von Kelly
Severus atmete tief die frische Luft ein, während er auf das St. Mungos zu schritt. Er war hier, um Hermine abzuholen, die heute entlassen wurde.
Da sie kein Zuhause mehr besaß, auch nicht wusste, wo sie hin sollte, denn zu den verbleibenden vier Weasleys konnte sie nicht, da diese waren noch zu tief in ihrer Trauer versunken waren, wollte Severus Snape die Bitte seines Mentors erfüllen und sich um Hermine Granger kümmern.
Er würde das Mädchen mit nach Hogwarts nehmen, denn er war als Direktor bestätigt worden. Prof. McGonagall hatte dagegen beschlossen, in den wohlverdienten Ruhestand zu treten. Sie war der Meinung, 70 Jahre im Schuldienst wären genug. Jetzt war es an anderen Schüler zu tritzen, wie sie grinsend erklärte.
Severus seufzte, da kam eine Menge Arbeit auf ihn zu. Nicht nur, dass Hogwarts in den nächsten Monaten wieder aufgebaut werden musste – der reguläre Schulbetrieb sollte ab Januar wieder beginnen. Nein, sobald sein Sohn Harry wieder aus dem magischen Koma erwachte, stand eine umfassende Aussprache zwischen ihnen an, die schon seit Jahren überfällig war. Er konnte es immer noch nicht glauben: Da hatten Lily und James ihn doch nach einem Ordenstreffen aufgelauert, betäubt und zu einem dubiosen, bestochenen Heiler geschafft, der dann eine künstliche Befruchtung bei Lily durchführte. Spätestens seitdem er dieses wusste, waren seine Gefühle für Lily endgültig gestorben. Was war er denn – eine verdammte Samenbank? Hätten sie ihn gefragt, hätte er ihnen höchstwahrscheinlich sogar geholfen, ein Kind zu bekommen. Aber nein, Lily war halt nun einmal egoistisch veranlagt gewesen, immer musste alles nach ihrem Kopf gehen. Wahrscheinlich war sie all die Jahre nur mit ihm befreundet gewesen, weil er ihr so bei den Schulaufgaben half. Mittel zum Zweck und nicht mehr.
Es war zwar hart für ihn, dass all dies nach dieser langen Zeit ans Licht kam, doch es half ihm, mit der Vergangenheit abzuschließen. Allerdings würde noch sehr, sehr viel Zeit ins Land gehen, bis er darüber hinweg kam, dass er so viele Jahre im Leben seines Sohnes verpasst hatte. Ihm so etwas zu verschwiegen! Spätestens nach dem Tod von Lily und James hätte Dumbledore es ihm sagen müssen, er hätte keine Sekunde gezögert, Harry zu sich zu nehmen und aufzuziehen. Bei ihm hätte es der Junge auf alle Fälle besser gehabt!“
Der nächste Punkt war Hermine Granger, die zur Zeit unfähig war, für sich selbst zu sorgen oder gar für sich selbst zu sprechen.
Ein Umstand, der fast dazu geführt hatte, dass sie für unmündig erklärt worden wäre und in der geschlossenen Abteilung des St. Mungos landete.
Doch dies verhinderte Severus dadurch, dass er Hermine ehelichte. Das Argument des Zaubereiministeriums, dass dieses ja gar nicht der Hochzeit zustimmen würde, vielmehr könnte, schlug er mit dem Argument nieder, dass es halt eine arrangierte Ehe mit einer Minderjährigen werden würde – diese Bräute hätten ja auch nicht zustimmen oder gar ablehnen können oder dürfen.
Somit waren sie jetzt seit 30 Minuten – Severus sah kurz auf seine Taschenuhr und verbesserte sich – seit 31 Minuten verheiratet. Severus seufzte erneut, hoffte, dass Hermine irgendwann einmal wieder sie selbst sein würde. Dann könnte er gemeinsam mit seiner Frau über ein Arrangement nachdenken, denn eine Ehe in der magischen Welt galt für die Ewigkeit.
Hermine saß schon fertig angezogen auf ihrem Bett, als Severus das Krankenzimmer betrat. Sie trug ein schlecht sitzendes schwarzes Kleid und einen ebenso schwarzen Umhang. Die braune Lockenmähne war in einem strengen, straffen Zopf gebändigt. Hermine drehte sich nicht einmal zur Tür, als er eintrat, sondern sah starr auf die Wand.
„Guten Morgen, Hermine“, grüßte er seine frisch angetraute Frau. Doch er rechnete nicht mit keiner Antwort. „Ich seh, Du bist fertig. Lass Dir nur noch den Ring überstreifen und dann geht es nach Hogwarts. Lass uns dort als erstes Harry besuchen – kommt es Dir vielleicht komisch vor, dass Dein bester Freund jetzt auch Dein Stiefsohn ist, aber ich muss gestehen, auch für mich ist es merkwürdig.“
Severus bemerkte selbst, dass er viel zu viele Nichtigkeiten von sich gab, vor allem, weil seine Frau ihm noch nicht einmal zuzuhören schien, jedenfalls zeigte sie wiederum keine Reaktion. Er seufzte, wie schon mehrfach an diesem Morgen, nahm die Hand seiner Frau und streifte ihr als erstes einen Verlobungsring über und danach den Ehering. Anschließend zog er ihre Hand an seine Lippen. Auch wenn diese Ehe nur auf dem Papier bestand und seine Ehefrau auf gar nichts reagierte, war er ihr seiner Meinung nach diese Geste schuldig.
