von Zuckerdrache
Er steht am Fenster, den Oberkörper leicht vornübergebeugt, den rechten Unterarm in Kopfhöhe an die Scheibe gelehnt, die Stirn ruht auf dem Arm. Er atmet ruhig, aber sein Herz ist schwer und der Schmerz bohrt sich wie ein glühendes Eisen in seine Brust. Er versucht, das zu kompensieren, indem er seine Hände immer wieder zur Faust ballt. Plötzlich hebt er die linke Hand und presst sie gegen die Scheibe, rückt etwas von dem Glas ab und lässt seinen Blick nach oben wandern. Traurige graue Augen blicken aus der großzügigen Fensterfront seines Schlafzimmers auf den weitläufigen Park von Malfoy Manor. Sein Gesicht ist unbewegt, aber es lässt doch den Kampf erahnen, der sich gerade in ihm abspielt. Seine Maske bröckelt, denn eine Träne löst sich aus seinem rechten Augenwinkel und rollt langsam seine Wange hinab. Er wischt sie nicht weg, sondern lässt seinen verschleierten Blick über das üppige Grün vor seinem Fenster schweifen,
Wie oft hat er sich schon gewünscht, mit ihm dort spazieren zu gehen? Unendlich oft. Hand in Hand, Arm in Arm durch die bunten Beete zu flanieren, zwischen den Bäumen umherzuwandern, sich irgendwo auf den Rasen zu legen, einander küssend und einfach nur den Tag genießend. Ein Picknick im Grünen, vielleicht sogar eine Liebesnacht in einer lauen Sommernacht am kleinen Teich, umgeben von Büschen und Bäumen und nichts über sich als das Sternenzelt.
Er lacht bitter auf. Nichts dergleichen ist bisher passiert und wird auch nie passieren. Vor dem Fenster neigt sich ein weiterer Tag dem Ende zu. Die Sonne steht als roter Ball am Horizont und taucht die Szenerie vor ihm in ein rötliches Licht. Noch hört er Vogelgezwitscher, aber das wird bald abebben und irgendwann ganz verstummen, um abgelöst zu werden von den Geräuschen der Nacht.
Er hat Angst vor der Nacht, denn er kann nicht schlafen und grübelt nur. Nur noch wenige Nächte muss er so verbringen. Dann wird er heiraten und fortan eine Frau in diesem Zimmer haben, die nachts mit ihm das Bett teilen soll. Astoria. Eine nette Frau, ganz bestimmt, aber mehr auch nicht. Natürlich liebt er sie nicht, wie sollte er. Er liebt ja ihn … Harry Potter.
Sein Vater weiß seit geraumer Zeit, dass Draco schwul ist, aber er ignoriert es gekonnt. Er verlangt eine standesgemäße Heirat und einen Erben. Draco hat mit Engelszungen auf Lucius eingeredet, hat getobt und geschrien. Er will nicht heiraten. Astoria will im Grunde auch nicht heiraten. Ihre Väter haben das bestimmt. Warum bei Merlin tun sie sich das dann an? Warum wird es von ihnen verlangt? Nur wegen Standesdünkeln und der Fortführung der Blutlinie? Was ist so bemerkenswert an seiner Familie, dass sie unbedingt Bestand haben sollte? In der Gesellschaft sind sie geächtet – auch wenn sein Vater das anders sieht. Seine Schmiergelder öffnen ihm noch so manche Tür, aber hinter seinem Rücken wird er belächelt. Ein Wendehals, der sein Fähnchen in den Wind hängt, um immer ganz oben mitzumischen. Und doch will ihn inzwischen niemand mehr wirklich dabeihaben.
Draco streckt sich und steht jetzt hoch aufgerichtet vor der Balkontür. Er öffnet sie langsam und atmet die hereinströmende milde Abendluft tief ein. Obwohl es noch Frühling ist, ist der Abend sehr angenehm, fast lau. Mit langsamen Schritten geht er über den Marmorboden hin zum Geländer. Dort angekommen stützt er die Unterarme auf und lehnt sich über die Brüstung.
