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Fanfiction

Bruised and Broken - Teil VI - Leave Me Bleeding

von solvej

Leave me bleeding on the bed
see you right back here tomorrow
for the next round


[Placebo – Pierrot The Clown]

~oOo~


Potter war ein Idiot, so viel stand fest. Draco knallte Ă€rgerlich die TĂŒr hinter sich zu, als er das alte Haus der Blacks verließ, halb wĂŒtend auf sich selbst, weil er wirklich geglaubt hatte, irgendwas von Harry erwarten zu können. Was auch immer.

Obwohl der Himmel wolkenbedeckt war und weder Mondlicht noch Sterne durchscheinen ließ, lag noch eine unangenehme, feuchte WĂ€rme ĂŒber der Stadt, wie sie vor nahenden Gewittern öfter zu spĂŒren ist. Der Grimmauldplatz lag dĂŒster vor ihm; Licht spendeten einzig zwei kĂŒmmerliche Laternen, von denen eine in unregelmĂ€ĂŸigen AbstĂ€nden flackerte. Draco zog trotz der WĂ€rme seinen Umhang fester um sich und ließ seinen Blick prĂŒfend ĂŒber sĂ€mtliche dunkle Winkel gleiten, aber nichts als Dunkelheit starrte daraus zurĂŒck. Mit eiligen Schritten ĂŒberquerte er dann den Platz, sah sich auf halbem Weg noch einmal gehetzt um und verschwand dann in einer schmalen Seitengasse. Schon nach wenigen Metern gelangte er an eine Biegung, die in einen kahlen und abgesehen von einer umgekippten MĂŒlltonne vollkommen leeren Hinterhof fĂŒhrte. Aus einem kleinen Fenster im zweiten Stock des Hauses, zu dem er gehörte, drang ein fahler Lichtschein und beleuchtete die Szenerie dĂŒrftig. Draco warf noch einen letzten Blick ĂŒber die Schulter – diese stĂ€ndige Angst vor Verfolgern grenzte schon beinahe an Paranoia – und verschwand dann mit einem leisen „Plopp“ auf der Stelle.

In Little Hangleton regnete es bereits. Draco hastete die wenigen Meter durch den verwahrlosten Garten zur HintertĂŒr des Herrenhauses und fluchte laut auf, als er sie versperrt vorfand. Mit einer Hand versuchte er, sich den Umhang ĂŒber den Kopf zu halten, um nicht allzu nass zu werden, wĂ€hrend er mit der anderen nach seinem Zauberstab tastete und dann damit leicht aufs TĂŒrschloss tippte, das sofort aufsprang. Er schob die TĂŒre vorsichtig einen Spalt auf; der Raum war leer. Erleichtert betrat er die dĂŒstere, staubige KĂŒche, in der seit Jahrzehnten niemand mehr gekocht hatte und schlich dann die Treppe hinauf, um unentdeckt nach oben zu gelangen, und so zu tun, als wĂ€re er nie weg gewesen. Vielleicht hatte ja sogar niemand etwas bemerkt.

Bevor er aber einen Fuß auf den Korridor im ersten Stock setzen konnte, dröhnte auch schon eine raue Stimme durchs ganze Haus: „MALFOY!“

Draco verdrehte innerlich die Augen, versuchte aber nach außen hin kein Zeichen seiner geistigen Verfassung durchdringen zu lassen. „Avery, hast du einen Grund hier dermaßen herumzubrĂŒllen, oder versuchst du auf diese Weise nur, deiner maskulinen Seite Ausdruck zu verleihen?“, fragte er und stieg die letzten beiden Stufen hinauf in den Gang, wo Avery sich schon breitbeinig, die Arme verschrĂ€nkt wie ein TĂŒrsteher, aufgebaut hatte.

Der krĂ€ftig gebaute Mann kniff gefĂ€hrlich die Augen zusammen. „Du warst nicht da“, zischte er halb gehĂ€ssig, halb wĂŒtend.

Draco stöhnte gekĂŒnstelt. „Gut erkannt, Avery“, sagte er genervt. „Und willst du mir damit irgendwas Bestimmtes sagen?“

„Du hast dieses Haus nicht zu verlassen, Malfoy, außer auf Befehl des Dunklen Lords! Er wird nicht erfreut sein, von deinem Ungehorsam zu erfahren“, sagte Avery mit einem hĂ€mischen Grinsen.

Dracos Magen verkrampfte sich unangenehm bei seinen Worten. Das hatte ihm jetzt noch gefehlt! Aber er hatte ja nicht erwarten können, dass immer alles so glatt lief, wie in den vergangenen Tagen. Er versuchte aber, sich nichts von seiner Unsicherheit anmerken zu lassen. „Der Dunkle Lord braucht davon nichts zu wissen“, stellte er kĂŒhl fest

„Ach?“, fragte Avery gedehnt und musterte ihn mit schief gelegtem Kopf. „Und was habe ich dann davon?“

„Was hast du davon, wenn du mich verpfeifst?“, erwiderte Draco ĂŒberheblich.

Offenbar hatte er die falschen Worte gewĂ€hlt, denn Averys Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse der unterdrĂŒckten Wut. „Jetzt hör mir mal zu, Klugscheißer“, presste er in einem Unheil verkĂŒndenden FlĂŒsterton hervor, wĂ€hrend sein Gesicht immer röter anlief, „du sagst mir jetzt, was du da draußen zu schaffen hattest, und dann werde ich sehen ob wir uns einig werden können oder nicht!“ Er packte Draco am Oberarm und zog ihn nah zu sich heran, um ihm direkt in die Augen zu starren.

