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Fanfiction

Chasing the Sun - 4

von Xaveria

"They dedicate their lives
To running all of his
He tries to please them all
This bitter man he is
Throughout his life the same
He's battled constantly
This fight he cannot win..."

– Metallica, 'Unforgiven'.



Seit ihrem absurden, kurzen Gespräch mit Snape darüber, wie grauenhaft ihr Unterricht in Verteidigung war, hatte Hermine zwischen all ihrer anderen Arbeit viel nachgedacht. Es war eindeutig, dass niemand diese alte, verdorbene Hexe aufhalten konnte. Nicht mit der Macht, mit der das Ministerium sie ausgestattet hatte. Also lag ihre Chance sie in nächster Zeit los zu werden bei null. Es sei denn, sie vergifteten sie, wie es Ron vorgeschlagen hatte. Es war verführerisch, aber nein. Gleichermaßen gab es für sie alle keine Möglichkeit, etwas Brauchbares von dieser Person zu lernen. Hermine hatte bereits damit begonnen, andere Bücher in Theorie der magischen Verteidigung zu verstecken, damit sie etwas Produktives in ihrem Unterricht machen zu können und es sah ganz danach aus, dass Harry jetzt jeden Abend für das gesamte Jahr zum Nachsitzen musste. Es sei denn, seine Hand fiel zuerst ab.

Die anderen Lehrer waren auch keine große Hilfe. Sie hatten ihre eigenen Überprüfungen mit denen sie sich auseinandersetzen mussten. Trelawney würde wahrscheinlich rausgeschmissen werden. Ron hatte ihr erzählt, dass ihre Überprüfung eine einzige Katastrophe gewesen war. Die Überprüfung in Verwandlung war einfach nur herrlich gewesen, aber es würde Umbridge nur noch entschlossener machen. Die Lehrer mussten sich um ihre eigenen Probleme kümmern. Besonders denen, den sie am meisten vertraute, hatten noch genug mit dem Orden zu tun. Also war die einzige realistische Wahl es selbst zu lernen. Es kam ihr wie eine gute Idee vor und als sie Ron gegenüber das Thema erwähnte, hatte er ihr sogar zugestimmt, was schon ein Rekord war, wenn man bedachte, wie oft sie sich bereits dieses Halbjahr gestritten hatten. Aber Harry hatte nicht so reagiert, wie sie gehofft hatte. Im Grunde hatte er einen Wutanfall. Schon wieder.
Das Beste, was sie erreicht hatte, war ihn so lange vom Schreien abzuhalten, um ihn darum zu bitten, dass er es sich wenigstens überlegen würde, bevor sie glücklicherweise flüchten konnte. Es war Zeit für eine weitere Unterrichtsstunde im Krankenflügel.

Hermine betrachtete die Heilerin heute Abend erwartungsvoll. „Was machen wir heute?“ Ihre Stunden waren zumindest nie langweilig.

„Wir werden heute das, was Sie gelernt haben, in die Praxis umsetzen.“, erzählte ihr die Krankenschwester. „Sie werden heute einige der Diagnosezauber ausführen und Ihre Ergebnisse notieren, damit ich mich vergewissern kann, dass Sie nicht nur die Theorie verstehen.“

„Okay“, stimmte sie begierig zu und vibrierte schon fast auf ihrem Platz, weil sie anfangen wollte. „Wer...“

Wie gerufen flog die Tür auf und sie drehte sich mit der perfekten Ausrede über die monatlichen Schmerzen auf den Lippen um, sollte Derjenige nicht wissen, warum sie hier war. Die Tatsache, dass ein höfliches Klopfen fehlte, hätte sie warnen sollen, aber es war dennoch wie ein Schock Professor Snape zu sehen, wie er ihr einen leeren und nicht sehr netten Blick zuwarf.

„Guten Abend, Severus“, begrüßte Poppy die missmutige Figur des Zaubertränkelehrers fröhlich. „Danke, dass Sie dem hier zugestimmt haben.“

„Sie haben mir kaum eine Wahl gelassen“, antwortete er unfreundlich und warf Dilys Gemälde einen giftigen Blick zu, bevor er in die Mitte des Raumes schritt und seinen dunklen Blick in die Ferne richtete.

Er schien nicht sonderlich begeistert von der Tatsache zu sein als Versuchskaninchen herzuhalten. Hermine konnte es ihm nicht verübeln. Die Aussicht erfüllt sie auch nicht unbedingt mit Freude. Es war jedoch sinnig, da er für eine Weile ihr erster und hoffentlich einziger Patient sein würde. Darüber hinaus war die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass die Diagnosezauber etwas anzeigten, wodurch sie nur lernen konnte, aber doch bedeutete es, dass sie Magie bei Professor Snape anwenden musste. Zugegeben es wäre nicht das erste Mal, aber sie glaubte nicht, dass sie damit weiter durchkam. Sie warf Poppy einen flehenden Blick zu, welchen die ältere Hexe ungeniert ignorierte. „Wann immer Sie bereit sind, Severus.“

Sein dunkler Blick verfestigte sich nur, auch wenn er weiterhin entschlossen schien vorzugeben, dass sich sonst niemand mit ihm und Poppy im Raum befand. Nach einem langen Moment bewegte er sich, hob seine Hände und begann seine Manschettenknöpfe zu lösen, bevor er sich an den anderen Knöpfen zu schaffen machte. Er starrte weiterhin in die Ferne, als er sich des schweren Stoffes entledigte. Hermine konnte an den Fingern einer Hand abzählen, wie oft sie ihn ohne diese berüchtigt wehenden Gewänder gesehen hatte und sie hatte noch einige Finger übrig. Sich das anzuschauen, war einfach nur bizarr.

Der schwarze Gehrock folgte, gesellte sich zu dem Mantel auf dem Boden und mit seinem sturen Blick auf die Wand gerichtet stand er dort in der Mitte des Raumes nur noch mit seinem Hemd bekleidet. Durch sein dünnes Hemd sah sie, dass er darunter so etwas wie ein T-Shirt tragen musste und Dilys lachte leise. „Merlin, Severus, müssen Sie immer so viele Schichten tragen?“
„Die Kerker sind äußert schlecht beheizt“, antwortete Snape beinahe defensiv. Unbehaglich verlagerte er sein Gewicht, zuckte beinahe und war eindeutig nicht glücklich mit dieser Situation. „Fangen Sie schon an. Ich muss noch arbeiten.“

„Severus, seien Sie nicht so kindisch.“, tadelte Poppy ihn. „Sie wissen, dass Sie noch nicht fertig sind. Sie wissen vermutlich mehr über das Heilen als ich. Sie haben zumindest mehr Ahnung vom Unterrichten. Wenn alles bei Ihnen in einem Streit endet, wird das hier doppelt so lange dauern. Dilys, hören Sie auf ihn zu ärgern.“

Ein Nerv unter seinem linken Augen zuckte kurz. Sein Kiefer spannte sich an, bevor er sich abrupt umdrehte und den Raum bis zum nächsten Stuhl durchquerte, wobei er seine Roben herbeizauberte und sie neben den Stuhl legte, als er sich setzte und damit begann, seine Stiefel aufzuschnüren. Sein strähniges Haar glitt nach vorne, um sein Gesicht zu verstecken. Nachdem er seine Stiefel und Socken ausgezogen hatte, stand er auf und schlich barfuß zurück in die Mitte des Raumes. Sein Blick war eine Mischung aus Befangenheit und Wut, als er anfing, an den Manschetten seines Hemdes zu zerren. Hermine schluckte schwer und warf Madam Pomfrey dabei einen unbehaglichen Blick zu, bevor sie sich wieder auf Snape konzentrierte. Seine Bewegungen waren jetzt ruckartig und er biss fest seine Zähne zusammen, als er halb sein Hemd aufknöpfte, es zusammen mit dem darunterliegenden T-Shirt über seinen Kopf zog und dann stand er plötzlich halb nackt vor ihr, bevor er die weißen Stoffteile auf den Boden fallen ließ und wieder auf die Wand starrte. Trotz ihrer Absicht nicht hinzusehen, starrte Hermine. Der Anblick eines Mannes mit nacktem Oberkörper war ihr nicht fremd, aber dass es Snape war, war nicht unbedingt normal.

