Quidditch war viel aufregender, als Leopold zuvor angenommen hatte. Die Spieler flitzten so schnell auf ihren Besen herum, dass Leopold dachte, er würde sich alleine durchs zu sehen den Hals verdrehen. Er jubelte für Gryffindor, auch wenn sie gegen Slytherin spielten. Und er genoss wirklich die Gesellschaft seiner Sitznachbarin Clara, welche darauf bestanden hatte, mit ihm zusammen das Spiel anzusehen. Er war nur für sie mitgegangen.
Obwohl Leopold so gut wie gar nicht isoliert war, war er auch nicht sonderlich beliebt und er fand es schwierig, sich auf die anderen Schüler einzulassen. Er fand, ihn interessierten einfach nicht die Dinge, die sie so wichtig fanden – Hauspunkte, Noten, Dinge dieser Art. Er hatte zu viele wichtige Dinge und Menschen in seinem Leben verloren, um sich um solche unwichtigen Sachen Sorgen zu machen.
Jedoch entging ihm nicht alles. Irgendwann Mitte Oktober kam Clara zu ihm und hielt ihm schüchtern eine Schachtel entgegen. „Mein Bruder hat mir diese Schokofrösche geschickt – willst du einen haben?“
Leopold war nicht jemand, der gerne Süßigkeiten aß und er hatte vorher noch nie von Schokofröschen gehört, aber dennoch nickte er. Clara lächelte und überreichte ihm eine der Schachteln. „Tauscht du die Karten?“, fragte sie, als sie sich neben ihn setzte und ihre eigene öffnete.
Leopold hatte keine Ahnung, wovon sie eigentlich sprach, aber nickte weiterhin. Er schrie auf, als die kleine Schokoladenfigur beinahe aus seiner Schachtel sprang und in seinem Kelch mit Kürbissaft landete, doch er konnte den Frosch noch rechtzeitig fangen und in seinen Mund stopfen. Clara lachte und zerkaute ihren eigenen Frosch. „Wen hast du?“, fragte sie und deutete auf die Schachtel. Als Leopold in die Schachtel schaute, sah er die Karte mit einem rothaarigen, grinsenden Zauberer darauf. Er sah aus, als ob die Tatsache auf einer Karte zu erscheinen, ein krönendes Ereignis sei. Er las den Namen unten auf der Karte laut vor.
„Ronald Bilius Weasley.“
„Oh, die habe ich noch nicht!“, rief Clara aufgeregt und schnappte sich die Karte. „Wow, er sieht wirklich stolz aus, nicht? Ich habe Snape, entschuldige. Du hast bestimmt schon jede Menge von ihm.“ Sie reichte ihm die Karte aus ihrer eigenen Schachtel.
Leopold betrachtete die Karte und musste ein überraschtes nach Luft schnappen unterdrücken. Sein Haar hing wie ein langer, schwarzer Vorhang um sein Gesicht, seine Haut war eher gelblich als blass und er trug einschüchternde schwarze Roben, aber er war unverwechselbar der Severus Snape, bei dem er aufgewachsen war. Der Snape auf der Karte starrte ihn mit einem so finsteren Blick an, wie es Leopold noch nie bei ihm gesehen hatte und bei Leopolds erstauntem Blick, schnaubte Snape nur und stürmte aus dem Rahmen.
„Er macht das mit jedem, nimm’s nicht persönlich“, sagte Clara abwesend. „Und keine Sorge, er ist nicht für immer fort. Er kommt wieder zurück, wenn er glaubt, niemand schaut mehr.“
Leopold hörte kaum ihre Worte, als er die Karte herumdrehte und die unzähligen Errungenschaften eines gewissen Severus Snape las. Er hatte ja keine Ahnung, dass dieser Mann einer der Helden des zweiten Krieges war. Warum hatte Mr. Snape denn nichts gesagt? Er sollte eines dieser privilegierten Leben eines Helden leben, oder nicht? Was in aller Welt machte er in einem Waisenhaus und sorgte sich um die Kinder von Verbrechern?
Leopold drehte die Karte wieder herum. Snape war inzwischen zurückgekehrt, aber sobald er bemerkte, wie er beobachtet wurde, flüchtete er erneut. Leopold fragte sich, vor was er davonrannte, sowohl auf der Karte, als auch im richtigen Leben. Niemand würde freiwillig zum Waisenhaus kommen, es sei denn dieser jemand rannte vor etwas davon.
Er fragte sich, ob Miss Granger irgendetwas darüber wusste.
*~*~*~*
„Severus?“, flüsterte Hermine eines Nachts.
„Hmm?“, antwortete er verschlafen.
„Bist du wach?“
„Ich bin es jetzt“, sagte er verärgerter als er sich eigentlich fühlte. „Was ist los?“
„Entschuldige, ist nicht so wichtig. Schlaf weiter.“
„Ich bin jetzt wach und du würdest mich nicht fragen, wenn es nicht wichtig wäre.“ Er drehte sich, bis er auf der Seite lag und seinen Kopf auf seinem Ellbogen abstützte, damit er sie eingehend betrachten konnte. „Frag schon.“
Sie seufzte. „Ich wollte dich etwas über… sie fragen.“
Severus wusste, sie hatte die Erinnerungen gesehen und wusste genau, von wem sie sprach. „Was würdest du gerne wissen?“, fragte er leise.
„Liebst du sie noch immer?“
Merlin steh ihm bei, aber die Frau traf auch immer die wunden Punkte.
„Ich kann verstehen, solltest du es noch tun“, fuhr sie hastig fort. „Und ich würde niemals von dir erwarten, damit aufzuhören und ich werde es auch nie von dir verlangen, aber du hast gesagt, ich sei dir wichtig und du willst eine Beziehung mit mir und ich schätze, ich frage mich einfach, was genau das für dich wirklich bedeutet.“ [style type="italic"]Werde ich immer im Schatten eines Geistes stehen?[/style]
Beinahe ein Monat war inzwischen seit ihrem Geburtstag vergangen. Warum wollte sie jetzt darüber sprechen? Er spielte halbwegs mit dem Gedanken, ihr genau das zu sagen. Es sah ihr so gar nicht ähnlich – sie erschien ansonsten nie unsicher oder eifersüchtig auf seine Vergangenheit gewesen zu sein und sie war kein emotionaler Mensch, zumindest für eine Gryffindor. Ihn mitten in der Nacht damit zu stören, war einfach nur seltsam. Aber es war spät und er war müde, und wenn er wollte, dass das hier funktionierte (und dann noch etwas Schlaf bekommen), vermutete er, schuldete er ihr eine Antwort.
„Du hast meinen Patronus gesehen“, sagte er.
