von new beginning
Ann sieht auf die Uhr. 23 Uhr. Sie ist schon fast vier Stunden hier. Des Zauberers wahres Potential, das Buch, das sie sich aus meiner Sammlung ausgesucht hat, ruht unberührt neben ihr. Sie legt ihre Hand darauf. Wahrscheinlich sorgt sie sich, dass sie es heute nicht mehr lesen kann.
„Du kannst wieder kommen“, lade ich sie ein. Sie guckt weniger begeistert, als ich hoffte. „Oder, gib es mir“, zeige ich auf das schwarzmagische Grundlagenwerk und sie schiebt es in meine Richtung. Ich tippe mit dem Zauberstab auf den Umschlag, Geschichte der Magie heißt es nun dort. Außerdem öffne ich das Buch und verzaubere die Seiten, sodass sie beginnen, etwas unglaublich Langweiliges über die ersten Auseinandersetzungen zwischen Zauberer und Muggeln zu erzählen, sollte jemand anderer als Ann oder ich versuchen, das Buch zu lesen. „Jetzt kannst du es auch mitnehmen“, drücke ich ihr das Buch in die Hände. „Ich weiß, du hättest es auch selbst verwandeln können, aber vielleicht hättest du gezögert bei meinem Besitz?“
Sie schmunzelt. Steht auf. Denkt wohl, all dies war eine Aufforderung zu gehen!
„Ich glaube, ich nehme das Buch mit und komme wieder“, bilanziert sie großzügig.
Sie macht noch einen Schritt in Richtung der Tür zum Klassenzimmer hinter den Regalen. Jetzt erhebe ich mich auch.
„Es war...“ Was sage ich jetzt am Besten... „...ein guter Abend.“
Sie nickt und lächelt. „Ja, das stimmt.“
„Danke. Für die ... Absolution.“ Ich zaubere ihren Umhang von der Garderobe in Anns Armbeuge. Das dicke Buch lässt sie in der Innentasche des Überwurfs verschwinden, offenbar ein Ausdehnungszauber.
Ich grüble, ob ich Ann an mich drücken kann. Sie schien nicht gerade entspannt, als ich sie festhielt, nachdem sie in mich gelaufen war. Oder wie soll das Verabschiedungsprotokoll nun ablaufen.
„Severus, du bist … ein wenig zerstreut, oder?“, merkt sie vorsichtig und doch ziemlich frech an, „ich meine nur, deine Cerebrum-Inkommodierungslösung, auf so was muss man erst einmal kommen!“
„Fällt dir etwas anderes ein?“, rege ich mich künstlich auf, „Wie ich mich entschuldigen kann? Ein anderer Weg, der Madame mehr entspricht?“
Möchte sie, eventuell und zum Abschluss, geküsst werden?
Sie grinst. Wird schnell wieder ernst. „Warum ist es dir überhaupt so wichtig? Dass ich dir verziehen habe, Sev?“
Sie hätte mich den Trank nehmen lassen sollen und sich alles einfach selber ansehen sollen. Ich seufze. „Mir hat einmal jemand nicht verziehen. Und es war eine Katastrophe. Ich meine, es war berechtigt, und es wäre auch berechtigt gewesen, hättest du mir nicht verziehen.“ Eigentümlich. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so flüssig, knapp und logisch das Fundament meines freudlosen Lebens vorbringen kann.
„Ich habe deine Entschuldigung angenommen.“ Inzwischen hat Ann wohl mitbekommen, dass ich es nicht oft genug hören kann und tut mir diesen Gefallen, es wiederholt zu sagen. „Ich war nicht sauer. Es war mir nur so peinlich.“
„Was war dir peinlich?“
„Ich weiß nicht – alles.“
Natürlich, es ist geschmacklos, die Frau eines Scheusals sein zu wollen, glaube ich, zu verstehen.