Zunächst einmal war er unglaublich dünn. Sie konnte jede einzelne seiner Rippen ausmachen. Sein Bauch war nach innen gewölbt und selbst seine Schlüsselbeine stachen hervor. Seine Hüftknochen waren so ausgeprägt, dass es den Anschein hatte, dass sie alles waren, was seine Hose nicht herunterrutschen ließ. Er hatte auch etwas Körperbehaarung, aber nicht sonderlich viel und ein beinahe verheilter, mit Schorf bedeckter Schnitt zeichnete seine Brust. Das Dunkle Mal stach deutlich an seinem Arm hervor und sie riss unbehaglich ihren Blick davon und den Narben an seinen Handgelenken los.

Und das waren nicht seine einzigen Narben, erkannte sie, als sich ihre Augen an den Anblick gewöhnten. Aufgrund seiner blassen Haut konnte man einige nur schwer ausmachen, aber je nachdem wie das Licht auf ihn fiel, erkannte sie kleine Kerben und Einschnitte auf seiner Haut, einer wirklich schrecklichen Narbe eingeschlossen, die über seinen Bauch und seine linke Hüfte fuhr und in seiner Hose verschwand. Bei näherem Hinschauen erkannte sie, dass es im Grunde zwei Narben waren. Eine vermutlich von einer Blinddarmentfernung und die Andere konnte wirklich alles sein. Vollkommen in seinem Anblick verloren, begann Hermine ihn langsam zu umkreisen und schnappte laut nach Luft, als sie seinen Rücken sah.

Auch hier war seine Schlankheit schmerzhaft offensichtlich. Seine Schulterblätter schnitten durch seine Haut. Selbst aus diesem Blickwinkel konnte sie seine Rippen erkennen und sogar seine einzelnen Wirbelknochen waren sichtbar. Aber es war der Zustand seiner Haut, den sie bemerkte, besonders da es hier keine Haare gab, die irgendwelche blutrünstigen Details verstecken könnten. Weitere halb verheilte Wunden schnitten über seine Schultern und seinem Rücken. Hier war der Schorf dunkel, trocken und an einigen Stellen wurden die Wunden von bereits vorhandenen Narben unterbrochen. Seine Haut war mit Narbengewebe in verschiedenen Stufen geflickt. Es gab sehr alte, bereits verbleichte Narben bis hin zu noch frischen, rötlichen Verletzungen. Sie erkannte Brandnarben, saubere Schnitte und zerklüftete Narben, die wirklich alles sein konnten und noch kleinere, die sie nur schwer zuordnen konnte. Zusätzlich zu den ganzen Narben war sein Körper gesprenkelt mit Blutergüssen. Zum größten Teil auf seinen Rippen und Armen, aber auch an seinem Rücken, als ob er in irgendetwas hineingeworfen worden war.

„Genießen Sie den Anblick?“, zischte er plötzlich und riss sie augenblicklich wieder zurück in die Realität. Seine Stimme war eisig und als sie ihn umrundete, um ihn anzusehen, lag pure Wut in seinen schwarzen Augen, als er errötete.

„… es tut mir leid, Sir.“, flüsterte sie unsicher und versuchte nicht allzu offensichtlich zurückzuschrecken.

„Severus, lassen Sie sie in Ruhe. Sie haben dem zugestimmt. Und Sie sind noch nicht fertig.“

„Nein“, schnappte er und errötete noch weiter. „Ich werde mich nicht noch weiter erniedrigen. Das ist alles, was Sie bekommen werden.“

Und danke Gott dafür, dachte Hermine inbrünstig. Erstens, er würde sie umbringen. Zweitens, sie wusste, dass Heiler oft mit Nacktheit konfrontiert wurden, aber dafür war sie jetzt einfach noch nicht bereit und selbst wenn sie es wäre, zuerst würde die Hölle zu frieren, bevor sie sich mit dem Gedanken an Snape in dieser Situation anfreunden konnte. Drittens, er würde sie umbringen. Schon wieder. Es war etwas seltsam, dass es ihm so unangenehm war, überlegte sie und blickte dann unsicher in seine Richtung. Sicherlich musste er bereits daran gewöhnt sein, sich vor irgendwelchen Heilern zu entblößen. Zugegeben, ganz sicher keine Heiler in der Ausbildung, die noch dazu seine Schülerin und darüber hinaus noch mit dem Jungen befreundet war, den er über alles hasste. Nein, also schön, sie konnte durchaus verstehen, warum es ihm mehr als unangenehm war. Außerdem war er kein Ölgemälde. Er musste immerhin wissen, wie er aussah und sie konnte sich keinen Mann vorstellen, der erfreut wäre, wenn ihn ein junges Mädchen in dieser Situation ansehen würde.

„Dann machen Sie endlich“, knurrte Snape und unterbrach ihre Gedanken. Kaum in der Lage einen Aufschrei zu unterdrücken, nickte Hermine und griff nach Tinte, Pergament und ihrem Zauberstab und machte sich an die Arbeit.

Keiner der Diagnosezauber, die sie benutzte, lieferte irgendwelche gesunden Ergebnisse und nach einer Weile bekam sie langsam ein mulmiges Gefühl. In diesem Mann war so viel falsch, dass es wirklich ein Wunder war, dass er überhaupt noch stehen konnte. Zum größten Teil konnte sie nur raten, was die ungewöhnlichen Ergebnisse bedeuten könnten. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich bei einigen irrte. Und keiner der Zauber schien das Dunkle Mal bewältigen zu können. Sie konnte nichts in der Nähe seines linken Armes empfangen und versuchte somit nicht darauf zu blicken.

Irgendwann murmelte sie gedankenverloren: „Ich kann die Ergebnisse hier nicht ganz einordnen.“

Sie fiel beinahe vorn über als Snape knapp antwortete: „Wo?“ Sie blickte sich um und bemerkte gleichzeitig seinen finsteren Blick und die Tatsache, dass sie beide alleine waren. Mit oder ohne Hemd, sein Blick war noch immer zutiefst einschüchternd.

„Ähm...“

Er starrte sie an. „Madam Pomfrey wurde weggerufen. Zumindest behauptet sie das.“, fügte er säuerlich hinzu. Er war wütend in diese Situation gebracht worden zu sein, aber Hermine erkannte, dass die Wut nicht auf sie gerichtet war oder er hätte ihr gegenüber schon längst seine Beherrschung verloren.

„Wo erhalten Sie die unbekannten Ergebnisse?“

Zögernd deutete sie auf die Stelle und er knurrte verzweifelt. „Im Gegensatz zum weitverbreiteten Irrglauben, besitze ich keine Augen in meinem Hinterkopf. Zeigen Sie es mir.“

Sie biss sich auf ihre Lippe, als sie zaghaft zwei Finger auf eine narbenfreie Stelle auf seinen Rücken legte. Seine Haut war kühl unter ihrer Berührung und er zuckte sichtbar bei diesem Kontakt zusammen. „Ah. Das wäre dann die Leber. Allerdings aus einem falschen Winkel. Spezifische Hepatitis-Zauber sollten hier helfen.“, sagte er ihr mit einer Gelassenheit, die er nicht ganz besaß und legte eine Hand auf seine Seite. Er vermied den Augenkontakt und war dermaßen angespannt, dass er bereits zitterte. „Ihre Resultate deuten auf eine Zirrhose hin aufgrund einer untergeordneten, chronischen Hepatitis.“

„Gelbsucht?“, fragte sie überrascht.