Draco hatte noch nie einen so plumpen Versuch erlebt, Leglimentik anzuwenden. Mit einem angewiderten Schnauben entwand er seinen Arm Averys festem Griff. „Weißt du was, kĂŒmmer dich um deinen eigenen Dreck!“, schnauzte er, drehte sich um und ließ den etwas verblĂŒfften Avery allein im Gang stehen.

Es war Draco vollkommen klar, dass das kein besonders kluger Schachzug gewesen war. Er war wirklich nicht in der entsprechenden Position, es sich mit jemandem verscherzen zu können, seine ganze Stellung hier stand auf mehr als nur wackligen Beinen. Wahrscheinlich hatte er es in erster Linie Snape zu verdanken, dass er noch vergleichsweise gut behandelt wurde, selten gröbere Schmerzen und bisher keine bleibenden physischen SchÀden abbekomen hatte. Das konnte nicht jeder Todesser von sich behaupten.

Er verschanzte sich im Salon, dem Raum, in dem gelegentlich Besprechungen abgehalten wurden, wenn der Dunkle Lord sich hier aufhielt, was mittlerweile – zu Dracos enormer Erleichterung – selten genug vorkam. In den Regalen und ĂŒberall sonst auf das Zimmer verteilt lagen und standen Snapes BĂŒcher – Merlin wusste, wie sie hier her gekommen waren. Ein paar Tage nach seiner und Snapes Ankunft hier waren sie auf einmal da gewesen. Und da Snape die meiste Zeit mit ominösen AuftrĂ€gen unterwegs war, hinderte niemand Draco daran, sich damit die Zeit zu vertreiben, eines nach dem anderen zu lesen.

Ansonsten hatte er nicht viel, um sich zu unterhalten. Der Auftrag in Godric’s Hollow war seine erste Gelegenheit gewesen, das Riddle-Anwesen zu verlassen. Und jetzt


Im Vorbeigehen warf er einen flĂŒchtigen Blick in den großen, gesprungenen Wandspiegel und blieb abrupt stehen. Unter seiner Nase klebten noch Reste eingetrockneten Blutes und sein rechtes Auge glich dem eines WaschbĂ€ren – kein Wunder, dass Avery misstrauisch geworden war. Draco betastete vorsichtig mit der Fingerspitze sein geschwollenes Auge; Potter hatte ganze Arbeit geleistet. Er wollte schon zu seinem Zauberstab greifen, um es zu heilen, ĂŒberlegte es sich dann jedoch anders und ließ die Hand wieder sinken. Noch einmal betrachtete er sein verkommenes Spiegelbild. Der Anblick konnte wirklich deprimieren. Hastig drehte er sich weg.

Draco ließ sich schwer auf die Chaiselounge fallen und griff sich das Buch, das daneben auf dem Boden lag. Er schlug es auf – Seite 42 (1) – und starrte minutenlang mit leerem Blick auf den Text, ohne wirklich etwas davon wahrzunehmen. Sein Kopf war gleichzeitig vollkommen leer und ĂŒberfĂŒllt; am prĂ€zisesten ließ sich die Konsistenz dessen Inhalts wahrscheinlich mit „neblig“ beschreiben. Alle seine Gedanken waren unklar und formlos, er fĂŒhlte sich nicht fĂ€hig, sie auf etwas zu konzentrieren. Wahrscheinlich trug die MĂŒdigkeit ihren Teil dazu bei, denn es war schon spĂ€t; weit nach Mitternacht, wie er schĂ€tzte.

Er wollte versuchen, etwas Schlaf zu bekommen, die letzten NĂ€chte waren nicht unbedingt erholsam gewesen. Aber im Salon konnte er nicht bleiben. Wenn jemand hier ankam – und auf die Uhrzeit achtete dabei niemand – neigten alle dazu, als erstes hier herein zu platzen, und das war der Nachruhe nicht sonderlich zutrĂ€glich. Seufzend stand Draco auf.

Er schlich schrĂ€g ĂŒber den Gang, und sah sich dabei nervös nach beiden Seiten um, weil er befĂŒrchtete, Avery noch einmal in die Arme zu laufen. Noch so eine Diskussion konnte er sich wirklich nicht leisten. Jedoch betrat er unbehelligt die Kammer, in der er diesmal seine Sachen zurĂŒckgelassen hatte. Er wechselte seinen Schlafplatz stĂ€ndig, in der Hoffnung irgendwo in diesem verfluchten Haus ein wenig besser zur Ruhe kommen zu können. Außerdem wollte er sich nicht wohnlich einrichten, indem er ein spezielles Zimmer fĂŒr sich okkupierte, denn das wĂŒrde ja bedeuten, dass er sich mit der Lage abgefunden hĂ€tte. Aber solange er sich nicht irgendwo fest einquartierte, konnte er sich immer noch einreden, das alles hier sei nichts weiter als eine Übergangslösung.

Draco hatte die ersten NĂ€chte im Riddle-Anwesen auf dem kahlen Fußboden verbringen mĂŒssen, da er beim Versuch, ein Bett aus dem Nichts herbei zu beschwören, an die Grenzen seiner FĂ€higkeiten gestoßen war. Erst Tage spĂ€ter hatte sich Snape dazu erbarmt, ihm etwas, das entfernt einer Matratze Ă€hnelte, und eine Decke zu organisieren. Ansonsten hatte er hier rein gar nichts. All der gewohnte Luxus war im Malfoy’schen Heim zurĂŒckgeblieben.

