von Kelly
Mary Duvall und ihr Zwillingsbruder Mason warteten, bis alle schliefen, dann nahmen sie leise ihre heimlich gepackten Sachen und schlichen sich die Treppe in den Gemeinschaftsraum hinunter. „Leise“, ermahnten sie sich gegenseitig, während sie zum Portrait schlichen. „Sir Cardogan, bitte erschrecken Sie nicht“, begann Mary und legte den Finger an die Lippen. „Bitte lassen Sie uns hier raus, wir halten es nicht mehr aus.“ Das Mädchen begann zu weinen und wurde von ihrem Zwilling getröstet.
„Ihr wollt flüchten, eure Kameraden in Stich lassen?“ flüsterte das Portrait zurück.
„Ja, wir wollen die Direktorin bitten, uns in ein anderes Haus einzuteilen oder, wenn das gar nicht geht, uns rauszuschmeißen“, flüsterte Mason zurück.
„Sind eure Absichten ehrlicher Natur oder plant ihr Unheil für die anderen Häuser?“
„Nein, ganz bestimmt nicht. Auf keinen Fall wollen wir ihnen schaden“, beteuerte Mason sofort und Sir Cadogan glaubte dem Jungen. Er öffnete die Tür und die Zwillinge huschten hinaus. „Folgt mir“, Sir Cadogan verließ seinen Rahmen und begleitete die Kinder zum Direktorenbüro. Einen Bekannten von ihm hatte er bereits vorausgeschickt, um die Direktorin zu informieren. Diese erwartete Mason und Mary Duvall bereits, doch sie war nicht alleine: Regulus Black, Severus und Hermine Snape, Godric und Bellatrix Gryffindor, Poppy sowie Pomona Sprout waren ebenfalls dort.
„Sie sind spät unterwegs, Ms Duvall, Mr Duvall“, leitete Severus die Unterhaltung ein. „Die Sperrstunde begann vor vier Stunden.“
„Wir, wir konnten nicht früher weg, da alle wach waren. Sie hätten uns nicht gehen lassen.“ Mason zog seine weinende Schwester in die Arme. „Wir, wir möchten gerne wechseln, oder, wenn das nicht geht, bitten wir darum, dass Sie uns hinauswerfen. Wir halten es nicht mehr aus in unserem alten Haus, da gehen wir lieber zu unserer Stiefmutter zurück, die keine Zeit für uns hat. Dort wird nur noch gehetzt und gezetert. Bitte, wir flehen Sie an. Sie können uns auch gerne unter Veritaserum befragen oder Okklumentik anwenden.“
„Das habe ich bereits“, antwortete Godric, „Sie sagen die Wahrheit.“ Die Zwillinge atmeten auf, ihnen wurde also geglaubt.
„Wo möchten Sie denn gerne hin?“
„Ist uns egal, nur nicht zurück“, flehte Mary und Tränen strömten über ihre Wangen. „Wir würden auch im Kerker auf dem Gang schlafen oder im alten Gewächshaus oder der Heulenden Hütte.“
„Wie lange hast du schon nicht mehr richtig geschlafen, Mary?“ Poppy schwang schon den Zauberstab wegen eines Diagnosezaubers.
„Zwei Wochen.“
„Mason?“
„Eine Woche.“
„Das reicht, ihr kommt erst einmal mit in den Krankenflügel und schlaft euch aus“, erklärte Poppy streng.
„Und danach geht es für euch ins neue Gryffindor. Dort ist noch Platz genug“, erklärte Godric. „Peeves vermutete schon seit einigen Tagen, dass ihr flüchten würdet und informierte uns darüber.“
„Sind wir deshalb so leicht weggekommen?“ wollte Mary wissen.
