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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Stein des Anstoßes

von Muggelchen

„Robert?“ In den verdunkelten Raum hineinspĂ€hend wartete Alejandro auf eine Antwort und als keine kam, trat er ein, bevor er erneut den Namen sagte.
„Was ist?“

Der dĂŒnnen Stimme folgend ging Alejandro langsamen Schrittes zu einem Ohrensessel am Kamin, in welchem Robert saß. Der Anblick seines Freundes bestĂŒrzte ihn. Durch das Kaminfeuer, das auf seinem Gesicht tĂ€nzelte, warfen die eingefallenen Wangen einen Schatten, der es wie ein TotenschĂ€del mit Bart wirken ließ. Robert wirkte krĂ€nklich und abgekĂ€mpft.

„Robert, die Leute warten“, unterrichtete er seinen Freund.
Als der Rothaarigen seinen Kopf drehte und die Schatten anders fielen, da sah er wieder wie lebendiger ein Mensch aus. „Was denn fĂŒr Leute?“, hauchte er.

Ein beklemmendes GefĂŒhl kam in Alejandro auf. Aus dem einst willensstarken Mann, der Hexen und Zauberern das Handwerk legen wollte, war ein HĂ€ufchen Elend geworden, das zudem einiges vergessen zu haben schien.

„Du sagtest, wir mĂŒssen unsere alten AnhĂ€nger anschreiben. Einige von ihnen sind hier und wollen mit dir sprechen, wollen wissen, was du ihnen zu sagen hast.“

Ein Hauch Erkenntnis huschte ĂŒber Roberts Gesicht, denn er erinnerte sich. Mit nur knapp dreißig AnhĂ€ngern war er machtlos gegen die Magier, weswegen er die restlichen 170 wieder mobil machen wollte und zusĂ€tzlich auch neue Mitglieder fĂŒr seine Sache gewinnen wollte.

„Wir mĂŒssen den Menschen von dieser Gefahr berichten.“ Die leise Stimme war kaum zu vernehmen, weswegen sich Alejandro neben Robert kniete und zuhörte. „Hab ich dir je erzĂ€hlt“, Robert blickte ihn mit mĂŒden Augen an, „dass sie es auf mich abgesehen haben, nur weil ich der Blutlinie von Matthew Hopkins entspringe?“
„Wessen Blutlinie?“
„Er war seinerzeit ein gefĂŒrchteter Mann, hat Hexen verhört und hĂ€ngen lassen. FĂŒr diese magischen Missgeburten hatte er ein GefĂŒhl und ich habe dieses GefĂŒhl geerbt. Ich spĂŒre es, wenn eine Hexe neben mir steht.“ Roberts Augen wanderten zurĂŒck zum Kaminfeuer, von dem er sich hypnotisieren ließ. Gedankenverloren schilderte er: „Einmal war es in einem Buchladen, kurz vor Ladenschluss. Sie stand neben mir und dachte, sie könnte sich frei und unerkannt in unserer Welt bewegen, aber vor mir konnte sie ihre teuflischen KrĂ€fte nicht verbergen. Ich bin ihr nachgegangen, hab sie zur Rede gestellt, warum sie mir folgen wĂŒrde.“ Er lachte schwĂ€chlich. „Sie sagte doch glatt, dass ich ja wohl derjenige wĂ€re, der ihr folgen wĂŒrde und nicht andersherum. Diese kleine
“ Er stoppte sich und fuhr anders fort. „Ich habe ihr gezeigt, dass man das mit mir nicht machen kann.“ Alejandro dachte sich den fehlenden Teil, denn Robert hatte sich der Frau sicherlich entledigt. „In ihrer Tasche fand ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Zauberstab! Da habe ich gewusst, dass dieses magische Volk seine Leute auf mich angesetzt hat, sie mir diese Kopfschmerzen bereiteten, nur weil jemand, mit dem ich zufĂ€llig verwandt bin, solche schlimmen Dinge getan hat.“

Sein GefĂŒhl sagte Alejandro, dass Robert am liebsten von alledem unangetastet sein wollte; mit Hexen und Zauberern nicht konfrontiert werden wollte, doch es waren die, die sich ihm stĂ€ndig genĂ€hert hatten.

„Ich zeig dir den ersten Stab, den ich genommen habe!“

Nur mit MĂŒhe konnte sich Robert aus dem Ohrensessel erheben. FĂŒr einen Moment musste er sich an der RĂŒckenlehne festhalten, denn sein Kreislauf schien versagen zu wollen. Tief durchatmend nahm Robert einige Schritte bis zum Schlafzimmer. Aus seinem antiken, hölzernen Nachttisch zog er einen langen Stab, den er Alejandro vor Augen hielt.

„Das hat mir meine jahrelange Vermutung bestĂ€tigt, dass mich die Hexen verfolgen und mir diese Qualen bereiten. Keine Paranoia, wie man mir weismachen wollte
 Nein, das ist alles echt!“

Der dreißig Zentimeter lange, weiße Stab war in dem dĂ€mmrigen Raum gut zu sehen. Ohne seine Augen von dem Zauberstab zu lassen, ging Alejandro auf Robert zu, der derweil schilderte: „Ab diesem Tag an habe ich die Welt mit anderen Augen gesehen und vor allem habe ich die Augen offen gehalten. Eine Offenbarung, Alejandro. Bis dato wusste ich nĂ€mlich nicht, ob ich verrĂŒckt war oder nicht, doch dieser Stab hat mir bewiesen, dass ich mich nicht irren konnte. Die Hexen waren da, um mich herum und sie warteten nur darauf, mich mit ihren FlĂŒchen zu peinigen. Wenn ich jemandem in die Augen gesehen habe, dann wusste ich auf Anhieb, ob er gut oder schlecht war.“

Robert reichte ihm den Stab, den Alejandro mit Ehrfurcht entgegennahm, doch er wirkte so anders als die StĂ€be, die sie ihren Opfern sonst abgenommen hatten. Mit einem Male traf es ihn wie der Schlag, als er das Material begutachtete. Dies war kein Zauberstab, es war ein Taktstock. Ein Dirigentenstab aus weißem, stabilem Fiberglas mit einem Griff aus Kork. Robert hatte damals keine Hexenmeisterin, dafĂŒr aber sehr wahrscheinlich eine Orchesterleiterin vom Leben zum Tode befördert. Diese Gewissheit ließ Alejandro einen kalten Schauer den RĂŒcken hinunterlaufen. Seine BefĂŒrchtungen, Robert wĂ€re seit einiger Zeit geistig nicht mehr auf der Höhe, hatten sich bewahrheitet. Doch nicht nur seit einigen Wochen war Robert seltsam geworden, denn der Stab, wenn es tatsĂ€chlich der erste gewesen war, den er einem seiner Opfer abnehmen konnte, musste seit Jahrzehnten in Roberts Besitz sein. Seit Jahrzehnten war Roberts Geist verdreht. Diese Gewissheit war wie ein Schock fĂŒr Alejandro.

„Was hast du?“, fragte Robert skeptisch.
„Nichts“, erwiderte er wie aus der Pistole geschossen, bevor der den Taktstock an Robert zurĂŒckgab, der ihn wieder im Nachttisch verstaute.

Ihm schossen sĂ€mtliche GesprĂ€che und Erlebnisse durch den Kopf, die Robert nicht mehr als den Welt verbessernden Menschen darstellte, sondern als einen verwirrten und kranken. Ein simpler Dirigentenstab hatte ihn in seinem Verfolgungswahn bestĂ€tigt und seine Fantastereien ĂŒber Hexen und Zauberer, die nur böses im Schilde fĂŒhrten, auf ungesunde Weise aufblĂŒhen lassen. Doch Alejandro wusste auch, dass es unter dem magischen Volk, das wirklich existierte, Verbrecher gab. Jene, die seiner Frau eine unverzeihliche Schmach angetan hatten, so dass sie ihr Leben aus freien StĂŒcken beendete. Solche, die die drei Söhne von Claudine und Jacob auf herablassende Weise behandelt und grundlos ermordet hatten. Alejandro bezweifelte zum ersten Mal seit Jahren, dass die magische Welt durchweg solche Scheusale hervorbrachte, denn wenn er einen Blick auf die eigene Welt warf, wurde er eines Besseren belehrt. Mörder, Vergewaltiger und KinderschĂ€nder waren nicht ausschließlich Ausgeburten der magischen Gesellschaft.