In der hinteren Zimmerecke, unter dem einzigen Fenster, gegen das von außen leise der Regen prasselte, breitete er die Matte aus und versuchte, es sich darauf einigermaßen bequem zu machen. Mit mĂ€ĂŸigem Erfolg; er spĂŒrte – so bildete er es sich zumindest ein – jede einzelne UnregelmĂ€ĂŸigkeit des Bodens, ganz zu schweigen von der modrigen Feuchtigkeit, die daraus hervor kroch.

Draco fĂŒhlte die MĂŒdigkeit in seinen Gliedern, die Schwere, die sie hinab zu ziehen schien, und das erlösende GefĂŒhl, wenn sie endlich auf ihrer RuhestĂ€tte zum Liegen kamen, egal wie unkomfortabel diese auch sein mochte. Es war ein Genuss zu spĂŒren, wie der ganze Körper nach Erholung schrie und dann langsam absackte ins Reich des Schlafes. Als wĂŒrde der Schmerz nachlassen.

Das Schlimmste, was in einer solchen Situation passieren konnte, war es, nicht einschlafen zu können, weil die Gedanken einen davon abhielten. Draco wusste das. Und deshalb versuchte er nicht zu denken. Aber es passierte genau das, was immer passiert, wenn man nicht denken will: er dachte.

Er dachte an Harry. Und zu allem Überfluss, zu all der Erschöpfung, der Anspannung und der Angst kam jetzt auch noch eine unangenehme Erregung, von der er wusste, dass sie nicht von alleine verschwinden wĂŒrde. Die ganze Sache mit Potter begann außer Kontrolle zu geraten. Vielleicht hatte er sie aber auch nie wirklich unter Kontrolle gehabt.

Zögerlich fuhr er mit der Hand unter der Decke seinen Körper hinab. Schon die erste BerĂŒhrung war wie eine Erlösung.

Harry Harry Harry. Dieser Idiot.

Potter war ein Egoist. Und feige. Ein feiger Egoist –

Draco schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken, wÀhrend sich seine Hand schneller bewegte.

Es war ver-bo-ten. Das alles, Potter heimlich zu treffen, verboten verboten verboten. Das Wort pulsierte in seinem Kopf zum Rhythmus, den sein Körper vorgab. Verboten! Aber als sie beide heute –

Es hatte kein „verboten“ mehr existiert. Er. Harry. Zusammen.

Er keuchte auf, biss sich auf die Unterlippe, um jeden Laut zu ersticken.

Harry.

Draco atmete schwer und er kniff die Augen zusammen, bis alles vorbei war und sich sein Herzschlag wieder normalisiert hatte. Dann erst löste er vorsichtig seine klebrige Faust aus ihrer fast krampfhaften Umklammerung und wischte sie achtlos an der Decke ab. Er wollte sich jetzt nicht bewegen, sondern lieber im Zustand der geistigen und körperlichen Regungslosigkeit verharren, so lange es ging. Ein einziges Zucken mit dem kleinen Finger hĂ€tte ihn kaputt machen können. Also schloss er einfach die Augen und blieb starr am RĂŒcken liegen. Ob es Minuten oder Stunden waren, bis er endlich einschlief, konnte er nicht sagen, aber zumindest dauerte es sehr, sehr lange.

***


„Wo ist Snape?“

„Hier nicht, wie du siehst“, erklĂ€rte Bellatrix kĂŒhl.

Draco musterte sie kritisch. Seit der Krieg offen ausgebrochen war, sah sie glĂŒcklicher aus denn je. Askaban hatte stark an ihr gezehrt und kurz nach ihrer Befreiung hatte sie noch gewirkt wie ein Schatten ihrer selbst, aber im vergangenen Jahr war sie gewissermaßen wieder aufgeblĂŒht, das Leben in sie zurĂŒck gekehrt

„Könntest du dich eventuell etwas prĂ€ziser ausdrĂŒcken?“, fragte er gereizt.

„Nein!“, fuhr sie ihn barsch an. „Fragen zu stellen steht dir nicht zu!“, fĂŒgte sie noch hinzu und verschrĂ€nkte die Arme, so als wĂ€re damit alles gesagt.

Ärgerlich fuhr sich Draco durch die Haare. Diese Person war der reinste Ausbund an SelbstgefĂ€lligkeit, Egoismus, GehĂ€ssigkeit, Arroganz, und einer noch beliebig verlĂ€ngerbaren Liste schlechter Eigenschaften. Sie hĂ€tte als eine Malfoy durchgehen können. Aber Eigenschaften, die Draco an sich selbst fĂŒr gewöhnlich schĂ€tzte – wie zum Beispiel die nicht zu verachtende Portion Hochmut, die er von Natur aus mitbrachte – gingen ihm an anderen gehörig auf die Nerven. Besonders an Tante Bella, in genau diesem Augenblick. Auch, weil sein demonstrativ zur Schau getragenes Desinteresse neben ihrer eigenen makellosen Haltung der Herabblassung auf einmal recht klĂ€glich wirkte. Offenbar hatte es ohnehin keinen Sinn, auf sie Eindruck machen zu wollen, also ließ er es sein. „Und warum sagt mir hier niemand etwas?“

„Oh bitte!“, stöhnte sie entnervt und warf in der Manier einer großen Diva ihr langes, schwarzes Haar zurĂŒck. „Ich dachte, du hĂ€ttest zumindest ein wenig Black’schen Scharfsinn geerbt...“

Draco konnte es nicht ausstehen, wenn so mit ihm geredet wurde. Das war seine Art mit anderen umzugehen, nicht umgekehrt! Bellatrix rĂ€kelte sich genĂŒsslich auf der Chaiselounge. Er sah ihr geradezu an, wie sie die Überlegenheit auskostete.