„Offensichtlich“, knurrte er. „Oder glauben Sie etwa, dass dies meine natürliche Hautfarbe ist? Selbst der Kerker würde einem das hier nicht antun.“ Er hatte einen Punkt, obwohl sie es besser wusste, dies auch zu sagen.

Die Frage nach der Ursache seines Leberschadens lag bereits auf ihrer Zunge, aber sie zügelte sich, zum einen Mal, weil sie seine Wut nicht auf die Probe stellen wollte und teilweise, weil sie es momentan wirklich nicht wissen wollte. Nickend notierte sie es sich. Madam Pomfrey würde es später so oder so mit ihr durchsprechen.

So erschreckend und nervenaufreibend es war, so war es auch faszinierend und sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bevor sie erneut das Wort ergriff. „Sir, hier ist noch ein Befund, den ich nicht ganz verstehe. Es bezieht sich nicht auf ein bestimmtes Organ, aber es scheint auch kein Rückstand irgendeiner Wunde oder eines Zaubers zu sein.“

„Wo?“

„Ah...“ Sie schluckte schwer und lief rot an. Sie lehnte sich zurück und betrachtete seinen geflickten Rücken, während sie nur darum betete, dass er sich jetzt nicht zu ihr umdrehte. „Unterhalb Ihrer Taille“, murmelte sie letztendlich und hörte, wie er, als er sich anspannte und seine Hände zu Fäusten ballte, scharf nach Luft schnappte.

Nach einer viel zu langen Pause sagte er kurz angebunden: „Nichts, um das Sie sich sorgen müssten. Es ist kein Bestandteil Ihrer Ausbildung zur Heilerin.“

„Wir werden nicht immer im Krieg sein, Sir“, protestierte sie sanft. „Und was soll ich machen, wenn ich eine Verletzung finde, die ich nicht erkenne? Mich bei dem Patienten entschuldigen und ihm sagen, dass ich ihn nicht behandeln kann, weil meine Ausbildung zu gradlinig war?“

„Sie werden dieses Problem bei keinem Ihrer Patienten finden.“, knurrte er. „Wenigstens einmal in Ihrem Leben, Miss Granger, lassen Sie es gut sein und hören Sie auf Ihre Nase in Dinge zu stecken, die Sie nichts angehen.“

„Severus“, unterbrach Dilys ihn ungewöhnlich vorsichtig und leise von der Wand. „sie wird es schon bald herausfinden. Sie muss es. Wollen Sie, dass sie es lieber von Ihnen oder von uns erfährt?“

Snape starrte eine ganze Weile in die Ferne. Eine Ader pulsierte kurz in seiner Schläfe, sein dünnes Gesicht verlor das letzte Bisschen an Farbe, bis auf seine geröteten Wangen und er begann leicht zu zittern. Hermine wich zurück und ging leicht in die Knie, bereit zu rennen, sollte er explodieren. Sie versuchte nicht in Panik zu geraten, als sie sich fragte, was in aller Welt so schlimm sein konnte. Sie hatte keine Ahnung, was das Ergebnis bedeutete, aber...

„Sind Sie bereits zur Schweigepflicht vereidigt worden, Miss Granger?“, fragte Snape schließlich mit angespannter Stimme.

„Nein, Sir“, antwortete sie ihm ehrlich, „aber ich würde niemals Ihre Krankengeschichte mit jemandem besprechen, der nicht bereits darüber Bescheid weiß.“ Sie mochte vielleicht eine Gryffindor sein, aber sie hegte keinerlei Todessehnsüchte. Außerdem ging es niemanden etwas an.

Sie hörte ihn etwas flüstern, was sich verdächtig nach irgendwelchen Schimpfwörtern anhörte und schlimme noch dazu, bevor er langsam seinen Kopf schüttelte und abrupt herumwirbelte, an ihr vorbei zum Stuhl marschierte und schweigend begann, seine Kleidung aufzuheben. Er kletterte nicht unbedingt in seine Sachen, aber er lungerte auch nicht herum und war in Rekordzeit wieder angezogen.

Offenbar war für ihn der Unterricht vorbei und Hermine würde ganz sicher nicht mit ihm streiten. Schon gar nicht, wenn er in solch einer Stimmung war. Jetzt wieder komplett angezogen, rauschte er an ihr vorbei zur Tür. Er hielt mit seiner Hand an der Tür inne und drehte seinen Kopf gerade mal so weit, dass er sie aus seinem Augenwinkel heraus sehen konnte, während er weiterhin darauf bedacht war, sein Gesicht hinter seinen Haaren zu versteckt zu halten, bevor er sich wieder von ihr abwandte. Sie hörte ihn etwas murmeln, so leise, dass sie es nicht ausmachen konnte, bevor er seinen Kopf hob und sie mit einem Blick anstarrte, bei dem sie einen unfreiwilligen Schritt zurücktrat. Die Gefühle in seinen Augen besaßen die schiere Kraft, dass sie dachte, man hätte ihr in den Bauch geschlagen. Seine Wut und sein Schmerz schrien aus diesen dunklen Tiefen, nur überschattet von etwas, was Scham gleichkam.

Ein kalter Knoten schnürte ihr den Magen zu. „Oh Gott“, wisperte sie, kaum bewusst, dass sie überhaupt sprach, als sie ihn anstarrte. „Meinen Sie etwa...“

Der unruhige Sturm in seinen Augen wurde zu einem Orkan. „Ja“, zischte er. Ein Muskel zuckte in seiner Wange, bevor er seinen Blick senkte, die Tür aufriss und beinahe aus dem Raum flüchtete. Er ließ sie alleine dort stehen, während sie schockiert auf den jetzt leeren Platz starrte und nur noch seine hallenden Schritte zu hören waren. Als sie aufblickte, war Dilys Rahmen leer. Hermine starrte wieder zurück auf den Platz, wo Snape gestanden hatte, als das, was er nicht gesagt hatte, langsam sackte und sie mit einem eisigen Schrecken erfüllte, bevor sie sich abwandte. Bedacht legte sie ihre Ergebnisse ordentlich zusammen, steckte ihren Zauberstab weg und durchschritt dann ruhig durch den Krankenflügel in das kleine Badezimmer, wo dann all ihre Dämme brachen.

Mit wieder getrockneten Augen und absolut taub verließ sie schließlich das Badezimmer und fand Madam Pomfrey bereits auf sie wartend vor. Die Krankenschwester begann sanft: „Hermine, es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass Sie das jetzt schon erfahren. Und ich hätte versucht, es Ihnen schonender beizubringen, damit der Schock nicht ganz so groß wäre.“

Sie schüttelte mit dem Kopf. „Er hat es nicht geradeheraus gesagt.“, sagte sie stumpfsinnig. „Im Grunde war er... ich weiß auch nicht. Es hätte schlimmer sein können. Ich weiß noch nicht einmal, warum er es mir überhaupt gesagt hat. Also, er hat es mir nicht wirklich gesagt, aber wieso er es hat, mich erraten lassen, ich weiß es nicht…“

„Weil ich es Ihnen irgendwann hätte sagen müssen, wenn er es nicht getan hätte.“, antwortete Poppy ernst. „Mir war nicht klar, dass es jüngste Spuren gibt, die Sie erfassen konnten oder ich wäre bei Ihnen geblieben und hätte es Sie nicht alleine herausfinden lassen.“

„Ihnen war nicht klar“, wiederholte Hermine flüsternd mit noch immer demselben gleichgültigen Gefühl, als sie ein Glas Wasser annahm, um den Geschmack von Erbrochenem aus ihrem Mund zu spülen.