„Wir werden diese Schule angreifen“, hauchte Robert. „Irgendwie
“
„Wir kommen nicht mal in die NĂ€he! Tyler hat es versucht, aber diese Schutzzauber, von denen Alex und Arnold gesprochen hatten, wirken. Man kann sich der Schule nicht nĂ€hern.“ Es missfiel Alejandro, momentan ĂŒber einen möglichen Angriff zu sprechen. Lieber wĂŒrde er mit Jacob, von dem er wusste, dass er Robert nicht mehr verblendet an den Lippen hing, ein GesprĂ€ch suchen.
„Dann mĂŒssen wir hĂ€ufiger in Hogsmeade prĂ€sent sein. Kann sich da nicht jemand von uns ein Zimmer mieten? Wenn man denen sagt, man wĂ€re ein Squib, dann wĂŒrden die gar nicht wissen, dass wir gar keine Zauberer sind.“ Einen Augenblick schien Robert nachzudenken, bevor er fragte: „Die Höhle ist leergerĂ€umt?“
„Man hat die meisten Kisten abtransportiert. Tyler konnte die wenigen, die weiter hinten lagerten, spĂ€ter herausholen.“
Robert seufzte. „Woher soll ich noch Munition nehmen? Ich habe meine Kontakte dafĂŒr lĂ€ngst aufgebraucht. Wir mĂŒssten sie kaufen, aber dann wird sicherlich die Regierung auf mich aufmerksam.“ Er wandte sich Alejandro zu und flĂŒsterte: „Die haben es auch auf mich abgesehen!“ Paranoid blickte sich Robert in seinem Schlafzimmer um. Nur einmal fiel sein Blick auf das GemĂ€lde von Matthew Hopkins. „Diese ganzen SteuerprĂŒfungen, die Unterlassungsklagen
 Die stecken mit den Hexen unter einer Decke! Vielleicht sollten wir auch in unserer Welt ein wenig“, er legte den Kopf schrĂ€g, „aufrĂ€umen?“

Nun hatte Alejandro wirklich Angst bekommen. Es war eine Sache, die ÜbeltĂ€ter, die seine Frau auf dem Gewissen hatten, zu finden und unschĂ€dlich zu machen. In all den Jahren war sein RachegefĂŒhl bereits gedĂ€mpft, doch Robert hatte ihm immer wieder vor Augen gehalten, dass es anderen auch so wie ihm und Pablo ergehen könnte und deswegen hatte er seinen Hass auf Hexen willig schĂŒren lassen. Die Überlegung, nun auch in der eigenen Welt Leute aus dem Weg zu rĂ€umen, war keinen einzigen Gedanken wert. Innerlich hatte sich Alejandro von Robert abgewandt, doch seine gute Stellung bei ihm gab er noch nicht auf, denn nur an dessen Seite konnte in Erfahrung bringen, was als nĂ€chstes geplant wĂ€re.

Die Tagesplanung im Zaubergamot stand fĂŒr heute bereits fest.

Man hatte Lucius in einen riesigen Raum mit steinernen WĂ€nden gefĂŒhrt, in dem es nach dem Erlebnis mit den lauten Journalisten befremdlich ruhig war. Im Licht der vielen Fackeln erkannte er Rosalind Baltimores bewegungslose Miene. Sie war wie ihre Kollegen mit einer pflaumenblauen Robe bekleidet, auf deren linker Brust man ein silbernes Z lesen konnte. Nach einer auffordernden Handbewegung hatte Lucius sich auf den Stuhl in der Mitte des Raumes gesetzt. Ohne Übergang wurden seine magischen Handfesseln aufgehoben und sogleich durch die des Stuhles ersetzt, so dass er sich kaum noch regen konnte. Es war ein erniedrigendes GefĂŒhl, in so einer hilflosen Position von den Gamotmitgliedern, die im Halbkreis auf ansteigend angeordneten BĂ€nken um ihn herumsaßen, angestarrt zu werden. In der Regel wurden Verhandlungen in den noch viel grĂ¶ĂŸeren RĂ€umen im zehnten Stock gehalten, doch da die Öffentlichkeit und auch die Presse von diesem Ereignis ausgeschlossen war, hatte man einen kleineren, aber dennoch fĂŒr einen HĂ€ftling einschĂŒchternd weitlĂ€ufigen Raum gewĂ€hlt. Ebenfalls abweichend von anderen Verhandlungen war, dass die Mitglieder des Gamots durchweg aus Angestellten des Ministeriums bestanden und nicht wie ĂŒblich auch andere angesehene Vertreter der magischen Gesellschaft eine Stimme fĂŒr oder gegen eine Verurteilung abgeben durften, wofĂŒr Lucius dankbar war, denn die anwesenden Menschen tanzten zur HĂ€lfte nach seiner Pfeife – hoffte er zumindest.

Womit Lucius gar nicht gerechnet hatte war Griselda Marchbanks. Die betagte Frau hatte damals aus Protest ihr Amt niedergelegt, nachdem Fudge Dumbledore aus dem Gamot ausgeschlossen hatte. Bei ihr hĂ€tte er schlechte Karten, das wusste er, denn sie war eine gute Freundin von Augusta Longbottom und war wahrscheinlich aus erster Hand darĂŒber informiert, was damals wĂ€hrend des Kampfes im Ministerium geschehen war. Da die Frau bereits weit ĂŒber zweihundert Jahre alt war, konnte er nur hoffen, dass ihr GedĂ€chtnis nicht mehr allzu gut arbeitete oder sie wĂ€hrend der Verhandlung ins Grab sinken wĂŒrde.

Mr. Duvall nahm neben ihm an einem kleinen Tisch Platz, auf dem er etliche Unterlagen ablegte.

„Mr. Malfoy.“ Die weibliche Stimme hallte in dem hohen Raum nach. Lucius blickte nach vorn in das kalte Gesicht der Gamotvorsitzenden. „Ihre IdentitĂ€t wurde bereits magisch festgestellt. Zuerst werden Ihnen Fragen gestellt werden, die Sie wahrheitsgemĂ€ĂŸ beantworten. Zu jedem Punkt werden wir uns Notizen machen, um die spĂ€tere Befragung unter ’Veritaserum Plus’ vorzubereiten. Es wĂ€re von Nachteil, sollten Sie lĂŒgen oder nicht die ganze Wahrheit sagen. Haben Sie das verstanden?“
Er fragte sich, ob sie ihn fĂŒr unterbelichtet hielt, doch er antwortete höflich: „NatĂŒrlich, Mrs. Baltimore.“

Sie nickte und blÀtterte in ihren Papieren.

„Ihnen wird vorgeworfen“, las sie mit gefĂŒhlskalter Stimme von einem Pergament ab, „Mitglied einer gesetzeswidrigen Organisation zu sein. Was haben Sie dazu zu sagen?“
Gerade holte Lucius Luft, da sprach sein Beistand, ohne den Blick von den Akten zu erheben. „Mrs. Baltimore, wenn ich mich zu dem ersten Vorwurf beziehungsweise der sehr unglĂŒcklich gewĂ€hlten Ausformulierung Ă€ußern dĂŒrfte?“

Ein Raunen ging durch die Menge und Lucius hatte arge MĂŒhe, nicht laut loszulachen, als er die empörten Blicke der Gamotmitglieder bemerkte.

„Was denn fĂŒr eine ’unglĂŒcklich gewĂ€hlte Ausformulierung’?“, fragte jemand, dessen Name Lucius nicht kannte.
„Nun“, Sid blickte auf, „Mitglied kann Mr. Malfoy schon deshalb nicht mehr sein, weil es diese ’Organisation’ seit geraumer Zeit nicht mehr gibt, nicht wahr? Formulieren Sie das bitte um und verwenden Sie entsprechende Vergangenheitsform. Es soll doch alles seine Richtigkeit haben. DarĂŒber hinaus muss erst geklĂ€rt werden, unter welchen UmstĂ€nden Mr. Malfoy ĂŒberhaupt dieser Organisation beigetreten ist.“
„Was soll der Unfug?“ Die Stimme kam von einem rundlichen Herrn, der leider nicht auf Lucius’ Liste stand.
„Was das soll?“, wiederholte Sid in arrogantem Tonfall. „Das soll heißen, dass wir klĂ€ren mĂŒssen, wann Mr. Malfoy der Organisation beigetreten ist und ob fĂŒr diesen ersten Anklagepunkt nicht gar das MinderjĂ€hrigenstrafgesetz angewandt werden muss.“
„Wer sind Sie ĂŒberhaupt?“ Die erbost klingende Frage wurde von demselben rundlichen Herrn gestellt.
„Ich, Mr. Logan, bin Sid Duvall – derjenige, der vom Ministerium persönlich als Beistand an Mr. Malfoys Seite gestellt wurde.“
Mrs. Baltimore schritt ein. „Dann in Bezug auf den ersten Anklagepunkt meine erste Frage an Mr. Malfoy. Wie alt waren Sie, als Sie das dunkle Mal angenommen haben?“
Mit erhabenen Gesichtsausdruck antwortete Lucius: „Ich war erst fĂŒnfzehn.“

Die Gamotmitglieder steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten, wÀhrend Sid mit einem selbstgefÀlligen Grinsen in der Akte Malfoy blÀtterte.

„Wir werden klĂ€ren, ob hierfĂŒr das MinderjĂ€hrigenstrafgesetz angewandt werden wird.“ Rosalinds steinerne Miene ließ bereits erste Anzeichen von Wut erkennen.
„Oh“, machte Sid. „Aber es wird angewandt werden mĂŒssen. Was wĂŒrde nur die Öffentlichkeit dazu sagen, dass man die Straftaten eines FĂŒnfzehnjĂ€hrigen handhabt wie die eines Erwachsenen? Das wĂ€re nicht richtig.“

Lucius presste seine Lippen zusammen und amĂŒsierte sich still.