„Man vertraut dir nicht“, sagte sie und blinzelte ihn unter dunklen Wimpern hervor an. „Du bist ein kleiner Versager, verstehst du? Mit jedem anderen hĂ€tte ER in solch einer Situation schon lĂ€ngst kurzen Prozess gemacht
 Du lebst nur noch aufgrund meines Einflusses, den ich – deiner Mutter zuliebe, bilde dir da bloß nichts ein – geltend gemacht habe.“

Dass sie ĂŒbertrieb und ihre eigene Rolle erheblich ausbaute, bedeutete, wie Draco sich bitter eingestehen musste, leider nicht, dass ihre Behauptungen vollkommen falsch waren.

Bellatrix hörte sich gerne reden. Am liebsten Lobpreisungen ĂŒber den Dunklen Lord, und am zweitliebsten Lobpreisungen ĂŒber sich selbst. AnlĂ€sse, die beide Themen verbanden, waren ihr dementsprechend immer willkommen und sie ließ keinen davon aus. „Und weil Avery – dieser Vollidiot – offensichtlich sogar zu unfĂ€hig ist um auf einen dummen Jungen aufzupassen –“

„Hey!“, unterbrach Draco ernsthaft ungehalten. Ob nun ĂŒber den „dummen Jungen“ oder darĂŒber, dass Avery allem Anschein nach sein KindermĂ€dchen gewesen war, konnte er selbst nicht so ganz eindeutig ausmachen.

Bellatrix winkte nachlĂ€chssig ab und fuhr fort, als hĂ€tte es keine Unterbrechung gegeben. „– muss ich nun meine kostbare Zeit opfern, um hier herumzusitzen. Womöglich...“, sinnierte sie, mehr an die stuckverzierte Zimmerdecke als an Draco gerichtet, „habe ich meinen Gebieter irgendwie verĂ€rgert, um das zu verdienen...“

Draco konnte sich ein hohles Auflachen nicht verkneifen.

Plötzlich wieder mit hartem Ausdruck richtete sich Bellatrix erneut an ihn. „Um aber auf deine Frage von vorher zurĂŒckzukommen – Snape“, – sie spuckte den Namen mit unverhohlenem Abscheu aus – , „ist noch im Auftrag des Dunklen Lords unterwegs – nicht mehr lang, wie ich hoffe. Danach wird er Wurmschwanz abholen und hier her zurĂŒck kommen.“

„Wurmschwanz?“, fragte Draco ehrlich erstaunt. „Was hat der hier zu suchen?“

Er war dem Mann nur ein einziges Mal begegnet, und damals war ihm Merlin sei Dank ein nĂ€herer Kontakt erspart geblieben. Dieser Kerl war Draco von Anfang an zuwider gewesen, nicht zuletzt wegen seines Ă€ußeren Erscheinungsbildes und der Tatsache, dass er ein abstoßender, kleiner Arschkriecher ohne auch nur einen Ansatz von RĂŒckgrat war. Aber was konnte man auch anderes erwarten von jemandem, der sich selbst in eine Ratte verwandelte?

Bellatrix lĂ€chelte furchteinflĂ¶ĂŸend. (Nicht, dass Draco Angst vor ihr gehabt hĂ€tte, aber er kannte niemanden, der mit einem LĂ€cheln so viel Bösartigkeit zum Ausdruck bringen konnte – einschließlich seines Vaters.) „Er wird dein neuer Bewacher. Um zu verhindern, dass du noch einmal unbefugterweise verschwindest“, erklĂ€rte sie zuckersĂŒĂŸ.

Draco hatte das GefĂŒhl, ihm mĂŒsste vor Erstaunen der Mund aufklappen, deswegen bemĂŒhte er sich, die Kiefer besonders fest zusammenzupressen. Seine Augen hatten jedoch seinen Schock nur allzu deutlich zum Ausdruck gebracht.

Bellatrix’ Mundwinkel zuckten amĂŒsiert. Sich am Leid anderer erfreuen zu können, gehörte zwar quasi zu den Grundvoraussetzungen, die ein Todesser mitbringen musste, aber Bellatrix trieb das Ganze auf die Spitze. Sie war die personifizierte Schadenfreude.

Frustriert ließ sich Draco auf einen klapprigen Lehnstuhl fallen, dem schon ein paar Sprossen fehlten. Wurmschwanz war, soweit er wusste, nicht gerade Einstein, oder um es anders zu formulieren – schlicht und einfach primitiv. Allerdings gehörte er zu jener Sorte Mensch, die auf den Befehl „Spring!“ mit „Wie hoch?“ antworten wĂŒrden. Also war es sehr wahrscheinlich, dass er ihm, Draco, geradezu an den Fersen kleben wĂŒrde, sobald er einmal hier war. Draco hĂ€tte am liebsten laut aufgestöhnt und sich mit der Hand auf die Stirn geschlagen, aber er verkniff es sich und sah seine Tante stattdessen böse an.

