, du hast dich höchstens ein bisschen in mich verguckt. Aber es passt nicht, Ron. Und wir können es auch nicht machen. Ich liebe Harry, ich möchte ihn niemals wieder verlieren oder ihn oder auch Julia betrügen.“ Ganz unabhängig davon wollte sie auch gar keine Affäre mit Ron anfangen, aber das sagte sie ihm nicht.
„Nein!“, rief Ron rasch. „Nein, natürlich nicht, das würd ich auch niemals von dir verlangen, Hermine. Besonders nicht nach allem, was ihr für mich getan habt! Ich will ja auch, dass Harry und du zusammen und glücklich seid.“
„Das sind wir. Und ich glaube, das sind Julia und du auch. Aber das musst du selbst wissen. Wenn es nicht so ist, dann beende das mit Julia früh genug und halt sie nicht lange hin, nur damit du eine Freundin hast. Das wäre unfair ihr gegenüber, besonders nach allem was sie für dich getan hat, Ron.“
Ron nickte heftig. Noch immer sah er beschämt zu Boden. Da rückte Hermine näher an ihn heran, nahm ihn in den Arm und strich sanft durch sein Haar.
„Es tut mir Leid...“, murmelte Ron.
„Muss es nicht...“, versicherte Hermine. „...wirklich nicht, alles in Ordnung...Remus und Tonks haben einen Sohn bekommen.“
„Wirklich? Wann?“
„Keine Ahnung...irgendwann die letzten Tage...“, antwortete sie achselzuckend.
„Wie geht’s Harry?“
„Gut...er vermisst uns alle.“
Ron blickte auf und sah in ihr Gesicht.
„Hat er sich zufällig erkundigt, ob ich Auror werden kann, wenn ich wieder draußen bin?“ Hermine schluckte. Harry hatte ihr erzählt, dass Owen unter keinen Umständen Ron zur Aurorenausbildung zulassen würde, solange er Leiter der Aurorenzentrale war. Aber sie wollte nicht hier in dem trostlosen Askaban Ron noch jegliche Hoffnung nehmen. „Es ist hoffnungslos, nicht wahr?“
„Nein, nein!“, widersprach Hermine rasch. „Hoffnungslos ist es nicht. Es ist...möglich, aber es wird schwierig für dich sein. Du wirst viel lernen und arbeiten müssen.“
„Ich bin dabei...“, murmelte Ron und deutete auf das Buch, das er bis zu Hermines Besuch gelesen hatte. Es war aus bräunlich-rotem Leder und in goldenen Lettern stand darauf der Titel „Die dunklen Künste überlistet“. „Ist echt toll.“, ergänzte Harry. „Julia hat es mir besorgt. Hat es sogar selbst für mich bezahlt.“ Ron lächelte schwach. „Kann ja schlecht selbst zu Flourish and Blotts gehen, und besonders flüssig bin ich im Moment auch nicht gerade.“ Hermine lachte.
Als Julia an diesem Abend (nachdem Hermine schon lange gegangen war), Ron in Askaban besuchen kam, machte sein Herz wilde Luftsprünge von dem ersten Moment an als er sie sah. Sie lächelte, als sie merkte, wie sehr er sich freute sie zu sehen.
„Hallo Schatz!“, lachte sie, und kaum als der Gefängniswärter (ein im Grunde gutmütiger Mann mit einem kolossalen Schmerbauch) sie mit einem Schmunzeln in die Zelle gelassen hatte, zog Ron sie zu sich, Julia schlang die Arme um ihn und er presste seine Lippen stürmisch und leidenschaftlich auf ihre. Wieder überkam ihn das Schwindelgefühl und es war ihm, als würde er ein ganz kleines Stück über dem Boden schweben, sodass seine Zehen gerade noch den Boden berührten. Der Kuss wollte kein Ende nehmen. Während Julia sich bereitwillig von Rons Zunge die Lippen aufspalten ließ und sie in ihren Mund eindringen ließ, knöpften seine Hände ihren Mantel auf und ließen ihn von ihren Schultern gleiten, sodass er ein wenig mehr von ihr spüren konnte, während er sie an den Hüften packte und gegen sich drückte. Als Ron dann endlich den Kuss beendete, schaute Julia ihn mit leuchtenden Augen an. Seine Hände streichelten sanft durch ihr dunkelbraunes Haar.
„Wow, Ron! Ich hab ja kaum noch Luft gekriegt...“
„Ich liebe dich...“, flüsterte er.