„Wir gehen zum nĂ€chsten Punkt ĂŒber und werden spĂ€ter noch alle Unklarheiten zur Behandlung des ersten Anklagepunktes beseitigen.“ Zum Angeklagten sagte Rosalind: „Ihnen wird zudem der Vorwurf der Erpressung gemacht.“
Bevor die Gamotvorsitzende genauere Angaben zur Anschuldigung machen konnte, warf Sid die Frage ein: „Handelt es sich um einen neuen Vorwurf oder lediglich um den, der bereits vor elf Jahren von der Abteilung fĂŒr magische Strafverfolgung bearbeitet wurde?“ Er nahm eine aufgeschlagene Mappe zur Hand und blĂ€tterte kurz darin herum, bevor er sagte: „Ah ja, damals sind alle SchulrĂ€te befragt worden und keiner von ihnen hat Beweise fĂŒr eine vermeintliche Erpressung vorbringen können, so dass der Fall ad acta gelegt wurde. Mr. Malfoy ist fĂŒr diesen Punkt niemals angeklagt worden.“

Davon wusste Lucius gar nichts, weswegen er seinen Beistand Respekt zollend von der Seite betrachtete. Wie es aussah, dachte Lucius, hatten sich damals durchaus einige der SchulrĂ€te beim Ministerium ĂŒber sein Auftreten beschwert, weil sie in seiner „Überredungskunst“, mit der er dazu auffordern wollte, fĂŒr Dumbledores Ablösung als Direktor zu stimmen, eine Drohung ausgemacht haben wollten.

Abermals ergriff Sid das Wort und er deutete auf seine Unterlagen, bevor er deren Inhalt mĂŒndlich wiedergab. „Die Anschuldigungen gegen Mr. Malfoy waren haltlos gewesen. Die damaligen Aussagen der SchulrĂ€te haben fĂŒr eine Anklage nicht ausgereicht. Will man das nach so langer Zeit plötzlich Ă€ndern?“ Ganz klar war seine Missbilligung herauszuhören. „Das wĂŒrde nĂ€mlich bedeuten“, Sids Stimme war schmierig, „dass die Mitglieder des Schulrates ihre damaligen Aussagen“, er wedelte mit einem Schwung Papiere, „erst zurĂŒckziehen mĂŒssten, um neue machen zu können.“

Lucius rief sich ins GedĂ€chtnis, was Dumbledore sinngemĂ€ĂŸ ĂŒber die SchulrĂ€te gesagt hatte, als er ihn Ende des zweiten Schuljahres seines Sohnes im BĂŒro besucht hatte. „Seltsamerweise, Lucius, hatten mehrere von ihnen den Eindruck, Sie verfluchen womöglich ihre Familien, wenn sie ihre Zustimmung zu meiner Suspendierung verweigern.“ hatte Dumbledore ihm damals an den Kopf geworfen. Es war nur eine Vermutung gewesen, aber mit Vermutungen konnte man niemanden vors Gamot zerren.

„Ich
“ Rosalind war ganz verlegen, denn es gab offensichtlich keinen anderen Fall, in dem man Lucius Erpressung vorwerfen konnte.
„Dachte ich’s mir“, sĂ€uselte Sid fies grinsend. „Es wĂŒrde doch seltsam aussehen, sollte man plötzlich diesen lĂ€ngst erledigten Fall erneut aufrollen. Das könnte den Eindruck erwecken, der Fall wĂ€re damals fehlerhaft behandelt worden, was kein gutes Licht auf die Abteilung fĂŒr magische Strafverfolgung werfen wĂŒrde.“ Sid hob eine Augenbraue. „Wenn darĂŒber hinaus noch die damaligen Aussagen ĂŒberraschend geĂ€ndert werden, könnte man womöglich auch zu der Überlegung kommen, der Fall wĂŒrde manipuliert werden, um Mr. Malfoy etwas anzuhĂ€ngen.“

So oder so wĂŒrde das Zaubergamot nicht gut dastehen, sollte man den Erpressungsfall in der aktuellen Verhandlung einfließen lassen.

Der rundliche Herr konnte sich nicht mehr halten. „Mr. Duvall, was fĂ€llt Ihnen ein? Wenn Sie das Zaubereiministerium solcher Manipulationen beschuldigen
“
„Entschuldigen Sie bitte“, warf Sid ĂŒbermĂ€ĂŸig freundlich mit einer stoppenden Geste seiner Hand ein. „Ich beschuldige niemanden, wirklich nicht. Ich habe nur dargestellt, wie diese Dinge von der Öffentlichkeit aufgenommen werden könnten.“
„Die Öffentlichkeit“, keifte der Dicke mit dem hochroten Gesicht, „ist von der Verhandlung ausgeschlossen!“
„Oh ja, das mag sein, aber wissen Sie
 Ich als Mr. Malfoys Beistand bin auch gleichzeitig sein Sprecher – auch vor der Presse, die dort draußen“, er zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger zur TĂŒr, „auf jede noch so kleine Information wartet, die heute Abend gedruckt in den Zeitungen zu lesen sein wird. Meinem Antrag, dieses Stockwerk fĂŒr die Presse zu sperren, wurde ja bedauerlicherweise nicht stattgegeben.“

Die Presse war leicht zu manipulieren, das wusste Lucius nur zu gut. Nicht nur Miss Kimmkorn hatte es damals vorgemacht, sondern die gesamte Redaktion des Tagespropheten, die sich von Minister Fudge fĂŒr seine Sache hatte benutzen lassen. Auch Duvall, davon war Lucius ĂŒberzeugt, hĂ€tte mit seiner erhabenen Art sicherlich Einfluss auf die Medien, allein schon deshalb, weil er der Beistand von Lucius Malfoy war. Dem Tagespropheten wĂ€re es egal, wen man in der Luft zerfetzte – ob man sich die Finger ĂŒber Lucius Malfoy wund schrieb oder ĂŒber die ans Tageslicht gekommenen Unrichtigkeiten des Ministeriums herzog. Jeder Skandal verkaufte sich gleich gut.

Alle Gamotmitglieder blickten zu Rosalind, die einmal krĂ€ftig schlucken musste. „Wir werden diesen Punkt aus der Anklageschrift streichen, Mr. Duvall. Kommen wir zum nĂ€chsten. Der Besitz schwarzmagischer GegenstĂ€nde.“

Jedes Augenpaar ruhte auf Sid, doch der – zum Erstaunen aller – hielt den Mund und hörte aufmerksam zu.

„Es ist bewiesen, dass Sie, Mr. Malfoy, im August 1992 in Flourish und Blotts heimlich ein schwarzmagisches Buch an Miss Ginevra Molly Weasleys gegeben haben, die zu diesem Zeitpunkt erst elf Jahre alt war. Dieses Buch, wie man spĂ€ter erfahren hat, war ein altes Schulbuch von Tom Riddle – Voldemort –, verhext mit einem Zauber, der von Miss Weasley Besitz ergriffen hatte, wodurch sie in der Lage gewesen war, die sogenannte ’Kammer des Schreckens’ zu öffnen, was wiederum die Insassen einer Lehranstalt gefĂ€hrdet hat.“
„Wenn ich etwas einwerfen dĂŒrfte?“, fragte Sid außerordentlich höflich mit einem provozierend milden LĂ€cheln auf den Lippen.

Die Vorsitzende gestattete ihm das Wort und er rÀusperte sich zunÀchst.

„Mr. Malfoy wird nicht abstreiten, dass es sich bei dem Buch um ein schwarzmagisches gehandelt hatte, auch nicht, dass es einst Tom Riddle gehörte, denn der Name stand ja, wie ich den Unterlagen entnehmen durfte, gut leserlich auf dem Objekt. Allerdings war Mr. Malfoy nicht darĂŒber informiert, welche Macht dieser Gegenstand innehaben wĂŒrde, geschweige denn, dass er von kleinen MĂ€dchen Besitz ergreifen könnte. Ihm selbst ist nie etwas geschehen, wenn er darin blĂ€tterte.“ Er blickte einmal zu Lucius hinĂŒber, der bestĂ€tigend nickte. „Mr. Malfoy wollte sich dieses Buches entledigen und im gleichen Atemzug einen damaligen, verhassten Kollegen – den Vater des MĂ€dchens – in eine missliche Lage bringen. Zugegeben, das war kein netter Zug. Mr. Malfoy wird aber sicherlich unter Veritaserum bestĂ€tigen, dass seine Absichten, das Buch in die HĂ€nde eines MĂ€dchen zu legen, nicht der Motivation entsprang, Kinder in Gefahr zu bringen.“
„DarĂŒber zu urteilen, Mr. Duvall, werden Sie uns ĂŒberlassen mĂŒssen“, zeterte Rosalind, die von diesem Beistand langsam genug hatte.
Davon ließ sich Sid nicht abschrecken. „Ich denke, fĂŒr den Besitz von schwarzmagischen GegenstĂ€nden – in diesem Fall nur einem – darf mein Mandant aufgrund der geltenden Gesetze mit einer hohen Geldstrafe rechnen?“

Es war nicht als Frage gedacht, sondern deutlich als Empfehlung.