Mit dieser Ratte wĂŒrde er kĂŒnftig seine Zeit verbringen mĂŒssen. Zum ersten Mal in seinem Leben wĂŒnschte er sich sehnlichst, eine Katze zu besitzen.

Er sah durch die hohen, staubigen Fenster nach draußen. Nach dem Gewitter in der vergangenen Nacht war das Wetter nun, jeglichen dĂŒsteren GefĂŒhlen zum Trotz, wieder so sommerlich sonnig wie zuvor. Es hatte beinahe reinigend gewirkt, dem Sommer noch einen zusĂ€tzlichen Energiekick verschafft. Er ließ den Zauberstab unruhig in seinen Fingern kreisen und starrte in den leeren Kamin am schmaleren Ende des Zimmers. Einen kuriosen Moment lang glaubte er, darin eine Flasche Feuerwhisky stehen zu sehen.

Von unten drang ein undeutliches GerĂ€usch herauf. Bellatrix hob interessiert den Kopf, wĂ€hrend Draco kaum merklich zusammenzuckte und seinen Zauberstab fallen ließ. Hastig hob er ihn wieder auf und biss sich auf die Unterlippe. Großartig.

Bella sah ihn scharf an. „Wenn du damit auch nur die kleinste falsche Bewegung machen solltest, werde ich mich gezwungen sehen, ihn dir wegzunehmen, hast du verstanden?“

Mit einer energischen Bewegung steckte er den Stab in seine Tasche und wandte sich ab.

„Hast du verstanden?“, wiederholte sie ein wenig lauter.

Heftig riss er seinen Kopf herum und blitzte sie wĂŒtend an. „Ja, Ma’am“, knurrte er zynisch.

„Na na, wir sollten wohl ein bisschen an unseren Manieren arbeiten!“, bemerkte Bellatrix mit hochgezogenen Augenbrauen. Den Zauberstab schon in der Hand und zweifellos nichts Gutes im Sinn, richtete sie ihn auf Draco, der scharf die Luft einsog.

„Bella, warum suchst du dir nicht jemanden zum Spielen, der klein und wehrlos ist, so wie du’s sonst immer tust?“, kam es herablassend aus Richtung der offenen TĂŒr.

„Warum gehst du nicht zurĂŒck nach Hogwarts, um dort Dumbledores verwaiste Stiefel zu lecken?“, giftete Bellatrix zurĂŒck, steckte jedoch – zu Dracos ungemeiner Erleichterung – ihren Zauberstab wieder weg. Gelegentlich war Snape ja doch noch recht nĂŒtzlich.

Snape ging nicht nĂ€her auf die Bemerkung ein, sondern meinte nur knapp: „Ich muss mit Draco reden. Allein.“

„Wo ihr jetzt hier seid, habe ich ohnehin Besseres zu tun“, erklĂ€rte sie voll Überzeugung, erhob sich dann mit einer fließenden Bewegung und rauschte erhobenen Hauptes zur TĂŒr hinaus. Snape zog nur missbilligend eine Augenbraue hoch. Es war fast wie in der Schule, fand Draco.

Kaum war die TĂŒr zugefallen, hatte Snape allerdings schon wieder seinen misstrauischen Gesichtsausdruck aufgesetzt, den er in letzter Zeit immer hatte, wenn er mit Draco sprach. „Wurmschwanz wird –“

Draco fuhr dazwischen. „Ich weiß, Bella hat’s mir gesagt.“ Er verschrĂ€nkte trotzig die Arme. „Was soll das alles?“

„Anstatt dich auch noch zu beschweren, solltest du froh sein, dass du noch lebst“, entgegnete Snape mit zusammengekniffenen Augen, aber in erstaunlich gefasstem Tonfall, so als wĂŒrde er ĂŒber etwas ganz AlltĂ€gliches sprechen. Aber vielleicht war es ja fĂŒr einen Todesser auch alltĂ€glich, vom möglichen Tod eines siebzehnjĂ€hrigen SchĂŒlers zu sprechen, der eigentlich seinen Schulleiter hĂ€tte ermorden sollen, aber nicht fĂ€hig dazu gewesen war.

„Wo warst du gestern?“, fragte Snape scharf, als Draco keine Antwort gab.

„Frische Luft schnappen.“

„Und woher hast du das blaue Auge?“

‚Verflucht! Ganz vergessen...‘
„Bin gestolpert.“

Allein schon an der Tatsache, dass Draco es nötig hatte Okklumentik anzuwenden, musste Snape erkennen, dass er log. Aber er hatte keine andere Möglichkeit.

„Schön...“, sagte Snape und klang dabei fast so gefĂ€hrlich wie Bellatrix. „Du solltest mehr Acht geben, mit wem du dich anlegst. Es könnte sonst ĂŒbel fĂŒr dich ausgehen.“ Damit drehte er sich um und verließ in großen Schritten den Raum. Sein Umhang wehte hinter ihm her und ließ ihn wieder einmal wirken, wie eine ĂŒberdimensionierte Fledermaus.