„Vor Monaten, als ich das erste Mal hier geblieben bin und ihnen vorgelesen habe.“
Er nickte nur, da seine Stimme belegt war. Selbst nach all den Jahren nach ihrem Tod, selbst nach dem Ende des Krieges, selbst nach all seinen Monaten zusammen mit Hermine, fiel es ihm schwer von ihr zu reden. „Lily war für eine sehr lange Zeit ein sehr wichtiger Bestandteil meines Lebens. Nein, das ist eine Untertreibung. Mehr Jahre als mir lieb sind, war sie der Grund, warum ich noch gelebt und gekämpft habe.“
Hermine nickte, aber traf nicht seinen Blick. „Was bedeutet sie dir jetzt?“
Severus seufzte. Selbst wenn es ihm leicht fallen würde, darüber zu reden, war es einfach schwierig die passenden Worte zu finden, es zu beschreiben. Er küsste Hermine auf die Stirn und suchte nach den passenden Worten. „Es wäre gelogen zu sagen, ich hätte aufgehört oder würde in irgendeiner Art aufhören sie zu lieben – sie wird immer ein Platz in meinem Herzen haben, genau, wie ich weiß, dass Weasley immer einen Platz in deinem haben wird. Aber wie mit allen Dingen, kann auch dies sich verändern und sagen wir einfach, ich habe jetzt andere, viel wichtigere Gründe weiterzuleben.“
Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Für die Kleinen“, flüsterte sie. „Sie können sich so glücklich schätzen, dich zu haben.“
„Für sie, ja, aber es gibt auch andere Dinge.“ Er wusste, er vermittelte ihr viel mehr als er wollte, aber die Gefühle waren echt, also korrigierte er sie nicht. „In der Nacht, in der… in der ich beinahe gestorben bin und Potter diese Erinnerungen gegeben habe, da habe ich wirklich gedacht, es wäre mein Ende. Ich dachte, oder ich wusste vielmehr, es würde meine einzige Chance sein noch etwas zu tun. Ich hätte auch Potter einfach nur die Erinnerungen geben können, in denen Dumbledore sagte, Potter müsste sich selbst opfern. Damit hätte ich meine Aufgabe erfüllt und es wäre vermutlich auch genug gewesen, um Potter voranzutreiben.
„Aber stattdessen, schätze ich… habe ich nach Entlastung oder eine Art Versöhnung gesucht. Ich konnte mich nie direkt mit Lily aussöhnen, also habe ich das Nächstbeste getan und die relevanten Details ihrem Sohn gezeigt. Als es dann vorbei war, war in den letzten Sekunden mein einziger Gedanke: ‚Ich habe jetzt alles getan, um es wieder gut zu machen. Ich hoffe, es ist genug.‘ Dadurch war es mir möglich, einen Großteil meiner Schuld abzulegen. Und ich konnte mich entschuldigen – ich habe alles offenbart und hoffte einfach nur, dass es reichen würde.“
„Da warst du erfolgreich. Harry war wirklich sehr gerührt“, sagte Hermine, als sie ihre Finger mit seinen verschlang. „Sehr gerührt. Was ihn betrifft, stehst du in keinerlei Schuld mehr.“
„Das habe ich bemerkt. Seine verdammte Heldenverehrung ist sowohl fehl am Platz, wie auch nervig.“
„Lass ihn. Er schätzt dich und vergibt dir und will dich nur glücklich sehen.“
„Das behauptet er zumindest, aber manchmal habe ich noch immer Schwierigkeiten, das zu glauben.“
„Severus… es ist in Ordnung, wenn du dich vor ihm nicht verschließt. Ich weiß, nach all dieser Zeit, ist es vermutlich unmöglich, aber wenn du sein Angebot eine Freundschaft aufzubauen, annehmen würdest, dann denke ich, wirst du erkennen, er ist ein wirklich guter Freund.“
Severus dachte daran, wie Potter ihm von Hermines Geburtstag erzählt hatte, ihm die Informationen gegeben hatte, damit es zu etwas Besonderem für sie wurde und er hatte den Abend hier am Grimmauldplatz verbacht, damit sie beide Zeit zusammen verbringen konnten. Potter hatte ihm sein eigenes Haus gegeben, hauptsächlich für die Kinder, aber auch für ihn. Er dachte über die Dinge nach, die Potter über seinen eigenen Vater gesagt hatte.
Freundschaft mit Potter. Es war ein Gedanke, der nicht mehr ganz so abstoßend war wie zuvor, jetzt, wo er wirklich darüber nachdachte.
„Severus?“
„Hmm?“
„Danke.“
„Für was?“
„Dafür, dass du ehrlich zu mir bist. Ich liebe es, dass du ehrlich zu mir bist.“
Er lächelte.
„Das werde ich immer sein.“
*~*~*~*
„Potter“, sagte Severus eine Woche später.
„Severus.“ Potter las den Sportteil der Abendausgabe des Propheten und stopfte sich Chips in den Mund. In den letzten Tagen aß er ständig. „Parallelschwangerschaft“ nannte er es.
„Folgen Sie mir.“
„Wohin?“ Potter wirkte etwas misstrauisch.
Snape verdrehte seine Augen. „Zu den Füßen des Dunklen Lords, Potter“, antwortete er sarkastisch. „Was glauben Sie wohl? Wir haben eine Verabredung mit einem meiner Abgänger. Ich werde Sie nicht ein zweites Mal darum bitten.“
Er sprach, als ob sie wieder zurück in Potters zweitem Jahr wären und er ihn hinunter in den Kerker zum Nachsitzen zitieren würde. Er hatte wirklich nicht vorgehabt Potter anzubetteln, aber Potter schien es als einen Befehl aufzufassen und folgte ihm unbehaglich.
„Was für eine Art von Verabredung?“, fragte Potter vorsichtig, als sie hinaus auf die vernebelten Straßen Londons traten.
„Eine unangenehme Verabredung.“ Severus warf ihm einen strengen ‚Frag nicht noch einmal‘-Blick zu und Potter fügte sich. So als ob er Potters unausgesprochene Frage hören würde, flüsterte Severus: „Ich versichere Ihnen, es ist weder etwas Illegales noch Gefährliches. Sie brauchen sich heute Abend keine Sorgen zu machen, Ginerva verwitwet zurückzulassen.“ Da entspannte sich Potter sichtlich. „Ich bin nicht Albus Dumbledore und glaube daher nicht daran, mit dem Leben anderer zu spielen, sollte ich es denn vermeiden können.“
„Denken Sie, das ist es, was Dumbledore getan hat?“, fragte Potter vermutlich, ohne darüber nachzudenken. Es lag keinerlei Anschuldigung oder Abwertung in seinen Worten, wie es vielleicht noch vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre. Es war lediglich eine Frage.
„Sie etwa nicht? Sie waren der größte Bauer von allen.“
Potter zuckte mit den Schultern. „Während diesen letzten Jahres habe ich sehr viel nachgedacht. Aber ich habe ihm immer vertraut. Ich glaube noch immer, dass er das Richtige getan hatte, selbst wenn ich schlimmer aus dem Krieg herrausgegangen bin. Aber dann auch wieder, wer ist da schon unbeschadet rausgegangen?“
„Hmm.“
Sie liefen einen Moment schweigend weiter, bevor Potter wieder das Wort ergriff: „Severus?“
„Was, Potter?“
„Hatten Sie das Gefühl, er hat dasselbe mit Ihnen gemacht?“
„Sie haben meine Erinnerungen gesehen. Er hat mich manipuliert, mein Vertrauen missbraucht, mich benutzt und hat all dies getan, indem er meine Trauer und meinen Schmerz wie eine Karrotte am Stock benutzt hat, um mich zu den unmöglichsten und verwerflichsten Handlungen zu zwingen. Zu behaupten, ich würde mich wie ein Bauer auf seinem Schachbrett fühlen, wäre massiv untertrieben.“
Severus wusste nicht, warum er sich verpflichtet fühlte, Potter zu antworten oder ihm eine ehrliche Antwort zu geben, aber er vermutete es lag einfach an Hermines Einfluss. Eines Tages würde die Hexe noch einmal seinen Tod bedeuten.