Mit vor unterdrĂŒckter Wut ganz rotem Gesicht zischte die Vorsitzende böse: „Wir werden klĂ€ren, warum Mr. Malfoy das Buch in die HĂ€nde eines unschuldigen SchulmĂ€dchens gegeben hat.“

Lucius betrachtete Fortunatos Storm, der damals gemauschelt hatte, um einen Vergissmich auf den Freund der eigenen Tochter zu hetzen, der die Erinnerungen des Squibs an die Verlobung mit dieser reinblĂŒtigen jungen Dame gelöscht hatte. Fortunatos blickte verĂ€ngstigt drein und schien zu hoffen, dass Rosalind ihre Abneigung gegen den Angeklagten im Zaum halten wĂŒrde. Er wĂŒrde wahrscheinlich gleich ĂŒber das Urteil abstimmen wollen – mit „nicht schuldig“.

„Der nĂ€chste Punkt: Störung der Öffentlichen Ordnung. Mr. Malfoy wird vorgeworfen, auf der Quidditch-Weltmeisterschaft 1994 SachbeschĂ€digung begangen zu haben wie auch gegen das Gesetz zum Schutz der Muggel verstoßen zu haben.“ Sid blickte auf und bat nonverbal darum, das Wort zu ergreifen, weswegen Rosalinds Augenlid nervös zuckte. „Mr. Duvall, möchten Sie dazu etwa was sagen?“
„Wenn Sie mich schon so nett bitten! Ich habe mich an Ă€hnlichen FĂ€llen der Vergangenheit orientiert. Ein Verstoß gegen das Gesetz zum Schutz der Muggel wird in der Regel mit zwei Monaten Haft als Höchstmaß und einer Geldstrafe in Höhe von maximal 1.500 Galleonen geahndet, wĂ€hrend die Muggel in die Obhut der Vergissmich kommen.“

Bei dem Wort „Vergissmich“ blickte Lucius erneut zu Fortunatos hinĂŒber und ihre Blicke trafen sich.

„Ich denke“, fuhr Sid fort, „dieser Punkt bedarf keiner besonderen KlĂ€rung. Mr. Malfoy bekennt sich dieser Tat schuldig und wird das Höchstmaß erwarten.“

FĂŒr Lucius war es angenehm, nicht reden zu mĂŒssen. Erfreut hörte er seinem Beistand zu, wie er dem Gamot furchtlos gegenĂŒbertrat und sich von niemandem einschĂŒchtern ließ. Der Mann hatte offensichtlich nichts zu verlieren, denn Mr. Duvall hatte von sich selbst gesagt, man wĂŒrde ihn im Ministerium hassen. Und dass er grĂŒndlich arbeitete – zu grĂŒndlich, wie Mr. Duvall einmal betont hatte –, konnte fĂŒr Lucius nur von Vorteil sein.

Auf ihrem Pergament machte Rosalind einige Notizen, bevor sie aufblickte. „Gegen die beiden Unverzeihlichen haben Sie aber nichts zu sagen?“ Sie klang sehr siegessicher.
„Nein, Mrs. Baltimore. Es wird sich in dem Verhör mit Veritaserum herausstellen, dass Mr. Malfoy zu dem Zeitpunkt, als er Sturgis Podmore und Broderick Bode unter den Imperius-Fluch gestellt hatte, selbst unter einem stand.“
„Wie bitte?“, fragte Rosalind verdutzt nach.
„Sie wissen doch sicherlich, dass in der Vergangenheit viele Menschen grausame Taten begangen haben, weil sie durch einen Imperius gelenkt wurden.“

Man konnte damals nie genau wissen, wer log und wer die Wahrheit sagte.

„Die Aussagen, die Mr. Malfoy dazu zu gegebener Zeit unter Veritaserum machen wird, könnten Ihnen, verehrte Anwesende, vor Augen fĂŒhren, welche Intentionen er selbst gehabt hatte.“ In seinen Unterlagen blĂ€tternd schlug er eine bestimmte Seite auf, in der er kurz las. „Mr. Podmore ist nach sechs Monaten Haft wieder aus Askaban entlassen worden. Einen bleibenden Schaden hat er von dem Fluch nicht davongetragen. Dass Mr. Broderick einer Teufelsschlinge zum Opfer gefallen war, ist nicht die Schuld meines Mandanten – höchstens die der KrankenhausfĂŒhrung oder Stationsleitung, die eine Teufelsschlinge nicht von einer normalen Topfpflanze unterscheiden konnte.“ Zum Ende hin klang Sid absichtlich sehr verachtend. „Alles andere, was die beiden Unverzeihlichen betrifft, die Mr. Malfoy nachweislich mit seinem Zauberstab ausgefĂŒhrt hatte, wird spĂ€ter noch geklĂ€rt werden können. An dieser Stelle möchte ich aber auf Ă€hnliche FĂ€lle verweisen, in denen den Angeklagten zwar nachgewiesen worden war, gegen das Gesetz verstoßen zu haben, jedoch nicht bewiesen werden konnte, ob sie oder ob sie nicht selbst von diesem Fluch eingenommen waren.“

Es hatte so viele FĂ€lle gegeben, die dem Ministerium Kopfschmerzen bereitet hatten. Meistens hatte man die Anklage aus Mangel an Beweisen fallenlassen mĂŒssen. Veritaserum Plus konnte einen zwar dazu bringen, alle Erinnerungen an eine Tat – auch die eigenen GedankengĂ€nge – zu schildern, aber eine Schilderung allein war kein eindeutiger Beweis. Nicht immer war es zu spĂŒren, ob man durch einen Imperius gelenkt wurde, zum Beispiel wenn die Magie des anderen wesentlich krĂ€ftiger war als die eigene.

„Zu dem Anklagepunkt, zwei Unverzeihliche angewandt zu haben, werden wir Mr. Malfoy noch ausfĂŒhrlich befragen“, versicherte Rosalind verbissen, wĂ€hrend sie einen Blick auf die Anklageliste warf. „Einbruch und versuchter Raub in Zusammenhang mit Körperverletzung und Zerstörung von Ministeriumseigentum macht den nĂ€chsten Anklagepunkt aus.“ Es wurde der Vorfall in der Mysteriumsabteilung angesprochen.
Sid schaute einmal zu Lucius hinĂŒber, der die Sitzung zu genießen schien, bevor er die Vorsitzende anblickte. „In diesem Fall“, Sid hörte, wie jemand stöhnte, „verlange ich sogar eine Anhörung unter dem Einfluss des Wahrheitsserums, denn mein Mandant wird bestĂ€tigen, dass nicht er den ersten Fluch abgefeuert hat. Er selbst hat seinen Stab erst gehoben, als er sich verteidigen musste.“

Das alles musste sein Beistand aus den GesprĂ€chen wĂ€hrend der wenigen Besuche herausgehört haben, dachte Lucius, aber es war auch sehr wahrscheinlich, dass er sich alle Unterlagen besorgt hatte, wie zum Beispiel die Verhöre der Hogwarts-SchĂŒler und Auroren.

Als er sich die Szenerie in der Mysteriumsabteilung ins GedĂ€chtnis zurĂŒckrief, da konnte er nicht einmal sagen, wer genau angefangen hatte. Wahrscheinlich war es eines der Kinder gewesen, woraufhin Bellatrix in die Defensive gegangen war. Er selbst hatte sich nur gegen die niedlichen FlĂŒche der SchĂŒler verteidigt und spĂ€ter, als die Auroren gekommen waren, um sein Leben gekĂ€mpft. Töten wollte er niemanden, auch wenn es ihm beim Anblick des Schlammbluts fĂŒr einen Moment in den Fingern gejuckt hatte.

Den Anklagepunkt auseinander nehmend erklĂ€rte Sid: „Ich empfehle, wĂ€hrend einer Befragung unter dem Einfluss von Wahrheitsserum zu prĂŒfen, ob tatsĂ€chlich der Tatbestand des Einbruchs erfĂŒllt wurde. Mr. Malfoy was zu jener Zeit hier angestellt und hatte fĂŒr die Mysteriumsabteilung sogar eine Zutrittsberechtigung, wenn auch eine eingeschrĂ€nkte. Was den versuchten Raub betrifft
“ Sid hob beide Augenbrauen. „Es war nicht Mr. Malfoy gewesen, der als Erster nach der Prophezeiung gegriffen hatte, nicht wahr?“

Es war Potter gewesen, dachte Lucius, denn niemand außer ihm oder dem Dunklen Lord hĂ€tte sie berĂŒhren können, ohne um den Verstand fĂŒrchten zu mĂŒssen.