Als er den Kopf wieder hob, bemerkte er, dass Hermine ihn plötzlich ansah. „Wir sind verheiratet, Hermine, so kann ich auf Dich achten und für Dich sorgen. Wir zwei schaffen das schon, kleine Gryffindor.“ Er strich Hermine über die Wange und erntete ein kleines Lächeln, dass jedoch gleich wieder verschwand. Doch Severus wertete es als Erfolg, wenn auch nur als ganz kleinen.
Er zog deshalb Hermine hoch und ging mit ihr aus dem Krankenzimmer. Draußen verabschiedete er sich auch im Namen seiner Frau von den Heilern und den Krankenschwestern. „Ms. Granger hat Alpträume in der Nacht“, informierte ihn noch der zuständige Heiler. „Sie wirft sich dann unruhig hin und her, schlägt sogar um sich.“
„Danke für die Informationen – ich werde alles unternehmen, damit die Alpträume meiner Frau aufhören.“
„Verzeihen Sie, Prof. Snape, diese Tatsache war mir nicht bekannt“, entschuldigte sich sogleich der Heiler.
Severus nickte zum Zeichen der Annahme der Entschuldigung.
In Hogwarts angekommen, führte Severus Hermine als erstes zur Krankenstation. „Hallo Poppy, wir sind da.“
„Schön, dass freut mich“, die Heilerin zog Hermine in ihre Arme. „Schön, dass Du endlich wieder hier bist, Mine. Willkommen zurück.“
Es erfolgte keine Reaktion, doch damit hatte Poppy auch nicht gerechnet. „Sie reagierte, nachdem ich ihr die Hand küsste und über die Wange strich“, berichtete Severus. „Sie lächelte sogar ganz kurz.“
„Schon einmal ein Fortschritt“, freute sich Poppy. „Wie bekommen das Mädchen schon wieder hin. Laut dem Bericht des Heilers hat Hermine ständig Alpträume.“
„Das sagte er mir auch. Was schlägst Du vor, Poppy?“
„Den Traumlostrank können wir ihr nicht geben, sonst wird Hermine bald abhängig. Entweder gehst Du jede Nacht in ihr Zimmer und tröstest sie oder sie schläft gleich bei Dir. Das gibt ihr vielleicht ein Gefühl der Sicherheit und die Alpträume verschwinden langsam.“
„Warum nicht, wir sind ja schließlich verheiratet. Ich hatte für Hermine zwar ein eigenes Zimmer vorbereitet, doch wenn sie ständig Alpträume hat, bekomme ich ja auch kaum Schlaf.“
Der Direktor Hogwarts und die Heilerin sahen zu dem Mädchen, das am Bett ihres besten Freundes saß und stumm dessen Hand hielt.
Nach einer Stunde verließen sie Harrys Zimmer und Severus führte sie in die Wohnung des Direktors. Er öffnete die Tür und trug Hermine über die Schwelle. Wieder traf ihn ein Blick von Hermine. „Den Brauch kennst Du doch bestimmt, kleine Gryffindor. Du bist viel zu leicht, wir werden gleich speisen. Mir hat das Essen im St. Mungos noch nie geschmeckt. Geh doch kurz ins Bad und erfrische Dich. Ich lege Dir zwischenzeitlich ein Kleid heraus.“
Hermine reagierte nicht, doch sie ließ sich bereitwillig an die Hand nehmen, so dass Severus ihr das Schlafzimmer sowie das Bad zeigen konnte.
Auch hier zeigte seine Frau keine Reaktion. „Geh duschen“, forderte Severus sie auf und schloss die Badezimmertür. Er rieb sich die Stirn, Kopfschmerzen bannten sich an. Höchste Zeit, dass er einen Trank gegen die Schmerzen nahm, wer weiß, wie die heutige Nacht verlief.
Er trank schnell einen seiner Schmerztränke und flohte gleich danach Madame Malkins an. „Ich brauche geschwind das schönste Brautkleid, was Sie haben, Madame Malkins. Geld spielt keine Rolle. Die junge Dame ist sehr zierlich, ca. 1,50 m groß und dazu benötige ich noch einige Sommerkleider, Hosen, Blusen, T-Shirts, Wäsche, Umhänge“, ordnete er an. „Das Brautkleid brauche ich sofort, den Rest morgen.“
Madame Malkins nickte und 10 Minuten später hielt Severus das Gewünschte in der Hand, legte das Brautkleid nebst Zubehör auf das nunmehr gemeinsame Ehebett.
Eine halbe Stunde später klopfte es schüchtern an der Tür zum Wohnzimmer. Auf sein „Herein“, trat Hermine aus dem Schlafzimmer. „Du musst doch nicht anklopfen, Hermine, das hier ist unsere, unsere Wohnung. Du siehst bildhübsch aus, dreh Dich bitte einmal für mich.“
Gehorsam drehte sich Hermine langsam im Kreis. „Sehr schön“, wiederholte Severus noch einmal. „Komm, Poppy wartet mit dem Essen auf uns. Du hast doch bestimmt großen Hunger.“
Severus merkte, er redete wieder einmal, ohne zu Hermine durchzudringen. Worte schienen sie nur wenige zu erreichen, es sei denn, es war eine Aufforderung etwas zu tun. Also entschloss er sich zu einem Versuch: Er nahm Hermines Kopf behutsam zwischen seine Hände und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, nur einen ganz kleinen. Doch Hermine reagierte etwas, indem sie den Kuss erwiderte.
„Geht doch“, freute sich Severus, schlang seinen Arm um Hermines Schulter und führte sie zum Essen.
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