„Mir tut es wirklich leid, dass er das mit Ihnen gemacht hat, Severus.“ Potter schien es wirklich leidzutun. „Er hat so viel von Ihnen verlangt und er hat Ihre schmerzhafteste Erfahrung benutzt, um sein Ziel zu erreichen, besonders nachdem er Sie so schlecht als Schüler behandelt hatte. Oder eher, wie er zugelassen hatte, wie mein Vater Sie als Schüler behandelt hatte.“
„Sie müssen hier kein Gryffindor-Mitgefühl vergießen, Potter, und dieser Abend wäre vielleicht etwas erträglicher, wenn Sie es nicht tun würden.“
„Entschuldigung, Severus, aber die Gryffindors befinden sich in meinem Blut. Da kann man leider nichts gegen machen.“ Das Nächste, was Severus wusste, war, das Potter eine Hand auf seine Schulter legte und sie klopfte, als ob sie irgendwelche alten Schulfreunde wären.
„Was zum Teufel tun Sie da, Potter?“
„Ich, äh, gar nichts“, sagte Potter und zog hastig seine Hand weg. Nachdem sie eine Weile schweigend weitergelaufen waren, ohne sich noch einmal anzufassen, ergriff Potter wieder das Wort: „Warum ich?“
„Weil ich nicht alleine gehen möchte und ich will nicht, dass Hermine das hier sieht. Es reicht schon, dass ich den Abend, wo ich sie in das Bordell mitgenommen habe, bereue. Und“, fügte er grimmig hinzu, „wenn ich richtig informiert bin, haben Sie auf diesem Gebiet etwas Erfahrung.“
*~*~*~*
Harry wusste wahrscheinlich mehr als jeder andere, wie viel Reue Severus Snape in seinem Leben bereits mit sich herumtrug, aber es auch ausgesprochen zu hören und dann auch noch über seine Freundin, war irritierend. Snape hatte ihn freiwillig irgendwohin eingeladen. Snape redete mit ihm – vertraute sich ihm beinahe an. Harry stand kurz davor ihn auf irgendwelche Flüche oder Vergiftungen oder irgendwelche Inbesitznahmen zu untersuchen, aber er wusste auch, die einzige Person, die ohne Severus Snape in den Grimmauldplatz zurückkehren konnte, war Severus Snape selbst. Er war nicht unbedingt… freundlich, aber auch nicht er selbst. Harry fragte sich, ob Hermine etwas damit zutun hatte.
Harry verstand durchaus, dass Severus seine Schützlinge, wie alle anderen Eltern auch, beschützte und seinen Abgängern gegenüber war er mehr als nur beschützend. Vermutlich kompensierte er es dadurch, weil sie körperlich nicht länger unter seiner Obhut standen und er sich persönlich für irgendwelche Fehler oder Abschweifungen verantwortlich fühlte.
Er schnaubte innerlich. Und Hermine meint, ich kann mich in niemanden hineinversetzen.
Sie apparierten nicht direkt zu ihrem Zielort, sondern liefen lediglich durch die Straßen Londons. Es war spät, aber dennoch waren noch Menschen unterwegs, und da beide zumindest mit einem Fuß in der Muggel-Welt aufgewachsen waren, konnten sie sich gut unters Volk mischen. Harry hatte im Denkarium Ausschnitte von Snapes Eltern gesehen und kannte die Informationen, die Hermine in ihrem sechsten Jahr ausgegraben hatte. Harry fragte sich, ob sich seitdem irgendwas verändert hatte. Snape schien nichts mit seinen Eltern zu tun haben zu wollen (warum sollte er seinen Familiennamen in seinem geliebten Buch umbenennen?), aber Harry wusste auch, die Zeit und Umstände konnten die stärksten Meinungen über andere Menschen verändern.
Selbst Vater zu werden hatte ihn unglaublich darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig eine feste Elternbeziehung war und oft machte er sich um die Menschen in seinem Leben Sorgen, die ihren Eltern nicht nahe gestanden hatten. Hermine und ihre Eltern, bevor sie bei ihnen den Vergessenszauber angewandt hatte, hatten sich, während die Kluft zwischen der Muggel- und der Zauberwelt immer größer wurde, immer weiter voneinander distanziert. Es war ein Grund, warum sie nicht so hartnäckig daran arbeitete, den Vergessenszauber wieder aufzuheben. Es gab einfach keine wirkliche Beziehung, die dadurch wieder aufleben würde. Harry vermutete bereits seit einer ganzen Weile, dass es nicht ganz so unmöglich war, den Zauber aufzuheben, wie sie alle glauben ließ.
Er fragte sich, ob Snapes Eltern noch immer lebten. Hatte sich seine Beziehung zu ihnen verbessert? „Severus?“, fragte Harry schließlich. „Hat Hermine jemals mit Ihnen über ihre Eltern gesprochen?“
Snape reagierte nicht körperlich, aber Harry spürte, wie er sich anspannte. „Nicht mehr als das, was sie mir an ihrem ersten Tag in meinem Büro im Waisenhaus erzählt hat. Warum?“
„Also… sie hat gesagt, sie kann den Vergessenszauber nicht mehr rückgängig machen und Sie sind ein sehr erfahrener Okklumentiker und Legilimentor und ich frage mich, ob Sie dem auch zustimmen.“
Snape dachte einen Moment über die Frage nach, bevor er antwortete: „Das hängt ganz von dem Zauber, und wie er angewendet worden ist, ab. Hat sie einfach nur vorhandende Erinnerungen überschrieben oder sie komplett gelöscht? Hat sie es mit ihrer Zustimmung oder gegen ihren Willen getan? Hat sie einen Auslöser zurückgelassen, der den Zauber aufheben würde, oder müssen die Erinnerungen manuell wieder hergestellt werden? Dinger dieser Art. Verschiedene Faktoren müssen berücksichtigt werden. In Betracht dessen, was ich bisher weiß, hört es sich ziemlich schwierig an.“
„Aber nicht unmöglich?“
„Nur wenige Dinge sind unmöglich, wenn Magie mit im Spiel ist.“ Snape schaute zu Harry hinüber. „Will sie sie zurückholen? Sie hat es mir gegenüber nie erwähnt.“
Harry schüttelte mit dem Kopf. „Sie sagte, sie hätte es versucht und es war unmöglich und sie meinte, sie würde sie lieber in Frieden in Sydney leben lassen, als ihnen dieses Trauma zumuten zu müssen. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob ich ihr das glauben soll. Ich kenne Hermine, sie hatte es nicht leichtfertig getan und ich denke nicht, sie könnte mit sich selbst leben, wenn sie nicht eine „Hintertür“ eingebaut hätte, um es wieder aufzuheben. Die Absicht war, es nur vorübergehend zu halten, aber sollte der Fall eintreten, nun… dass sie nicht in der Lage sein sollte, es wieder rückgängig zu machen, war es dafür bestimmt, permanent zu sein.“
„Sie glauben, der Zauber kann wieder aufgehoben werden?“
Harry nickte. „Ich würde nicht einmal anfangen darüber zu spekulieren, das Auroren-Training war darauf begrenzt Gedächtniszauber anzuwenden, aber nicht sie wieder aufzuheben – ein ernsthaftes Versäumnis im Programm, wenn Sie mich fragen. Da bekannt ist, dass die dunklen Zauber oftmals ihre Opfer mit einem Vergessenszauber belegen. Aber ich glaube, es ist möglich und dass sie dem aus dem Weg geht.“
„Sollte ich mit Ihnen darüber reden?“ Snape sah etwas besorgt aus.