„Zur Körperverletzung hatte ich mich bereits geĂ€ußert. Mr. Malfoy hatte sich lediglich verteidigt. Kommen wir zur Zerstörung von Ministeriumseigentum. WĂ€hrend einer Auseinandersetzung von solchem Ausmaß gehen nun einmal Dinge zu Bruch. Wie ich den Zeugenaussagen von damals entnehmen kann, war es eine SchĂŒlerin gewesen, die den grĂ¶ĂŸten Schaden verursachte und fĂŒr die Zerstörung von unzĂ€hligen Glaskugeln und den in ihnen aufbewahrten Prophezeiungen verantwortlich gemacht werden muss.“ Mit festem Blick schaute er der Gamotvorsitzenden in die Augen. „Mr. Malfoy wird sich aber dazu bereit erklĂ€ren, fĂŒr den von ihm angerichteten Schaden eine finanzielle EntschĂ€digung zu gewĂ€hrleisten. NatĂŒrlich nur anteilig und unter der Voraussetzung, dass man fĂŒr den Schaden einen gĂŒltigen Zeitwert nachweisen kann.“

Lucius wusste genau, auf was Duvall hinaus wollte. Einer Prophezeiung einen Wert zuzuschreiben war so gut wie unmöglich, aber fĂŒr die billigen Glaskugeln wĂŒrde er natĂŒrlich gern aufkommen, dachte er schmunzelnd – anteilig, versteht sich.

Die Gamotvorsitzende schien fĂŒr einen Moment wie versteinert. Ihr Blick ruhte auf dem Beistand und man konnte nur ahnen, dass sie ihm in Gedanken gerade den Hals umdrehte.

„Das werden wir alles gern bis ins kleinste Detail prĂŒfen, Mr. Duvall. Kommen wir zum letzten Anklagepunkt: Der Ausbruch aus Askaban.“
„Darf ich
“ Nicht nur ein Gamotmitglied rollte mit den Augen, doch man gewehrte Sid das Wort. „Nun, der Ausbruch aus Askaban war kein ’Ausbruch’ im eigentlichen Sinne, daran gibt es nichts zu rĂŒtteln. Er wurde durch die damals durch das Ministerium ’angestellten’ Dementoren ermöglicht. Mr. Malfoy wurde von anderen Todessern gegen seinen Willen mitgenommen. Ich möchte nicht bezweifeln, dass er bei so einer Gelegenheit gern geflohen wĂ€re“, er warf Lucius einen Blick zu, „aber sicherlich nicht in Begleitung von Mrs. Lestrange und acht weiteren Todessern.“
„Wollen Sie uns damit etwa weismachen“, schnaufte Rosalind wĂŒtend, „dass Mr. Malfoy ’entfĂŒhrt’ worden wĂ€re? Das ist lĂ€cherlich!“
„Oh, entfĂŒhrt sicherlich nicht. Er erlag dem Gruppenzwang. HĂ€tte er sich gewehrt, dann darf man davon ausgehen, dass man ihn an Ort und Stelle als VerrĂ€ter betitelt und im gleichen Atemzug niedergestreckt hĂ€tte. Man darf nicht vergessen, ĂŒber welche Macht Voldemort verfĂŒgte. Man durfte sich nicht ungestraft gegen ihn auflehnen, aber in dieser Hinsicht gibt es ja auch genĂŒgend Fallbeispiele, die ich Ihnen bei Bedarf gern nennen werde.“

FĂŒr einen Moment war es ruhig; man hörte nur die Federn, die kratzend auf dem Pergament der Gamotmitglieder Notizen niederschrieben.

Das Wort richtete Rosalind an die anderen Gamotmitglieder. „Sie dĂŒrfen nun Ihre Fragen stellen. SpĂ€ter werden wir entscheiden, welche der Fragen wir unter dem Einfluss von Wahrheitsserum stellen werden.“
Der rundliche Mann hob die Hand und durfte sprechen. „Mr. Malfoy, in Bezug auf den zweiten Anklagepunkt ’Besitz schwarzmagischer GegenstĂ€nde’ interessiert mich Ihr Grundmotiv. Warum haben Sie einem elfjĂ€hrigen MĂ€dchen das Buch ĂŒberlassen?“
Sid blickte zu Lucius hinĂŒber und nickte, zeigte ihm, dass er antworten sollte, was er auch tat. „Nun, das Buch selbst habe ich vom
“ Lucius hielt inne. Bisher hatte er von Voldemort immer als „Dunkler Lord“ gesprochen, doch hier wollte er nicht den Eindruck erwecken, er wĂ€re immer noch ein ergebener Diener des Verblichenen. „
von Voldemort erhalten.“ Der Name kam ihm schwer ĂŒber die Lippen. „Ich sollte es aufbewahren, wurde aber nicht darĂŒber informiert, um was es sich handelte. Als man meinen Ruf schĂ€digen wollte, indem mein Haus nach schwarzmagischen Objekten durchsucht wurde, da wollte ich mich von diesem Buch befreien. Ich verband dieses Vorhaben gleich mit dem NĂŒtzlichen und gab das Buch in der Hoffnung der kleinen Miss Weasley, dass Albus Dumbledore und Arthur Weasley dadurch Probleme bekommen wĂŒrden.“
Eine Frauenstimme wollte wissen: „Heißt das, Sie haben das Buch nicht nach Hogwarts eingeschleust, um in Voldemorts Sinne zu handeln?“
„Aber nicht doch. Zu diesem Zeitpunkt bin ich davon ausgegangen, Voldemort nicht noch einmal wiederzusehen. Ich wusste nur, dass das Buch schwarzmagisch sein sollte, aber egal, mit welchen Zaubern ich es ĂŒberprĂŒft habe – bei mir tat sich gar nichts.“
Der rundliche Mann notierte sich etwas, bevor er aufblickte. „Dann haben Sie diese beiden MĂ€nner in Misskredit bringen wollen?“
„Ja“, gab Lucius offen zu und er schĂ€mte sich nicht einmal dafĂŒr.

Einige Gamotmitglieder tuschelten miteinander. Es war Fortunatos Storm, der die Hand hob und nach Zustimmung von Rosalind eine Frage stellen durfte.

„Dann haben Sie, wie Ihr Beistand vorhin schon erwĂ€hnte, nicht gewusst, was das Buch anrichten könnte?“
„Nein, Mr. Storm.“ Lucius liebte kurze und knappe Antworten.
„Dann behaupten Sie“, sagte eine Frauenstimme links, „Sie hĂ€tten nicht darauf spekuliert, durch das Buch den Basilisk zu befreien?“
„Nein, ich hĂ€tte nicht einmal in meinen kĂŒhnsten TrĂ€umen erahnt, dass so ein Monster in den Tiefen Hogwarts haust. HĂ€tte ich das gewusst, hĂ€tte ich meinen Sohn sicherlich nach Durmstrang schicken wollen.“

Lucius blickte zu Anthony Wildfire hinĂŒber, der damals gegen ein kleines Bestechungsgeld dafĂŒr gesorgt hatte, dass Draco nicht aus Hogwarts, sondern aus Durmstrang einen Brief erhielt. Er lĂ€chelte ihm selbstherrlich zu, denn Wildfire war einer derjenigen, die auf seiner Liste standen und erpressbar waren.

„Sie haben das Buch also einzig aus dem Grund an Miss Weasley gegeben, damit
“
Lucius vervollstĂ€ndigte: „
damit die beiden Herren wegen jener Sache angeklagt werden, wegen der man mich in diesem Augenblick belangt: Besitz schwarzmagischer GegenstĂ€nde.“

Es war zu spĂŒren, dass vielen Gamotmitgliedern die Antworten nicht gefielen. Momentan wĂŒrde man ihn nur befragen, damit man spĂ€ter auf Einzelheiten eingehen könnte, die er unter Veritaserum erklĂ€ren mĂŒsste, aber es schien, dass man zumindest wegen des schwarzmagischen Objekts keine weitere Befragung mehr benötigte.

Man stellte ihm weitere Fragen, die er ehrlich beantwortete. Sein Beistand war still geblieben, schrieb aber in einer außergewöhnlichen Geschwindigkeit das mit, was ihm wichtig erschien – also ausnahmslos alles.

„Wir legen eine Pause von einer Stunde ein. Mr. Malfoy, Sie werden in einen Raum gefĂŒhrt, in dem Sie speisen können.“ Rosalind erhob sich, was die anderen Gamotmitglieder ihr gleichtaten. Lucius hingegen wurde von den Fesseln des Stuhls befreit, um gleich darauf mit den Handfesseln bedacht zu werden, damit man ihn ein paar TĂŒren weiter bringen konnte.

„Mr. Malfoy, bevor wir rausgehen
“ Sid beugte sich vor uns sprach ihm ins Ohr. „Die Presse wird Fragen stellen. Soll ich denen einen kleinen Abriss schildern oder möchten Sie das nicht?“
Lucius schĂŒttelte den Kopf. „Warten wir noch etwas. Mir ist noch nicht ganz wohl bei der Sache.“

Auch nicht ganz wohl bei der Sache war Hermine, denn sie fĂŒhlte sich durch die Gesamtsituation ĂŒberfordert. Erst hatte sie nur ihre PrĂŒfung zur Heilerin gemacht, bevor sie die Ausbildung zur TrĂ€nkemeisterin angenommen hatte, was sie sich, wenn sie ehrlich war, sehr gemĂŒtlich vorgestellt hatte, doch dann kam noch so vieles dazu. Die Nachforschung wegen seines Problems, ihr eigener Farbtrank, die bevorstehende PrĂ€sentation bei Körperschaft der ZaubertrĂ€nkemeister und die PrĂŒfung zur ZaubertrĂ€nkemeisterin, die sie noch vorher ablegen musste – das wĂ€re schon sehr bald, fĂŒr ihren Geschmack zu frĂŒh. DarĂŒber hinaus belastete sie der Vorfall mit Svelte, aber besonders der mit Nerhegeb
 In ihrem Kopf drehte sich alles, genauso wie in ihrem Magen.