„Ich liebe dich auch!“, strahlte Julia voller Freude. Sie schmiegte sich an ihn und küsste sanft seinen Hals. „Der Wärter ist weg!“, fügte sie nach einem kurzen Seitenblick hinzu.
Grinsend hob Ron die Augenbrauen.
„Und?“
„Na ja, wir sind ganz unbeobachtet...“, erklärte Julia schlicht. „Nur du und ich...“
„Ich wünschte, ich könnte dir mal ein richtiges Himmelbett bieten...“, meinte Ron enttäuscht und deutete auf seine ungemütliche, harte Pritsche. „So wie du's verdient hättest...“
„Ach, das macht doch nichts!“, versicherte sie rasch, obwohl sie zugeben musste, den Sex in einem Bett allmählich vorzuziehen. Abgesehen von der Gefängniszelle hatte sie noch nie mit Ron geschlafen, sah man einmal von dem Vorfall in ihrer Heilerpraxis ab. „Ich bin ja noch jung, das macht nichts...“
Sanft drückte Ron sie auf die Pritsche hinab und stieg über sie. Während er rasch und eilig ihre Pulloverjacke öffnete, fand sein Mund wieder ihren und erneut tanzten die Zungen gierig ein wildes Duett miteinander. Als er ihr schließlich den BH vom Körper geschält hatte und seine Fingerkuppen sanft über Julias bereits angeschwollene Brustwarzen neckten, unterbrach sie den Kuss und stöhnte vor Inbrunst auf. Rons Lippen wanderten sanft und zärtlich ihren Hals hinab, bis sie die Hände an den Brüsten ablösten, sodass diese nun Julias Hosenbund öffneten. Julia atmete schwer und spürte, wie ein Kribbeln durch ihren Körper zog und ihr Mund trocken wurde und sich ganz pappig anfühlte. Nachdem Ron ihr Hose samt Slip bis zu den Knien herabgezogen hatte, wanderte auch sein Mund über ihren schmalen Bauch hinweg weiter bis zu ihrem Unterleib hinab. Als er dann ihren Schamhügel erreicht hatte, sog Julia zischend die Luft ein.
„Das hast du noch nie gemacht, Ron...“
Ron blickte auf und sah sie lächelnd an.
„Nein, noch nie!“, nickte er. „Bei niemandem!“, beteuerte er. „Also, nimms mir nicht übel, wenn ich nicht allzu gut darin bin...“
„Kann ich mir gar nicht vorstellen...“, meinte Julia lächelnd, griff in seine rote Haarpracht und drückte seinen Kopf wieder in ihr Becken zurück. „...du machst das wundervoll, mein Schatz...“
Der November verging und auch der Dezember ging mit großen Schritten voran. Im Anwesen der Potters war die Adventszeit um einiges trostloser als noch ein Jahr zuvor, als Harry und Hermine einen großen Weihnachtsbaum, leuchtende Kugeln und Girlanden aus Stechpalmenzweigen als Dekoration aufgehängt hatten. Aber jetzt wo sie ganz allein dort wohnte, konnte Hermine sich einfach nicht dazu aufraffen, das Haus festlich zu schmücken. Lediglich in ihrem Schlafzimmer hängte sie einen Kranz aus Tannenzweigen mit vier dicken, tiefroten Kerzen auf, um dort ein wenig weihnachtliche Stimmung aufkommen zu lassen. Niedergeschlagen wanderte sie durchs verschneite Godrics Hollow, das mit Lichterketten und Tannenbäumen festlich dekoriert war. Obwohl es nur ein Dorf war und sie mittlerweile die meisten von ihnen zu kennen glaubte, hatte sie den Eindruck, hunderte neue Paare dort zu sehen, die verliebt und eng umschlungen durch die weihnachtlichen Straßen gingen. Hermine biss sich auf die Lippen und es gelang ihr, eine kleine Träne, die unbedingt ihre Wange herablaufen wollte, zurückzuhalten. Wie sehr wünschte sie sich, dasselbe mit Harry machen zu können! Einfach nur verliebt Arm in Arm durch die Straßen zu spazieren, ihn an sich zu drücken, ihn zu küssen und ihm zu sagen, dass sie ihn liebe...das alles schien schon ewig lang zurück zu liegen. Endlich wieder beim Anwesen der Potters angekommen machte ihr Herz einen kleinen Luftsprung, als sie die Eingangstür erreichte. Dort lag auf der Fußmatte ein leicht ramponierter Brief, neben dem eine dunkelgraue Uhu-Feder lag.
„Von Harry!“, jubelte sie. Schon seit fast einer Woche hatte sie keine Post mehr von ihm bekommen.
