von Thorti
Six blickte sich um. Es war Nacht. Der Nebel legte sich auf den Hügel. Nur die Grabsteine ragten wie schwarze Gestalten in die Höhe. Six schritt langsam über den Trampelpfad. Er spürte, wie die Angst und die Trauer über diesen Ort herrschten. Er war zuvor noch nie hier. Nein, er war noch nicht mal auf der Beerdigung seiner Eltern, weil sie ihn sonst geschnappt hätten.
Hier soll er nach Antworten suchen? Dieses Unternehmen hielt er für unmöglich. Wie sollte ein Friedhof Eva wiederfinden? Es war eine Sackgasse. Jemand hatte ihn hereingelegt. Er wusste nicht, in welchem Ort sich dieser Friedhof befand. In der Ferne erkannte er nur eine heruntergekommene leerstehende Villa. Aber irgendwie kommt der Ort ihm bekannt vor. Eine Erinnerung? Aber nicht die seinige. Die Erinnerung seines Vaters?
Six blieb vor einem Statue stehen. Ihr Gesicht war mit einer Kapuze bedeckt. Der Umhang glitt über das Podest. In der Hand hielt die Statue eine Sense.
„Knochen des Vaters, unwissentlich gegeben.“
Six zuckte zusammen und wirbelte herum.
„Hallo?“, rief er in den Nebel. Wer hatte das gesagt? Er blickte in alle Richtungen, er war immer noch allein. Es war wieder eine körperlose Stimme. Doch diese klang ängstlicher.
„Fleisch des Dieners, willentlich gegeben.“
Six starrte auf die Statue. Diese Stimme. Sie kam ihm so bekannt vor.
„Blut des Feindes, mit Gewalt genommen.“
Plötzlich ertönte ein lauter Schrei. Die Statue schien ihn auf einmal anzusehen.
„Was soll das? Wer bist du?“
Keine Antwort.
„Verarsch mich nicht. Ich will wissen was hier gespielt wird.“
„Ich bin ein Zeuge. Ein Zeuge deiner Vergangenheit. Du musst eine Aufgabe erledigen und ich werde dir dabei helfen.“
„Hilfe? Ich brauche keine Hilfe.“
„Du brauchst Hilfe. Ich weiß es. Dein Vater ist nicht der, für den du ihn gehalten hast.“
„Ich verstehe nicht.“
„Dein Vater und deine Mutter sind keine normalen Menschen.“
„Was soll das? Ich verstehe immer noch nicht.“
„Es ist auch schwierig zu erklären. Ich werde es dir zeigen. Vielleicht wirst du dann verstehen.“
Six starrte die Statue an.
„Was willst du mir zeigen? Wie soll das gehen? Ich bin doch verrückt, ich rede schon mit Statuen.“
„Du willst doch Antworten.“
„Ich möchte endlich Eva wiedersehen.“
„Gut, denn ich bin der erste Schlüssel zu deiner Liebsten. Vereine mich mit dir und ich werde dir das zeigen, wozu du bestimmt bist.“
„Kann ich dir trauen?“
„Nein! Aber du musst mir vertrauen. Komm, ich will dir endlich zeigen, was du begehrst, damit ich in Ruhe leben kann und endlich frei bin.“
„Frei?“
„Ich möchte endlich zum Himmel auffahren. Jetzt komm, berühr meinen Arm!“
Six zögerte. Das kann doch nur alles ein böser Albtraum sein. Eine Statue möchte ihm antworten geben. Ist das überhaupt real? Bestimmt, sonst wäre er schon längst aufgewacht. Doch er tat es nicht. So sah er nun einen einzigen Weg.
„Ich werde dir folgen“, sagte er mit Bestimmtheit.
„Ich danke dir.“
Six streckte die Finger nach der Statue aus. Er hatte sie kaum berührt, als sein Umfeld verschwand und er in einem weißen Nichts schwamm.
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