Nach einem kurzen Moment kann Ann doch noch in Worte fassen, was sie meint. Sie spricht zum Bücherregal. „Ich hab geglaubt, ich hätte etwas Wichtiges und Gutes zu bieten. Und jetzt im Nachhinein fühle ich mich eingebildet, dass ich es nicht für mich behalten habe. Ich schäme mich, weil ich etwas von mir offenbarte, das niemand will. Mein Inneres muss hässlich sein.“
Ich erkenne: „Deshalb die Okklumentik.“
Eben diese Okklumentik fällt in sich zusammen und quillt aus ihren Augen heraus.
„Ich denke schon. Ich habe nicht entschieden, ich lerne jetzt Okklumentik, es ist ganz automatisch passiert.“
„Ann, ich...“
„Bitte, fühl dich nicht gezwungen, etwas zu sagen, nur weil ich heule. … Es ist nur so traurig, weil ich immer noch...“ Sie dreht mir den Rücken zu, um ihre Tränen, ihre ungeschützten Augen und ihr zuckendes Kinn zu verstecken.
„Ich fühle mich gezwungen, weil ich dich sehr wohl will.“
„...Den Klang deiner Stimme mag und wie du... dich bewegst und...“
Es scheint als hätte sie mir gar nicht zugehört, als ich sie fest umarme. Ich habe diesen Schmerz verursacht, ich bete, ich kann ihn auch wieder von ihr nehmen. Presse Ann mit ihrem Rücken gegen meine Brust. „Ich will dich. Ich weiß, ich habe es dir nicht gezeigt. Ich habe es versäumt. Aber jetzt lasse ich dich nicht los, bis zu es begreifst. Hörst du“, beschwöre ich sie. Sie nickt und schluchzt. Legt ihre Hände auf meine Arme. Sie weint meinetwegen - ich hätte nie gedacht, ich würde einmal jemandem so wichtig sein. Ich will sie trösten und es ist ungerecht, dass diese Umarmung mir unendlich gut tut. Bitte hör auf zu weinen. Bitte entkrampfe dich. Was kann ich noch tun. Ich bin nicht gut im Trösten, nicht geübt. Ann ist so stark, stärker als ich. Zum zweiten Mal offenbart sie mir, was sie fühlt. Ich hingegen scheitere bei jedem Versuch. Wenn Okklumentik bricht, bricht man in Tränen aus, bricht ein Staudamm. Doch bei ihr ist es in Ordnung, wenn sie weint, denn sie ist eine Frau. Und ihr fällt es bestimmt auch leichter als mir, sich zu öffnen, da ihre Seele noch in einem viel besseren Zustand ist. Ihr Inneres ist hässlich, hat sie geglaubt?
Ich hatte den Plan, mich zu vergiften, eine künstliche Ohnmacht herbeizuführen, sodass Ann meinen Geist durchforsten kann. Ich hatte gehofft, sie würde noch da sein, wenn ich aufwache, und mir sagen, dass sie immer noch etwas für mich übrig hat, auch nach allem, was sie hinter meiner Stirn gesehen hat.
Andersherum bin ich in Anns Geist eingedrungen, bis sie ohnmächtig wurde. Als sie aufwachte, war ich nicht an ihrer Seite. Ich habe sie nämlich schleunigst wegbringen lassen, von zwei schrecklichen Hauselfen. So als hätte ich Anns Inneres absolut widerwärtig gefunden.
Jetzt rollt auch mir eine einzelne Träne aus dem Augenwinkel. Ich reibe meinen Wangenknochen gegen Anns Haar.
Versuche, meine frühere Botschaft zu korrigieren.
„Du bist schön, Ann. Alles an dir ist schön.“
Sie schnaubt wegen der platten Worte, als wolle sie lachen oder als falle etwas von ihr ab. „Danke“, murmelt sie. Ann ist so wunderbar klein und beschützenswert. Sie atmet. Lehnt ihren Kopf gegen mich. Ich verstehe es nicht, aber es gefällt ihr, mir so nahe zu sein.
