von Laurien87
Kapitel 5
Mr. Malfoy schien sich in dem alten Schloss sehr gut auszukennen. Nach einigen Minuten hatten sie eine große Eichentür im Kerker erreicht.
„Severus, wenn du so nett wärst“, sagte Malfoy mit öliger Stimme. Der Tränkemeister schnaubte, drängte sich jedoch an dem blonden Mann vorbei und löste mithilfe einiger Passwörter die Schutzzauber der Tür. „Bitte treten Sie doch ein, Miss Ashford!“, sagte Malfoy, der sich hier wie zu Hause zu fühlen schien. „Sicherlich hat es mein alter Freund Severus bisher versäumt, sie in seinem Büro willkommen zu heißen. Sie müssen ihn entschuldigen, er ist den Umgang mit so hübschen Damen, wie sie es sind, nicht gewohnt.“ Elisabeth lächelte schief. Die Vorstellung, dass der missmutige Tränkemeister sie zum Plaudern in sein Büro bitten könnte, kam ihr geradezu absurd vor.
Dennoch betrachtete sie umso gespannter den Raum, den sie nun an Malfoys Seite betreten hatte. Die Wände schienen aus Bücherregalen zu betehen. Nur in den obersten Regalböden standen einige Gläser mit in Formaldehyd eingelegten Pflanzen und Tieren. Am anderen Ende des Raumes befand sich ein ausladender Schreibtisch. Neben der Eingangstür war eine kleine Sitzecke, bestehend aus einem Zweiersofa und einem Sessel, eingerichtet, auf die Malfoy jetzt zusteuerte. Er deutete Elizabeth an Platz zu nehmen. Liz setzte sich auf das Sofa und ohne zu zögern, nahm Malfoy den Platz neben ihr ein. Snape setzte sich auf den Sessel.
Eine Beobachterposition für das Schauspiel, von dem er wusste, dass Malfoy es jetzt beginnen würde. Lucius war es in der Tat gewöhnt zu bekommen, was er wollte. Und dass er Elizabeth Ashford wollte, daran hatte er in den letzten Minuten keinen Zweifel gelassen. Außer dass Severus die Vorstellung störte, dass seine neue Kollegin mit diesem diabolischen Speichellecker Vodemorts ins Bett hüpfen könnte, hätten ihm Lucius Annährungsversuche eigentlich egal sein können. Wenn er nicht ganz genau wusste, was es bedeutet, wenn Lucius Malfoy an etwas die Lust verlor. Elizabeths Leben war dann in Gefahr. Und das… konnte er irgendwie nicht zulassen. Snape dachte an ihren Erdbeerduft und daran, dass Malfoy ihn gerade roch, so nahe, wie er bei ihr saß.
Elizabeth lächelte noch immer freundlich, war aber im Inneren inzwischen angespannt. Erstens war sie von Malfoys forscher Zudringlichkeit etwas irritiert – er hatte seit sie saßen eine Hand auf ihren Oberschenken gelegt, was sich nicht so gut anfühlte, wie sie zuvor vielleicht noch vermutet hatte. Zweitens war diese selbstgefällige Art, mit der er sich durch Snapes Räume bewegte, in ihren Augen auch eine Form eines Übergriffs.
„Severus, bestelle uns doch bitte Tee und etwas Gebäck bei den Hauselfen“, wies Malfoy jetzt an. Snapes Blick verfinsterter sich. Langsam erhob er sich aus dem Sessel und blieb erst einmal stehen. Er starrte Elizabeth unverwandt an. Erst war sie davon irritiert, doch als sie sein Blitzen in den Augen sah, ahnte sie, dass Snape nicht wohl dabei war, sie hier alleinzulassen. Kaum merklich nickte sie und er drehte sich weg. Snape ging durch eine zweite Tür, die in der Nähe seines Schreibtisches lag, und anscheinend in seine privaten Räumlichkeiten führte. Kaum war Snape gegangen, legte Malfoy den Arm um Elizabeth.
„Ich muss wirklich sagen, so einen guten Geschmack hätte ich Dumbledore gar nicht zugetraut bei der Einstellung seiner Mitarbeiter.“ Sie spürte seinen Atem auf ihrer Wange, so nah war er jetzt. Er hob seinen schwarzen Spazierstock und strich ihr langsam mit dem metallischen Knauf, der die Form einer fauchenden Schlange hatte, eine Strähne aus ihrem Gesicht. Liz spürte das kalte Silber auf ihrer Wange und strich sich unwillkürlich über die Haut, die der Knauf eben noch berührt hatte. An irgendetwas erinnerte sie diese Schlange. Wo hatte sie sie schon einmal gesehen…
„Darf ich mal sehen?“, fragte sie Malfoy in einem mädchenhaften Ton, von dem sie glaubte, dass er ihm schmeicheln würde. Er hielt ihr den Schlangenkopf vor das Gesicht. Liz ließ ihre Finger über das kalte Metall gleiten. Sie wusste ganz bestimmt, dass sie diesen Stock schon einmal gesehen hatte. Und zwar vor gar nicht allzu langer Zeit.