„Wurmschwanz!“, hörte Draco ihn auf dem Gang noch blaffen. „Was habe ich dir ĂŒber das Lauschen an TĂŒren gesagt? Und jetzt rein da – wehe dir, er kommt dir aus den Augen!“

***


Was auch immer Draco erwartet hatte, als er hörte, dass Wurmschwanz sein neues KindermĂ€dchen werden sollte – die RealitĂ€t stellte sich als schlimmer heraus. Wie Bellatrix es schon angekĂŒndigt hatte, war Wurmschwanz wie ein kleiner, hĂ€sslicher Schatten, und ließ Draco keine fĂŒnf Minuten aus den Augen. Was erschwerend hinzukam, war die Tatsache, dass Pettigrew als erstes Dracos Zauberstab „beschlagnahmt“ hatte – ansonsten hĂ€tte er womöglich Angst vor ihm gehabt. Weil Snape wĂ€hrend dieser Aktion dabei war und Draco sehr böse anfunkelte, hatte er wohl oder ĂŒbel kooperieren, beziehungsweise um es ehrlicher zu formulieren, klein beigeben mĂŒssen.

Die gesamte Situation war Ă€ußerst lĂ€stig, zumal Draco es hasste gegenĂŒber einem anderen in einer benachteiligten Lage zu sein, und ganz besonders, wenn dieser andere ausgerechnet Wurmschwanz war. Und ganz davon abgesehen, verkomplizierte sich die Potter-Angelegenheit damit immens.

Je spÀter es wurde, desto unruhiger wurde Draco.

Sie saßen beide im Salon; Draco am Fußboden, an die Wand gelehnt, auf dem Schoß einen elendlangweiligen WĂ€lzer ĂŒber die ‚Theorie der Verschmelzung von TrĂ€nken und Transformation‘, in den er schon seit geraumer Zeit nur noch alibihalber starrte, ohne wirklich zu lesen; Wurmschwanz saß auf einem klapprigen Holzstuhl mitten im Raum und wirkte ziemlich deplatziert. Hin und wieder warf Draco einen Blick aus dem Fenster, beobachtete wie BĂ€ume und StrĂ€ucher sich langsam zuerst tiefgrĂŒn, spĂ€ter schwarz vor dem dunkelblauen Himmel abzeichneten, und fragte sich, ob Harry wohl schon in London war.

Grillen zirpten. Der Parkettfußboden knarrte bei jeder Bewegung. Draco hörte Pettigrews schnaufende AtemzĂŒge. Es war lĂ€ngst zu dunkel, um zu lesen, aber Draco hielt sich immer noch an dem schweren Buch fest. Der lederne Einband fĂŒhlte sich warm und weich unter seinen Fingern an, es war seltsam beruhigend sich daran festzuklammern.

Wurmschwanz dagegen saß auf seinem Stuhl und fĂŒhlte sich sichtlich unwohl. Pausenlos knetete er unruhig die HĂ€nde in seinem Schoß, starrte die meiste Zeit auf einem bestimmten Fleck vor dem Kamin und warf gelegentlich nervöse Blicke in alle Richtungen. Von Anfang an hatte er es allerdings vermieden, Draco in die Augen zu sehen. Wahrscheinlich fĂŒrchtete er sich. Draco wusste das, und verachtete ihn dafĂŒr. Oder eher – verachtete ihn noch mehr, als er es ohnehin schon tat.

Potter hatte in Godric’s Hollow, als er Draco entwaffnet hatte, auch Angst gehabt, aber auf eine völlig andere Weise. Er hatte befĂŒrchtet, aus dem Hinterhalt ĂŒberfallen und umgebracht zu werden, und trotzdem hĂ€tte er – meinte Draco zu wissen – ihm nicht grundlos Schaden zugefĂŒgt. Er hĂ€tte sich verteidigt und – nun ja – um gewisse Informationen zu bekommen auch andere Methoden angewandt, aber bei ihm hatte das nichts mit Feigheit zu tun. Eher mit der typischen Gryffindor-MentalitĂ€t, von wegen edler Gesinnung und Ă€hnlichem Schwachsinn.

Bei Pettigrew dagegen war es ein Zeichen von SchwĂ€che. Er wĂ€re jemand, der Draco ohne zu zögern einen Fluch auf den Hals hetzen wĂŒrde, nur um im Vorhinein klar zu machen, dass er Macht hatte. Dass diese Macht mehr oder weniger erschlichen war, war ihm dabei egal.

Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Pettigrew aufstand und mit unsicheren Schritten zum Kamin ging und ein paar Worte murmelte. Als er sich wieder abwandte, brannte ein kĂŒmmerliches Feuer. Draco starrte weiter in sein Buch, obwohl der spĂ€rliche Lichtschein lĂ€ngst nicht ausreichte, um die schattenhafte Schrift auf den im Laufe der Jahre nachgedunkelten Buchseiten wieder entzifferbar zu machen.

Innerhalb von einem Sekundenbruchteil hatte sich in seinem Kopf plötzlich eine Idee festgesetzt, von der er vollkommen sicher war, sie könnte nicht funktionieren – aber sie wollte einfach nicht wieder verschwinden. Fieberhaft ĂŒberlegte er, wie wohl die Folgen fĂŒr ihn aussĂ€hen, schlĂŒge der Plan fehl.

Große Schmerzen.

Aber er musste es versuchen, denn wenn er Harry heute nicht traf, wĂŒrde er die Chance dazu vielleicht nicht wieder bekommen. Nicht so. Harry wĂŒrde ihm nicht mehr vertrauen, noch weniger als er es auch jetzt noch tat.