„Besser ich als sie“, antwortete Harry. „Ich meine, wenn sie es mal anspricht, dann sollten Sie so gut es geht auf sie eingehen, da sie nie über ihre Eltern redet, aber ich würde es an Ihrer Stelle nicht ansprechen. Sie hatten ein recht schwieriges Verhältnis, besonders zum Ende hin. Ich könnte mir vorstellen, die meisten Muggelgeborenen durchleben es – sie fühlen sich, als ob sie sich zwischen zwei Welten entscheiden müssen und die Familie fühlt sich zurückgelassen. Sie erinnern sich sicherlich an meine Tante Petunia – sie hat meine Mutter jeden Tag gehasst und tut es selbst heute noch in gewisser Weise. Ich denke, Hermines Eltern haben sie nie richtig verstanden, auch wenn sie wirklich stolz auf sie waren und es gab nicht sonderlich viel, was Hermine mit ihnen teilen konnte, besonders da sie meine Freundin war und daher ständig in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte.“
„Also war ihr Verhältnis… angespannt?“
„So könnte man es beschreiben, ja.“ Harry sammelte all seinen Gryffindor-Mut und stellte die Frage, auf die er eigentlich eine Antwort haben wollte. Aber er musste es wie ein Slytherin machen. Unterschwellig. „Sie klingen so, als ob Sie wüssten, was sie durchgemacht hat.“
Snape warf ihm einen finsteren Blick zu, aber es steckte nicht sonderlich viel Kraft dahinter. „Sie haben meine Erinnerungen gesehen. Selbst Sie sollten in der Lage sein, eine treffende Schlussfolgerung zu treffen.“
„Stehen Sie noch mit ihnen in Kontakt?“
„Ziemlich unmöglich. Meine Eltern starben, bevor ich Hogwarts verlassen habe.“ Seine Antwort war kurz und bündig, doch seine Stimme ließ nicht daran zweifeln, dass das Thema nicht weiter vertieft werden würde.
„Tut mir leid, das zu hören“, sagte Harry ehrlich.
„Nicht nötig.“
„Aber Sie waren noch so jung.“
„Älter wie Sie, als Sie Ihre Eigenen verloren haben, Potter. Wollen Sie mich deswegen jetzt verhätscheln?“
„Sie wissen durchaus, dass ich es nicht tun werde und selbst wenn, würden Sie es nicht zulassen.“
„Dann können Sie ja beruhigt sein, dass ich von niemandem Mitleid brauche.“
Vermutlich stimmte das nicht so ganz, vermutete Harry, aber er würde das Thema nicht weiter antreiben. Er entschied das Thema von den Snapes abzuwenden. „Nun, jedenfalls bin ich froh, sollte Hermine jemals den Wunsch haben ihre Eltern zurückzuholen, dann hat sie immerhin Sie an ihrer Seite.“
Snape wirbelte zu Harry herum, welcher erschrocken einen Schritt zurücktrat: „Warum sagen Sie das, Potter? Befürchten Sie nicht, dass sie jetzt viel verletzlicher ist, dass es da jetzt einen mordenden Ex-Todesser gibt, der so viel persönliches Wissen besitzt? Werden Sie sie warnen, dass Sie so viel ausgeplaudert haben? Sind Sie nicht ganz scharf darauf mir zu sagen, dass ich sie verdammt noch mal in Ruhe lassen soll?“
„Zum aller letztem Mal, nein!“, schrie Harry beinahe. „Nein. Ich vertraue Ihnen. Ich weiß, ich habe es nicht immer getan, aber damals hatte es wirklich niemand getan und offen gesagt, schien das ja auch der Plan gewesen zu sein. Niemand sollte Ihre wahren Motive kennen, denn ansonsten wären Sie absolut nutzlos als Doppelspion gewesen. Aber selbst wenn ich Ihnen nicht vertrauen würde, würde ich nichts dazu sagen. Hermine hat ein makelloses Urteilsvermögen, besser als sonst wer, so wie sie es immer und immer wieder unter Beweis gestellt hat und wenn sie glaubt, Sie seien jemand, der es wert ist näher kennenzulernen und zu vertrauen, dann reicht mir das vollkommen aus. Und selbst wenn ich Hermine nicht so bedingungslos vertrauen könnte, Sie waren der beste und treuste Freund meiner Mutter. Selbst wenn sie das zu ihren Lebzeiten nicht mehr erkannt hat, so werde ich nicht denselben Fehler begehen. Ich denke, wir können uns beide darauf einigen, dass ihr Urteilsvermögen tadellos war.“
Harry schnappte förmlich nach Luft. So eine leidenschaftliche Rede hatte er eigentlich nicht geplant, aber was soll’s, manchmal konnte er einfach nicht anders. Er hatte schon ein paar in seinem Leben gehalten.
„Lily hat unsere Freundschaft beendet, als sie erkannt hatte, wer ich wirklich war. Da haben Sie recht, da war ihr Urteil tadellos.“
Harry verdrehte seine Augen. „Ich weiß, ich habe nicht all Ihre Erinnerungen mit ihr gesehen, Severus, und dass Sie mir vermutlich noch nicht einmal alle Schlüsselmomente gegeben haben. Ich weigere mich einfach zu glauben, dass meine Mutter Sie nach dieser Nacht komplett abgeschrieben hat und ich vermute, sollte es noch jemanden geben, der darüber Bescheid wüsste, würde er es bestätigen. Viel wahrscheinlicher war es doch, dass Sie in dieser Nacht erkannt haben, dass sie Sie niemals so lieben würde, wie Sie es taten.“
„Passen Sie auf, was Sie sagen, Potter. Ich habe mein Leben vielleicht weitergelebt, aber ich werde nicht hier stehen und mit Ihnen über etwas reden, was Sie nicht verstehen.“
Harry überdachte noch einmal ihre Situation. Er wusste wie beschützend und reizbar Snape war, wenn es um seine Vergangenheit ging, aber noch nicht einmal er konnte so unsicher sein und von Harry für etwas, ganz zu schweigen einer Beziehung, die so weit in der Vergangenheit lag, Verdammnis zu befürchten, wenn Harry diese doch bereits öffentlich anerkannt hatte. Dieser Angriff kam wie aus dem Nichts, und erinnerte Harry irgendwie zurück an Hogwarts. Wenn Snape damals irgendwelche Verbindungen zu seinem Vater herstellte und sie ihm wie aus dem Nichts an den Kopf geworfen hatte. Hermine hatte mal hervorgehoben, es passierte meistens während seiner stressigsten Momente: Sirius auf der Flucht, das Dunkle Mal, welches sich weiter verdunkelte, Umbridge und Voldemort und Dumbledore, die alle irgendwelchen wahnsinnigen Anforderungen an ihn stellten. Es war alles insgesamt genug, um selbst den ausgeglichensten Menschen an dem Rande der Verzweiflung zu bringen.
Viel wahrscheinlicher war es doch, dass Snape sich ihm gegenüber weit mehr geöffnet hatte, als er eigentlich wollte oder er sich außerhalb seiner privaten Wohlfühlzone befand und er jetzt irgendwelche Verteidigungsmechanismen aufbaute, um den nötigen Abstand zu bekommen, den er benötigte. Wenn doch Hermine mich jetzt nur hören könnte, dachte Harry. Einer der Vorteile mit Ginny verheiratet zu sein, war, sie hatte ein unglaublich gutes Verständnis für die menschlichen Gefühle, obwohl sie selbst nicht so sentimental war und so hatte Harry jede Menge lernen können.
Nun, wenn Abstand das war, was Snape wollte, dann sollte Snape auch diesen Abstand bekommen. „Sie sagten, wir haben noch irgendwo einen unangenehmen Termin?“, fragte Harry leicht und signalisierte somit, dass für ihn damit das Thema abgeschlossen war.
„Ja, haben wir. Wir werden allerdings apparieren müssen.“ Nur widerwillig streckte Snape ihm seinen Arm entgegen.