„Er ist ein altes Familienerbstück. Gefällt er ihnen?“, Malfoys Stimme war noch dunkler geworden und klang nach Gefahr. Und auf einmal fiel es Elizabeth wie Schuppen von den Augen. Ein Bild. Ein Foto. Heute Morgen hatte sie es im Tagespropheten gesehen! Die neue Gewaltwelle der Todesser war vom Ministerium so lange verschleiert worden, dass die Anhänger Voldemorts begonnen hatten, Fotos ihrer eigenen Überfälle zu machen und sie an die Presse weiterzuleiten. So konnte inzwischen niemand mehr die Augen verschließen vor dem erneuten Erstarken der dunklen Seite. Und ebenso ein Bild war auch heute im Tagespropheten abgedruckt worden. Es zeigte eine Gruppe von Todessern, die das Haus der Familien eines bekannten Auroren in Südengland zerstörten.
Der Spazierstock! Sie hatte ihn auf eben diesem Foto in der Hand eines der maskierten Männer gesehen. Für einen Moment fühlte sich Elizabeth wie erschlagen. Erst jetzt verstand sie, was das für ein Mann war, der seine Hand gerade ihren Oberschenkel hinaufgleiten ließ. Ruhig bleiben! Liz hatte viel Erfahrung mit geplanten Kampfhandlungen gegen Todesser in den USA, aber sie hatte auch verdeckt ermittelt. Und sie wusste ganz genau: Ruhe und Besonnenheit waren jetzt ihre wichtigsten Waffen.
„Ein außergewöhnliches Stück“, Elizabeths Stimme war ruhiger, als sie es selbst für möglich gehalten hatte. Langsam verschwand auch ihr erster Impuls, das Zimmer so schnell es ging verlassen zu wollen. Jetzt war sie schon mal hier und Lucius Malfoy machte nicht den Eindruck, als wollte er sie in den nächsten Minuten umbringen. Zumindest nicht, ehe sie nicht mit ihm geschlafen hatte. Vielleicht konnte sie seinen Glauben an ihre Naivität ja noch nutzen. Dafür mit heiler Haut aus der Situation zu entkommen, aber vielleicht auch, um den Spieß umzudrehen. Sie spürte, dass seine Hand, verdeckt von seinem schwarzen Umhang bereits zwischen ihren Beinen angekommen war. Offensichtlich hatte er ein klares Ziel.
„Mr. Malfoy“, raunte sie ihm vertraulich ins Ohr und kicherte etwas, „Professor Snape wird jeden Augenblick zurück sein.“ Und dann fügte sie noch etwas leiser hinzu: „Ich würde Sie lieber in meine eigenen Räume einladen, um das fortzusetzen.“ Sie biss sich kokett auf die Unterlippe und blitzte ihn verschwörerisch an.
„Miss Ashford, das ist eine ausgezeichnete Idee. Sie haben natürlich Recht. Dieses Büro ist wirklich nicht das geeignete Ambiente für uns beide. Vielleicht darf ich Sie morgen Abend zum Essen ausführen?“ Er hatte sowas von angebissen. Hundertprozentig wusste Elizabeth zwar noch nicht, mit wem genau sie es zu tun hatte, aber das konnte ihr Snape ja sicher bis morgen Abend mitteilen. Und wenn es stimmte, was Dumbledore ihr über den Zaubertrankmeister erzählt hatte, war er eine der wichtigsten Schlüsselfiguren der Spionagearbeit in England. Vielleicht war ihr Urlaub vom Kampf gegen das Böse ja doch schneller vorbei, als sie gedacht hätte.
In diesem Moment erklang ein Räuspern vom anderen Ende des Raumes.
„Ah, Professor Snape, gerade eben habe ich mit Mr. Malfoy besprochen, dass ich Sie nun nicht länger bei Ihren wichtigen Gesprächen stören möchte. Es ist ja nicht mehr lange, bis es Abendessen gibt. Das werde ich sicher aushalten“, sie lächelte ihn zufrieden an und fügte dann etwas eindringlicher hinzu: „Ich hoffe, ich sehe Sie heute Abend in der großen Halle?“
Snape warf ihr einen langen Blick zu, der komplett undurchdringlich schien. Dann nickte er knapp und trat etwas näher auf das Sofa zu.
Malfoy erhob sich und Elizabeth tat es ihm gleich.
„Miss Ashford, es war mir ein Vergnügen. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns schon sehr bald wiedersehen werden“, sagte er und es klang etwas anzüglich.
„Da bin ich mir ganz sicher, Mr. Malfoy“, sie sah ihn aus großen, unschuldigen Augen an, „Professor Snape, ich habe Ihre kostbare Zeit wirklich lange genug in Anspruch genommen.“
Snape wusste noch nicht recht, was von dieser Entwicklung halten sollte. Halb hatte er damit gerechnet, Elizabeth in einer prekären oder sogar gefährlichen Lage vorzufinden. Hatte er ihren Blick richtig gedeutet und sie hatte begriffen, mit wem sie dort so vertraulich auf dem Sofa gesessen hatte? Er war sich noch nicht ganz sicher. Aber erst einmal war er erleichtert, dass die junge Frau ihn nicht dazu gezwungen hatte, Malfoy das Gefühl der absoluten Einflussnahme zu nehmen und damit seine Tarnung zu gefährden.
Vielleicht war sie ja doch nicht so eine einfältige Pute, für die er sie gehalten hatte. Und dann erwischte er sich bei dem Gedanken, dass er sich aufs Abendessen freute, um endlich Klarheit in die Sache zu bringen.
Er atmete tief durch, als Elizabeth sein Büro verlassen hatte, und drehte sich zu Malfoy um.
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