Severus fehlte heute Morgen am FrĂŒhstĂŒckstisch, weswegen Remus neben ihr gesessen hatte. Weil sie so ein ernstes Gesicht machte, sprach er sie an.

„Warum so bedrĂŒckt, Hermine?“
Weil sie in Gedanken versunken war, hatte sie sich erschreckt, obwohl er ruhig gesprochen hatte. „Nichts, es ist alles in Ordnung.“
Er glaubte ihr nicht, ließ die Sache aber ruhen. „Kann ich dir noch wegen des Tranks irgendwie helfen?“
„Mir fehlt immer noch dieser blöde Steinregen.“ Sie klang sehr verbittert. „In keinem der BĂŒcher steht geschrieben, wo man ihn finden könnte. Er könnte ĂŒberall wachsen. Na ja, ĂŒberall, wo es dunkel ist.“
„Mmmh“, machte Remus nachdenklich. „Ich werde mal sehen, was ich darĂŒber herausfinden kann.“

In einer Freistunde nach der ersten Unterrichtsstunde mit Hufflepuff und Ravenclaw machte Remus einen kleinen Spaziergang, der ihn unerwartet in seine Vergangenheit katapultierte. Alles, was er sah – die steinernen WĂ€nde, die Wege, die BĂ€ume – erinnerte ihn an seine eigene Schulzeit, die er rĂŒckblickend mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachtete. Sein Weg durch den Schnee fĂŒhrte ihn zu den GewĂ€chshĂ€usern. In der Nummer vier sah er hinter dem beschlagenen Glas einen sich bewegenden Schatten. Jemand war dort drinnen und schien zu arbeiten, weswegen Remus zum Eingang hinĂŒberging und die TĂŒr öffnete.

„Hallo Neville“, grĂŒĂŸte er seinen ehemaligen SchĂŒler, dem er auf den von Harry gefĂŒhrten Ordenstreffen hĂ€ufig ĂŒber den Weg gelaufen war, doch leider hatte sich viel zu selten die Gelegenheit ergeben, sich mit ihm ein wenig persönlicher zu unterhalten.
Weil Remus ihn freundlich lĂ€chelnd zu mustern schien, fragte Neville unsicher: „Was?“
„Ich habe gerade an frĂŒher denken mĂŒssen. Du hast dich sehr verĂ€ndert, bist ein ganzes StĂŒck gewachsen.“ Remus war nĂ€her an den jungen Mann herangetreten und musste sogar nach oben blicken, was ihn amĂŒsierte. „Du bist grĂ¶ĂŸer als ich.“
Neville schnaufte erleichtert, bevor er zustimmte. „Ich glaube, nur noch Hagrid und Albus ĂŒberragen mich.“
Erst jetzt fiel Remus auf, dass Neville ganz erdige HĂ€nde hatte, was sein Interesse weckte. „Was machst du da?“
„Ich erforsche einen besonderen NĂ€hrhumus aus basenreichem Boden, deren Auflagehorizonte durch von mir gezĂŒchtete Pilzhyphen miteinander verfilzt sind.“
Remus öffnete mehrmals den Mund, um sich zu Ă€ußern, aber es benötigte einen Moment, bis er ĂŒber sich selbst spöttelnd sagen konnte: „Tut mir Leid, ich hab kein Wort verstanden.“
„Das macht nichts.“ Neville lĂ€chelte ihm ermutigend zu. „DafĂŒr habe ich keine Ahnung von ZaubertrĂ€nken. Und ich kann bis heute keine weite Strecken zurĂŒcklegen, wenn ich appariere.“
„Jeder hat seine StĂ€rken und seine SchwĂ€chen“, stellte Remus in den Raum, worĂŒber Neville stutzte.
„Ich wĂŒsste nicht, was Sie fĂŒr SchwĂ€chen hĂ€tten.“
„Ich war nicht besonders gut in Verwandlung, aber mit der Zeit lernt man vieles dazu. Heute wĂŒrde ich wohl ein ’O’ bekommen.“ Sein Blick schweifte zu einer Ecke im GewĂ€chshaus. „Was ist das dort hinten?“
„Ach, das ist nur Hermines Ecke. Liebstöckel und Johanneskraut“, erwiderte Neville.

NatĂŒrlich wusste Remus von den Pastillen, die Hermine damals an einige Mitglieder des Ordens verteilt hatte – die meisten an Harry.

„Es geht ihr doch gut oder?“
„Was?“ Neville wiederholte Remus’ Frage nochmals in Gedanken und schien sich ebenfalls an frĂŒher zu erinnern. „Ach so, nein, ich denke nicht, dass sie sie fĂŒr sich selbst macht.“
„Nicht?“ In Sekundenschnelle ging Remus sĂ€mtliche Freunde durch. Als er an Severus denken musste, glaubte er die Antwort gefunden zu haben. „Oh.“

Die GesprĂ€che mit Hermine und Harry fielen ihm wieder ein. Severus ging es schlecht, aber dass er sogar Hermines starke Stimmungsaufheller einnehmen musste, hĂ€tte er nicht erwartet. Andererseits hatte Hermine ihm gegenĂŒber erwĂ€hnt, sie wĂŒrde bei Severus eine Depression vermuten.

„Wie kommst du so mit ihm aus?“, fragte Remus nach seiner Assoziation. Nebenbei nahm er gedankenverloren einige Dinge in die Hand, die auf dem Tischchen herumlagen.
„Mit Severus?“ Die kurze Nachfrage ließ erkennen, dass auch Neville davon ausging, Severus wĂŒrde die Pastillen bekommen. „Es geht. Ich hab nicht viel mit ihm zu tun. Warum fragen Sie?“
„Ich kann mich noch gut an das Schuljahr erinnern, in welchem ich hier Lehrer war. Er war immerhin dein Irrwicht.“
Neville lachte. „Ja, und ein lustiger noch dazu.“
Eine kleine Schaufel wieder auf den Tisch legend schilderte Remus belustigt: „Er war damals nicht gerade erfreut darĂŒber, hat sogar geglaubt, ich hĂ€tte dich dazu angestiftet.“

Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er Neville geduzt hatte, doch dem machte das nichts aus.

Mit verhaltener Stimme erzĂ€hlte Neville, wĂ€hrend er dabei vertrĂ€umt den Humus auf der Erde verteilte: „Ich hatte Angst vor ihm, bis er im sechsten Schuljahr geflohen war. Ein paar Monate nach Albus’ Tod saß ich mit Harry und Hermine in der Bibliothek im Grimmauldplatz. Sie haben miteinander gesprochen und ich hab alles gehört. Harry sagte, Snape hĂ€tte ihm noch bis zum Ende RatschlĂ€ge erteilt. Er hĂ€tte gesagt, er könnte jeden von Harrys Schritten vorhersehen und dass Harry endlich seinen Mund halten sollte.“ Neville blickte von seiner Arbeit auf. „Okklumentik und wortlose Zauber! Da hat Harry mit diesen OkklumentikĂŒbungen angefangen. Hermine hat ihm geholfen, soweit es ging, aber sie ist mit dem Thema nicht warm geworden.“

Aufmerksam hörte Remus dem jungen Mann zu, denn auch wenn er einige Dinge persönlich miterlebt hatte, war es doch etwas anderes, diese Erlebnisse von jemandem geschildert zu bekommen, der sie anders wahrgenommen hatte.

„Dass Harry wortlose Zauber bis zum Abwinken gelernt hat, das wissen Sie ja selbst. Okklumentik kann er auch sehr gut, auch wenn er meint, er könnte sich gegen Überraschungsangriffe kaum zur Wehr setzen. Na ja, Snape
“ Neville verbesserte, denn in den Erinnerungen hatte er den TrĂ€nkemeister stets beim Nachnamen genannt. „Severus habe ich erst wieder wĂ€hrend der Schlacht gesehen, nur von weitem. SpĂ€ter saß ich mit ihm wĂ€hrend der Ordensverleihung an einem Tisch, aber mit ihm gesprochen habe ich das erste Mal auf Ihrer Verlobungsf
“

Scheu blickte Neville auf, um zu prĂŒfen, ob er mit diesem Thema eine alte Wunde aufgerissen haben könnte. Remus lĂ€chelte wie immer freundlich, doch die Verlobungsfeier anzusprechen hatte ihm nichtsdestotrotz einen kleinen Stich im Herzen verpasst.