Er erinnert sich an seinen gestrigen Abschied von Harry. Im Grunde hat er ihm nur Lügen erzählt. Hat alles schlimmer erzählt, als es eigentlich ist. Was sollte sein Vater ihm schon tun? Er ist zwar gesellschaftlich tatsächlich wieder hergestellt. Aber nur in seinen Kreisen. Die Zauberergesellschaft an sich schneidet ihn und er bekommt nirgends einen Fuß in die Tür. Das Einzige was ihm jetzt noch helfen kann, ist die Einheirat in eine reinblütige Familie mit weißer Weste. Und das haben die Greengrasses zweifelsohne. Eine weiße Weste, die Draco mit der Heirat seiner ganzen Familie überziehen kann. Wenn ein Malfoy als Schwiegersohn in solch einer Familie akzeptiert wird, dann muss er wieder gesellschaftsfähig sein. Aber diese Wahrheit will er Harry nicht kundtun. Zu sehr schämt er sich dafür, dass er aus solch einem Grund heiraten muss. Lieber täuscht er vor, dass noch alles so ist wie es früher war. Das tut nicht so weh.
Draco ist wirklich verbittert darüber, dass er mit seinem persönlichen Glück dafür zahlen soll, dass die Familie Malfoy wieder Ansehen erhält. Tradition, ein Erbe. Nichts davon bedeutet ihm etwas. Er will nur Harry. Und hat ihn doch so vor den Kopf gestoßen, mit denselben Reden abgespeist, die sein Vater ihm vorgebetet hat. Er sieht noch allzu deutlich Harrys traurige Augen vor sich, deren sonst so strahlendes Grün nur noch ein trübes, dunkles Grau war, leicht überzogen von krampfhaft zurückgehaltenen Tränen. Er kann sich seitdem nicht mehr im Spiegel ansehen, da ihm jedes Mal die Lüge entgegenspringt.
Sein Vater würde Ihn gesellschaftlich vernichten? Er könnte ihn höchstens aus seiner Firma werfen. Aber mehr auch nicht. Tatsache ist, dass Draco Angst davor hat, auf eigenen Füßen zu stehen. Denn wenn er seinem Vater widersprechen würde, die Familie endgültig in der Bedeutungslosigkeit versinken würde, wäre auch er verloren, ganz auf sich allein gestellt.
Resigniert streicht sich Draco durch seine immer so sorgfältig gekämmten Haare. Er ist mal wieder feige gewesen. Keinen Job zu haben, kein Gold, das kann er einfach nicht ertragen. Aber jetzt kommt ihm der Gedanke gar nicht mehr so schlimm vor, von Harrys Gold zu leben. Und was könnte sein Vater dagegen schon tun? Der Retter der Zaubererwelt ist unantastbar.
Draco weiß es jetzt. Er ist ein schrecklicher Feigling. Er heiratet lieber eine ungeliebte Frau und setzt sich der Tortur aus, mit ihr ein Kind zu zeugen, nur um sich nicht gegen seinen Vater auflehnen zu müssen. Er leidet lieber und lässt ihn leiden, lässt ihn weiterhin seine heimliche Affäre sein, anstatt mit dem Menschen glücklich zu werden, den er liebt … Harry Potter.
„Ich bin wirklich erbärmlich“, flüstert Draco und beobachtet die blutrote Abendsonne dabei, wie sie endgültig am Horizont versinkt. Er weiß nicht genau, wie lange er da am Geländer lehnt. Richtig aufmerksam wird er erst wieder, als sich schon die Dunkelheit über das Manor gesenkt hat und er unter sich Stimmen hört.
„Ich kann es nicht glauben, dass du diesem Greengrass diesen horrenden Betrag bezahlt hast, damit er in die Eheschließung einwilligt. Hast du denn überhaupt keinen Stolz? Das ist ein hoher Preis dafür, dass unser Name reingewaschen wird. Du hast unseren Sohn verkauft, Lucius. Und er liebt dieses naive Ding nicht mal. Wie kannst du nur in den Spiegel sehen, ohne vor Scham rot zu werden?“
Die Stimme seiner Mutter überschlägt sich fast. Draco hört ein Poltern. Anscheinend ist ein Stuhl umgefallen. Da hört er auch schon seinen Vater losbrüllen.
