von Kira Gmork
Lieben Dank an Cara und Magic! :)
18. Kapitel
Die Fesseln der Liebe
Der Lärm in der Großen Halle war vermutlich nicht größer als an allen anderen Tagen der Woche auch, doch Severus Nerven lagen blank. Am liebsten hätte er einen Schweigezauber über den ganzen Raum gelegt. Neben ihm am Lehrertisch redete Professor Trelawney unentwegt auf Professor Flitwick ein. Severus hatte keine Ahnung worum es ging, aber es kam ihm vor, als würden auch die beiden immer lauter.
Sein Blick wanderte immer wieder unruhig zur Decke. Zwar besaß er nicht die wundersamen, oder eher zweifelhaften Eigenschaften einer Professor Trelawney, doch er spürte, dass heute der gefürchtete Tag sein würde. Mit einem Gefühl aufsteigender Übelkeit schob er sogar seine Kaffeetasse von sich.
Eine ganze Schulwoche war inzwischen vergangen und wenn er ehrlich war, dann hatte er an jedem einzelnen Morgen Angst gehabt, dass Malfoys Eule eintreffen würde. Doch heute, an diesem Freitagmorgen war er sich sicher, dass sie ihm die grausame Botschaft bringen würde. Heute würde der Tag sein, an dem er Hermine dem Lord scheinbar aushändigen würde. Sein Magen krampfte zusammen, bei diesem Gedanken.
Als der Vogel nur ein paar Minuten später tatsächlich auf ihn zuflog, hätte er am liebsten nach ihm geschlagen. Doch er nahm die Nachricht ohne jegliche Emotion in Empfang und schickte das Tier mit einer unwirschen Handbewegung wieder zurück. Diese verfluchte Eule wagte es doch wirklich, ihm vor Wut aus einer ausbleibenden Leckerei in die Hand zu picken, dann schwang sie sich schnell wieder in die Lüfte und verschwand aus seinem Blickfeld.
Der Brief in seinen Händen verschwand jedoch leider nicht. Die Nachricht war kurz gefasst. Sie war so gehalten, dass ein nicht Eingeweihter keine Ahnung hätte, was sie bedeutete. Für ihn jedoch war sie eine klare Anweisung, wann und wo er seine Beute zu übergeben hatte.
Er steckte den Brief ein und hing seinen düsteren Gedanken nach. Dann bemerkte er Dumbledores Blick. Ein weiterer Punkt, der ihm Kopfzerbrechen bereitete. Hermine und er hatten entschieden, dass sie den Direktor einweihen wollten, jedoch sollte er erst in Aktion treten wenn sie den ersten Schritt gewagt hatten. Es würde nicht leicht werden Albus mitzuteilen, dass sie zwar seine Hilfe benötigten, sich Voldemort jedoch zuerst einmal allein stellen mussten. Er würde es nicht gutheißen. Doch welche Wahl blieb ihnen schon? Wenn sie den Überraschungsmoment auf ihrer Seite haben wollten, dann mussten sie ihre Rollen spielen und das bedeutete, dass sie beide völlig allein wären.
Severus sah Albus bereits jetzt an, dass er sich fragte, was er vor ihm verbergen wollte. Natürlich war dem Direktor nicht entgangen, dass die Eule der Malfoys ihm einen Besuch abgestattet hatte. Den Unterricht hatte er noch in Ruhe abhalten dürfen, bevor ihn Albus auf dem Weg in seine Kerker abfing.
"Severus - du erlaubst, dass ich dich in deine Räume begleite?" setzte der alte Mann voraus.
Der Meister der Zaubertränke schickte dem alten Mann ein gequältes Lächeln: "Kann ich dich irgendwie davon abhalten?"
"Nein!" war die kurze Antwort.
"Dachte ich mir," nuschelte Snape und ging, von Dumbledore gefolgt die Treppe hinunter.