„Professor Snape erzählt mir nicht alles. Und ich habe bereits vor einer langen Zeit gelernt, nach gewissen … Dingen nicht zu fragen. Er ist durchaus in der Lage, die körperlichen Nachwirkungen selbst zu behandeln und er mag es nicht, wenn jemand darüber Bescheid weiß. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob der Schulleiter etwas darüber weiß.“

„Glückspilz“, sagte sie bitter. „Ich wünschte, ich hätte keine Ahnung.“ Sie versuchte das Zittern zu unterdrücken und schlang ihre Robe enger um sich. „Ich wünschte wirklich, wirklich, dass ich es nicht wüsste.“ Sie schluckte die aufsteigende Galle wieder hinunter, bevor sie sich überwand zu fragen: „Es besteht nicht die Möglichkeit, dass er schwul ist oder so?“

„Nein. Definitiv und absolut nein. Selbst wenn er es wäre, dieser Grad an Verletzungen ist nicht normal.“

Sie nickte stumpf. Nein, das wäre auch zu einfach gewesen. Sie hatte ihn immer als ein asexuelles Wesen gesehen. Mit zusammengebissenen Zähnen schluckte sie erneut und zwang sich dazu, es zu denken. Professor Snape wurde vergewaltigt. Offenbar auch nicht zum ersten Mal. Sie würgte für einen Moment, aber da war nichts mehr in ihr drin.

„Es tut mir wirklich leid, Liebes.“

„Warum? Ist es denn nicht das, was Sie wollten? Fein, Sie haben gewonnen. Ich hasse ihn nicht mehr. Ich kann ihn danach nicht mehr hassen. Glücklich?“

„Hermine...“

„Nein! Ich wollte es nicht wissen!” Sie schmeckte Salz auf ihren Lippen und erkannte, dass es ihre eigenen Tränen waren, was sie nur noch wütender machte. Sie war absolut glücklich damit gewesen, Snape zu hassen und ihn als einen herzlosen, unzuverlässigen und unfreundlichen Menschen abzutun. Jetzt zu erfahren, dass er berechtigte Gründe hatte, so zu sein, wie er war und dass er meistens stumm für Leute litt, die ihn hassten und niemand wirklich eine Ahnung hatte, zerstörte geradezu ihre beruhigenden Illusionen.

„Das weiß ich doch“, flüsterte die ältere Hexe. „Ich wollte es auch nicht wissen, als ich es erfahren habe. Selbst jetzt stelle ich keine Fragen, weil ich es einfach nicht wissen will. Aber das ist ein Teil dessen, was es bedeutet ein Heiler zu sein, besonders ein Heiler zu Kriegszeiten für den Orden des Phönix.“ Sie überreichte Hermine ein sauberes Taschentuch. „Und wir müssen uns nur mit den Nachwirkungen auseinandersetzen.“, fügte sie schonend hinzu. „Severus, Professor Snape, ist der Einzige, der es ertragen muss.“

„Wie...?“, fragte Hermine mit belegter Stimme in dem hoffnungslosen Versuch ihre Augen zu trocknen, als sie erneut zu zittern begann. Sie schaffte es jedoch nicht, den Satz zu beenden. Wie macht er es? Und warum? Was konnte ihm so wichtig sein, dass er willens war, derartige Misshandlungen zu ertragen? Er war einmal ein Todesser gewesen. Was hatte Voldemort getan, dass Snape ihn dermaßen hasste?

„Er ist Severus Snape“, flüsterte Dilys in einem annähernd sachlichen Ton und doch versagte ihre Stimme. Das Porträt zuckte mit den Schultern, als Hermine aufblickte und versuchte sich auf das Gemälde zu konzentrieren. „Das ist die einzige Antwort, die wir haben, Hermine. Nach allen vernünftigen Regeln hätte er bereits lange vor dem Ende des ersten Krieges sterben sollen. Ich weiß nicht, wie er so lange überlebt hat. Insbesondere, weil ich mir sicher bin, dass wir bisher noch immer nicht alles wissen, was ihm damals alles angetan worden ist. Etwas lässt ihn weitermachen, aber ich soll verdammt sein, wenn ich wüsste, was es ist. Er ist… erschreckend stark.“

Hermine schnäuzte sich lautstark die Nase und begann sich langsam zumindest körperlich besser zu fühlen. Sie deutete flüchtig auf die Notizen. „Wenn nur die Hälfte von diesen Ergebnissen stimmen, dann sollte er bereits tot sein.“

Die Heilerin nahm das Pergament an sich und überflog es schnell. „Nein, Sie liegen zumeist goldrichtig, meine Liebe. Gut gemacht. Und versuchen Sie sich nicht allzu viele Sorgen zu machen. Es braucht viel mehr als das hier, um Professor Snape aufzuhalten. Jeder Andere wäre bereits tot, stimmt schon, aber wie Dilys sagte… das hier ist Severus.“ Die Hexe lächelte traurig. „Noch heute erstaunt es mich immer wieder, was er alles aushält. Meistens bremst es ihn noch nicht einmal ab.“

„Er sieht sogar halb tot aus“, bemerkte Hermine mit einem Schluckauf, als sie weiterhin versuchte, ihre Schluchzer zu bekämpfen und zwang sich dazu, sich zu beruhigen, bevor sie noch vollkommen hysterisch wurde. Sie dachte einen Moment nach. „Nein, das tut es wirklich nicht. Er sollte wirklich fertig sein, aber das ist er nicht. Es ist wie... ich weiß auch nicht. Er ist wie ein Windhund oder so etwas. Es ist für einen Menschen nicht normal so dünn zu sein, aber irgendwie scheint es für ihn zu funktionieren. Ich kann es nicht erklären.“

„Ich habe schon schlimmere Beschreibungen von ihm gehört.“, antwortete Dilys mit einem Lachen. „Ich wage sogar zu behaupten, dass selbst Severus schon Schlimmeres gehört hat.“

Madam Pomfrey sah so aus, als ob sie versuchte, selbst ein Lachen zu unterdrücken, als sie nickte. „Recht unbeholfen, wenn man Ihren sonstigen Standard gewohnt ist, Miss Granger, aber ich weiß genau, was Sie meinen. Normale Regeln gelten nicht für Severus Snape. Also, wenn Sie dann Ihre Notizen in mein Büro bringen würden, werde ich uns etwas Tee machen und Ihnen dann sagen, warum die Dinge so sind, wie sie sind, zumindest soweit wir es entziffern können.“


+++++



Ihre nächste Stunde in Zaubertränke war eine der Schlimmsten in Hermines akademischer Laufbahn. Snape verbrachte den größten Teil der Stunde damit sie anzustarren, abgesehen von dem schon geradezu herausfordernden Blick jedes Mal, wenn er sich setzte, der sie schlichtweg dazu aufforderte zusammenzuzucken oder zurückzuschrecken. Man musste kein Streber sein, um zu sehen, dass er nur auf eine Entschuldigung wartete, sie auseinanderzunehmen. Hoffentlich nur verbal, aber ehrlich gesagt, war sie sich da nicht wirklich sicher. Nicht einmal Harry schaffte es oft, dieses Maß an Wut in ihm auszulösen. Es war offensichtlich, dass Snape zutiefst beschämt war, jetzt, wo sie mehr als fast jeder Andere wusste und der Mann hatte offenbar Schwierigkeiten damit die Hermine, die eine Ausbildung zur Heilerin absolvierte, mit der Hermine, die noch seine Schülerin war, in Einklang zu bringen. Genauso deutlich war es, dass er absolut kein Vertrauen in ihr Versprechen hatte, nicht darüber zu reden. Alles in allem war es eine extrem unangenehme Atmosphäre. Besonders nach einer schlaflosen Nacht und einem weiteren Weinkrampf, der sie nicht nur erschöpft, sondern auch gereizt zurückgelassen hatte. Ausnahmsweise war es mal einfach Neville, Harry und Ron sich selbst zu überlassen. Sie wollte nicht nur Snapes Wut auf sich ziehen, sie hatte dazu noch Probleme, sich auf ihren eigenen Trank zu konzentrieren, ganz zu schweigen noch den Trank von jemand anderen, besonders wenn ihr gerade verdammt viel durch den Kopf ging.