„Tut mir Leid.“
„Nein, das ist schon in Ordnung, Neville.“ Er atmete einmal tief durch. „Weswegen ich eigentlich hier bin: Ich bin da auf ein Problem gestoßen, das mit Pflanzen zu tun hat und nun rate mal, wer mir eingefallen ist, der mir helfen könnte?“
Deine HĂ€nde an der SchĂŒrze abwischend erwiderte Neville: „Pomona hat um 14 Uhr Schluss und wird eine Viertelstunde spĂ€ter hier sein. Wenn Sie möchten, dann sage ich ihr
“
„Nein, nicht Pomona“, warf Remus vorgetĂ€uscht empört ein, doch er musste lachen, weil Neville nicht zu verstehen schien. „Ich meine dich, Neville.“
„Aha
“ Neville schien dem Braten nicht zu trauen. „Warum ich?“
„Weil du Ahnung hast von“, er versuchte sich zu erinnern, „besonderen Pilzhorizonten und Basenhumus.“

Unerwartet brach Neville in GelĂ€chter aus, was Remus dazu animierte, ebenfalls ĂŒber sein eigenes Unwissen zu lachen.

„Ich werde es nicht verbessern“, versicherte Neville breit grinsend. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Also erst einmal: Wenn ich schon so frech bin und dich duze, dann steht dir das gleiche Recht zu.“
„Okay und was noch?“
„Es geht um eine Pflanze, die sich ’Gespenstischer Steinregen’ schimpft.“
Der junge KrĂ€uterkundelehrling kniff skeptisch die Augen zusammen. „Warum gerade diese scheußliche Pflanze?“
„Warum scheußlich?“ Remus wusste von dieser Pflanze nicht sehr viel.
„Na ja, es gibt ZaubertrĂ€nke, in denen sie verwendet wird, aber wegen ihrer negativen Wirkung sind es nur schwarzmagische TrĂ€nke.“
„ErzĂ€hl mir von den negativen Auswirkungen“, bat Remus, der sich mit dem GesĂ€ĂŸ an einen Tisch lehnte und interessiert eine Augebraue hob.
„Die Wirkstoffe in den Fruchtkapseln der Pflanze können...“ Neville suchte nach Worten. „Wie soll ich das nur erklĂ€ren? Sie können teilen und zwar alles Mögliche, das Fleisch wie auch den Geist, die Persönlichkeit, die Seele – und das sogar schon im unverarbeiteten Zustand. Ich habe von HĂ€ndlern gehört, denen die Finger abgefallen sein sollen, als sie die Fruchtkapseln geerntet haben. Deswegen ’scheußlich’.“

Die Pflanze schien wirklich eine Ausgeburt der Hölle zu sein, dachte Remus und außerdem wollte er nicht, dass Hermine mit so einer Trankzutat herumexperimentiert. Es war schlimm genug, dass Severus das damals getan haben musste.

„Woher weißt du so viel ĂŒber diesen Steinregen?“
Neville machte ein Gesicht, als hĂ€tte er versehentlich etwas preisgegeben. „Ich
“ Und nun schien er nach einem Weg zu suchen, sich aus dieser Situation wieder herauszuwinden. „Ich habe darĂŒber in BĂŒchern gelesen.“
„Ich auch“, stimmte Remus zu. „Ich habe die ganze Bibliothek auf den Kopf gestellt, aber sehr wenig gefunden. Das, was du zu erzĂ€hlen hattest, stand in keinem der BĂŒcher.“
„Na ja, es sind Pomonas BĂŒcher. Da durfte ich mal welche lesen.“
Gerade heraus fragte Remus: „Das sind nicht zufĂ€llig schwarzmagische BĂŒcher gewesen?“ Nevilles weit aufgerissenen Augen waren Antwort genug. „Habe ich mir fast gedacht.“ Remus lĂ€chelte dem KrĂ€uterkundelehrling beschwichtigend zu, bevor er den Kopf schrĂ€g legte. „Meinst du, Pomona wĂŒrde mir das Buch ausleihen?“
„Halte ich fĂŒr möglich.“ Aus Nevilles Stimme war mit einem Male herauszuhören, dass er sich zu schĂ€men schien.
„Sag mal, Neville, stand dort auch beschrieben, wo man diese Pflanze finden kann? Wo sie wĂ€chst, in welchem Land, an welchen Orten?“
Zuerst nickte Neville heftig und gab dann den Inhalt der BĂŒcher wider: „Sie wachsen in Höhlen.“
’Überall, wo es dunkel ist’, wiederholte Remus Hermines Aussage von heute Morgen.
Einmal durchatmend fĂŒgte Neville hinzu: „Direkt auf Stein, sie brauchen keine Erde. Es muss stockdunkel sein, also findet man sie nur tief im Innern. Es gibt eine Debatte unter KrĂ€uterkundlern, ob der Steinregen nicht auch Unterwasser wachsen kann, aber man vermutet, dass er zu viel Sauerstoff benötigt, um dort existieren zu können.“
„Und in welchem Land?“, wollte Remus noch wissen.
„Na, hier in Schottland!“

Im Hintergrund konnte man ein leises LÀuten hören.

„Oh“, machte Remus. „Die kleine Pause beginnt. Danach muss ich wieder ran. Ich werde dann mal gehen, aber vielen Dank fĂŒr das GesprĂ€ch.“ Er wandte sich bereits um, blieb an der GlastĂŒr des GewĂ€chshauses, an der das Kondenswasser hinunterlief, noch einmal stehen. „Wegen der BĂŒcher
 Ich wĂŒrde gern einen Blick hineinwerfen, Neville.“
Der nickte. „Ich werde Pomona Bescheid geben.“
„Danke, wir sehen uns nachher zum Mittag?“
„Ja.“

Nach der Pause gab es eine kleine Ansammlung vor der Strickleiter, die nach oben zu Professor Trelawneys Unterrichtsraum fĂŒhrte. Draco hielt die Leiter mit einer Hand fest, wĂ€hrend eine Gryffindor die Höhe erklomm. Er wandte seinen Blick ab, um ihr nicht unter den Rock zu sehen, was jeder SchĂŒler tat, denn es gehörte sich so. Er kletterte als NĂ€chster hoch, doch vorher beförderte er mit einem Wingardium Leviosa seine Schulsachen nach oben, die von der Gryffindor entgegengenommen und neben der Luke auf den Boden gelegt wurden. So halfen sich die SchĂŒler immer gegenseitig. Nachdem er oben angekommen war, ergriff er die in der Luft schwebenden Schulsachen, die hinter ihm gerade durch die Öffnung kamen, denn sie gehörten der nĂ€chsten SchĂŒlerin – Ginny.

Der Raum von Professor Trelawney war wie eh und je ĂŒbermĂ€ĂŸig geheizt, was im Winter allerdings sehr angenehm war. Die schwer in der Luft liegenden Ă€therischen DĂŒfte ließen einen schon gleich nach Unterrichtsbeginn damit kĂ€mpfen, die bleiernen Augenlider daran zu hindern, sich zu schließen. Hinzu kam die Stimme der Professorin, die oftmals ruhig und engelhaft klang, doch es gelang ihr nie, ihrer Stimme entsprechend auch sylphidenhaft durch den Raum zu wandeln, denn immer stieß sie irgendwo an oder warf versehentlich etwas hinunter. Das waren die Momente, in denen die SchĂŒler aus ihrem tranceĂ€hnlichen Zustand erwachten und mit einem verschmitzten LĂ€cheln ihrer Schadenfreude Ausdruck verliehen, bevor sie erneut durch die DĂŒfte benebelt in SphĂ€ren abdrifteten, in denen Professor Trelawney zu Hause zu sein schien.

Warum Draco „Wahrsagen“ belegt hatte? Weil es hier nicht auffiel, wenn er mal die Augen schloss und döste. Der Unterricht war entspannend, fast wie Meditation und außerdem wĂŒrde es niemanden interessieren, ob er in diesem fĂŒr sein weiteres Leben unwichtigen Fach ein T oder ein O erhalten wĂŒrde. Momentan hatte er sich mit seiner letzten, erdachten Traumanalyse auf ein Annehmbar hochgearbeitet.

Dieses Mal konnte Draco nicht dösen, denn Ginny, die ihm gegenĂŒber saß, hielt seine Hand, um aus ihren Linien die Zukunft zu lesen. Wahrscheinlich hatte sie dieses Fach aus demselben Grund belegt wie er.

„Sag mal“, Ginny zog die Augenbrauen zusammen, „ist das hier deine Lebenslinie?“
Mit ihrem Zeigefinger fuhr sie ĂŒber eine der lĂ€ngeren Linien, womit sie Draco unbeabsichtigt kitzelte. „Nein, das ist die Erfolgslinie.“
„Oh“, machte sie erstaunt, bevor sie breit grinste. „Dann bist du mit deinen GeschĂ€ften lĂ€nger erfolgreich als du am Leben bist!“
„Was?“ Er riss seine Hand aus der ihren, um sich die InnenflĂ€che anzusehen.
„Die Lebenslinie ist unterbrochen“, erklĂ€rte sie.
„Das ist nur eine Narbe, die Linie geht darunter weiter.“

Ginny beugte sich ĂŒber das runde Tischlein zu ihm hinĂŒber, was ihr schwerfiel, denn sie drohte in den weichen Polstern des Chintz-Sessels zu versinken.