Der sonst typisch ungeduldige Uhu hatte sich, wohl froh dem Schneetreiben eine kurze Zeit lang entkommen zu können, in die Voliere neben Hedwig zurückgezogen.
„Gut, dass du noch da bist!“, rief Hermine ihm zu, nachdem sie Harrys Brief (bei dem sie sich abwechselnd ein wenig getröstet vorkam oder sich nur noch stärker nach ihm sehnte) gelesen hatte. „Dann kannst du Harrys Geschenk mitnehmen!“
Es war nur eine Kleinigkeit, die sie für Harry besorgt hatte: Ein silberner Bilderrahmen mit einem Photo von ihr, wie sie lächelnd auf einer Bank im verschneiten Park von Godrics Hollow saß. In die Ecke hatte sie „Ich vermisse dich!“, geschrieben und dazu ein Herz gemalt.
An Heiligabend ging Hermine, das erste Mal nachdem Harry zum Training aufgebrochen war, zum Grab seiner Eltern auf dem Friedhof von Godrics Hollow. Mit einem Schlenker ihres Zauberstabs ließ sie den Schnee vom marmornen Grabstein verschwinden und mit einem weiteren beschwor sie dort einen mit weißen Rosen geschmückten Kranz hervor.
„Fröhliche Weihnachten...“, flüsterte sie. „Auch wenn ihr mich vielleicht nicht hören könnt...und dir auch fröhliche Weihnachten, Harry!“ Die Tränen, die jetzt ihr Gesicht benetzten, bemerkte sie kaum.
„Es tut mir so Leid...“, flüsterte sie, während sie den Grabstein anschaute. „So Leid, was mit euch passiert ist...“ Sie schüttelte sich und jetzt tropften die Tränen ihr Kinn hinab in den Schnee. „Und ich weiß nicht, ob ich euren Sohn überhaupt verdient habe...“, fügte sie lächelnd hinzu. „Würde mich wirklich interessieren, ob ihr mich als Schwiegertochter akzeptieren würdet...“ In diesem Moment zog
ein scharfer Wind durch die Tanne neben ihr und schüttelte sanft Schneeflocken von den Ästen auf sie herab.
Hermine verbrachte den Weihnachtsabend bei ihren Eltern und kam erst sehr spät nach Godrics Hollow zurück. Kaum hatte sie das Gelände betreten, flog ein Uhu aus einem der Baumwipfel auf sie zu und ließ ein Päckchen vor ihre Füße fallen. Adressiert war es „an meinen süßen Schatz. Von Harry“ Ein Lächeln zog sich über Hermines Gesicht. „Das bin ich!“, nickte sie und hob das Paket auf.
„Du kannst dich ja in der Eulenvoliere ein bisschen ausschlafen!“, rief sie dem erschöpften Uhu zu, der dieses Angebot wohl gerne annahm. „Dann kann ich dich morgen mit der Antwort zurückschicken.“
Hermine nahm im Wohnzimmer auf dem Sofa Platz und fuhr mit der Spitze ihres Zauberstabs das Klebeband des Pakets entlang. Es sprang auf und neugierig öffnete sie den Karton. Zwischen allerhand zerknülltem Zeitungspapier fand Hermine ein silbernes Amulett, auf dem eingefasste, strahlend funkelnde Saphire ein großes, kunstvolles „H“ bildeten. Ganz langsam zog sie die Kette aus dem Päckchen heraus. Dabei lag ein einzelner, kleiner Pergamentzettel.
„Dreh es um.“
Sie drehte das Amulett auf die Vorderseite und sah eine Gravur in dem Silber.
„Ich vermisse dich. In ewiger Liebe, dein Harry.“
Hermine biss sich auf die Unterlippe und sie spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Auch wenn sie noch so logisch dachte, so klug und strebsam und intelligent war, wenn Harry romantisch war, ließ das ihr Herz schmelzen. „Und ich hab ihm nur ein doofes Photo geschickt...“, flüsterte sie. „Er muss das schon anfertigt haben lassen, als er noch hier war.“ Zwischen den Zeitungsblättern sah Hermine etwas Rotes hervorblitzen. Sie griff danach und zog einen scharlachroten Briefumschlag hervor. „Ach, Harry...“, murmelte sie, während sie den Brief öffnete.
Meine liebe Hermine,
ich hoffe, dir geht es gut in Godrics Hollow. Ich hab mich sehr über dein Weihnachtsgeschenk gefreut, vielen Dank dafür.
Hermine lächelte matt. Es war so gut wie nichts gegen sein Geschenk.