Letzte Nacht war unglaublich erschütternd, aber gleichzeitig war es auch sehr aufschlussreich gewesen. Allem Anschein nach war Snape ein medizinisches Wunder, wenn man berücksichtigte, was alles nicht mit ihm stimmte. Sein Stoffwechsel alleine war einfach nur seltsam, beinahe bizarr. Er war von Natur aus dünn und es hatte nichts mit seiner Diät zu tun. Er litt nicht an irgendeiner Essstörung, an einer Schilddrüsenüberfunktion oder irgendwas Vergleichbarem. Er nahm einfach nicht zu, besonders dann nicht, wenn er unter Stress stand. Zugegeben im Moment befand er sich selbst für seinen Standard unterhalb seines Normalgewichtes, aber es war nicht so ernst, wie es vielleicht sein sollte.

Die chronische Hepatitis war das Resultat von schwerem Alkoholmissbrauch in seiner Vergangenheit und der Versuch sie zu heilen ergab nur wenig Sinn, da er gelegentlich immer noch mehr trank, als er eigentlich sollte. Nicht oft, wie ihr Madam Pomfrey und Dilys versichert hatten, aber manchmal kam es eben noch vor. Alkoholkonsum war auch in seiner Familiengeschichte hinterlegt und angesichts seiner Kindheitserfahrung war es nur verständlich, dass er manchmal andere Methoden suchte, um es zu bewältigen. Hermine hatte sich wieder nach den Nadeleinstichen erkundigt und sie hatten ihr versichert, dass obwohl er in der Vergangenheit Drogen konsumiert hatte, er jetzt seit bereits zehn Jahren sauber war. Sie glaubten nicht, dass er wieder angefangen hatte und außerdem hatte er ihnen gesagt, dass dies nicht der Fall war. Er verfolgte auch eine Laufbahn in Selbstverletzungen. Nicht all seine Narben waren ihm von Anderen zugefügt worden, obwohl sie sich hier ziemlich sicher waren, dass er damit jetzt aufgehört hatte.

‚Ziemlich sicher‘ war ehrlich gesagt das Problem. Es war einfach unmöglich, ein genaues Bild von Snapes Krankengeschichte zu bekommen, einfach nur, weil er sich weigerte, irgendetwas zu bestätigen. Er versorgte einen Großteil seiner Verletzungen selbst und ignorierte meistens die, die er nicht behandeln konnte und die verheilten dann von alleine. Er stellte sich als ein ziemlich fähiger Amateurheiler heraus, zumindest was Wunden und Flüche anging und wusste genug über die nicht magische Medizin, um durchzuhalten. Sie wusste bereits, wie er seine Diät kontrollierte. Die entstand zum Teil durch ein stressausgelöstes Magengeschwür und eines weiteren, das bereits zur Hälfte verheilt war, was wiederum vermutlich seine gelegentlichen Wutausbrüche erklärte.

Die Narben, halb verheilten Schnitte und Verletzungen waren beinahe irrelevant. Snapes Schmerzgrenze war einfach nur unmenschlich und er schenkte kaum ernsthaften Verletzungen keinerlei Aufmerksamkeit. Er besaß so viele Narben, weil er sich meistens nicht darum kümmerte, sie zu heilen, was dann vermutlich wieder auf ein paar psychologische Aspekte hindeutete, die auf lange Sicht auch sein gewöhnliches Aussehen erklärten.

Sein Nervensystem war das eigentliche Problem. Die ständige Einwirkung des Cruciatus-Fluches zerfetzte langsam seine Nerven. Hermine hatte die tief gehenden Nervenzauber noch nicht gelernt, aber Madam Pomfrey hatte ihr die Ergebnisse von ihrer letzten Untersuchung gezeigt und ihr erklärt, was sie bedeuteten. Der Zaubertränkelehrer stand unter ständigen Schmerzen, weil er für gewöhnlich nicht genug Erholungszeit zwischen den einzelnen Bestrafungen hatte. Sein Kreislauf versagte ebenfalls, was dazu führte, dass seine Körpertemperatur ein bis zwei Grad unter normal lag. Sie hatte durchaus bemerkt, wie er zuvor schon gezittert hatte.
Zusammengefasst war es keine wirkliche Überraschung, dass Snape unter diesen Umständen ständig so schlechte Laune hatte.

Sie hatten versucht, das Thema der Vergewaltigungen anzusprechen, aber nur mit schlechtem Erfolg. Teilweise, weil das Thema an sich sehr erschütternd war und zum Teil, weil Madam Pomfrey und Dilys selbst nicht sehr viel darüber wussten. Snape hatte es ihnen nie erzählt. Die Heilerin hatte es mehr oder weniger zufällig herausgefunden, als sie bemerkte, dass er innerliche Blutungen hatte und darauf bestand, die Ursache herauszufinden. Er war zu schwach gewesen, um sich dagegen zu wehren. Sie hatten keine Ahnung, wie häufig es passierte, da er sich nur selten von Madam Pomfrey untersuchen ließ. Hermine rügte sich selbst jedes Mal auf ihre Lippe zu beißen, wenn sie sah, wie sich der Mann setzte. Offenbar benutzte Voldemort Sex als Bestrafung und Belohnung. Als ob sie noch einen weiteren Grund brauchte, ihn zu hassen. Sie hatten ihr gesagt, dass es wirklich selten vorkam und versicherten ihr, dass die Gerüchte um die Zusammentreffen der Todesser ziemlicher Unsinn und nichts weiter als Übertreibung waren, aber das konnte kaum Trost spenden.

Madam Pomfrey hatte Hermine ein wenig gezeigt, wie man mit solchen Fällen umging, aber hatte dann gleichzeitig hinzugefügt, dass es ihr in diesem Fall nicht sonderlich hilfreich sein würde, da Snape nicht wie andere Menschen reagierte. Falls er die übliche Scham und Schuld verspüren sollte, zeigte er sie nicht und obwohl es nur wenige Zweifel gab, dass er durch diese Vorfälle traumatisiert war, hielt er auch das unter Verschluss. Das war wohl kaum gesund, aber man konnte ihn zu nichts zwingen und er zog es offensichtlich vor, wenn sie ihn diesbezüglich in Ruhe ließen. So schrecklich es auch war, das Beste, was sie tun konnten, war es zu ignorieren, denn das war es, was er wollte und weil sie ansonsten nichts weiter tun konnten.

Das war nach Hermines Meinung, der schlimmste Teil. Alles, was sie gesehen hatte, würde sich nicht bessern. Es würde ihm weiterhin passieren, immer und immer wieder, entweder, bis er starb oder Voldemort. Leider war Ersteres wahrscheinlicher als Letzteres. Es bedeutete, dass Snape nicht in der Lage war zu heilen. Er musste weiterhin den Schmerz und die Verletzungen ertragen, die Andere schon längst umgebracht hätten, bis er schließlich selbst starb. Dann würde er den Tod vermutlich willkommen heißen.