„Ich schreibe einfach, dass du in Zukunft einmal dem Tod von der Schippe springen wirst und danach ein neues Leben beginnst. Auf so was steht sie.“
„Das liegt aber schon in der Vergangenheit.“
„Das weiß sie doch nicht.“ Mit ihrer Feder machte Ginny sich Stichpunkte zu den Rillen und Linien auf Dracos HandinnenflĂ€che und ihrer möglichen Bedeutungen, bevor sie ihm ihre Hand hinhielt. „Jetzt bist du dran.“

Sie hatte ihre Hand flach auf den Tisch gelegt, so dass er ohne Probleme in ihr lesen konnte, als wĂŒrde er ĂŒber einem Buch hocken.

„Es steht eine Heirat an.“ Er blickte sie an und grinste. „Ich bin gut oder?“
Sie lachte auf, wenn auch unterdrĂŒckt, damit die Lehrerin nicht auf sie aufmerksam werden wĂŒrde. „Das ist doch nichts Neues, das wird Trelawney nicht umhauen.“
„Na gut, dann lass mal sehen.“

Ein paar Mal blĂ€tterte Draco in seinem Buch „Chiromantie fĂŒr Fortgeschrittene“, notierte sich hier und da etwas und ließ Ginny die ganze Zeit ĂŒber im Dunkeln.

„Bist du bald fertig?“
Er nickte. „Willst du’s hören?“ Eine Antworte wartete er gar nicht ab. „Nach einer schweren Zeit wirst du den Mann deiner TrĂ€ume heiraten und mit ihm zwei Kinder haben, um die er sich kĂŒmmern wird, weil du die Karriereleiter hinaufkletterst.“
„Warum nach einer schweren Zeit? Es ist nicht mal mehr ein halbes Jahr bis zur Hochzeit, Draco. Was soll da passieren? Das wird sie dir nie abnehmen!“
„Aber es hört sich gut an und außerdem“, er verstellte seine Stimme und ahmte leise die der Professorin fĂŒr Wahrsagen nach, „lĂŒgen die Linien nie!“
„Schreib lieber, die schwere Zeit kommt im nĂ€chsten Jahr, dann sind wir lĂ€ngst aus der Schule raus und sie kann die Note nicht mehr Ă€ndern.“
„Die ’schwere Zeit’ kann doch alles Mögliche sein. Dann krĂ€nkelst du eben vor der Hochzeit ein bisschen rum.“
„Damit du gute Noten bekommst?“
Draco nickte. „NatĂŒrlich!“

Beide hörten das Klimpern unzĂ€hliger Ketten und PerlenschnĂŒre, die um Professor Trelawneys dĂŒrrem Hals hingen und ihre Ankunft ankĂŒndigten. Sie hatte die Tische der SchĂŒler reihum aufgesucht und war nun bei Draco und Ginny angekommen.

An Ginny gerichtet fragte sie mit ĂŒberschwĂ€nglichem Enthusiasmus, wĂ€hrend sie theatralisch eine prĂ€sentierende Handbewegung ausfĂŒhrte: „Und, Miss Weasley? Wie steht es um Mr. Malfoy?“ Ginny griff nach ihrem Pergament, doch Professor Trelawney nahm es ihr aus der Hand. Sie fĂŒhrte es dicht an ihr Gesicht, rĂŒckte derweil die Brille mit den dicken GlĂ€sern zurecht, doch noch immer schien sie nicht besonders gut sehen zu können.

„Oh nein, Miss Weasley“, sagte Professor Trelawney beinahe schon nörgelnd. „Das können Sie sicherlich besser.“ Sie schĂŒttelte den Kopf und murmelte etwas, das sie vom Pergament ablas, bevor sie es zurĂŒck an Ginny gab. „Noch ein Versuch, meine liebe Miss Weasley. Vielleicht sollten Sie Ihren Geist vorher ein wenig öffnen. Moment, da kann ich Abhilfe schaffen.“

Professor Trelawney eilte zu ihrem kleinen Tischlein hinĂŒber, fiel derweil fast ĂŒber ihren eigenen Hocker, der daneben stand. Mit einem blĂ€ulichen Gegenstand – einem kleinen Glas – kam sie zurĂŒck. Per Incendio entflammte sie Kerze in dem BehĂ€lter und stellte sie auf den Tisch. Gegen die einlullenden DĂŒfte, die nun verströmt wurden, konnten Draco und Ginny nichts unternehmen.

„Auf ein Neues, Miss Weasley“, sagte Professor Trelawney freundlich, bevor sie sich den SchĂŒlern am nĂ€chsten Tisch widmete.

Einen Moment spĂ€ter, nachdem die DĂŒfte der Kerze zu wirken begannen, fragte Ginny flĂŒsternd: „Was glaubst du, was da drin ist?“ Sie deutete auf das GlĂ€schen.
„Keine Ahnung“, lallte Draco, dessen Zunge plötzlich lahm geworden war. „Ich hoffe, es ist legal.“

Ginny schĂŒttelte den Kopf, um ihn klar zu bekommen, doch das war offensichtlich nicht das, was Professor Trelawney angestrebt hatte. Das in diesem runden Klassenzimmer scharlachrote DĂ€mmerlicht tat sein Übriges.

„Gut, dann gib mir nochmal deine Hand.“ Auch Ginnys Zunge stand mit einem Male ihren eigenen Worten im Wege, doch Draco schien das nicht einmal zu bemerken, denn er kam ihrer Aufforderung willig nach.

Nachdem Ginny fĂŒr einige Minuten auf seine HandinnenflĂ€che gestarrt hatte, wollte sie wissen: „Waren das vorhin die gleichen Linien?“
Über ihre Frage im ersten Moment irritiert antwortete er todernst: „Nein, ich hab sie heimlich unter dem Tisch ausgetauscht.“

Sie begann zu kichern, löste ihren Blick aber nicht von den vielen Rillen, Narben und Linien, bevor sie ihr Buch aufschlug und erneut seine Zukunft aus der Hand las.

Am Ende war Ginnys Pergament das Einzige von allen, welches vollstÀndig beschrieben war, doch Draco konnte keinen Blick mehr drauf werfen, weil die Stunde bereits um war und Professor Trelawney die Aufgaben einsammelte.

„So, meine Lieben, wir sehen uns am Freitag. Da werde ich Ihnen die Arbeiten zurĂŒckgeben, und ein paar AuserwĂ€hlte werden wir sogar vortragen. Vergessen Sie nicht, sich von dem Alltagsstress zu lösen, bevor Sie meinen Klassenraum betreten.“

Viele SchĂŒler sprangen nach der VerkĂŒndung des Unterrichtsschluss von ihren StĂŒhlen auf und verließen Professor Trelawneys Raum schneller als sonst den von Professor Snape. Nur die SchĂŒler, auf deren Tisch ebenfalls so eine Kerze stand wie auf dem von Ginny und Draco, erhoben sich sichtlich trĂ€ger, machten dabei einen leicht schlĂ€frigen Eindruck, wenn nicht sogar einen beduselten.

„Ich könnte mich jetzt hinlegen und durchschlafen“, murmele Ginny, die ihre Schulsachen wie in Zeitlupe in ihre Tasche stopfte. Draco ging es nicht anders. Die beiden waren die letzten SchĂŒler im Raum, als sie endlich von ihren PlĂ€tzen aufstanden und wie schlaftrunken zur Strickleiter torkelten. Schlurfenden Ganges war Ginny die Erste, die ihre Schulsache per Levitation nach unten beförderte, bevor sie sich niederkniete, um die Strickleiter durch das runde Loch im Boden hinunterzuklettern. Als ihre Unterschenkel bereits durch die Öffnung baumelten, erschrak sie, weil sie einen kurzen Aufschrei wahrgenommen hatte, der ihr augenblicklich ihre scharfen Sinne zurĂŒckgab.

Sie wandte ihren Kopf und sah, wie ein verschreckter Draco von Professor Trelawney gegen die Wand gedrĂŒckt wurde, wĂ€hrend die Lehrerin mit befremdlicher Stimme sagte: „Ein jettschwarzes Symbol auf schneeweißem Grund kann nicht allein durch die Geheimnisse des Willens und seiner Gewalt schwinden. Feuer verzehrt, ein Brand erneuert. Erst nach dieser Reinigung wird seine Flamme es finden, das trĂ€nende Herz, um damit seine Wunden zu heilen.“

Professor Trelawney machte ein GerĂ€usch, als hĂ€tte sie sich verschluckt, dann begann sie zu husten. Gleich darauf blickte sie auf und schien verwirrt. Neben sich schauend bemerkte sie Draco. Mit einer Hand fasste sie sich ans Herz, mit der anderen langte sie sanft an seine Schulter. „Oh Mr. Malfoy, haben Sie etwas gesagt?“
„Ich
“ Verdattert schĂŒttelte er den Kopf.
„Dann sehen wir uns am Freitag.“ Zu Ginny schauend fĂŒgte sie hinzu: „Einen guten Appetit wĂŒnsche ich Ihnen.“

Es war Mittagszeit, doch weder Draco noch Ginny war nach einer Mahlzeit zumute.


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 ganz abgesehen davon, dass ich in der Achtung meiner zwölfjĂ€hrigen Tochter deutlich gestiegen bin.
Imelda Staunton