Ich habe dein Photo auf meinen Nachttisch gestellt, und du bist jetzt jeden Abend das letzte was ich sehe, bevor ich einschlafe und das erste, wenn ich aufwache. Ich vermisse dich wirklich sehr, mein Schatz, und ich hoffe, dass dir die Zeit ohne mir in Godrics Hollow nicht zu schwer fällt (aber auch nicht zu leicht).
„Wenn du wüsstest...“, dachte Hermine.
Das Training hier auf Bangakilu Island läuft gut, obwohl ich mich manchmal nur schwer konzentrieren kann, weil ich so schreckliche Sehnsucht nach dir habe. Ich hab ja schon geahnt, dass es schwer werden würde, aber erst jetzt kann ich sagen, wie schwer es mir fällt von dir getrennt zu sein, weil ich einfach alles an dir liebe, Hermine Jane Granger. In den letzten Jahren, besonders natürlich in unserem siebten Jahr in Hogwarts, aber auch schon einige Zeit davor, habe ich erkannt, dass du der Mensch bist, mit dem ich die Ewigkeit verbringen will. Nicht Cho, nicht Ginny und auch kein anderes Mädchen außer dir. Du warst immer für mich da, eine wahre Freundin, tapfer, hilfsbereit und klug. Ohne dich und deine Unterstützung hätte ich niemals die Schulzeit überstanden. Aber jetzt bist du mehr als meine Schulfreundin, du bist mit mir zusammen, mit mir verlobt. Und das einzige, was ich wirklich von ganzem Herzen bedaure, ist, dass ich nicht schon wesentlich früher festgestellt habe, was du für ein fantastisches Mädchen bist. Wir hätten, zumindest von meiner Seite aus, viel früher zusammenkommen und viel mehr Zeit miteinander verbringen können.
„Von mir aus auch, Harry...“, flüsterte Hermine, die die Tränen nur noch schwer zurückhalten konnte.
Wenn ich nur schon früher erkannt hätte, was ich mittlerweile ganz sicher weiß: Dass ich dich von ganzem Herzen liebe, Hermine. Niemals habe ich mir mehr gewünscht als dich. Du bist alles, was ich mir jemals erträumt habe. Du bist wie ein permanenter Patronus in meiner Brust. Es reicht nur an dich zu denken, und ich kann nicht verhindern, dass ich lächele. Ich kann es kaum erwarten, zurück nach Hause zu kommen und dich endlich wieder in meine Arme zu schließen.
Ich liebe dich von ganzem Herzen und wünsche dir fröhliche Weihnachten,
dein Harry
P.S.: Ich kann eigentlich überhaupt nicht beschreiben, wie SEHR ich dich liebe, Hermine.
„Das war aber schon ein sehr guter Versuch, mein Schatz...“, hauchte Hermine und dieses Mal konnte sie nicht verhindern, dass Tränen auf das Papier tropften. Den Brief las sie gleich ein zweites Mal durch.
„Oh, mein Harry...“, seufzte sie und presste das Pergament an sich. „Und wie ich dich liebe...es schmerzt schon fast, so sehr liebe ich dich...von ganzem Herzen!“
Hermine schlief diese Nacht so ruhig und friedlich wie schon lange nicht mehr, und sie träumte die ganze Zeit hindurch nur von Harry.
Am Morgen des 31. Dezembers, dem Tag ihrer Zwischenprüfung, war Owen noch immer nicht nach Bangakilu Island zurückgekehrt. Nur fünf Auroren hatten sich am Strand versammelt: Taylor, sein Kollege Hawkins, Boulez und ein weiterer französischer Auror namens Dedreux und zum Abschluss Dwight, der einzige Auror aus England. Fawcett war auch diesmal nicht anwesend, überhaupt hatten ihn die Aurorenschüler nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Neben Dwight war eine gigantische Sanduhr aufgebaut, die in einem eisernen Gestell befestigt war. Der Sand befand sich, entgegen aller Gesetze der Schwerkraft, in der oberen Kammer.
Gespannt und erwartungsvoll schauten sie alle ihre Lehrer an. Bisher hatten sie nicht erfahren, worum genau es sich bei der Zwischenprüfung handeln würde, nur, dass es ihre Kenntnisse und ihre Fähigkeiten im Kampf sowie ihre Eignung als Auror auf die Probe stellen würde.