Der Direktor ignorierte, dass Severus ihn nicht ausdrücklich hereingebeten hatte und machte es sich auf dessen Sofa bequem.
"Was kann ich für dich tun, Albus?" fragte Snape ergeben. Der alte Mann strich sich nachdenklich über den langen Bart und zwinkerte kurz, als er sagte: "Du kannst mir sagen, was ich für dich tun kann. Ich denke, das wäre schon mal ein guter Anfang."
Wie schaffte Dumbledore es immer bloß genau zu wissen, was vor sich ging? Severus setzte sich ihm gegenüber auf den Sessel und sah ihn einen Moment schweigend an.
Dann räusperte er sich und seine Stimme war ernst, als er sagte: "Hermine und ich werden den Lord ausfindig machen. Das ist die Chance für den Orden ihn zu besiegen. Voldemort wird schwach sein - vielleicht sogar schon tot, falls wir erfolgreich sein sollten. Doch es wird noch eine schwierige Aufgabe werden seine Gefolgsleute unter Kontrolle zu bringen. Daher wäre es sinnvoll, ebenfalls das Ministerium zu informieren."
Dumbledore verzog keine Miene. Er sah den Zaubertrankmeister wie gelähmt an. Schließlich rang er sich dazu durch, seinen Gedanken verbal Ausdruck zu verleihen: "Was, bei Merlin, soll das heißen? Seid ihr von allen guten Geistern verlassen? Es steht gar nicht zur Debatte, dass ihr euch einer solchen Gefahr aussetzt! Wie bist du nur auf eine solch waghalsige Idee gekommen, Severus?"
Der Direktor hielt nun inne und sein Blick bohrte sich in die schwarzen Augen seines Gegenübers. Dann sagte er bestürzt: "Es war gar nicht deine Idee. Miss Granger will es so! Verdammt Severus, warum stimmst du dem zu?"
Der Zaubertrankmeister hob hilflos beide Hände. "Das tue ich nicht. Doch sie wird zu ihm gehen, Albus. Egal, ob ich sie unterstütze oder nicht. Sie wird es tun," wiederholte er dann leise.
"Ich weiß, dass sie schon immer sehr ehrgeizig war, doch das scheint mir entschieden zu tollkühn zu sein. Was bewegt sie dazu, sich so kopflos dieser Gefahr auszusetzen? Und jetzt sag mir nicht wieder, sie würde nicht wollen, dass du mir den Grund nennst!"
Der Direktor beobachtete sein Gegenüber genau. Severus war sich dieser Observierung nur allzu bewusst. Er schüttelte stumm den Kopf, während er die Hände ineinander rang. "Ich kann nicht," sagte er dann bestimmt.
Dumbledore kniff die Augen zusammen und seine Stimme klang abgrundtief enttäuscht, als er sagte: "Es will mir nicht einleuchten, wieso zwei Menschen, die einander offensichtlich soviel bedeuten, sich in solche Gefahr begeben wollen. Ist es Miss Grangers verletzter Stolz, dass sie als Aurorin den Lord nicht bezwingen konnte?"
Severus senkte den Kopf: "Glaubst du wirklich, wenn es nur diesen Grund gäbe, würde ich sie in ihrem Vorhaben unterstützen?"
Dumbledore hob nun eine Augenbraue. "Dann steckt also mehr dahinter. Was ist damals geschehen, als Miss Granger - als Hermine - vermisst wurde?"
Severus sprang regelrecht vom Sofa und ging unruhig auf und ab. "Sag es mir!" forderte Dumbledore mit entschlossenem Blick. Der Zaubertrankmeister blieb mitten im Raum stehen und sah seinen Mentor mit einer Mischung aus Unwillen und Bedauern an.
"Sie hat eine offene Rechnung mit Voldemort - das muss dir reichen, Albus."