Was macht es da noch für einen Sinn ein Heiler zu sein, wenn du niemanden heilen kannst?

Sie schielte erneut kurz hinüber zu Snapes Schreibtisch und ließ ihren Blick nicht länger als eine Sekunde auf ihm verweilen. Er starrte sie noch immer an und sein Ausdruck änderte sich nicht einen Deut, als er sah, wie sie ihn anschaute. Wenn überhaupt, wurde sein Blick nur noch härter. Hastig schaute sie wieder hinunter in ihren Kessel und Hermine begann sich zu fragen, was jetzt passieren sollte.

Offensichtlich musste sich etwas ändern. Sie mochte Zaubertränke und wollte gut in ihren ZAGs abschneiden. Das konnte sie nicht, wenn sie jede einzelne Stunde wie auf glühenden Kohlen saß, nur um darauf zu warten, dass er letztendlich seine Geduld verlor und sie verbal vernichtete. Genauso würde sie in den anderen Fächern scheitern, wenn sie weiterhin jede Nacht damit verbrachte, zu heulen oder sich den Kopf zu zerbrechen. Sie könnte auch nicht ihre Ausbildung als Heilerin fortsetzen, sollte ihr Hauptpatient jedes Mal mit kaum kontrollierter Wut reagieren, sobald sie etwas Neues über seinen Gesundheitszustand herausfand.

Sie schätzte, sie könnte einfach abwarten und sehen, ob sich die Dinge verbesserten, aber dafür war ihr Gemüt bisher noch nie geschaffen gewesen. Außerdem hatte die Situation neben all dem Schrecken und dem Mitleid, ihre Neugier geweckt. Ihre Freunde konnten alle bestätigen, wie gefährlich Hermine Granger war, wenn sie sich auf etwas konzentrierte. Jetzt wollte sie nicht nur wissen, wie Snape es schaffte alles zu überleben, sondern auch warum. Das bedeutete, dass sie mehr über ihn herausfinden musste.

Danach gehe ich zu Voldemort und gebe ihm einen dicken, feuchten Schmatzer, sagte sie sich düster.

Sie hätte sich kaum etwas Gefährlicheres aussuchen können.

Snape würde sie umbringen.


++++



Hermine kämpfte eine ganze Woche damit, einen vernünftigen Plan aufzustellen, der nicht unbedingt in ihrem schmutzigen und gewaltsamen Tod enden würde, bevor sie schließlich aufgab. Sie verbrachte einfach zu viel Zeit mit Gryffindors, gestand sie sich reumütig ein. Es gab einfach keine Möglichkeit, wie sie sich einem Slytherin, ganz zu schweigen von ihrem Hauslehrer, mit so etwas, wie auch nur einem Grad an Raffinesse gegenüberstellen sollte. Sie brauchte einen Einblick in ihre Sicht der Welt. Das Problem war, dass keiner ihrer Verbündeten ein Slytherin war und alle ihr bekannten Slytherins verabscheuten sie.

Die Idee kam ihr mitten in der Nacht im Tiefschlaf. Es gab da einen Slytherin, der vielleicht, aber auch nur vielleicht, bereit war, ihr zu helfen. Wenn sie zumindest vorsichtig genug war und nicht alles alleine versuchen würde. Es gab keinen Grund es aufzuschieben, also krabbelte sie aus dem Bett, fand ihren Morgenmantel, schlich leise aus dem Schlafsaal und die Treppen hinunter in den verlassenen Gemeinschaftsraum. Zum Schluss mit dem Versprechen, dass sie sich für ihr Bett ein eigenes Gemälde besorgen würde, kletterte sie durch das Porträt der Fetten Dame.

Diese war natürlich nicht erfreut gestört zu werden, aber ihre Empörung war nur von kurzer Dauer, als Hermine höflich darum bat, ob sie nicht eine Nachricht an das Porträt von Dilys Derwent bezüglich eines Treffens weiterleiten könnte.

Innerhalb weniger als zehn Minuten saß Hermine alleine in einem leeren Klassenzimmer nahe des Gryffindor-Turms und betrachtete das Porträt der ehemaligen Schulleiterin und Heilerin. „Ich würde gerne Phineas Nigellus treffen.“

Dilys zog eine Augenbraue hoch. „Warum?“

„Sie sagten doch, dass er einer von Professor Snapes Verbündeten ist, dass auch er ein Teil von Ihrer Truppe mit Ihnen und Madam Pomfrey sei.“

„Ja, aber das habe ich Ihnen bereits vor Wochen gesagt. Warum wollen Sie ihn jetzt treffen?“

„Weil ich glaubee, dass ich seine Hilfe brauche.“, gab Hermine leise zu. „Er ist die einzige Person, die mir einfällt, die mir dabei helfen kann, die Slytherins zu verstehen. Keiner der Schüler wird mit mir reden, selbst wenn ich es riskieren würde und ich kann offenbar ja wohl nicht Professor Snape selbst fragen. Was denken Sie?“

Die ältere Hexe runzelte mit der Stirn. „Es stimmt. Er könnte Ihnen helfen. Die Frage jedoch ist, wird er es tun oder nicht. Phineas ist ein Slytherin durch und durch. Es gibt einen Grund, warum Sie ihn bisher noch nicht kennengelernt haben. Er hasst Sie aufgrund Ihrer Herkunft. Dazu kommt, dass er nichts aus keinem guten Grund tut. Er wird höchstwahrscheinlich einen Preis verlangen und wird darüber hinaus aus reiner Boshaftigkeit eventuell Severus von Ihren Versuchen zu erzählen.“

„Das habe ich schon vermutet“, antwortete sie mit einem Schulterzucken. „Ich glaube jedoch nicht, dass ich eine große Wahl habe. Entweder gehe ich das Risiko ein, dass er mich verpetzt oder ich werde mit absoluter Sicherheit auffliegen, weil ich einfach viel zu sehr eine Gryffindor bin.“

Dilys lächelte reuevoll. „Sie sind die am wenigsten offenkundige Gryffindor in Ihrem Jahr… aber ich gestehe, das heißt nichts. Sie sind keinem Slytherin ebenbürtig und schon gar nicht Severus gegenüber. Also schön, ich werde mal sehen, was Phineas dazu sagen wird. Er wird Sie persönlich, ohne mich treffen wollen, um zu sehen, aus welchem Holz Sie wirklich geschnitzt sind. Er wird sehr unfreundlich sein.“

„So schlimm wie Professor Snape?“, fragte Hermine schelmisch.

Das Porträt schnaubte leise. „Schlimmer. Severus besitzt zumindest noch Manieren. Phineas nicht.”

„Irgendeinen Rat?“ Mir ist noch nie aufgefallen, dass Snape Manieren hat.[i]

„Seien Sie ehrlich. Er ist sehr erfahren und wird wissen, wenn man ihn belügt. Versuchen Sie, Ihr Temperament zu zügeln. Lassen Sie nicht zu, dass er Sie als eine dumme, kleine Schülerin oder eine zu emotionale Gryffindor sieht. Viel Glück.“

Dilys verschwand aus dem Rahmen und Hermine machte es sich auf ihrem Stuhl bequem, belanglos wünschend, dass sie Krummbein mitgenommen hätte. Es wäre schön, einen Verbündeten dabei zu haben und sicherlich würde ihr kleiner Begleiter sie eher verstehen als irgendeiner ihrer Freunde.