„Ja, Peeves informierte nicht nur uns, sondern auch Sir Cardogan, der zusammen mit ihm die Augen offenhielt. Auch Myrte wusste Bescheid und hielt die Augen und Ohren offen“, bestätigte die Direktorin. „Ich werde Ihre Familie informieren, damit sie weiß, dass sie wieder nach Gryffindor gehören.“
„Wir haben nur noch unsere Stiefmutter und die hat ganz wenig Zeit“, Mason zuckte mit den Schultern. „Susie stört der Wechsel nicht.“
„Gut, dann spare ich mir den Brief“, Minerva beschloss, diesen Umstand mit den anderen Anwesenden zu besprechen. „Ihr seid für den Rest der Woche vom Unterricht befreit, schlaft euch erst einmal aus und richtete euch in eurem neuen Haus ein.“
Am Tisch der Namenlosen fiel beim Frühstück das Fehlen von Mary und Mason noch nicht einmal auf und die Direktorin erwähnte diesen Umstand auch nicht. Dafür waren die Slytherins natürlich bestens informiert, denn Hermine hatte schon mit den Freunden gesprochen, die es an die restlichen Hauskameraden weitergaben. „Bin gespannt, wann es denen auffällt, dass zwei aus ihrem Hause fehlen“, brummte Theo. „Da denkt anscheinend jeder nur an sich, aber an niemand anderem aus dem eigenen Haus.“
„Sehe ich auch so“, Blaise nickte bestätigend. „Wir sollten überlegen, wie wir jetzt auf die Zwillinge aufpassen.“
„Sie haben mit mir einige Stunden“, berichtete Aidan und zog seinen Stundenplan hervor.
„Sehr gut, dann bleibt zusammen“, forderte Harry von seinem Cousin.
„Geht klar“, meinte dieser nur, „außerdem sollten wir mit den Huffs und Ravs sprechen.“
„Das leiten wir gleich in die Wege“, Blaise stand kurz auf und sprach mit den Viertklässlern aus seinem Hause. Diese nickten eifrig und versprachen, später umgehend ihre Klassenkameraden aus den anderen beiden Häusern einzuweihen. „Die Minis übernehmen die Aufgabe.“
„Sehr gut, dann ist der Punkt abgehakt. Draco und ich sind später bei der Lehrerversammlung dabei, da werden wir darüber berichten“, Hermine nickte ihrem Mann an der Lehrertafel zu.
Gegen 15.00 Uhr fand die Lehrerversammlung samt Bibliothekarin, Schulheilerin, den männlichen Gründern sowie den Schulsprechern statt. Die Direktorin berichtete über den Vorfall von vergangener Nacht und auch, dass sich die Zwillinge zur Zeit im Krankenflügel befanden. „Mary und Mason berichteten uns, dass sie seit einer bzw. zwei Wochen nicht mehr richtig geschlafen hätten. Im Krankenflügel können sie sich erst einmal erholen. Zudem hab ich sie für den Rest der Woche vom Urlaub freigestellt. Zudem berichteten die Kinder, dass sie nur noch ihre Stiefmutter hätten, diese hätte nur wenig Zeit und 'Susie' wäre mit dem Hauswechsel einverstanden.“
„Das ist kein Zustand für die Kinder“, entrüstete sich Bellatrix sofort. „Das heißt doch im Klartext, dass die Kinder zu Hause sich selbst überlassen sind.“
„Ganz genau“, bestätigte Poppy grimmig. Ich hab mich vorhin mit den Zwillingen nach dem Frühstück ausgiebig unterhalten. Der Vater starb vor sieben Jahren und hinterließ sein Geld zu gleichen Teilen seiner zweiten Frau und den Zwillingen. Die Stiefmutter hat nie Kinder haben wollen und ist froh, dass Mary und Mason nur im Sommer zu Hause sind. Sie ist im Übrigen Reisereporterin, hat von ihren Eltern gut geerbt und ist nur sehr selten zu Hause. Wenn sie zu Hause ist, möchte sie natürlich ihre Ruhe haben. Aber sie misshandelt Mary und Mason nicht – die Zwillinge sehen sie auch nicht als Stiefmutter, sondern vielmehr als Kumpel, als Freundin an. Die leibliche Mutter starb zwei Jahre nach ihrer Geburt. Ich würde die Zwillinge gern zu mir nehmen, wir verstehen uns gut und ich wollte immer schon Kinder haben. Wenn die Kinder und auch die Stiefmutter einverstanden sind, könnten wir es noch vor den Ferien perfekt machen.“