Und ich weiß jetzt, warum sie keine Antwort wollte auf ihren Liebesbrief an mich. Sie hatte Angst, irgendwelche Abscheu in meinen Augen zu erkennen. So wie ich kein Denkarium nutzen konnte, um Ann meine Erinnerungen zu zeigen, denn ich glaubte, das hätte bedeutet, ich muss mit ansehen, wie Anns Gesicht mich mehr und mehr zu hassen beginnt, während sie meine Vergangenheit kennenlernt. Irgendwann werde ich ihr alles anvertrauen. Jetzt im Moment mute ich ihr genug zu, damit, dass sie verarbeiten muss, dass ich sie sehr wohl begehre.
Sie riecht so gut. Ich bin dankbar, dass ich ein übergroßes Riechorgan habe. Ich führe meine Nase näher zu ihrem Hals. Du bist alles andere als widerlich, konfuse kleine Hexe. Verrückt vielleicht, weil du mir zugeneigt bist; aber keinesfalls unappetitlich für mich. Für niemanden.
Ich knurre und drücke sie noch einmal fester an mich.
Und ich habe das Gefühl, je mehr ich ihre Liebe erwidere, desto mehr heile ich den Teil in mir, der unerwidert liebt.
Ich sollte nicht so davon profitieren, sie zu trösten. Aber das ist, was ich empfinde. Dies ist mein glücklichster Augenblick seit ich weiß nicht wie lange.
Ich will Ann etwas zurückgeben. Aber ich weiß nicht wie. Ich will etwas für sie tun, aber was?
„Ich habe eine ziemlich gute Schokolade da“, flüstere ich ihr ins Ohr.
Sie jammert: „Severus, ich kann doch nicht mein eigenes Mitbringsel auffressen!“
„Nicht? Oder hast du Lust auf Lakritzschnapper?“, preise ich an und rücke mit meinen Lippen bis zu ihrem Mundwinkel vor, sodass ich sie beinahe küsse.
Ich habe wohl die Erinnerung an die Albernheit ihrer Freundin, den schwarzgekleideten, schnippischen Tränkemeister mit der bissigen Süßigkeit zu vergleichen, wachgerüttelt. Ann lacht und weint gleichzeitig.
„Merlin“, ächzt sie, trocknet ihr Gesicht mit ihrem Umhang. Ich schaffe ihr Platz dafür, innerhalb meiner Umarmung, ohne sie loszulassen.
Doch jetzt möchte sie an ihren Zauberstab an ihrer Seite, also gebe ich nach und löse mich von ihr.
Magisch beseitigt sie alle Spuren ihres Ausbruchs, während sie sich zu mir umdreht. Sie holt tief Luft. Ich starre sie an.
Ich weiß, ich muss es tun, obwohl ihr Anblick, ihre Schönheit, ihr junges Alter – und, nicht zu vergessen, meine Professur - Ehrfurcht und somit Skrupel in mir wecken. Dies ist meine letzte Gelegenheit heute Nacht, also warum sollte ich es mir zweimal überlegen.
„Nun ... dann“, sagt sie unschlüssig, blickt zur Tür, bewegt sich näher dorthin.
„Du gehst nirgendwo hin!“ Ich klinge bestimmt und erbarmungslos. Meine Hand schnellt an die Wand, neben ihren Kopf. Sie reißt die grünen Augen auf, denkt wohl, das war knapp. Der Weg ist ihr versperrt. Die zweite Hand lege ich behutsamer über ihrer anderen Schulter ab. Die Arme beugend, trete ich nahe an meine Schülerin heran. Sie lächelt und sieht zu mir auf, legt die Hand an meine Hüfte. Neben ihrer Anmut komme ich mir vor wie ein Dementor. Bevor mich dieser Gedanke noch von meinem Vorhaben abbringen kann, gehe ich schleunigst gänzlich auf Ann los, fange ihre Lippen mit meinen ein. Ich weiß, ich muss sie mit meiner Zunge aufbrechen. Ich stoße in sie, wieder und wieder. Vereinnahme sie, fülle ihre Mundhöhle aus, so gründlich es nur geht. Das ist das Ritual. Jetzt gehört sie zu mir.