„Halt den Mund, Frau. Das habe ich zu entscheiden. Und es ist richtig für unsere Familie, dass er heiratet und einen Erben zeugt, es ist das einzig Richtige.“
Draco ist wie erstarrt. Es geht um ihn. Und was er da gehört hat ist unfassbar. Er spitzt die Ohren, als seine Mutter weiterredet.
„Ich habe einen Namen Lucius, rede nicht so mit mir. Immerhin steckt auch meine beträchtliche Mitgift in unserem Vermögen und das Erbe meiner Familie ist ebenfalls nicht unerheblich. Und du weißt, dass das Erbe nur mir allein gehört. Mir und meinem Sohn. Das Blackvermögen gehört nicht dir. Jetzt bist du ein um einiges ärmerer Mann und so ganz ohne meine Galleonen, da musst du ja bald wieder richtig arbeiten. Willst du wirklich gegen meinen Willen das Glück unseres Sohnes zerstören?“
Draco hört die Worte seiner Mutter, aber so ganz kann er den Sinn des Ganzen noch nicht erfassen. Nicht nur, dass sein Vater DAS getan hat, kann es sein, dass seine Mutter …. Bescheid weiß? Und sein Vater? Nein …
„Rede nicht davon Zissa, ich will das nicht hören. Mein Sohn soll eine Frau heiraten und Kinder zeugen. So wie sich das gehört. Und nach dieser Heirat ist alles wieder so wie früher und wir können wieder Kontakte knüpfen, die uns zupass kommen und von denen wir auch finanziell profitieren.“
Sein Vater jammert regelrecht und Draco muss instinktiv grinsen. DAS ist sein Vater wie er leibt und lebt. Doch das Grinsen wird bitter, denn ihm wird klar, dass sein Vater nie wirklich an ihn gedacht hat. Er hört jetzt das glockenhelle Lachen seiner Mutter, während sie weiter auf seinen Vater einredet.
„Lucius, Lucius. Du bist so verdammt ignorant. Unser Sohn ist schwul. Du weißt das und hast es immer als nicht existent abgetan. Und weißt daher nicht einmal, dass er einen Mann liebt, der unser Ansehen noch viel besser aufpolieren könnte, als die Greengrasses. Wieso siehst du das nicht? Harry Potter ist reich und angesehen. Wieso beharrst du auf alten Zöpfen, die in unserer Gesellschaft schon längst abgeschnitten sind?“
Lucius schnaubt jetzt überlaut, so dass es Draco sehr gut hören kann. Draco hält gespannt die Luft an.
„Harry Potter?“
„Ja, mein lieber Lucius. Draco liebt Harry Potter. Ich weiß das seit gestern. Draco ist in letzter Zeit so traurig und verzweifelt. Hast du das denn nicht gesehen? Was bist du nur für ein Vater. Ich habe Draco beschatten lassen. Und gestern hat man mir endlich mitgeteilt, wer es ist. Ich wollte auf keinen Fall, dass Draco Astoria heiratet, wenn er eigentlich jemand anderes liebt.“
Lucius scheint es die Sprache verschlagen zu haben, denn erst kommt nichts von ihm. Doch dann hört Draco ein klirren. Hat sein Vater etwas an die Wand geworfen?
„Du glaubst doch nicht allen Ernstes, dass ich diese Hochzeit jetzt wieder absage? Und Potter? Bei Merlin, ein Potter in der Familie und keinen Erben. Wie stellst du dir das vor?“
Draco atmet erleichtert aus. Dieser Ausbruch war geradezu lächerlich. Sein Vater ist tatsächlich nicht mehr der, der er einmal war. Narzissas Stimme hingegen ist jetzt sehr bestimmt, aber trotzdem noch immer von samtener Weichheit. Sie umschmeichelt Lucius regelrecht, so als wüsste sie bereits, dass er keine andere Wahl hat.