„Wenn wir zu unserem Ziel apparieren müssen, warum sind wir dann die letzte halbe Stunde durch Muggel-London gelaufen?“
Snape antwortete nicht bis sie in eine namenslose Gasse appariert waren: „Keine Ahnung.“
*~*~*~*
„Hier.“ Severus zog ein Fläschchen aus seiner Tasche heraus und stieß es in Potters Hand. „Trinken Sie das, bevor wir weitergehen.“
„Was ist das?“
„Ein Zaubertrank, mit dem Sie, wie ich denke, ziemlich vertraut sind.“
Potter schnupperte daran. „Vielsafttrank. Ich gehe davon aus, da wo wir hingehen, soll ich nicht erkannt werden?“
Snape nickte.
„Muss ich die Haare noch hinzufügen?“
Severus verdrehte seine Augen. „Sicherlich haben Sie dieses Gebräu bereits so oft in Ihrem Leben genommen, um nicht fragen zu müssen?“
„Nun, vergeben Sie mir, wenn ich nicht in der Lage bin, durch ein verdunkeltes Metallfläschchen hindurchzusehen, Severus. Ist es fertig oder nicht?“
„Selbstverständlich ist es fertig. Und jetzt trinken Sie es, bevor ich Sie hier stehen lasse.“
„Ich bin nur aus reiner Gefälligkeit Ihnen gegenüber hier“, hörte er Potter murmeln, bevor er den Zaubertrank hinunterschluckte. Seine Haut begann wie Wachs zu zerlaufen und schon bald stand ein dünner, blonder Mann an Harrys Platz. Potter verzauberte stumm die Außenfassade eines Gebäudes und ein glänzender Spiegel erschien auf den Ziegeln. „Malfoy?“, rief er. „Sie haben mich in Draco Malfoy verwandelt?“
„Sein Gesicht ist in dieser Ecke der Welt weitaus willkommener als das Ihre“, entgegnete Severus emotionslos.
„Will ich wissen, wie Sie an Haare von Draco Malfoy gekommen sind?“
„Ich war ein Spion“, war alles, was Severus bereit war zu sagen.
Severus führte Potter aus der Gasse hinaus und die kurvenreiche Straße entlang. Es war eine Muggel-Gegend im Norden Londons, in der sich mittellose und hilfsbedürftige Zauberer befanden. Zauberer, die es nicht gut aufnehmen würden, den Jungen, der überlebt hatte, zu sehen. Severus bemühte sich so oft es ging am Tage hierher zu kommen, um das, von dem er wusste, was passieren würde, zu verhindern. Aber heute hatte er keine Möglichkeit gehabt, sich dafür Zeit zu nehmen. Für gewöhnlich absolvierte er solche Besuche im Alleingang, aber inzwischen war er zu der Einsicht gekommen, dass es nicht besonders klug war. Er war nicht mehr alleine. Daran musste er sich ständig erinnern.
Nachdem sie eine Weile schnellen Schrittes gelaufen waren, verlangsamte Severus schließlich das Tempo und versuchte die Person ausfindig zu machen, die er suchte. Er war nicht immer am selben Ort, aber für gewöhnlich hielt er sich immer in derselben Gegend auf. An manchen Abenden war es einfacher ihn zu finden als an anderen.
„He, Sev’rus!“ Severus und Potter drehten sich schnell herum, beide hielten innerhalb weniger Sekunden ihre Zauberstäbe in Händen, bevor sie sie wieder senkten. Sie erkannten das Gesicht. Es war so dreckig wie eh und je.
„Mundungus“, sagte Severus. „Weißt du, wo er ist?“
Mundungus nickte und deutete zu seiner Rechten. „Ist mitten auf offener Straße zusammengebrochen, nicht? Tobte über dies oder das.“
„Das habe ich mir fast gedacht. Ich werde von hier aus übernehmen. Danke.“
Mundungus begutachtete Potter, als ob er wusste, wer er in Wirklichkeit war, aber schwieg.
Severus führte Potter die Straße hinunter, auf die Mundungus gezeigt hatte. Sein Schritt legte wieder an Tempo zu und er rannte auf etwas, was mitten auf der Straße lag, zu. Etwas, was wie ein Haufen alter Lumpen aussah. Er kniete sich daneben und zeigte Potter, dass es in Wirklichkeit ein im höchsten Maße von Drogen betäubter Junge war, der dort auf der Straße lag.
„Ist das…?“
Severus nickte. „Xavier Yaxley. Sechszehn Jahre alt. Hat es nur eineinhalb Jahre in Hogwarts durchgehalten, bevor er durch die Schikane vertrieben wurde. Das Leben hier draußen… nun, es ist bisher sehr schwer für ihn.“ Ruhig zog Severus eine Phiole gefüllt mit einer grünen Flüssigkeit aus seiner Tasche, hob den Kopf des Jungens an und schüttet den Inhalt in seinen Mund. Er legte Xavier zurück und wartete, bis der Junge aufwachte. Dann regte er sich und öffnete seine Augen. Zunächst blickte er sich verwirrt um und begann dann wie verrückt zu zucken, so als ob er einen Krampf hätte. Als er Severus erblickte, beruhigte er sich langsam.
„Mr. Snape“, krächzte er.
„Was hast du heute Abend genommen, Xavier?“, fragte Severus ruhig.
„Habe mir ein paar Pillen von einem Mädchen in Camden gekauft. Sagte, sie würden mir beim Schlafen helfen…“
„Ich weiß, wenn du mich belügst, Xavier“, erwiderte Severus jetzt mit einem strengen Ton. „Der Trank ist nicht stark genug, um dich vollkommen zurückzuholen. Du weißt sehr wohl, er klärt nur für einige Momente den Verstand, um eine Diagnose zu stellen. Also sag mir, auf welchen Trip bist du?“
Yaxley vergrub seine Hand in seiner Tasche und zog unbeholfen einige winzige, blaurote Pillen heraus. Er legte sie in Severus‘ Hand, bevor er wieder das Bewusstsein verlor.
„Was ist passiert?“, fragte Potter.
„Es ist nur ein geringfügiger Ernüchterungstrank. Für zwei Minuten werden alle Symptome und Begleiterscheinungen der Droge unterdrückt, damit die Person einen Heiler rufen und ihm sagen kann, was er genommen hat, damit der Heiler in der Lage ist ihn entsprechend zu behandeln. Unglücklicherweise hat Mr. Yaxley eine Muggel-Droge geschluckt, für die St. Mungos nicht ausgerüstet ist und sie würden ihn vermutlich nicht behandeln, selbst wenn sie es könnten. Leider weiß ich das aus Erfahrung.“
„Also was machen wir jetzt? Nehmen wir ihn zurück mit zum Grimmauldplatz und verabreichen ihm dort den richtigen Zaubertrank?“
Severus schüttelte mit dem Kopf. „Nein, er braucht Muggel-Medizin. Wir müssen ihn in ein Muggel-Krankenhaus bringen. Sie müssen ihn für mich tragen, während ich ihm mit ein paar Heilzaubern helfe. Es wird gerade ausreichen, um ihn bis zu unserer Ankunft am Leben zu erhalten. Ich kann ihn nicht komplett heilen.“
Potter beugte sich nach unten und hob den Jungen auf. Xaviers Arme offenbarten Einstichwunden in seinen Venen. Seine rechte Armbeuge war nichts weiter mehr, als eine eiternde Wunde. Für seine sechszehn Jahre war er unglaublich klein und schwach. Vermutlich aß er nicht genug, wenn überhaupt. Bestimmt gab er all sein Geld für irgendwelche Drogen, die er gerade bekommen konnte, aus. Severus kannte einige der Drogen, die der Junge bereits in seinem jungen Leben genommen hatte – Heroin, Kokain, LSD und Methamphetamin. Severus erkannte die blauroten Pillen als ein besonders starkes Amphetamin.