Der Direktor nickte leicht: "Ja, das muss es wohl," murmelte er enttäuscht. Dann erhob er sich ein wenig schwerfällig und ging zur Tür. Nach einem nochmaligen kurzen Nicken verließ er Snapes Räume.
oooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo
Eine einzelne Kerze leuchtete in der ansonsten dunklen Bibliothek.
Filch hatte den Schimmer auf seinem üblichen Kontrollgang bemerkt und betrat nun leise die Räume, die eigentlich geschlossen sein sollten. Mit schlurfenden Schritten und keuchendem Atem schlich er die Gänge entlang, um den Einbrecher auf frischer Tat zu ertappen. Als er um die Ecke bog, und in den eben noch erleuchteten Gang spähte, stutzte er für einen Moment. Erst vor ein paar Sekunden war offensichtlich die Kerze gelöscht worden, das verriet ihm seine Nase überdeutlich.
Ein geiferndes Lachen entrang sich Filchs Kehle, als er nun seine Laterne entzündete, um den herumstreunenden Schüler zu stellen. Doch als sein Lichtschein die Umgebung erhellte, sah er nichts weiter als einen Raum voller Bücher. Er drehte sich kurz im Kreis und lauschte.
Dann fiel sein Blick auf ein Buch, das scheinbar hastig ins Regal zurückgestellt worden war, denn es lugte ein Stück heraus und einige Seiten schienen geknickt zu sein. Filch griff neugierig danach und zog es heraus. Er schlug es an der Stelle auf, an der die Seiten Eselsohren aufwiesen.
Mit zusammengekniffenen Augen sah er auf ein Kapitel, das sich mit Geburtsvorbereitung befasste. Dann klappte er das Buch mit einem Knall zu und sah sich noch einmal misstrauisch um.
Diese Schule verkam immer mehr.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann hätten sich Jungen und Mädchen hier nicht einmal zu Gesicht bekommen - geschweige denn, dass solche Dinge passierten. Aber die Schülerin, die sich hier eingeschlichen hatte, um zu ergründen was ihr bevorstand, würde man spätestens in ein paar Monaten deutlich erkennen können. So lange würde er sich gedulden müssen, um eine Strafe für nächtliches Herumschleichen zu verhängen. Doch vergessen würde er diesen Vorfall mit Sicherheit nicht.
Auch Severus würde diesen Vorfall wohl nicht so schnell vergessen. Er hätte sich selbst verfluchen können, dass er nicht an den herumschleichenden Filch gedacht hatte, als er sich in die Bibliothek begeben hatte, um in Ruhe einen Blick in die Bücher werfen zu können, die bisher für ihn völlig uninteressant gewesen waren.
Mit einem Seufzer hatte er früher am Abend festgestellt, dass sich in seiner privaten Bibliothek kein einziges Buch näher mit dem Thema Schwangerschaft befasste - wozu auch? Es gab zwar einige Bücher, worin Tränke aufgeführt waren die gewisse Begleiterscheinungen lindern sollten, aber über den eigentlichen Ablauf von Schwangerschaft und Geburt handelten sie nicht.
Natürlich hatte er keinen Moment in Erwägung gezogen, die Schulbibliothek zu den normalen Öffnungszeiten aufzusuchen. Er wollte nicht riskieren, dass jemand sah, womit er sich seit neuestem beschäftigte. Doch beinahe hätte ausgerechnet der Hausmeister es herausbekommen. Nur seiner blitzschnellen Reaktion war es zu verdanken, dass er bereits auf dem Weg zum Ausgang war, als Filch seine Kerze entzündete.
Den gesamten Weg zurück in seine Kerker schwebten ihm die Dinge durch den Kopf, die er eben gelesen hatte.
Er wünschte sich dieses Kind inzwischen mehr, als er es jemals für möglich gehalten hätte. Seine Hoffnung, dass er und Hermine ihr riskantes Unterfangen erfolgreich zu ende bringen würden, wuchs mit jedem Tag.