„Mein Lieber, wenn Draco mit Potter zusammenbleibt, dann wird es eben keinen Erben geben. Und sollten sich die beiden wider Erwarten dafür entscheiden, doch in dieser Hinsicht etwas zu unternehmen, sei es Adoption oder Leihmutterschaft, dann ist das ihre Sache. Ich fände es schade, keine Enkel zu haben, aber es ist Dracos Leben.“
„Aber er kann die Malfoys doch nicht einfach untergehen lassen.“
Wieder wimmert Lucius fast, so als würde es ihm körperliche Schmerzen bereiten, den Gedanken zuzulassen, dass sein Sohn einen Mann liebt. Einen Mann, der auch noch der Held des Krieges ist.
„Wenn du die Hochzeit nicht absagst, bist du für deine Verhältnisse ein ziemlich armer Schlucker. Die Schmiergelder haben dich schon ziemlich viel gekostet, aber Greengrass wird mit der Heirat ein riesiges Loch in dein Verlies reißen. Er wird zwar sicher auch im Fall einer Absage eine Abfindung verlangen, aber da Astoria von Dracos Neigung nichts weiß, wird sie ihn unter diesen Umständen nicht mehr heiraten wollen und du kannst so den Preis sicherlich drücken. Lass mich nur machen. Ich regle das auf dem Ladies-Weg. Astorias Mutter und ich sind inzwischen recht gut bekannt. Und denk dran, ich werde mein Vermögen nicht mit dir teilen, wenn du Draco sein Glück nicht leben lässt.“
Draco hat genug gehört. Er stößt sich vom Geländer ab und läuft in sein Schlafzimmer. Er ist ganz aufgekratzt und zugleich völlig erschlagen von diesen Neuigkeiten und dieser Möglichkeit, die sich jetzt für ihn ergibt. Er rauft sich die Haare, läuft wie ein aufgescheuchtes Raubtier durch sein Zimmer. Wut macht sich in ihm breit.
Sein Vater hat ihn tatsächlich verkauft. Ihm hat er hingegen erzählt, dass Astorias Vater einvernehmlich eine Eheschließung mit Lucius beschlossen hat, damit er seine Tochter reinblütig, standesgemäß und reich unter die Haube bekommt. Dabei wollte er einzig und allein sein wohl ziemlich leeres Verlies füllen. Lucius wollte einen großen Teil seines Vermögens opfern, damit man Draco Astoria überhaupt als Ehefrau gibt.
Was für eine Schande. Draco fühlt sich minderwertig und schmutzig. Auf keinen Fall wird er Astoria heiraten. Soll sein Vater doch sehen, wie er da wieder rauskommt. Draco ist jetzt fest entschlossen, diese Farce nicht länger aufrechtzuerhalten.
Und er schämt sich. Wegen seiner Lügen gegenüber Harry. Fast hätte er ihn und sich selbst weiterhin dem Versteckspiel ausgesetzt, sich weiter in diesem Schauspiel verloren, weil er selbst zu feige war, seine Wünsche durchzusetzten. Gegen seinen Vater und dessen altmodische Ansichten. Draco ist so wahnsinnig erleichtert, dass er es körperlich spüren kann, wie diese große Last von ihm abfällt. Diese Last der erzwungenen Heirat und der Familiengründung. Eine heiße Welle der Zuneigung und Dankbarkeit durchströmt seinen Körper. Er ist seiner Mutter wirklich zu großem Dank verpflichtet. Harry verdankt ihr sein Leben und Draco nun sein Glück.
Draco greift sich seine Robe und wirft sie sich mit einem eleganten Schwung über die Schultern, schlüpft in die Ärmel und legt den Kragen zurecht. Er ist fest entschlossen, Harry sofort aufzusuchen. Vorher sendet er noch eine kurze Eulennachricht an Astoria, in der er ihr die Neuigkeit in wenigen Worten offenbart. Er wünscht ihr so sehr, dass sie auch ihr Glück findet, so wie er es bereits gefunden hat.
Dann macht Draco sich auf den Weg. Er will die gute Nachricht mit Harry feiern und fühlt doch plötzlich ein unangenehmes Angstgefühl in sich aufsteigen. Er muss Harry die Wahrheit sagen. Die Wahrheit über seine Feigheit. Die Wahrheit über sein Unvermögen, sich der Wirklichkeit zu stellen. Die Wahrheit darüber, dass auch er gewillt war, an alten Zöpfen festzuhalten, nur um sich nicht eingestehen zu müssen, dass nichts mehr so ist wie er es vor dem Krieg kannte.