„Bist du dir da ganz sicher, Poppy?“
„Ganz sicher, Godric. Die Zwillinge gehörten niemals zu den Unruhestiftern in Gryffindor, wie jeder bestätigen kann. Sie hatten nur das Pech, dass sie bislang durch das Raster fielen.“
„Dann sprich gleich heute mit Mary und Mason und wenn dieses Gespräch positiv verläuft, setzen wir einen Brief an die Stiefmutter auf. Deine Wohnung können wir entsprechend erweitern, das dürfte kein Problem sein“, erklärte Salazar. „Für jedes Kind kommt halt ein großes Zimmer nebst eigenen Bad dazu und auch deine Küche können wir erweitern.“
„Aidan hat einige Stunden mit den Zwillingen gemeinsam“, berichtete Draco, „er wird sie dann im Auge behalten. Außerdem hat Blaise dafür gesorgt, dass die Viertklässler aus Slytherin die Klassenkameraden aus Hufflepuff und Ravenclaw einweihten. So müsste eigentlich gewährleistet sein, dass sie gut geschützt sind. Während der Freizeit passt das gesamte Haus Slytherin auf Mason und Mary auf, wie auch schon auf die kleinen Gryffindors.“
„Vielleicht wäre es auch gut, wenn Mary und Mason das restliche Schuljahr bei uns in der gemeinsamen Wohnung schlafen, sollten sie sich für mich als neue Mutter entscheiden“, schlug Poppy vor. „Sie können jederzeit in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, aber vielleicht gibt es ihnen eine gewisse Form der Sicherheit. Vor allem Mary schläft ziemlich unruhig wie ich feststellte.“
„Da würde nichts dagegen sprechen, Poppy“, gab die Direktorin ihre Zustimmung, auch die anderen Lehrer nickten. „Ihr kommt zusammen zum Frühstück und danach geht es für die Zwillinge mit ihren Klassenkameraden zu den jeweiligen Klassenräumen. Auf keinen Fall sollten sie alleine unterwegs sein.“
„Das seh ich genauso“, ergriff Severus das Wort. „Außerdem werde ich auch noch einmal mit meinem Haus sprechen, dass sie die Zwillinge besonders im Auge behalten und nicht nur die 4. Klasse. Wie Draco schon sagte, in der Freizeit passt das gesamte Haus Slytherin auf die Gryffindors auf. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn es gegenseitige Besuche in den Gemeinschaftsräumen geben würde.“
„Bei Mason und Mary muss man auch noch berücksichtigen, dass sie mich niemals ausnutzten“, erzählte danach Hermine. „Sie zeigten mir ihre Hausaufgaben, wenn sie Schwierigkeiten hatten und baten um Hilfe. Doch das kam kaum vor. Sie arbeiten auch stets zusammen, waren oft mit mir in der Bibliothek und wir teilten uns einen Tisch.“
„Du meinst also, wir sollten sie die regulären Prüfungen für die 5. Klasse machen lassen?“ hakte Salazar Slytherin nach.
„Ganz genau, schaffen sie die nicht, wiederholen sie halt noch einmal die 4. Klasse, ansonsten steigen sie ganz regulär auf.“
„Eine sehr gute Idee, Hermine“, lobte Minerva McGonagall. „Ich würde vorschlagen, dass wir das auch so mit den Drittklässlern aus Gryffindor halten. Ihre Leistungen haben sich nach ihrem Auszug sehr verbessert in allen Fächern. Wer ist dagegen?“ Niemand hob die Hand, stattdessen nickten alle zustimmen. „Gut, dann ist das beschlossen.
Poppy ging nach der Versammlung zu Mary und Mason in den Krankenflügel, die während dieser Zeit Gesellschaft von drei Drittklässlern aus Slytherins hatten. Die Kinder spielten gemeinsam Karten und hatten viel Spaß. Poppy schmunzelte, verteilte große Eisportionen und verzog sich in ihr Büro, um etwas aufzuarbeiten. Eine Stunde später gingen die Slytherins mit dem Versprechen, am nächsten Nachmittag wiederzukommen. „Na, hattet ihr Spaß?“ wollte Poppy von Mason und Mary wissen.