Er beobachtete Potter auf irgendwelche verurteilenden Anzeichen hin, aber da waren keine. Selbst in Draco Malfoys Gesicht schimmerte Potters altbekannte Sorge für das Wohl anderer, sogar für irgendwelche Fremden, hindurch. Er erinnerte sich an das, was Hermine ihm über ihre Vermutung über Potters möglichen eigenen Drogenmissbrauch erzählt hatte. Vielleicht hatte es ja damit etwas zu tun. Es war ein Grund gewesen, warum Severus ihn heute Abend mitgenommen hatte.
Potter hielt starr seinen Blick auf das Gesicht des Jungen gerichtet. Den Grad an Sorge, der sich auf seinem eigenen Gesicht abzeichnete, war der, wenn sein eigener Sohn auf irgendeiner dreckigen Muggel-Straße zusammenbrechen würde. Genau wie seine Mutter…
„Dieser arme Junge“, flüsterte Potter. Er strich dem Jungen einige Haare von seiner schweißbedeckten Stirn und dann mit einem weiteren Blick hinüber zu Severus, nahm er ihn schließlich in seine Arme. Als er bereit war zu gehen, nickte er Severus zu.
„Woher wussten Sie, dass er hier sein würde?“
„Unglücklicherweise scheint Mr. Yaxley ein Muster zu verfolgen. Für einige Wochen geht es ihm immer relativ gut, doch dann erleidet er einen massiven Rückfall und benötigt Hilfe. Aus unerfindlichen Gründen scheint das so ziemlich alle fünfundsiebzig Tage der Fall zu sein.“
„Es ist nicht irgendein Fluch, oder?“, fragte Potter. „Das würde zumindest das Muster erklären.“ Ohne Zweifel hatte er während seiner Zeit bei den Auroren die etwas ausgefalleneren, selbstzerstörerischen Flüche gesehen. Es war vermutlich nicht allzu weit hergeholt, aber wahrscheinlich lag es außerhalb Severus‘ Möglichkeiten ihn zu heilen.
„Kann ich nicht sagen“, erwiderte Severus grimmig. „Jetzt folgen Sie mir.“
Bei Xaviers angeschlagenem Zustand wollte Severus eine Apparation nicht riskieren, also liefen er und Potter schweigend zum nächsten Muggel-Krankenhaus. Zum Glück war es nicht allzu weit und ein paar Minuten und einen Verwirrungszauber später bezüglich irgendwelcher Fragen zu dem Jungen, wer er war oder woher er kam, fielen die Muggel-Doktoren über ihn her, holten ihn aus seiner Bewusstlosigkeit zurück und verabreichten ihm intravenös irgendwelche Medikamente.
„Was tun wir jetzt?“, fragte Potter, als er das Treiben hinter der Glasscheibe beobachtete.
„Wir verschwinden. Er bekommt jetzt die Hilfe, die er benötigt. Wir sind hier jetzt fertig.“
Überrascht zog Potter Dracos hellen Augenbrauen hoch. „Sie wollen nicht warten, bis er wieder voll bei Bewusstsein ist?“
Severus schüttelte mit dem Kopf. „Das ist sinnlos. Ich bin weder in dieser, noch in der magischen Welt sein Angehöriger oder sein legaler Vormund, also besitze ich aus rechtlicher Sicht, keinen Anspruch auf irgendwelche Informationen oder das Recht überhaupt hier zu sein. Er wohnt nicht bei mir. Ich kann ihn nicht aufhalten, morgen wieder dort hinauszugehen und sich weiterhin diesen Dreck in seinen Körper zu schießen.“
Potter sah komplett schockiert aus. „Aber er… Sie können ihn doch nicht einfach hier lassen. Er ist doch noch ein Junge!“
„Potter, wenn ich könnte, würde ich jeden Einzelnen von ihnen retten, aber wie Sie sehr wohl wissen, bin ich zurzeit vollkommen überlastet. Ich habe nur recht wenig Einfluss auf die anderen, was wirklich eine Schande ist, denn wenn ich diesen Einfluss hätte, dann würden sie nicht so leben und der Dunkle Lord hätte weitaus weniger Anhänger gehabt. Alles, was ich heute tun kann, ist ihn zu retten, für ihn heute etwas bewirken und ihm heute Nacht Hilfe zukommen zu lassen. Ich hoffe, morgen wird er die richtigen Entscheidungen treffen, aber ich kann das, was er morgen tun wird, nicht verhindern. In meinem Haus befinden sich vierzehn minderjährige Zauberer und Hexen, die mehr Zeit und mehr Aufmerksamkeit benötigen, welche ohne mich buchstäblich hilflos sind. Ich habe fünfzehn Abgänger, welche in dieser Welt auf sich alleine gestellt sind und nur von gerade Mal neunen weiß ich den Aufenthaltsort.“
„Ist das wirklich alles, was Sie tun können?“
„Ja, Potter, das ist es“, spuckte Severus durch zusammengebissene Zähne. Dachte er wirklich, er würde bewusst nichts tun, wenn er denn die Möglichkeiten dazu hätte?
Potter schwieg und dachte einen Moment darüber nach. Zweifelsohne überlegte er sich gerade, wie er diesen Jungen retten könnte (verflucht soll sein verdammter Retterkomplex sein), aber schließlich nickte er resigniert. „In Ordnung, Severus, wenn Sie das sagen.“
Sie apparierten zurück zum Grimmauldplatz, als Potters Verwandlung gerade nachließ. „Sie haben heute nicht die Nerven verloren, Potter, das war gut. Viele wären schockiert gewesen bei dem Anblick eines sechszehn Jahre alten Jungen, der wie Mr. Yaxley abhängig von Betäubungsmitteln ist. Viele hätten ihn hart dafür verurteilt.“
Potter nickte. „Sie hatten recht, Severus, es war nicht angenehm. Aber… er ist nur ein Junge, einer, dem das Leben einen schrecklichen Schlag versetzt hat. Ich bin froh, dass Hermine das nicht gesehen hat. Wie Sie bereits sagten, ich habe… etwas Erfahrung auf diesem Gebiet. Und, nun, danke, dass ich Sie begleiten durfte. Ich weiß, Sie vertrauen Ihre Abgänger nicht jedem an.“
„Nichts zu danken… Harry.“
*~*~*~*
Nur langsam krabbelte Severus in dieser Nacht in sein Bett und versuchte Hermine nicht zu wecken, die friedlich auf ihrer Seite schlief. Er kuschelte sich an ihre Seite und küsste leicht ihren Hals. Selbst wenn sie ihr Haar vor dem Schlafengehen zusammenband, konnte er noch immer den Duft von Orangen riechen.
Er dachte an Xavier Yaxley und wie die Jahre des Missbrauches und der Vernachlässigung eine zerbrochene Person zurückgelassen hatten. Einen Jungen, der bereits tot war, bevor er die Möglichkeit hatte wirklich zu leben. Severus wusste genau, wie gefährlich nahe auch er diesem Zustand gekommen war und wie ironische es doch war, dass ausgerechnet die dunklen Künste ihn vor diesem Schicksal bewahrt hatten.
Da er nicht eine Sache in seinem Leben als eine Selbstverständlichkeit betrachten wollte, drückte er Hermine fest an sich und küsste ihre Schläfe.
„Du bist zurück“, murmelte sie verschlafen.