Die Familienehre liegt am Boden. Die Malfoys sind tief gefallen und nun gilt es, sich wieder aus eigener Kraft aufzurappeln. Dabei kann ihm niemand helfen. Das muss er jetzt selbst angehen. Und Draco ist entschlossen, das zu tun.
Als er durch die Eingangshalle geht, fällt sein Blick auf das große Portrait seiner Eltern, das neben dem seines Großvaters hängt. Und die Worte seiner Mutter fallen ihm wieder ein. Er liebt einen Mann, der ihr Ansehen noch viel besser aufpolieren könnte, als die Greengrasses. Abrupt bleibt Draco stehen und mustert das gezeichnete Ebenbild seiner Mutter, die stolz und unnahbar auf ihn herablächelt.
Von einem Moment zum anderen wird ihm alles klar. Aus eben diesem Grund war er gewillt, den Bund mit Astoria einzugehen. Damit er nicht den Mann, den er so liebt dazu missbrauchen muss, den Namen Malfoy wieder aufzumöbeln. Er will nicht Harry Potters geduldetes Anhängsel sein. Er will um seiner selbst willen geachtet werden, nicht weil Harry Potter ihn als seinen Partner ausgesucht hat.
Ein unschöner Gedanke schleicht sich in seine Gedanken. Sieht seine Mutter auch nur den gesellschaftlichen Vorteil? Oder gönnt sie ihm wirklich sein Glück? Kann er unter diesen Umständen überhaupt glücklich werden?
Zweifel überkommen Draco. Er will sich schon auf dem Absatz umdrehen, als sich eine zarte Hand auf seine Schulter legt.
„Draco, mein Liebling, Du willst noch ausgehen?“
Er wendet sich um und sieht sich seiner Mutter gegenüber, die ihn sanft anlächelt.
„Ich …. Ich, ja. Ich wollte noch etwas erledigen“, stottert Draco und weiß nicht, ob er wirklich gehen soll oder nicht.
„Du willst zu ihm, nicht wahr? Zu Potter!“
Ihr Lächeln macht ihn ganz verrückt.
„Ja, ich wollte zu Harry. Ich habe euer Gespräch gehört und ich wollte ihm sagen, dass ich Astoria nicht heiraten werde. Auf keinen Fall werde ich mich verkaufen lassen. Aber jetzt weiß ich nicht mehr, ob ich das wirklich tun soll. Vater wollte mich mit Astoria verheiraten, um unser Ansehen aufzupolieren. Du willst das gleiche mit Potter, aus demselben Grund. Es wäre nicht richtig. Unfair Harry gegenüber. Ich liebe ihn. Aber ich will nicht sein Anhängsel sein oder ihn dazu benutzen, wieder gesellschaftsfähig zu werden.“
Narzissa legt nun auch die andere Hand auf seine Schulter. Sie schüttelt leicht den Kopf und ihre Miene zeigt eine Spur Enttäuschung.
„Du zweifelst meine Absicht an, dich glücklich sehen zu wollen? Denkst du wirklich, ich möchte dich wegen seiner Berühmtheit an Potters Seite sehen? Da kennst du mich aber schlecht. Ich habe Potter damals absichtlich für tot befunden, um ihm eine weitere Chance zu geben, den Dunklen Lord doch noch zu töten und damit dich in Sicherheit zu wissen. Du solltest eine Zukunft haben … und nicht als Todesser weiterleben müssen.“
Narzissa räuspert sich etwas verlegen bevor sie weitespricht.
„Und ich möchte dich wirklich nur an seiner Seite sehen, weil ich weiß, dass du dann glücklich bist. Das andere ist allerdings ein durchaus willkommener Nebeneffekt. Und darüber hinaus ein gutes Argument, deinen Vater umzustimmen. Und wie du letztendlich für andere an Potters Seite wirkst, ist ganz allen deine Sache. Es liegt an dir, ob du Potters Anhängsel sein wirst oder ein gleichwertiger Partner, der Schulter an Schulter neben ihm steht. Probier es einfach aus.“
Draco ist sichtlich überrascht, solche Worte von seiner Mutter zu hören. Zögerlich beginnt er zu ahnen, wie sehr sich seine Mutter anscheinend verstellt haben musste, um der Etikette der Familie Malfoy zu entsprechen.