„Das war lustig“, Mary strahlte. „Casey, Enid und Rico sind wahnsinnig nett. Ich hab schon lange nicht mehr so viel gelacht wie eben.“ Mason nickte dazu.
„Das freut mich für euch zwei. Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt gemeinsam essen?“
„Ja, gern.“
Plaudernd und scherzend machten es sich die drei in einem Nebenraum des Krankenflügels bequem und ließen es sich schmecken. Poppy hatte über den Krankenflügel einen Zauber installiert, der sie informieren würde, sobald jemand sie brauchen würde. Doch es blieb alles ruhig. „Ich hätte da mal eine Frage an euch“, begann Poppy irgendwann das eigentliche Thema, das ihr auf dem Herzen lag. „Ich hab mir Gedanken über eure familiäre Situation gemacht und hätte euch folgenden Vorschlag zu unterbreiten: Was würdet ihr davon halten, wenn ich eure Pflegemutter werde, wenn es uns gefällt, später auch gerne eure Adoptivmutter? Meine Wohnung würde um zwei Zimmer nebst Bädern für euch ergänzt werden. Außerdem hättet ihr die Wahl, wo ihr zukünftig schlafen wollt – in eurem Turm bei den anderen Gryffindors oder in unserer gemeinsamen Wohnung, obwohl die anderen Lehrer und sonstigen Lehrkörperangehörigen und ich schon übereingekommen sind, dass es für euch besser wäre, den Rest des Schuljahres in unserer Wohnung zu verbringen.“
„Ist das Ihr Ernst?“ fragte Mason vorsichtig, während Mary mit offenem Mund zuhörte.
„Mein völliger Ernst“, bekräftigte Poppy lächelnd. „Ich wollte schon immer Kinder haben, doch meine Ehe blieb leider kinderlos. Außerdem sehe ich ja, wie glücklich Mrs Gryffindor mit ihren vier Adoptivkindern ist und in einigen Monaten wird sie schon Großmutter und kann es gar nicht mehr erwarten.“
„Ginge das denn?“ wollte Mary eifrig wissen, ihre Wangen glühten richtig.
„Wäre alles möglich“, bestätigte Poppy. „Sobald wir uns geeinigt haben, geht ein Brief an eure Stiefmutter raus. Dann könnten wir es vielleicht schon in einigen Tagen perfekt machen. Natürlich nur, wenn ihr wollt.“
„Wir wollen!“ kam es einstimmig von Mary und Mason, beide fielen der Heilerin um den Hals.
„Gut, dann ist das erledigt und ich setzte später den Brief an eure Stiefmutter auf.“
„Die wird nichts dagegen haben“, kam es sofort von Mason. „Susie ist eigentlich ziemlich nett, doch mit Kindern hat sie es absolut nicht am Hut, gibt sie aber auch selbst zu. Sie hat Dad auch nur geheiratet, weil die Frau ihres verstorbenen Bruders sie um das Erbe bringen wollte. Das wusste Dad auch und half ihr gerne aus. Er hat sie auch nur pro forma zur Hälfte als Erbin eingesetzt. In Wahrheit hat Susie es gleich wieder an uns übertragen, doch das wird erst offiziell, wenn wir volljährig sind.“
„Eine sehr kluge Frau.“
„Ja, so ist Susie“, bestätigte Mary. „Wann dürfen wir denn bei Ihnen einziehen?“
„Du und Poppy“, kam die Antwort. „Nun, ich würde sagen, wir warten die Antwort von Susie ab und stellen dann den Antrag beim Zaubereiministerium. Wenn alles gut geht – und warum sollte das hier nicht der Fall sein – dann ist der Antrag vielleicht schon Anfang nächster Woche durch.“
„Das wäre schön“, Mary klang sehnsüchtig.
„Ja, richtig schön“, kam es von ihrem Zwilling.
„Das sehe ich auch so“, lachte Poppy. „Gut, dann gehen wir das als nächsten Punkt an.“
„Toi, toi, toi“, kam es von den Zwillingen.
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