„Hmmh.“
„Wie war es?“
„Du sollest weiterschlafen.“
„So schlimm?“
„Ja. Und ich musste Harry Potters Verachtung über mich ergehen lassen.“
„Warum?“
„Weil ich ihn nicht mit hierher zurückgebracht habe.“
„Aber warum…“
„Hermine, bitte. Wenn ich etwas tun könnte, denkst du dann nicht, dass ich etwas unternommen hätte? Vertraust du mir so wenig?“
„Ich meinte nicht…“
„Meine Hände sind auf so viele unterschiedliche Weisen gebunden“, flüsterte er.
„Erzähl es mir.“
„Dir, was erzählen?“
„Erzähl mir, wie deine Hände gebunden sind.“
Seufzend schüttelte er nur mit dem Kopf. „Es ist schon spät.“
„Bitte, Severus.“
Ein erneutes Seufzen. „Also schön…“
*~*~*~*
„Es war so schrecklich Hermine, dieser kleine Junge… er war gerade mal sechszehn… und die Drogen haben ihn komplett verbraucht“, erzählte Harry am nächsten Tag seiner Freundin. Sie saßen oben auf dem Dachboden, wo sie beide fernab von den Kindern und Erwachsenen ohne Störung reden konnten. Es war Samstag, also gab es keinen Unterricht. Harry war nur hier, um von letzter Nacht zu berichten.
Hermine seufzte. „Er will nichts davon hören, sie hierher zu bringen. Er sagt, er kann es nicht.“
„Ich… ich kann es einfach nur nicht verstehen, Hermine. Er hat sich diesen Kindern dermaßen verschrieben und er verhält sich so beschützend den Abgängern gegenüber, aber wenn es darauf ankommt, geht er nicht weiter. Er wird ihnen etwas helfen, aber nicht genug, um einen wirklichen Unterschied zu erreichen. Ich weiß, er fühlt sich verantwortlich, aber würde das nicht auch bedeuten, er will mehr für sie? Du kennst ihn besser als ich, was denkst du, was los ist?“
„Ich… ich verstehe es selbst nicht ganz, Harry. Ich denke, es ist sehr schwer für ihn. Ich denke, er hat alles, was ihm möglich war in die Sache hineingesteckt – seine Zeit, sein Geld, seine Energie und alles ist vollkommen schiefgelaufen. Ich denke, alles, was ihn jetzt noch antreibt, ist die Hoffnung, dass die Kinder, die noch hier sind, nicht diesen Weg einschlagen werden. Und wenn du wirklich darüber nachdenkst, kann er auch nur so viel für sie tun. Sie stehen nicht legal unter seiner Obhut, sie haben die Schule verlassen und technisch gesehen unterstehen sie dem Ministerium und das Ministerium tut rein gar nichts für sie. Er hat weder irgendwelche Quellen noch die Unterstützung… ich glaube wirklich, er tut alles in seiner Macht stehende.“
„Aber warum bringen wir sie nicht einfach hier her? Wir beiden wissen, wir haben genügend Platz hier. Verdammt, selbst er weiß, dass wir genug Zimmer haben. Mit etwas ‚törichtem Rumgefuchtel mit dem Zauberstab‘ könnte er ganz einfach dem Haus weitere Etagen hinzufügen oder die Zimmer vergrößern.“
„Er hat nicht das Sorgerecht für sie, Harry. Er konnte die anderen hierher bringen, weil er ihr legaler Vormund ist. Aber er hat kein Recht die anderen in dieses Haus zu bringen.“
„Dann sorgen wir dafür, dass er dieses Recht bekommt.“
Hermine schüttelte mit dem Kopf. „Wenn die Kinder das Alter von zwölf Jahren überschritten haben, dann müssen sie ihr Einverständnis geben und er sagt, sie würden es nicht tun. Und selbst, wenn er es tun würde, wäre es verdammt schwierig das Ministerium davon zu überzeugen.“
Harry fuhr mit einer Hand durch seine abstehenden, schwarzen Haare. „Also gut, können wir sie nicht trotzdem herholen? Es ist ja nicht so, als ob sich das Ministerium um ihre Aufenthaltsorte kümmert – welchen Unterschied macht es da schon, wenn sie hier oder woanders sind?“
„Wenn das Ministerium das herausfindet, dann könnte es im schlimmsten Fall als Entführung, aber wahrscheinlicher als einen Vorwand angesehen werden, ihm das derzeitige Sorgerecht zu entziehen und die Kinder wieder zurück zu Miss Glastonburry ins Waisenhaus zu schicken. Die Chance ist schwindend gering, aber er sagt, er ist nicht bereit das Risiko einzugehen. Er ist bereits von fünfzehn Kindern der legale Vormund und technisch betrachtet, hätte er lediglich die Erlaubnis für fünf von ihnen. Kingsley hat es aus einem Gefallen heraus für ihn getan, und er musste sich ganz schön dafür einsetzen und er sagte auch, es sei das Äußerste, was er tun könnte, ohne unnötige Aufmerksamkeit im Ministerium zu erregen.“
Frustriert warf Harry seine Arme hoch. „Also es muss doch etwas geben, was wir tun können! Hermine, gestern Abend habe ich einen sterbenden Sechszehnjährigen in meinen Armen gehalten. Die Menge der Pillen, die er geschluckt hat, war einfach unvorstellbar. Ein vollkommen erwachsener Mensch hätte so viel nicht vertragen können. Ich hätte zu meiner schlimmsten Zeit niemals so viel vertragen können. Ich habe das Gespräch der Ärzte gehört – er hatte weitaus mehr als nur die Pillen zu sich genommen, die er Severus gegeben hatte. Und der Junge ist gerade mal sechszehn! Welche Zukunft hat er denn, wenn er ständig auf der Straße bewusstlos wird, im Krankenhaus landet oder sowohl von den Muggeln, als auch Zauberern verhaftet wird? Kannst du dir vorstellen, was passieren könnte, sollte er in diesem Zustand versuchen, Magie anzuwenden? Wenn er in der Anwesenheit von den Muggel-Doktoren in seinem berauschten Zustand versucht hätte seinen Zauberstab zu ziehen und etwas zu zaubern?“
Hermine nickte. „Es ist eine schwierige Situation, nicht wahr?“
Harry lief auf und ab. „Dieses verfluchte Ministerium“, zischte er durch zusammengebissene Zähne. „Es reicht wohl nicht, dass sie genau wie die Todesser für fast genauso viele Kriegsverbrechen schuldig sind, nein sie müssen darüber hinaus noch deren Nachwuchs bestrafen und jemanden wie Severus keine vernünftige Hilfe zukommen lassen. Und weißt du was, ich bezweifle wirklich, dass sie die Einzigen mit diesen Problemen sind. Wie viele Menschen haben ihr Zuhause, ihre Lebensgrundlage, ihre Zauberstäbe, ihre Magie im Krieg verloren? Wie viele Familien wurden wegen dem Ministerium auseinandergerissen? Sicherlich, sie alle geben Voldemort die Schuld dafür, nachdem er es übernommen hatte, aber mal ehrlich, wie viele von ihnen haben noch ihre Hände mit im Spiel?“
„Es regt mich jeden Tag aufs Neue auf, Harry, und das ist auch einer der Gründe, warum ich gegangen bin.“ Sie seufzte. „Wenn man nur daran denkt, ich hatte einst mal so großartige Pläne gehabt, die Zauberwelt durch das Ministerium zu verändern. Wenn ich jetzt auf mein Leben zurückblicke, da graut es mir manchmal, wie naiv ich wirklich gewesen bin.“
„Du warst nicht naiv, du hattest eine Überzeugung“, antwortete Harry halb stichelnd. Das war immer ihre Umschreibung für ihre Wahl gewesen. „Aber ich weiß, was du meinst – wir dachten beide, wir könnten die Welt von Grund auf verändern.“