„Solche Worte aus deinem Mund, einer Black, die nicht reinblütiger hätte aufwachsen können?“
Narzissa lächelt wieder ihr so erhaben wirkendes Lächeln, aber ihre Augen strahlen dabei so viel Liebe aus, dass es Draco ganz warm ums Herz wird.
„Der Krieg hat auch mir gezeigt was wichtig ist im Leben. Und die Liebe zu dir und zu deinem Vater war das Einzige, was mich in dieser Familie gehalten hat, nachdem Lord Voldemort zurückgekehrt war. Dein Vater hat lange Zeit nur noch gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Und als er dann nach Askaban kam und du deswegen diesen Auftrag bekamst … ich hatte solche Angst um dich. Um euch beide. Und dann noch mitanzusehen, wie meine eigene Schwester voller Begeisterung an den Lippen dieses Monsters hing, das war einfach nur schrecklich. “
Ein Schatten legt sich über Narzissas schönes Gesicht und Draco erinnert sich daran, dass seine fanatische Tante an der Liebe einer Mutter gescheitert ist. So wie Lord Voldemort auch. Er weiß jetzt, dass seine Mutter ihn immer lieben und ihm jederzeit eine Hilfe sein wird. Selbst wenn sein Vater sich noch weiter von ihm entfernen sollte, auf seine Mutter kann er sich verlassen.
Beruhigt drückt Draco Narzissas Hände, die sie ihm inzwischen federleicht auf die Brust gelegt hat.
„Danke Mutter, ich denke ich weiß jetzt was ich zu tun habe.“
Draco haucht seiner Mutter einen Kuss auf die Stirn, löst sich von ihr und geht zur Tür. Sein Herz klopft jetzt schneller und er merkt, wie die Aufregung wieder zunimmt. Er wird gleich Harry wiedersehen und diesmal sind die Umstände anders. Die Erkenntnis darüber lässt ihn noch nervöser werden. Er fängt an zu schwitzen und ist froh, als er aus der Tür tritt und ihm ein kühler Nachtwind entgegenweht. Funkelnd stehen zahlreiche Sterne am wolkenlosen Himmel, der sich tiefschwarz über das Manor spannt. Der Vorplatz um den leise plätschernden Brunnen ist schwach erleuchtet durch magische Feuer, die in regelmäßigen Abständen die ganze Zufahrt bis zum großen Eingangstor markieren, sich bei Einbruch der Dunkelheit entzünden und mit dem ersten Sonnenstrahl wieder erlöschen.
Leise knirschen Dracos Schuhe auf dem steinigen Untergrund. Draco atmet tief ein, saugt nicht nur die frische Luft in sich auf, sondern auch den beruhigenden Anblick des nächtlichen Manor. Dabei geht ihm aber nur ein einziger Gedanke durch den Kopf.
Seine Entscheidung, dem Plan seines Vaters zu entsprechen und zu versuchen, alles unter einen Hut zu bekommen, Ehe, Familie und Harry, das war eine Illusion, genährt von seiner Feigheit und dem Unvermögen, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Doch inzwischen fühlt es sich gar nicht mehr so schlecht an, dies zu versuchen. Er hat zwei Hände und einen klugen Kopf, um zu arbeiten und er hat natürlich Harry an seiner Seite. Und der Gedanke, dass Harry sein Vermögen mit ihm teilen will, der ist jetzt wirklich nicht mehr so schlimm. Außerdem hat Draco Anspruch auf einen Teil des Black-Erbes seiner Mutter. Er ist also nicht ganz so mittellos.
Innerlich vibrierend vor Vorfreude auf Harrys Gesicht, äußerlich aber ruhig und distinguiert wie immer eilt Draco durch das Tor zum Apparierpunkt. Er wirft einen letzten Blick auf das romantisch erhellte Anwesen seiner Eltern und stellt sich vor, hier bald mit Harry durch den Park zu spazieren.
Mit einem Lächeln appariert Draco nach Godric’s Hollow … einem neuen Leben entgegen?
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