Doch selbst wenn sie überleben sollten, so war er sich nicht so sicher, ob er bei der Entbindung zugegen sein konnte, und diese ebenfalls überleben würde. Das, was er gelesen hatte, klang bei weitem nicht so als sei dies ein Spaziergang. Er wurde den Gedanken nicht los, dass er Hermine eine nicht unerhebliche Last aufgebürdet hatte.
Ob dies wohl jeder werdender Vater so empfand?
Er hatte diese freudige Erregung bei anderen Männern, die Vater wurden nie verstehen können. Es hatte ihn sogar angewidert. Wie konnte man nur so weich werden, bloß weil man ein Kind gezeugt hatte?
Doch nun sah dies alles anders aus und er begann zu begreifen, dass ihn die anderen bloß für seine Gefühlskälte bedauert hatten.
Ein Teil von ihm hätte Albus am liebsten diese Neuigkeit mitgeteilt. Doch er wusste, dass es ein Fehler gewesen wäre. Für den Direktor war auch so schon unverständlich, wieso er Hermine in ihrem Plan zur Seite stand. Doch wenn Dumbledore geahnt hätte, was die beiden wirklich aufs Spiel setzen, dann hätte er sie niemals zu Voldemort gehen lassen.
Severus entkleidete sich und legte sich nur in Unterwäsche auf sein Bett. Er vermisste Hermine. Es wäre schön, sie nun berühren zu können. Er wollte in ihre Augen sehen und das Gefühl haben, dass es sich lohnte zu kämpfen - das alles gut werden konnte. Er wollte sie küssen, in der Gewissheit, dass sie ihn ebenso begehrte, wie er sie.
Wenn Hermine seine Haut berührte, dann stürzten so viele Emotionen auf ihn ein, dass er sich nicht die Mühe machte sie zu analysieren, sondern gewillt war, sich einfach von diesem unbändigen Strom fortreißen zu lassen.
An seinem Körper bildete sich bei diesen Gedanken die inzwischen wohlvertraute Gänsehaut.
Er war sich bewusst, dass er sie bereits morgen sehen würde. Doch sie würden nur wenig Zeit füreinander haben. Voldemort erwartete sie beide. Severus bedeckte mit seinem Arm die Augen. Wieder schlug das Schicksal grausam lachend zu.
Er spürte bereits jetzt, dass er in dieser Nacht keinen Schlaf finden würde. Daher stand er auf und zog sich eine schwarze Hose und einen grauen Pullover über. Dann verließ er die Kerker und begab er sich zum Haupttor. Kurz darauf ging er, ohne einen Blick zurück zu werfen, vom Schloss fort. Als er den Apparierschutz überwunden hatte, verschwand er für Uneingeweihte einfach von der Bildfläche.
Er apparierte direkt vor Hermines Tür. Bevor er es sich anders überlegen konnte, klopfte er an. Severus fragte sich gerade, ob Hermine wohl seine Nachricht bekommen hatte, dass es morgen soweit war, als er ihre Stimme hörte: "Wer ist da?"
Er verspürte ein schlechtes Gewissen. Vermutlich hatte er ihr einen Schrecken eingejagt, denn eigentlich war es inzwischen ziemlich spät und sie hatte wohl heute kaum noch mit ihm gerechnet.
Daher gab er sich schnell zu erkennen.
Langsam wurde die Tür geöffnet. Hermine wandte sich jedoch direkt um, und ging zurück in ihr Wohnzimmer. Irritiert schloss er die Tür hinter sich und folgte ihr dann.
Erst nachdem ein paar Sekunden vergangen waren, drehte sie sich zu ihm um.
Sein Atem stockte und er sah sie entsetzt an.
"Bei Merlin..." entfuhr es ihm.
Hermines rechter Wangenknochen wies einen bläulichen Bluterguss auf. An ihrem Hals waren blutige Striemen, die von einem Seil zu stammen schienen. Er erkannte die gleichen Striemen an ihren Handgelenken.
tbc
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