„So weit so gut!“, lächelte Boulez in die Runde. „Wir hoffen, dass wir sie alle gut vorbereitet haben. Zur Information: Sie werden eine Aufgabe erhalten, jeder von Ihnen wird drei Gegenstände aus dem Dschungel beschaffen müssen, Gegenstände, die Ihre Kraft, Ihre Tapferkeit, Ihre Fähigkeit sowie auch Ihr Gehirn und Ihren Verstand gleichermaßen verlangen werden. Aus einem guten Grund haben wir Sie bisher von dem Dschungel ferngehalten.“
„Ich muss Sie warnen!“, ergänzte Taylor. „Dieser Dschungel ist kein gewöhnlicher Dschungel. Eine Gefahr lauert an jeder Ecke, in jedem Winkel. Es ist ein einziger Brutkasten von Fallen, Hinterhalten, Aufgaben und Hindernissen. Sie sollen wissen, dass niemand von Ihnen in ernster Lebensgefahr ist.“, versicherte er, schien aber seiner Worte nicht ganz sicher zu sein. „Wir werden Sie im Auge behalten und wenn es nach unserem Ermessen nötig ist, werden wir für die betroffene Person Rettungsmaßnahmen einleiten, die allerdings das Scheitern der Zwischenprüfung und damit das Ende dieser Aurorenausbildung besiegeln. Sie können auch freiwillig aufgeben, indem Sie einen deutlichen Funkenstrom in den Himmel schießen, das Ergebnis ist jedoch dasselbe.“
„Es gibt nur einen einzigen Ort im Dschungel, an dem Sie durch Magie vor Angriffen geschützt sind!“, fuhr Dwight fort. „Und zwar der Punkt, an den Sie mit diesen Bedarfs-Portschlüsseln...“, und er zog einen großen, violetten Sack hervor, „...reisen werden. Es sind wahllos gesetzte Punkte im Dschungel, wo Sie weitere Anweisungen sowie die Liste der drei Gegenstände für ihre spezielle Aufgabe erhalten werden. Der Fairness halber werden Sie den Portschlüssel aus dem Sack hier herausziehen, der Sie an Ihren Startpunkt befördert. Ich kann Ihnen allerdings verprechen, dass wir uns größte Mühe gegeben haben, die Aufgaben gleich schwer und damit fair für alle auszulegen. Ich wünschen Ihnen jedenfalls allen viel Glück, und ich traue jedem von Ihnen zu, diese Prüfung zu bestehen. Sie haben insgesamt vierundzwanzig Stunden Zeit, die benötigten Gegenstände hier an den Strand zu bringen.“
Damit ging Dwight mit dem geöffneten Sack die Reihe der Aurorenschüler entlang. Jeder von Ihnen, manche mit zitternder Hand, andere mit stolzgeschwellter Brust und siegessicher, zog einen der Bedarfs-Portschlüssel hervor.
„Viel Glück Ihnen beiden!“, flüsterte Dwight noch einmal als er Harry und Chris angekommen war. „Nur nicht den Kopf verlieren, ganz locker bleiben. Sie schaffen das schon!“
Die Portschlüssel waren kleiner als Harry vermutet hatte. Er zog einen dreieckigen, fünfseitigen Würfel hervor, Chris die kleine Figur einer orangen Banane.
„Viel Erfolg, Harry!“, murmelte Chris.
„Dir auch, Chris.“, nickte Harry.
„Sind Sie alle bereit?“, fragte Dwight in die Runde, als alle Portschlüssel verteilt waren. „Dann aktivieren Sie bitte die Bedarfs-Portschlüssel, indem Sie mit dem Zauberstab dagegen klopfen, sobald ich das Startsignal gegeben habe. Und los!“
Mit diesen Worten klopfte er mit seinem eigenen Zauberstab gegen die gewaltige Sanduhr. In diesem Moment begann der Sand auch schon langsam in die untere Kammer zu rinnen. Eiligst tippte Harry den Würfel mit seinen Zauberstab an. Er begann, ebenso wie die übrigen, silbrig-weiß zu leuchten und zog Harry mit sich fort.
Tonks hatte Recht: Es war weitaus sanfter und angenehmer als ein normaler Portschlüssel. Harry hatte nicht das Gefühl, er würde kräftig nach vorne gerissen werden. Die Welt drehte sich unter ihm weg und er spürte fast gar nichts, während er einem völlig fremden Punkt auf der Insel zu schwebte. Bis zu dem Moment als Harry aus der Luft aus einer Höhe von knapp zwei Fuß ziemlich unsanft im Dschungel auf den Rücken fiel. Er blinzelte in das fast vollständige, grüne Dach aus Blättern, das nur wenig Sonnenlicht hindurch schimmern ließ. Er rappelte sich auf und blickte sich um. Er befand sich auf einer winzigen Lichtung im Urwald. Er war ganz allein.
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