Es war ein Alptraum. Dieses Ding in ihm, das ihn zwang, die verrĂŒcktesten, schlimmsten, lebensgefĂ€hrlichsten Risiken einzugehen, nur um Potter zu sehen. Nur um sich von ihm behandeln zu lassen wie Dreck, wie Abschaum, wie ein Todesser. So, wie Draco Harry auch immer behandelt hatte, wie er es immer noch versuchte. Sogar sich von ihm wie Dreck behandeln zu lassen, war noch besser, als ihn gar nicht zu sehen. Obwohl es das wahrscheinlich noch schlimmer machte.

Warum musste es nur ausgerechnet Potter sein? Warum nur? Und warum konnte er nicht einfach hier sitzen bleiben und nur einmal das tun, was gut fĂŒr ihn war?

Mit einem lauten Knall schlug er sein Buch zu. Pettigrew, der immer noch am Kamin stand, fuhr erschrocken zu ihm herum.

„Nur das Buch. Ich brauche mehr Licht. Zum Lesen“, erklĂ€rte Draco mit einem bitteren LĂ€cheln und stand auf. Pettigrew schien beruhigt und drehte sich wieder zum Feuer, die HĂ€nde ausgestreckt, zweifellos um sie zu wĂ€rmen. Draco war ein wenig verwundert darĂŒber, denn die Nacht war sehr lau, wie schon die vorhergehenden. Er selbst trug ĂŒber seinem dĂŒnnen Shirt nichts.

Seine Finger krampften sich fester um den ledergebundenen WĂ€lzer und seine Herzschlag ging ein wenig schneller, als er mit ein paar zĂŒgigen Schritten das Zimmer durchquerte, das schwere Buch hob und es dann mit aller Kraft auf Pettigrews Kopf herunter krachen ließ.

Der Schlag gab ein dumpfes GerĂ€usch; einen Moment lang dachte Draco, es hĂ€tte nicht funktioniert und er machte sich auf das Schlimmste gefasst – doch dann fiel Wurmschwanz wie ein gefĂ€llter Baum zur Seite um und blieb bewusstlos am Boden liegen. Draco jubelte innerlich – seine wildesten Hoffnungen waren erfĂŒllt worden, und es hatte – bis jetzt – genau so geklappt, wie sein grotesker Plan es vorgesehen hatte.

Hastig kniete er neben dem kleinen, dicklichen Mann nieder und durchsuchte dessen Taschen nach seinem Zauberstab. Draco fand ihn schnell, nahm ihm dann auch noch den eigenen ab, und beeilte sich, das Weite zu suchen, ehe er wieder zu sich kam.

Kaum war Draco an der TĂŒr stöhnte Wurmschwanz auch schon gequĂ€lt auf und begann sich zu regen. Ein gehetzter Blick ĂŒber die Schulter zeigte Draco, dass er noch ein wenig desorientiert wirkte, aber sich schon wieder aufgesetzt hatte und mit schmerzverzerrtem Gesicht den Hinterkopf rieb. Draco rannte den Gang hinunter, die Treppe, hörte Wurmschwanz hinter sich „Malfoy!“ brĂŒllen und lief weiter. Nur raus aus dem Haus, runter vom GrundstĂŒck, um endlich disapparieren zu können. Er nahm den Hinterausgang durch die KĂŒche, weil er zur dunkleren, vom Haus abgewandten Seite des Anwesens fĂŒhrte. Schwungvoll und noch halb im Lauf begriffen riss er die TĂŒr auf.

„Aaah!“

Pettigrew hatte sich direkt vor der TĂŒr aufgebaut und versuchte, möglichst groß zu wirken, indem er sich auf einen Stein gestellt hatte. Es misslang ihm klĂ€glich – Draco war immer noch grĂ¶ĂŸer als er, trotzdem hatte ihn sein Anblick in diesem Moment getroffen wie ein Schlag. Damit hatte er einfach nicht gerechnet. Aber er fasste sich schnell wieder.

„Ratten kennen eben alle geheimen Wege nach draußen“, stellte er resigniert fest.

„Genau“, sagte Pettigrew, ohne die Beleidigung in der Aussage zu bemerken. Es schwang fast so etwas wie Stolz in seiner Stimme mit. „Und jetzt wieder rein da!“

Draco lachte trocken auf und Wurmschwanz zuckte irritiert ein wenig zurĂŒck. „Sicher nicht“, sagte er.

„Aber...“, fing Wurmschwanz zögerlich an, „der Dunkle Lord wird –“

„Dich verantwortlich machen, wenn er davon erfĂ€hrt. Und jetzt geh’ mir aus dem Weg.“

Wurmschwanz, der offenbar hin und her gerissen war, was nun die schlimmeren Folgen fĂŒr ihn haben wĂŒrde, rĂŒhrte sich nicht von der Stelle, und bevor er zu einer Entscheidung hĂ€tte kommen können, nahm Draco sie ihm ab. „Petrificus Totalus“, sagte er gefasst, und Wurmschwanz fiel – schon wieder – um, wie ein gefĂ€llter Baum. „Wenn ich zurĂŒck bin, befrei’ ich dich vielleicht davon.“

Gelassen stieg Draco ĂŒber ihn hinweg, schloss sorgsam die TĂŒre hinter sich und schlenderte vom GrundstĂŒck.

Er apparierte in den selben Hinterhof, von dem aus er keine vierundzwanzig Stunden zuvor London verlassen hatte. Wieder brannte Licht nur in einem der obersten Fenster des dazugehörigen Hauses. Als er sich umdrehte, schepperte ein paar Meter entfernt ein MĂŒlltonnendecken und er fuhr herum, den Zauberstab schon in der Hand. Aber er sah nur noch einen Schatten von der GrĂ¶ĂŸe eine Katze um die Ecke verschwinden.