Wenige Minuten später sprach eine hochmütige, affektierte, kultivierte Stimme mit ihr. „Was glaubst du eigentlich, was du da tust, Schlammblut?“

[i]Nett.
Als sie sich herumdrehte, begutachtete sie das Porträt, welches sie mit vernichtender Verabscheuung betrachtete. Hermine hatte selbstverständlich ihre Nachforschungen angestellt und wusste, dass Phineas Nigellus Black einer von Sirius‘ Vorfahren war. Man hätte es jedoch nicht gedacht, wenn man ihn sah. „Guten Morgen, Sir“, antwortete sie so höflich wie möglich. „Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mich zu treffen.“

Er schnaubte. „Beantworte die Frage, Mädchen.“

„Wie Dilys sicherlich schon erklärt hat“, begann sie vorsichtig, „benötige ich Ihren Rat. Ich brauche Hilfe dabei, die generelle Denkweise von Slytherins zu verstehen.“

„Warum?“

Seien Sie ehrlich, hatte Dilys gesagt. Hermine atmete einmal tief durch. „Aus vielen Gründen, Sir. Zum Teil wegen des Krieges, viele der Todesser stammen aus Slytherin, genau wie Sie-wissen-schon-wer. Ich würde gerne ihr Denken besser verstehen, damit ich nachvollziehen kann, warum die Dinge zum Teil so sind, wie sie sind. Ich würde auch gerne meine Klassenkameraden besser kennenlernen. Ich sehe sie jeden Tag und weiß rein gar nichts über sie. Aber ich gestehe, zum größten Teil wegen Professor Snape.“

Sie hielt inne, um seine Reaktion abzuwarten, aber dieser Mangel an Gesichtsregung schien eine universelle Eigenschaft der erwachsenen Slytherins zu sein. Phineas könnte mit seinem emotionslosen Blick auch ein eingefrorenes Muggel-Bild sein. „Fahren Sie fort.“

„Er interessiert mich“, gestand sie. „Er war immer der Lehrer gewesen, zu dem ich nie eine Beziehung aufbauen konnte, den einen, den ich nie beeindrucken konnte. Das ist nur ein Teil davon. Ich will mehr über ihn wissen. Aber ich will ihm auch helfen und solange ich ihn nicht genug verstehen kann, werde ich ihm nie wirklich helfen können. Er lässt mich mit Madam Pomfrey arbeiten und so, weil er keine wirkliche Wahl hatte, aber selbst ein Blinder kann sehen, wie sehr er es hasst. Die Dinge könnten für uns alle einfacher werden, wenn ich eine Richtung finde, die er nicht so hassen wird.“

Das Porträt schwieg einen langen Moment. Hermine tat ihr Bestes nicht herum zu zappeln und biss sich auf ihre Zunge, um ihn nicht zu bedrängen. Letztendlich sagte der ehemalige Schulleiter garstig: „Was für ein arrogantes, kleines Schlammblut Sie doch sind, nicht wahr?“

„Bitte nennen Sie mich nicht so.“, antwortete sie ruhig.

„Stört die Wahrheit Sie dermaßen?“

„Nein, aber es ist etwas heuchlerisch. Meine Eltern sind vielleicht Muggel, aber zumindest sind sie keine Vettern. Ich bin lieber muggelgeboren als inzüchtig.“, schnappte sie. „Meine Blutlinie ist vermutlich sauberer als die Ihre.“ Es gab keine Möglichkeit, ihre Wut zu verbergen, aber sie schaffte es, ihn nicht anzuschreien.

Zu ihrer Überraschung schnaubte das Porträt und sah beinahe belustigt aus. „Interessant.“ Genervt erkannte Hermine, dass er mit ihr spielte, sie testete. Sie war kurz davor eine Antwort zu verlangen. Würde er ihr jetzt helfen oder nicht? Aber etwas ließ sie auf ihre Zunge beißen. Sie brauchte ihn dringender, als dass sie im Moment ihren Stolz brauchte.

Phineas neigte seinen Kopf und kniff seine Augen zusammen, als er sie betrachtete. Sein Blick ließ sie verstehen, dass er ein seltenes und ungewöhnliches Insekt, welches unter einer Glasplatte gefangen war, studierte, aber er schien nachzudenken. „Ich werde Ihnen ein paar Dinge erzählen, Mädchen. Einfach nur, weil ich sehen will, was passieren wird.“, sagte er schließlich. „Ein Porträt zu sein, ist sehr langweilig. Sie können sich nicht einmal annähernd vorstellen, wie langweilig. Wenn sonst schon nichts, verspricht hier zumindest unterhaltsam zu werden. Aber ich werde Ihnen nicht alles vorkauen. Wenn Sie so schlau sind, wie Dilys behauptet, dann sollten Sie in der Lage sein, es selbst herauszufinden. Falls nicht...“ Er lachte böse. „Falls Sie es nicht sein sollten, nun, dann wird Severus Sie auseinandernehmen und Sie im Regen stehen lassen. So oder so, ich werde es genießen. Also passen Sie auf, denn ich werde mich nicht wiederholen und wagen Sie es nicht, mich zu unterbrechen.“

Hermine biss sich erneut auf die Zunge, aber nickte leicht und beugte sich leicht nach vorne.

„Erstens, jeder wahre Slytherin hat für alles was er tut, mehr als einen Grund. Gleichermaßen sehen wir mehr als nur ein Motiv hinter allem, was jeder um uns herum tut. Wir setzen nichts als selbstverständlich voraus und wir glauben niemanden unbesehen.“

Sie nickte langsam, um zu zeigen, dass sie ihn gehört hatte. Sie musste das noch einmal durchdenken, bevor sie behaupten könnte, dass sie es verstand, aber sie hatte es gehört.

„Zweitens, unsere Gesellschaft ist ausschließlich auf reiche Reinblüter fokussiert. Severus ist ein armer Halbblüter. Behalten Sie das immer im Hinterkopf.“

Hermine dachte darüber nach. Phineas hielt inne und gab ihr anscheinend Zeit es zu durchdenken. Snape wäre somit ein Außenseiter. Sich in dieser Welt zu bewegen, wäre für ihn ein ständiger Kampf. Sie machte sich eine Notiz, was sie bereits aus seiner Vergangenheit kannte, noch einmal durchzugehen und noch mehr über die traditionellen Werte der Reinblüter zu finden und nickte schließlich.

„Drittens, kein Slytherin findet es einfach, jemand anderem zu vertrauen. Wir haben gelernt, uns auf uns selbst zu verlassen, die Anderen um uns herum zu benutzen, um unsere eigenen Interessen zu wahren. Severus Lektionen waren härter als die der Meisten.“

Sie nickte erneut. Sie wusste genug von Snapes Vergangenheit, um zu schätzen, dass er ein paar Probleme hatte. Phineas sagte ihr noch tiefer zu blicken, noch mehr darüber nachzudenken. Er wurde schrecklich schikaniert, beinahe über das Maß der Erträglichkeit hinaus. Er wurde mit ziemlicher Sicherheit von seinen Eltern misshandelt, er hatte anscheinend seine einzige richtige Freundin verloren. Er wurde von Institutionen verraten, die ihn eigentlich hätten beschützen sollen und er wurde regelmäßig schrecklichen Gewalttaten ausgesetzt.