„So viel dann zum jugendlichen Idealismus“, meinte Hermine. „Huh, ich höre mich jeden Tag mehr und mehr an wie Severus.“
„Ich hoffe nicht, das bedeutet, du würdest aufhören, dir Sorgen zu machen.“
„Harry Potter“, rief Hermine, als sie mit lodernden Augen aufstand. „Steh nicht dort und beschuldige ihn, sich nicht zu kümmern. Er hat nicht aufgehört sich Sorgen zu machen und das wird er auch niemals tun. Wenn er aufgehört hätte, dann hätte er schon vor einer langen Zeit das Waisenhaus verlassen. Dann hätte er sich nicht zum legalen Vormund für fünfzehn Kinder erklären lassen. Er hätte nicht das Angebot dein Haus zu nehmen oder die Hilfe von den Schülern angenommen, die er am wenigsten ausstehen konnte. Er würde nicht so viele Abende dort draußen verbringen, um nach ihnen zu sehen, nur um dann wenige Stunden Schlaf zu bekommen, damit er denen, die hier sind und mit ihren Nachtängsten kämpfen, zu helfen.“
„Schon gut, schon gut, tut mir leid. Die Bemerkung war unangebracht, ich weiß.“ Harry fuhr erneut mit einer Hand durch sein Haar, wodurch es zu einem noch größeren Durcheinander auf seinen Kopf wurde. „Du hast recht, er muss das hier nicht tun.“
„Muss er nicht“, stimmte Hermine ihm zu. „Aber ich denke, er glaubt, er muss es. Ich glaube… ich denke, du verstehst einfach nicht, wie kaputt auch ihn der Krieg zurückgelassen hat. Leopold Clairemont hat mir letztens eine Eule geschickt. Er hat seinen ersten Schokofrosch gegessen und weißt du, welche Karte er erhalten hat? Severus. Er hatte keine Ahnung, dass dieser Mann ein Kriegsheld war und er hat mich darum gebeten, es zu bestätigen. Er hat mich auch gefragt, vor was sich Severus versteckte, denn kein Held wäre freiwillig hinunter in diesen Kerker gekommen, um sich um sie zu kümmern. Und das von einen elfjährigen Jungen!“
„Ich dachte, du hättest gesagt, es sei keine Verpflichtung für ihn, dass er sich wirklich sorgt, dass er es sogar selbst zugegeben hat.“
„Hat er auch, aber ich kenne ihn jetzt so viel besser, Harry. Er rennt vor der Zauberwelt davon. Ich denke, er fürchtet sich vor der Verurteilung und der Verachtung. Das ist auch, warum er, sobald er aus dem Koma erwachte, wieder in der Vergessenheit versunken war. Das ist es, warum er einen Job angenommen hatte, den sprichwörtlich sonst niemand haben wollte. Das ist der Grund, warum er die einzige Person ist, die sich ihnen auf drei Metern nähert, ohne sie verletzen zu wollen – er braucht sie genauso sehr, wie sie ihn brauchen. Er muss das Gefühl haben, etwas Gutes mit seinem Leben anzufangen, etwas Ehrliches. Ich denke, wenn er seine Abgänger sieht, ist es für ihn wie ein Schlag ins Gesicht, denn da hat er versagt und dadurch will er die, die hier noch bei ihm im Haus sind um so mehr retten. Und ich denke, das reißt ihn runter und lässt ihn glauben, dass es wirklich nichts gibt, was er dagegen tun kann, denn je mehr er versucht ihnen zu helfen, desto weniger scheint sich zu verändern. Ob er sie nun jeden Abend besucht oder nicht, ihr Schicksal ändert sich nicht dadurch. Hättest du danach noch sonderlich viel Hoffnung?“
Die beiden Freunde sahen sich an und fühlten sich vermutlich genauso geschlagen, wie es Severus tat.
Letztendlich war es Harry, der das Wort ergriff: „Hermine, du hast doch gesagt, die Abgänger sind alle Schützlinge des Ministeriums, nicht?“
Hermine nickte. „Sie sind alle noch minderjährig, selbst wenn ein paar von ihnen beinahe volljährig sind.“
„Ich weiß, wir haben aufgegeben das Ministerium von innen heraus zu verändern, aber wir sind doch das Goldene Trio oder etwa nicht? Wir haben noch immer recht großen Einfluss auf Kingsley, wir sollten ihn wirklich darauf aufmerksam machen.“
„Er weiß es doch längst und hat nichts unternommen.“
„Aber wenn wir ihm das größere Bild innerhalb der Zauberwelt zeigen, als etwas, was sowohl für die Abgänger, für die derzeitigen Kinder hier, die vermutlich denselben Weg einschlagen werden, genauso wie für all die anderen Kriegswaisen und Menschen, die durch den Krieg ihr Leben verloren haben, vielleicht wird er ja dann zuhören. Wir müssen nur die richtige Strategie haben.“
„Ich will deine Hoffnungen nicht allzu hoch schrauben, Harry“, begann Hermine behutsam. „Ja, es ist wahrscheinlicher, wenn wir das mit unseren Namen unterstützen, aber vertraust du wirklich darauf, dass das Ministerium etwas Vernünftiges damit macht? Selbst wenn sie dem zustimmen sollten, glaubst du, sie würden mehr als nur einen halbherzigen Versuch da hineinstecken? Ehrlich gesagt, ich vertraue ihnen da nicht. Und dann wird dadurch unser Ansehen beschädigt und die Kinder sind ungewollt der Öffentlichkeit ausgesetzt, denn ich glaube wirklich nicht, dass es nicht durchsickern wird.“
Harry seufzte. „Also vielleicht kriegen wir das Ministerium ja dann dazu es zumindest zu finanzieren, aber sie lassen es uns als eine Art Erweiterung von dem, was wir hier so oder so schon machen, laufen.“
„Wie meinst du das?“
„Eine Stiftung, Hermine“, sagte Harry. „Ich rede davon, dass wir beide eine Stiftung einrichten, die über das, was wir bereits tun, hinausgeht. Das hier ist erst der Anfang. Wir können den Abgängern helfen, wir können den Kindern hier helfen, wir können den erwachsenen Zauberern helfen, die gegen ihre Sucht und Arbeitslosigkeit oder was sonst der Krieg hervorgebracht hat, ankämpfen.“
„Du redest von einem, was, einem echten Sozialhilfeprogramm?“
„Ganz genau, etwas, was über das, was wir hier machen, hinausgeht und auch eine Änderung für sie bedeutet. Wir brauchen die Unterstützung des Ministeriums, aber wir leiten es, denn um ehrlich zu sein, ich traue ihnen nicht zu, es richtig zu machen, wenn überhaupt in Angriff zu nehmen. Ich denke, wir können das schaffen. Wir müssen jetzt nur noch die Einzelheiten definieren.“
„Harry, dafür brauchen wir mehr als nur ein paar Einzelheiten – das ist ein gigantisches Unterfangen. Ich weiß noch nicht einmal, wo wir da anfangen sollen.“
„Uns fällt schon was ein“, sagte Harry. „Tut es doch immer.“
*~*~*~*
Im nächsten Kapitel: Harry trägt seine Idee Severus vor; Severus spricht Hermine auf ihre Vergangenheit an und die Suche nach einem Heiler wird fortgesetzt.
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Luna ist auch eine Person, in die ich mich von Anfang an verliebt habe. Sie gibt der Handlung einen wichtigen, neuen Anstrich und sie lässt Harry Dinge anders betrachten. Ich war ihr wirklich von Anfang an verfallen.