Als ich von ihr ablasse, rinnt ein wenig Speichel ihren Mundwinkel hinunter und ihr Blick merkt an, dass das unerwartet ungeübt schmeckte. Natürlich muss es so sein, denke ich betreten. Ich nehme meine Hände zu mir zurück und versteife mich.
„Jetzt darfst du gehen“, gestatte ich Ann selbstironisch.
Sie lächelt unerschrocken.
„Wenn du möchtest“, füge ich hinzu und streiche von links nach rechts über ihr Kinn, sie lässt die Gelegenheit nicht aus, ihre Lippen gegen meine Daumenkuppe zu spitzen. Mein Finger gleitet zwischen ihre Lippen, an ihre Zähne und gegen leichten Widerstand in ihren Mund, bevor ich realisiere, was ich tue. Sie lässt es geschehen, aber sie ist zu verschämt, um mich anzusehen. Fühlt sich offensichtlich nicht wohl damit. Weg jetzt, ermahne und zwinge ich mich selbst.
Wie angewurzelt stehe ich vor ihr und warte, bis ihre Augen mich wieder aufsuchen. Ich weiß, das war plump, plump passt nicht zu mir, und es war viel zu viel und sie wirft ihre Arme um meinen Hals, streckt sich und küsst mich von sich aus. Ich stöhne. Halte mich zurück, an ihrer Taille fest, will herausfinden, wie sie es mag und es ihr gut machen. Ich hätte nie gedacht, dass etwas so weich und sanft und trotzdem so überwältigend sein kann. Ihre Finger streicheln sich in meinem Nacken unter den Stehkragen. Sie soll nicht die wulstigen Schlangenbissnarben weiter vorne bemerken, schießt es mir durch den Kopf, da widmet sie sich auch schon wieder ausschließlich meinem Haar und Gesicht. Ihre Zunge will spielen, habe ich begriffen. Kannst du haben - sie löst sich wieder von mir.
„Gute Nacht, Sev“, wünscht sie mir und unser gemeinsames Geheimnis liegt auf ihrem Lächeln.
„Schlaf gut“, raune ich ein wenig abgewürgt. Ich will sie nicht bedrängen – doch, eigentlich sehr wohl. Immer noch lächelt sie mit geröteten Wangen und wir küssen uns ein letztes Mal, zum Abschied beherrscht, mit geschlossenen Lippen.
„Bis morgen“, sagt sie noch, bevor sie die Tür hinter sich schließt.
Ich gucke ihr nach, solange das Holz der Tür mir nicht die Sicht versperrt. Kurz darauf höre ich die zweite Tür, vom Klassenzimmer zum Gang hinaus, gehen. Mein Herz merkt nicht, dass ich wieder alleine bin, schlägt weiterhin schnell und hart. Bis morgen, klingt es in meinen Ohren nach. Morgen werde ich wieder ihr Lehrer sein. Ich lehne mich gegen die Wand, an der ich Ann gerade noch festgenagelt hatte. Habe immer noch ihren Geschmack auf der Zunge. In meiner Brust dreht sich alles. Ich schließe die Augen, beobachte das Gefühl, bis ich wieder zur Ruhe komme. Warum habe ich sie nicht begleitet auf ihrem Weg zurück zu den Ravenclaws. Trantüte, schimpfe ich mich selbst. Gehe die letzten Stunden in Gedanken noch einmal durch. Die Erlebnisse. Etwas sehr Wichtiges fällt mir ein. Mit einem Accio hole ich mir zunächst eine Glasphiole. Dann lese ich Anns Haar vom Teppichboden auf. Verkorke es ordentlich. Und mit einem hintergründigen Grinsen freue mich auf morgen.
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Kaum vergehen 18 Kapitel, ist es endlich so weit! K U S S
Na was sagt ihr, ihr lieben Leser? ;)
Und was fragt ihr euch?
Ist Lily wirklich vergessen?
Wie soll das so funktionieren zwischen Lehrer und Schülerin?
Was hat dieser Bastard mit dem roten Haar vor?
Wird es demnächst noch zitronig?????
Bleibt in jedem Fall dran! :DD
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