„Das reicht fürs Erste“, sagte Phineas knapp. „Einen kleinen Ratschlag für Ihren zweiten Schritt. Ihr Erster war es meine Hilfe zu erbitten, was überraschenderweise für eine Gryffindor recht schlau war. Fallen Sie nicht mit der Tür ins Haus. Versuchen Sie sich nicht in sein Leben zu zwängen, zwingen Sie ihn nicht dazu seine Routine zu ändern. Versuchen Sie zumindest subtil dabei vorzugehen. Er wird etwas vermuten. Denken Sie nicht eine Minute, dass er das nicht tun wird, aber solange Sie ihm keinen festen Beweis liefern, wird er auch nicht handeln. Begründeter Zweifel ist hier Ihr Verbündeter. Das Hauptproblem mit euch Gryffindors sind eure Gefühle. Alles, was ihr fühlt, ist für die ganze Welt sichtbar auf eure Gesichter gezeichnet und dann schreit ihr es für gewöhnlich noch für den Fall, dass es niemand bemerkt hat, in die Welt hinaus. Bemühen Sie sich nicht zu sehr.“

Diesmal war ihr Nicken etwas reuevoll. Sie hatte schon vor Jahren erkannt, dass einer der Gründe, warum Snape sie so dermaßen nervig fand, der war, dass sie einfach zu sehr versuchte, ihn zu beeindrucken. Er war der einzige Lehrer, der nie ihre Intelligenz geschätzt hatte und je stärker er sie kritisierte, desto mehr hatte sie versucht diese Anerkennung von ihm zu erlangen, die sie auch von den anderen Lehrern erhielt. Selbst als sie bemerkte, dass es die falsche Herangehensweise war, hatte sie es immer weiter versucht, weil sie einfach keine andere Möglichkeit gesehen hatte.

„Noch eine Sache“, sagte ihr Phineas. „Sie sind offenbar ganz intelligent. Benutzen Sie es. Denken Sie bevor Sie handeln und lernen Sie zu beobachten. Sie wissen bereits alles, was Sie wissen müssen, aber Sie haben das Gesehene noch nicht erkannt. Achten Sie auf Ihre Umgebung und lernen Sie hinter die Oberfläche zu blicken. Analysieren Sie alles. Selbst winzige, unwichtige Details sind wichtig.”

„Danke, Sir.“

„Danken Sie mir nicht, Mädchen. Sie spielen mit dem Feuer und Sie werden es noch bereuen.” Er verstummte kurz. „Sie sollten noch ein paar Dinge über Severus wissen. Niemand ist schlicht gestrickt und er ist weitaus komplizierter als die Meisten. Die erste Sache ist Loyalität. Darüber definiert er sich hauptsächlich. Er gibt nicht viel und nicht leicht etwas von sich Preis, aber wenn er es tut, dann ist es immer während. Er ist so konstant und beständig wie die Erdumdrehung. Er wird niemals ein Versprechen brechen und niemals jemandem seinen Rücken zukehren, den er nach seinem Erachten werthält. Es ist ihm einfach unmöglich zu betrügen und er wird einen Betrug niemals vergeben.“

„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, Sir, aber er ist ein Doppelagent. Damit ist er bereits erklärtermaßen ein Verräter, oder nicht?“

„Zumindest stellen Sie eine Frage und treffen keine Aussage“, knurrte das Porträt. „Nein. Riddle hat sich das selbst angetan. Er nahm Severus’ Loyalität, hat sie zerbrochen und hat es ihm überlassen, einen neuen Weg zu wählen. Er ist kein Verräter. Die zweite Sache, die Sie begreifen müssen, ist sein Ehrgefühl. Das ist nicht unbedingt ein typischer Charakterzug eines Slytherins. Ich bezweifle, ob Sie es jemals bemerkt haben, aber Severus hat niemals jemanden angelogen. Er wird vielleicht die Wahrheit zurückhalten, er wird seine Worte verdrehen, damit die Leute falsche Vermutungen anstellen, aber er lügt niemals geradewegs heraus. Genauso gibt es Grenzen, die Severus niemals überschreiten wird. Es gibt Dinge, die er niemals tun wird. Beobachten Sie ihn, wenn er mit Ihren Klassenkameraden interagiert. Er weiß über jeden von euch genug Bescheid, um euch auf irgendwelche jämmerlichen Nervenbündel zu reduzieren, aber er würde niemals so weit gehen. Es gibt auch Dinge, die als Todesser von ihm verlangt werden, die er niemals tun würde. Er hat einen strikten Moralkodex, selbst wenn dieser eigenwillig ist.“

Hermine war in der Versuchung zu widersprechen, aber plötzlich musste sie seltsamerweise an Neville denken. Snape hatte ihn noch nie gemocht, hatte ihn immer beleidigt und schlecht gemacht, aber… also, das, was seinen Eltern zugestoßen war, musste unter der älteren Generation bekannt sein. Wenn es sein Ziel wäre, Neville zu verletzen, dann hätte er diese Karte ausspielen müssen, aber Snape hatte sie nicht einmal erwähnt. Er hatte ein paar abfällige Kommentare über seine Großmutter gemacht, zumindest bis zu dem Irrwicht-Vorfall in ihrem dritten Jahr, aber er hatte niemals Frank und Alice direkt oder indirekt erwähnt. Und obwohl er immer abfällig über Harrys Vater sprach, hatte er nicht einmal seine Mutter erwähnt oder ihre Tode in den Mund genommen.

Phineas nickte. Offenbar erkannte er, dass sie bereits in anderen Bahnen dachte. Hermine hatte das Gefühl, dass ihr Plan noch zu einigen Kopfschmerzen führen würde. Das Porträt fuhr leise fort: „Und zu guter Letzt müssen Sie sich seinem Schmerz bewusst sein. Sie können sich nicht vorstellen, was Severus alles durchgestanden hat. Niemand kann das, weil niemand alles weiß. Die Menschen reagieren alle unterschiedlich auf Schmerz. Severus zieht sich davor zurück. Er hat einen Punkt erreicht, wo ihm der körperliche Schmerz in jeglicher Form wahrhaftig vollkommen egal ist. Er hat bereits so viel durchgemacht, dass es nicht mehr relevant ist, was auch der Grund ist, warum er so leichtfertig mit seinem Leben umgeht. Jedoch lässt ihn das anderen Schmerzarten gegenüber sehr verletzbar sein. Er versucht sich zum Selbstschutz davon zu isolieren, aber er kann sich nicht vor allem verstecken. Er ist auf emotionaler Ebene dermaßen beschädigt, dass niemand, vermutlich noch nicht einmal er selbst, es verstehen kann. Er ist nur noch am Leben und bei Verstand, weil er es schafft, ein zerbrechliches Gleichgewicht zu halten. Seien Sie vorsichtig, Miss Granger. Ein einziger Fehler könnte katastrophale Auswirkungen haben. Beginnen Sie jetzt zu verstehen, was Sie da versuchen wollen?“

Hermine schluckte. „Vermutlich nicht.“

„Zumindest ehrlich. Dumm, aber ehrlich.” Er kniff seine Augen zusammen. „Was werden Sie jetzt tun?“

Sie dachte darüber nach. „Versuchen etwas zu schlafen. Wenn ich ausgeruht und beruhigt bin, werde ich darüber nachdenken und mich dann entscheiden.“ Sie blickte mit einem kleinen Lächeln zu dem Porträt auf. „Keine voreiligen Sprünge, ich verspreche es. Ich bin nicht immer eine absolute Gryffindor.“

Er schnaubte. „Das werde ich erst glauben, wenn ich es sehe. Und denken Sie daran, dass der gesamte Ausgang des Krieges vermutlich von Severus mentalem Gleichgewicht abhängt und wie lange er es schafft, dieses Gleichgewicht noch zu halten. Machen Sie es nicht noch schlimmer.“

„Nur kein Druck, was?“

„Ha! Viel Glück, Mädchen. Sie werden es gewiss brauchen.“


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Meike Bruhns, Berliner Zeitung