Das Haus der Blacks lag in keiner besonders schönen Stadtgegend. Das Viertel war voller alter HĂ€user, aber nicht solche von der liebevoll gepflegten, restaurierten und teuren Sorte. Vielmehr war es so, dass die Bauten im Laufe der Zeit heruntergekommen waren, die Besitzer nicht das Geld hatten aufbringen können, sie wieder herzurichten und sie deswegen immer billiger vermieten mussten, weil sonst niemand mehr darin wohnen wollte. Auch das Black-Haus wirkte von außen so, obwohl seine Geschichte eine vollkommen andere war.

Draco versuchte, es sich so vorzustellen, wie es in besseren Zeiten einmal ausgesehen haben mochte. Selbst damals konnte es nicht gerade eine Augenweide gewesen sein. Eher protzig als stattlich und auch ein wenig abschreckend. Wahrscheinlich war es aber genau das, was die Intention der Erbauer dabei gewesen war. Den Blacks sollte niemand zu nahe kommen, der nicht genau wusste, was er wollte.

Draco fragte sich, ob er eigentlich wusste, was er wollte. Abgesehen von Potter. Und am Leben zu bleiben. Aber reichte das nicht eigentlich schon?

Aus irgendeinem Grund, so sicher war er sich da selbst nicht, zögerte er seine Ankunft noch so weit es ging hinaus. Dieses Mal waren sie ja sozusagen verabredet. Hinzugehen wĂŒrde bedeuten, sich einzugestehen, dass er es wollte. Aber schlimmer noch als das wĂ€re es, hinzugehen und festzustellen, dass er nicht da war. Da wĂ€re es einfacher zu verkraften, selbst gar nicht erst aufzutauchen.

‚Wie albern’, dachte er, redete er sich zumindest ein, und ging wieder etwas schneller. Im schummrigen Licht der Straßenlaternen konnte er schon das runde RasenstĂŒck in der Mitte des Grimmauldplatzes erkennen. Noch ein paar Schritte mehr, und rechts wĂŒrde die Ecke des Black-Hauses in Sicht kommen. Draco blieb stehen.

Es war lĂ€cherlich, die gesamte Situation war schlicht und einfach lĂ€cherlich. Vielleicht sollte er einfach dort hingehen, Potter umbringen, und damit wĂ€ren dann alle seine Probleme gelöst. Und die des Dunkeln Lords, ganz nebenbei, ebenfalls – was wiederum zur Lösung seiner eigenen Probleme beitrug. Vielleicht sollte er auch zuerst versuchen, Potter dazu zu bringen, ihm einen zu blasen, und ihn dann umbringen. Jep, das wĂ€re es, was ein echter Malfoy in dieser Situation tun wĂŒrde – abgesehen natĂŒrlich von der Tatsache, dass kein Malfoy außer ihm Wert darauf legen wĂŒrde, von Potter einen geblasen zu bekommen.

Wahrscheinlich war er sogar der einzige Malfoy, der keinen Wert darauf legte, Potter tot zu sehen. Verflucht. Kein toter Potter heute, so viel stand fest.

Zögerlich ging Draco weiter, die Augen fest auf das Kopfsteinpflaster gerichtet, und bemĂŒhte sich, möglichst nicht zu denken. Aber wie schon am Abend zuvor ging das klĂ€glich daneben. Am meisten quĂ€lte ihn die Frage, was wohl passieren wĂŒrde, wenn die ganze „Sache“ herauskĂ€me. Der Dunkle Lord hĂ€tte höchstwahrscheinlich nicht einmal mehr die Gelegenheit, ihn auf schmerzvollste Weise zu bestrafen, weil sein Vater dann schon lĂ€ngst aus Askaban ausgebrochen wĂ€re, allein zu dem Zweck, ihn eigenhĂ€ndig zu erwĂŒrgen. Das wĂ€re wenigstens mal ein spektakulĂ€rer Grund, aus dem Familienstammbaum gelöscht zu werden; Draco Malfoy – der neue Inbegriff des BlutsverrĂ€ters.

Auf einmal stand er vor dem Haus. Drei steinerne Stufen bis zur TĂŒr, ein Handgriff bis zum schmiedeeisernen TĂŒrklopfer. Sollte er ĂŒberhaupt klopfen oder einfach hineingehen? Nervös fuhr Draco sich durchs Haar.

Das hier konnte alles sein, was er sich je erhofft hatte. Aber es könnte auch, was sogar noch viel wahrscheinlicher war, alles zerstören. Meistens sah die RealitĂ€t einfach nicht so rosig aus, wie die verklĂ€rte Vorstellung davon. Wenn er auch nur ein kleines StĂŒckchen von diesem verklĂ€rten Bild abbekommen wollte, war Potter momentan seine einzige Chance. Aber das bedeutete, sich verwundbar machen. Und sich verwundbar zu machen, hieß fast immer, auch verwundet zu werden. Und wofĂŒr das alles? FĂŒr einen flĂŒchtigen Moment des GlĂŒcks? War es das wert?

Er klopfte.

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(1) 42 ist die Antwort auf die Frage nach „dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“


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Ich sollte nur lesen, aber ich habe die Damen im Hörverlag davon ĂŒberzeugt, dass es viel schöner ist die Figuren zu spielen, als nur zu zitieren.
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